Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein bisschen unüblich, dass der wirtschaftspolitische Sprecher sich in eine bildungspolitische Debatte einmischt. Das hat vor allem damit zu tun, dass meine Kollegin Frau Stahmann krank ist, ich möchte ihr von dieser Stelle aus gute Genesung und Besserungswünsche übermitteln.
Lassen Sie mich mit Genehmigung des Präsidenten mit einem Zitat aus einem Bürgerschaftsprotokoll beginnen! „Herr Präsident, meine Damen und Herren!“ – steht im Protokoll –, „Parlamentarische Anfragen haben für die Fragen stellenden Fraktionen mitunter Folgen wie diese: Erstens, manchmal begreift man erst anhand der Senatsantwort, was man wirklich gefragt hat, was man meinte, gefragt zu haben, was man vielleicht noch präziser hätte ausführen sollen, und zweitens, man hat manchmal nach den Senatsantworten zwar viele Antworten, aber noch viel mehr ganz neue, dringlichere Fragen.“
Das ist aus dem Protokoll der Bürgerschaft aus dem Jahr 1999, das war das Eingangsstatement des Abgeordneten Jäger von der CDU. Vizepräsident Dr. Kuhn übernahm danach den Vorsitz, vermerkt das Protokoll auch. Es ist zehn Jahre alt. Die Frage damals hieß: „Verständnis im Unterricht und Lehre für ökonomische Prozesse an Schulen und Hochschulen fördern“, irgendwie ziemlich identisch, irgendwie ziemlich kontinuierlich, irgendwie aber auch nicht falsch.
So gesehen glaube ich, Herr Rohmeyer, und da kommen wir jetzt zu dem Inhaltlichen. Sie machen es sich einfach, Sie sagen, Schule soll erklären, was soziale Marktwirtschaft ist. Wenn Ökonomie so einfach wäre, dass es eine exakte Wissenschaft im Sinne von Naturwissenschaft wäre, hätten Sie recht. So ist es aber nicht! Es gibt mehrere, es gibt eine Vielzahl ökonomischer Systeme, die sich grundsätzlich ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
unterscheiden. Da könnte man sagen, von Marx bis Adams ist die Bandbreite sehr breit. So gesehen glaube ich, dass man die Schülerinnen und Schüler auch darauf vorbereiten muss, dass sie begreifen, welches System denn eigentlich ihren Interessen am nächsten kommt, denn es ist immer auch eine Interessensfrage und nicht ausschließlich – –.
Herr Rohmeyer, lassen Sie mich doch einmal ausreden! Ich bin doch hier bildungspolitisch ganz neu unterwegs, und hören Sie sich doch an, was ein Wirtschaftspolitiker der Grünen wichtig findet, was Bildungspolitik an dieser Stelle leisten sollte!
Ich möchte gern, dass Schülerinnen und Schüler begreifen, wo eigentlich der Unterschied liegt in dem Interesse, das vielleicht die Handelskammer hat, und dem, das die Gewerkschaften haben. Wo liegen da die Unterschiede? Auch das sind wichtige Fragen, die Sie hier mit dem Begriff soziale Marktwirtschaft einmal eben schlankweg natürlich nicht abgearbeitet haben.
Meine These ist zum Beispiel: Wirtschaftspolitik muss heute immer auch eine sozialökologische Marktwirtschaft sein, nicht nur sozial, sondern auch ökologisch.
Das könnte man in aller Breite nicht in fünf Minuten erklären; gleichwohl ist es mir zu einfach, was Sie in Ihrem Beitrag eben vorgetragen haben.
