Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Los geht es, wenn die Polizei Zeit hat. Bei Baustellen auf den Fernstraßen fährt die Autobahnpolizei mit, sobald sie einen Termin frei hat. Sagen Sie doch nicht, das sei bremenspezifisch! Nein, das ist bundesweit so, sie dürfen nicht allein fahren, deswegen ist Polizeibegleitung erforderlich; sie ist aber nur dann möglich, wenn die Polizei Zeit hat. Das ist nicht bremenspezifisch, aber Sie haben es eben so dargestellt, und deshalb musste ich noch einmal nach vorn kommen.

Sperrzeit 5.00 Uhr: Ich möchte die gleichen, die jetzt schimpfen, erleben, wenn Schwertransporte morgens um 5.30 Uhr oder 6.30 Uhr am Rangieren sind, weil sie zu lang sind, um mit einem Zug um eine Straßenecke biegen zu können. Ich möchte sie erleben, wenn der Berufsverkehr und der einsetzende Gewerbeverkehr behindert werden. Ich glaube, dann ist hier im Hafen wesentlich mehr Alarm! – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Golasowski.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte vorweg noch einmal – weil es nicht so deutlich geworden ist – beschreiben, worüber wir hier diskutieren!

Wir haben circa 20 000 Genehmigungsvorgänge im Amt für Straßen und Verkehr und in der Ortspolizeibehörde Bremerhaven, die sich mit Schwerlastund Großraumtransporten befassen. Dies sind also 20 000 Transporte im Jahr, bei denen die normalen Maße und Gewichte eines Lkws nicht eingehalten werden. Davon werden bei der Polizei circa 1000 begleitet, weil sie besondere Anforderungen oder Probleme mit sich bringen. Davon – das fällt in der Tat auf – müssen ein Drittel vor der Abfahrt beanstandet werden. Ich bin froh, dass unsere Polizei so aufmerksam ist und diese Fahrzeuge kontrolliert, denn von ihnen gehen für uns alle erhebliche Gefahren aus. Wenn es dazu beiträgt, schwarze Schafe davon abzuhalten, auf die Straße zu kommen, ist es richtig!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zu den Vorhaltungen, es seien Transporte über Niedersachsen geleitet worden, weil in Bremen die Genehmigung nicht erteilt wurde, kann ich weitere Beispiele anführen: Wir hatten auf der A 27 Baustellen, in dieser Zeit konnten bestimmte Größen nicht über diese Autobahn gehen, das heißt, sie mussten über Niedersachsen geleitet werden.

Wegen der Vorhaltung, eine Firma sei gezwungen worden, nach außerhalb zu gehen, habe ich mich erkundigt: Diese Firma ist nach wie vor in Bremen ansässig, hat allerdings eine Außenstelle in den neuen Ländern und dadurch die Möglichkeit, Anträge nicht nur in Bremen zu stellen, sondern auch dort, wo sie ihren Firmensitz hat, und das tut diese Firma jetzt auch. In der letzten Zeit hat sie sogar wieder mehr Anträge in Bremen gestellt als in dieser Außenstelle.

Ich habe am 15. Oktober 2008 mit dem Geschäftsführer und dem Vorsitzenden des Landesverbandes der Verkehrsunternehmen über all diese Fragen persönlich gesprochen und gefragt, ob es dort ein Problem gebe, das wir als Ressort noch nicht erkannt haben. Die Aussage sowohl des Geschäftsführers als auch des Vorsitzenden des Verbandes war: Es gibt keine Probleme, all das, was im täglichen Geschäft die Speditionsunternehmen bewegt, kann gelöst werden.

Was in diesem Gespräch allerdings auch deutlich wurde und darüber bestand mit dem Landesverband Einvernehmen: Es gibt Speditionen – es sind nicht viele, vielleicht auch nur eine – in Bremen, die ein besonderes Geschäftsmodell haben. Dieses Geschäftsmodell ist so aufgebaut, dass Transportaufträge last

minute angenommen werden, die normalerweise gar nicht mehr abgewickelt werden könnten. Dadurch verschafften sich diese Firmen einen Wettbewerbsvorteil, weil alle anderen Speditionen, die dieses Geschäftsmodell nicht haben, solche Transporte ablehnen. Diese Speditionen machen bei unseren Behördenmitarbeitern erheblichen Druck, die Last-Minute-Transporte noch genehmigt zu bekommen, um sich den Wettbewerbsvorteil zu erhalten.

Wir hatten in einer dieser Firmen sogar einen durchgeknallten Disponenten, der jedes Mal, wenn er seinen Antrag nicht mehr durchbekam, bei mir oder beim Senator angerufen hat, um noch einmal etwas für sich zu tun und diesen Transport zu ermöglichen. Ich hoffe, Herr Abgeordneter Focke, dass die Schreiben, die Sie bekommen haben, nicht von den Speditionen kommen, die dieses Geschäftsmodell betreiben, denn ein solches Geschäftsmodell werden wir nicht unterstützen können!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zum Schluss möchte ich aus einer E-Mail an unsere Mitarbeiterin zitieren, die eine Vielzahl dieser Anträge bearbeitet. Diese Mail ist aus der Mitte des Jahres, bevor diese Anfrage gestellt wurde: „Sehr geehrte Frau D., ich möchte mich auf diesem Wege noch einmal für Ihre hervorragende Unterstützung und professionelle Abwicklung bei der Planung und Durchführung der Schwer- und Großraumtransporte vom Neustädter Hafen zur Firma A. und zur Firma D. bedanken. Alles hat gut funktioniert, und dank Herrn S. und seinen Kollegen sind wir ja wirklich reibungslos, fast in Rekordzeit, und ohne größere Störungen für den Verkehr bis zum Ziel eskortiert worden. Grandios! Diese Transporte sind wirklich ein Beispiel für eine reibungslose Zusammenarbeit. Dafür vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich wünsche Ihnen und Ihren Kollegen eine angenehme Woche und verbleibe“: Der Disponent der größten deutschen Spedition, die wir haben. Ich wünsche mir, dass ich meinen Kolleginnen und Kollegen mitteilen kann, dass das

(Abg. P e r s c h a u [CDU]: Das ist das Gute mit den anderen! 19 000!)

von diesem Hause nicht nur als Einzelfall angesehen worden ist, sondern als Hinweis darauf, dass dieses Haus die Kolleginnen und Kollegen in dieser Sache unterstützt. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 17/589, auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion Kenntnis.

Zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamtinnen und -beamten

Große Anfrage der Fraktion der CDU vom 23. September 2008 (Drucksache 17/551)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 4. November 2008

(Drucksache 17/590)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Staatsrätin Buse.

Ich gehe davon aus, dass wir sofort in eine Aussprache eintreten und erteile als erstem Redner das Wort dem Abgeordneten Hinners.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der jüngsten Vergangenheit haben wir bundesweit vermehrt Meldungen über die zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gehört. Die CDU-Fraktion hat dies zum Anlass genommen, eine Große Anfrage zur Aufklärung über die Situation in Bremen und die Haltung des Senats dazu zu stellen.

Bevor ich auf die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingehe, möchte ich einen Blick auf die Entwicklung der Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft werfen, denn meines Erachtens ist das eine Phänomen von dem anderen nicht zu trennen.