Ich habe mir die Mühe gemacht, die Antwort des Senats durchzulesen, wobei es mir an einigen Stellen schwergefallen ist, einfach schon aufgrund der Sprache. Mich wundert es manchmal, dass im Hause Bildung, das ja eigentlich eine ganze Menge mit Didaktik und Vermittlung zu tun hat, eine Sprache gewählt wird, die zu verstehen selbst für einen Abgeordneten relativ mühsam ist. Ich bin beileibe nicht so ungebildet, dass ich an Fremdwörtern scheitern würde, aber – mit Verlaub, Frau Senatorin – die Sprachmelodie ist mir manchmal doch sehr fremd. In Ordnung, das sind die Spezialisten, und ich bin es eben nicht.
Mein Interesse ist, dass die Schülerinnen und Schüler frühzeitig begreifen, welche Rolle Geld spielt; das Taschengeld ist – es wurde schon angesprochen – eine gute Möglichkeit zu lernen, wie man mit Geld umgeht, wie man sich in Geschäften verhält, wie man Waren und Qualitäten vergleicht und wie man all das Komplexe, das Wirtschaft ausmacht, lernbar und begreifbar macht.
Meine These ist, dass die CDU die Kontinuität dieser Frage ein Stück weit da herleitet, denn – und da zi
tiere ich auch noch einmal aus dem Protokoll, was ich eben schon getan habe – da sagte eine Bildungsministerin vor zehn Jahren in Bezug auf die Industrie- und Handelskammer: „Das Ziel muss die Sicherung einer systematischen und breit angelegten Vorbereitung auf unternehmerische Selbstständigkeit sein.“ Das, glaube ich, muss das Ziel gar nicht sein.
Nein, das war in Nordrhein-Westfalen, und Frau Behler hat es in Bezug auf die Kammern gesagt. Zum Verständnis, Herr Rohmeyer, im Grunde genommen hat sie versucht, die Position der Kammern darzulegen, und die ist mir dann doch viel zu einseitig. Ich glaube, dass Ihr Interesse an diesen Fragen sich eher aus dieser Richtung speist, während mein Interesse ist, dass wirtschaftspolitisches Verständnis auch damit zu tun hat, dass man sich in dieser Gesellschaft zurechtfindet und nicht nur, dass man am Ende seiner Ausbildungskarriere Unternehmer werden will. Auch die Arbeitnehmer müssen verstehen, wie ökonomische Zusammenhänge funktionieren. Wenn Sie bei der Handelskammer einen Kurs über Ökonomie belegen, wird er deutlich andere Akzente setzen als ein Kurs zu dem gleichen Thema bei der Gewerkschaft. Daran sehen Sie, dass die Ökonomie eben nicht aus einem Guss ist, und man es sich nicht einfach machen und erklären kann, dass – ähnlich wie in der Mathematik – zwei und zwei vier ergeben, so ist Ökonomie nicht! Wenn ich noch einen Satz zur derzeitigen Krise sagen darf! Ich glaube, dass die Theorien in der Ökonomie häufig gar nicht geeignet sind, die Wirklichkeit zu verstehen, denn wir stehen allesamt derzeit relativ ratlos davor, was in der Weltwirtschaft gerade passiert. Noch vor einem Jahr war die Stahlbranche die Boombranche überhaupt, und ehe man sich versieht und so richtig weiß, warum eigentlich, wird auf einmal Kurzarbeit gemacht. Da sagen Sie mir: Welche ökonomische Theorie kann uns das detailliert erklären und vor allem,
welche ökonomische Theorie, Herr Rohmeyer, wäre in der Lage, vorausschauend zu definieren, was man an welcher Stelle politisch wie machen könnte, damit man möglicherweise diese oder jene Wirkung hat?