Wie wir alle täglich sowohl aus den Medien als auch im persönlichen Umfeld erfahren können, haben der Respekt und die gegenseitige Achtung voreinander in der Gesellschaft deutlich nachgelassen. Das drückt sich auf unterschiedliche Weise und manchmal scheinbar ganz harmlos aus. Betroffen sind davon jedoch überwiegend die Schwächeren in unserer Gesellschaft. Dazu einige Beispiele: Häufig wird in öffentlichen Verkehrsmitteln kein Sitzplatz für behinderte oder ältere Menschen zur Verfügung gestellt. In anderen Fällen benehmen sich Verkehrsteilnehmer rücksichtslos gegenüber weiteren Verkehrsteilnehmern. In Warteschlangen vor Supermarktkassen oder beim Einstieg in öffentliche Verkehrsmittel wird gedrängelt, geschoben oder geschimpft. In Schulen wird Gewalt gegen Lehrer oder Mitschüler angedroht oder in vielen Fällen sogar angewendet. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Haben wir nicht häufig das Gefühl, dass der Grad zwischen diesen manchmal harmlos erscheinenden Respektlosigkeiten und der damit nicht selten einhergehenden Aggressivität und möglicherweise folgenden Gewaltausübung nicht ausgesprochen schmal ist? Zumindest könnte man zu diesem Schluss kommen, wenn wir uns vor Augen führen, dass – und zwar nicht selten – Autofahrer sich um einen Parkplatz prügeln, Kinder von Spielplätzen wegen der Geräuschentwicklung mit Gewalt verjagt werden, Menschen auf der Straße grundlos zusammengeschlagen werden oder Polizisten bei zunächst harmlos erscheinenden Einsätzen, wie beispielsweise wegen ruhestörenden Lärms, plötzlich von einer höchst aggressiven und gewaltbereiten Gruppe angegriffen werden – womit ich bei dem eigentlichen Thema angekommen bin.

Anhand dieser kurzen Beispiele habe ich, glaube ich, deutlich gemacht, dass wir eine gesamtgesellschaftliche Gewaltentwicklung betrachten und dieser entgegenwirken müssen.

(Beifall bei der CDU)

Der Senat weist in seiner Antwort auf die Große Anfrage der CDU darauf hin, dass er die Gewalttaten gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sehr ernst nehme und nicht tolerieren wolle. So weit, so gut!

In der Antwort zu Frage 1 stellt der Senat dar, dass die Anzahl der Verfahren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte im Jahr 2004 mit 331 Verfahren auf 414 Verfahren im Jahre 2007 angestiegen sei. Diese noch relativ moderat erscheinende Steigerungsrate zeigt allerdings nur zum Teil die Entwicklung auf, denn das eigentliche Problem ist nach Ansicht der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vor Ort nicht die Entwicklung der Anzahl der Delikte, sondern die erheblich zunehmende Gewaltbereitschaft und massive Gewaltanwendung. Das wird sehr deutlich, wenn wir die vom Senat in der Antwort zu Frage 7 dargestellten Einzelfälle betrachten:

Im Mai 2007 wurde ein szenekundiger Beamter der Bremer Polizei – das sind die, die im Rahmen von Fußballspielen die Fans begleiten und beobachten – im Steintor vor einem Fußballspiel von einem Hooligan zusammengetreten und dabei am Kopf schwer verletzt. Im März 2008 wurden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte auf der Sielwallkreuzung massiv angegriffen, als die Polizei die Ausübung eines Ballspiels beenden wollte und dabei behindert wurde. Auch dabei wurde eine Beamtin durch Tritte verletzt. Weiterhin ein massiver Angriff auf eine Polizeibeamtin in Kattenturm nach einem Ladendiebstahl durch eine Gruppe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Im Oktober 2008 wurde bei einem Angriff auf eine Streifenwagenbesatzung versucht, das Fahrzeug samt Insassen mit einem Molotowcocktail in Brand zu setzen.

Diese Einzelfälle, denen ich auf Grund meiner Gespräche mit Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten noch viele hinzufügen könnte, zeigen, dass die Gewaltbereitschaft in Teilen unserer Gesellschaft gegenüber der Polizei ein nicht hinzunehmendes Ausmaß erreicht hat.

Viele Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen erklärten mir in den Gesprächen, dass auch bei harmlosen Einsätzen viel häufiger als noch vor ein paar Jahren mit exzessiver Gewalt gerechnet werden muss und deshalb auch in den Reihen der Polizei die Angst davor deutlich zunimmt.