Wir haben gestern über das Konjunkturpaket diskutiert. Ehrlich gesagt, alle Redner – selbst der Bürgermeister – haben doch deutlich zugegeben, dass man nicht hundertprozentig weiß, ob die erhoffte Wirkung tatsächlich eintritt. Das zeigt schon die Ungenauigkeit in den Fragen der Ökonomie, und mein Interesse ist, dass Bildungspolitik diese Ungenauigkeit zumindest mittransportiert und in diesen Bereichen aufgreift. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege Möhle hat recht: Ökonomie ist in der Tat keine exakte Wissenschaft, aber ich muss ihn enttäuschen, auch die Naturwissenschaften sind das in weiten Teilen nicht. Sie haben aber einen Unterschied: Das, was in der Schule in den Naturwissenschaften gelehrt wird, ist weitaus abgesicherter an Erkenntnissen – auch wenn wir wissen, dass Newtons Welt nicht mehr die Welt ist, in der wir leben – als das, was wir in der Ökonomie beobachten können.
Natürlich ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler ein ökonomisches Verständnis entwickeln, auch wenn wir nicht gesichert sagen können, welche die richtige Theorie ist und was uns weiterhilft, und wir in Wahrheit nur über Lösungs- und Erklärungsansätze sprechen können.
Trotzdem gibt es einige Dinge, die Kinder in der Schule und gleichzeitig auch im Elternhaus erfahren können, das ist ja mit dem Taschengeld schon deutlich angesprochen worden. Ich möchte deswegen noch einen Aspekt hervorheben, der mir wichtig ist, nämlich den Aspekt der Schülerfirmen. Dort können Kinder lernen, dass Dinge erwirtschaftet werden müssen, dass man Vormaterialien dafür braucht, dass das Geld kostet, dass man dafür wieder Geld hereinbekommen kann, dass dabei Überschuss oder Verlust entstehen kann; das sind Erfahrungen, die Kinder machen können. Schon im Kindergarten ist es in Bremen erfolgreich praktiziert worden, und in der Grund- und, viel besser noch, in der Oberschule beziehungsweise im Gymnasium geht das natürlich weiter. Das sind Möglichkeiten, bei denen Kinder das erfahren können. Dieses Erfahren geht weit über das Erlernen hinaus: Das sind nämlich Erfahrungen, die man den Kindern nicht nehmen kann. Das sind Erfahrungen, die verknüpft werden mit den Erlebnissen, beispielsweise der Pizza, die man gebacken hat und die man dann
Wir als Liberale finden es gut, wenn die Kinder lernen, dass erst einmal Wertschöpfung stattfinden muss, dass etwas erwirtschaftet werden muss, bevor es wieder ausgegeben und verteilt werden kann. Das ist eine Erfahrung, die wir den Kindern gern mitgeben wollen. Deswegen sollten Schülerfirmen auch ihren Platz haben und in den Rahmenbildungsplänen Berücksichtigung finden, damit klar wird, was Wirtschaften ist.
Es ist ein Weiteres, dass die Kinder erfahren, was Soziale Marktwirtschaft ist. Wir wissen doch alle, dass der Markt selbst nicht immer die besten Ergebnisse bringt, wenn es dazu kommt, dass wir am Ende Oligopole oder Monopole haben. Wir wissen alle, dass das dann keine Marktwirtschaft in dem Sinne mehr ist, wie wir uns das vorstellen, sondern dass es Rahmenbedingungen und Rahmensetzungen braucht, damit eine soziale Marktwirtschaft entstehen kann. Das ist die beste Marktwirtschaft, die ich mir vorstellen kann, die es in unserem Lande geben soll.
Bei dieser ganzen Diskussion und auch bei den Schülerfirmen ist wichtig, dass dabei auch ein anderes Bild vermittelt wird. Bei Herrn Möhle klang das eben sehr negativ: Die Schüler sollten nicht lernen, dass Unternehmertum etwas Gutes ist. Ich möchte, dass Schüler lernen, dass Unternehmertum genauso wie die abhängige Beschäftigung ein Weg für das eigene Leben sein kann und dass sie sich entscheiden können. Das Bild, das über Marktwirtschaft und Unternehmertum in unseren Schulbüchern vermittelt wird, entspricht nicht meinem und unserem Bild, und da kann noch Etliches getan werden.