Die CDU-Fraktion fordert den Senat zu folgenden Maßnahmen auf, um dieser Entwicklung zu begegnen. Die Zusammenarbeit zwischen den senatorischen Bereichen Inneres, Justiz, Bildung und Soziales muss auch für diesen Deliktsbereich stark verbessert werden; eine Zusammenarbeit mit den Beteiligten des Konzepts „Stopp der Jugendgewalt“ muss hergestellt werden. Schnellere Durchführung der Strafverfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte! Dabei sollte auch die Forderung der Gewerkschaft der Polizei nach höheren Mindeststrafen dieses Deliktes – wie in Skandinavien und Großbritannien bereits geregelt – bundesweit geprüft werden. Die personelle Ausstattung der Polizei muss verbessert werden, da die Mindeststärke der Bremer Polizei gegenwärtig schon deutlich unterschritten ist. Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten müssen mit einer wirkungsvolleren Schutzausrüstung gegen Hieb- und Stichwaffen ausgestattet werden.

Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen als Vertreter des Staates besser vor Gewalttaten zu schützen und bei Verstößen konsequenter als bisher gegen die Täter vorzugehen. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Genauso wichtig ist meines Erachtens die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft und Respektlosigkeit im täglichen Leben. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunehmende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, welches Thema als Große Anfrage im September eingebracht wurde, steht seit Mitte Oktober in Bremen unter einer neuen Betrachtungsweise.

Vier Jugendliche lockten einen Bremer Streifenwagen in einen Hinterhalt, um ihn zu demolieren, anzuzünden und die Besatzung anzugreifen. Die Ju––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

gendlichen waren in der Vergangenheit wegen Schulschwänzens von Polizisten zum Unterricht gebracht worden, sie hätten sich deshalb von der Polizei genervt gefühlt und wollten ihr den Kampf ansagen, so das Ergebnis der Vernehmung. Die Ermittler stellten in der Nähe des Tatorts einen Holzschlagstock, einen Molotowcocktail, einen Benzinkanister sowie Einweghandschuhe sicher. Nach Polizeiangaben wollten die Täter die Beamten mit Schlägen auf die Motorhaube ablenken und dann einen Gullydeckel in das Heckfenster werfen. Daraufhin sollten der Wagen angezündet und die Beamten gezielt angegriffen werden.

Nein, das ist nicht der Alltag auf Bremens Straßen, aber dieser Einzelfall sollte uns alle nachdenklich stimmen! Das ist sicherlich auch eine der Kernbotschaften des Senats, dass er schon erklärt, dass gar nicht so sehr die Anzahl der Delikte gegen Vollstreckungsbeamte gestiegen ist, sondern vielmehr die Qualität eine andere geworden ist. Körperliche Gewalt, Einsatz von Waffen oder gefährlichen Gegenständen gehören heute in der Auseinandersetzung mit dazu. Wenn ich sehe, wie viele Beamtinnen und Beamte sich ihr Wochenende um die Ohren schlagen müssen, um zum Beispiel auf Bremens Vergnügungsmeile Recht und Ordnung durchzusetzen, lässt mich das schon an der Verhältnismäßigkeit zweifeln.

Neben der von den Koalitionsfraktionen initiierten und nun auch endlich vom Senat umgesetzten Waffenverbotszone werden wir auch in diesem Bereich wohl nicht darum herumkommen, uns weiter Gedanken zur Problemlösung zu machen. Auf Dauer können wir diesen massiven Polizeieinsatz eigentlich nicht leisten. Der Senat ist also aufgefordert, hier nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, denn er begründet immerhin den Anstieg von Widerstandshandlungen unter anderem mit einer erhöhten Präsenz auf der Discomeile. Der Senat hat aber auch klargestellt, dass er derlei Angriffe nicht toleriert und ihnen mit den notwendigen rechtsstaatlichen Mitteln begegnen wird. Das bedeutet – da darf man den Senat auch ruhig loben –, dass Strafverfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder in diesem Zusammenhang erfolgte Körperverletzung in Bremen nicht auf die lange Bank geschoben werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die von der CDU aufgeworfene Frage, warum das Adhäsionsverfahren, also die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche in Strafverfahren, generell so wenig genutzt wurde, ist, glaube ich, ein bundesweit zu beachtendes Phänomen. Hier tut der Bundesgesetzgeber gut daran, die weitere Entwicklung zu beobachten und eventuell weiter rechtlich nachzubessern. Ansonsten kann man konstatieren, dass das Innenressort und die Polizei nicht blauäugig in den Himmel starren, sondern zeitnah auf immer wieder