Es ist deutlich geworden, dass es bei den Pädagogen Streitigkeiten darüber gibt, ob es besser in einem Fach oder in anderen Fächern mit unterrichtet wird. In diesen Streit möchte ich mich nicht einmischen; wir finden nur wichtig, dass es seinen angemessenen Platz in der Schule findet.
Wir haben die Diskussion über die Frage, was alles unterrichtet werden muss, politische Bildung steht ja auch noch auf der Tagesordnung und andere Fächer und Themen. Natürlich muss man das alles abwägen, und man muss auch ganz klar sagen: Als Erstes kommen die Grundfertigkeiten und dann kommen diese Fragen. Ohne Grundfertigkeiten geht nichts, und ökonomisches Verständnis gehört dazu, denn sonst können wir uns von irgendwelchen politischen Scharlatanen auch ins Bockshorn jagen lassen. Wir erleben es ja gerade in dieser Diskussion, die wir im Moment über die Krise führen, dass dort einige selbst
ernannte Gurus durch die Welt laufen und erzählen, wie es denn funktioniert, wobei die Theorie dafür noch fehlt und wir alle nur aufgrund unseres ökonomischen Verständnisses argumentieren können und damit die besten Lösungen vorschlagen, wie es die FDP mit ihren Vorschlägen in dieser Debatte getan hat. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe schon anlässlich einer öffentlichen DGB-Veranstaltung freimütig bekannt, dass ich diesen Antrag begrüße, dass ich finde, dass einiges Richtige darin ist, und ich möchte kurz sagen, was! Wir müssen den Schülerinnen und Schülern in der ökonomischen Bildung sowohl die Thematik der persönlichen Lebensführung als auch die Thematik der politischen Teilhabe durch ökonomisches Wissen darbieten. In dieser Form haben sie ein Recht darauf, über beides informiert und unterrichtet zu werden und zu lernen, sich mit beidem auseinanderzusetzen.
Ich finde auch richtig, dass unsere Tradition der sozialen Marktwirtschaft erklärt wird, denn wir sind eventuell auf dem Wege, diese zu verlassen, wenn ich so manche Politikerinnen und Politiker höre, die zum Teil nur noch von menschlicher Marktwirtschaft sprechen. Das finde ich sehr verdächtig, denn es erinnert mich an die Tendenz von Herrn Bush, der von einem Kapitalismus mit Herz und dergleichen spricht. Dahinter verbergen sich ganz andere Dinge als das, was wir mit sozialer Marktwirtschaft in unserer Tradition gemeint haben und die Sie immer wieder auf dem Wege sind zu verlassen, wie Sie es zum Teil schon getan haben. Dazu zählt nämlich auch Wohlstand für alle. Das würde man heute nur noch vonseiten der LINKEN erfinden, das würde Ihnen gar nicht mehr über die Lippen kommen: Wohlstand für alle als Teil der sozialen Marktwirtschaft. Wir sind diejenigen, die dafür kämpfen, dies zu erhalten!
Es ist auch wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler das unterrichtet bekommen, und es ist sehr wohl richtig, von sozialökologischer Marktwirtschaft zu sprechen, insofern gebe ich dem Kollegen Möhle recht. Diese Weiterentwicklung muss den Schülerinnen und Schülern als Teil der Allgemeinbildung unbedingt erklärt werden. Sie müssen die Chance haben, dazu selbstständig zu lernen, und sie haben ein großes Interesse daran. Das war – nebenbei gesagt – auch bei mir selbst schon so. Ich habe schon als Schüler zusätzlich zum Gymnasium in Bremerhaven einen Volkshochschulkurs zum Thema Wirt––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Es bleibt dabei, dass diese Fragen für uns alle essenziell wichtig sind und dass es ein großes Wissensdefizit in diesem Bereich gibt. Manche sprechen von einer ökonomischen Alphabetisierung, die nötig sei, so weit möchte ich nicht gehen, aber in diesem Bereich haben wir eine große Aufholnotwendigkeit.