(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Das war ja gestern!)
Ich kann mich erinnern, dass Sie gestern einen Antrag eingebracht haben, wo Sie Maßnahmen gegen Homophobie fordern. Sind nicht Regelungen, die die sexuelle Orientierung als Diskriminierungstatbestand verbieten, also die Diskriminierung wegen homosexuellen Verhaltens, nicht genau die Regelungen, die Sie fordern?
Herr Kollege Frehe, würden Sie mir in der Einschätzung zustimmen, dass das Landesgleichstellungsgesetz, das LGG, nun doch ein zu trennender Sachverhalt von dem Gegenstand dieser Anfrage ist, nämlich vom AGG, was ja in der Zeitfolge erheblich später erlassen worden ist, und von der Richtlinie, über die wir jetzt im Besonderen diskutieren? Auf Letztere hatte ich meine Anmerkungen bezogen.
Ich sehe, dass beide den gleichen Gegenstand haben, nämlich Diskriminierung aufgrund bestimmter Merkmale!
In dem einen Fall ist es das Geschlecht, in dem anderen Fall sind es andere weitere Merkmale, aber eben auch das Geschlecht, das nicht zu einer Diskriminierung führen darf.
Herr Kastendiek, ich bin nicht überrascht gewesen über die Position, die Sie bezogen haben, weil das auch der Auffassung der Bundesregierung entspricht. Aber ich bin dennoch überrascht, dass Sie die Argumente wiederholen, die sich offensichtlich als falsch erwiesen haben. Es hat sich als falsch erwiesen, dass der Rechtsstaat zusammenbricht, wenn wir – –.
Das haben Sie nicht behauptet? Ich war dabei, als das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz behandelt worden ist und habe eine Anhörung der CDU-Bundestagsfraktion mitgemacht, wo dort ein Rechtsprofessor befürchtete, dass hier die rechtlichen Regelungen im Privatrecht nicht mehr umsetzbar sind, weil – –.
Herr Frehe, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, aber ich bitte doch wirklich noch so viel Disziplin zu wahren, dass wir dem Redner heute noch zuhören!
Ich habe erlebt, dass insbesondere bei dem Thema Beweislastumkehr, beziehungsweise geht es hier ja nur um Beweiserleichterungen, gedacht worden ist, damit könnte das gesamte Privatrecht gekippt werden. Diese Beweislastumkehr ist im AGG bereits verankert. Wir haben keinerlei Hinweise darauf, dass dies zu Beweisschwierigkeiten führt. Keinesfalls ist es so, dass willkürlich einfach nur behauptet werden muss, dass ich diskriminiert werde, um dann anschließend rechtlich durchzusetzen, dass der andere dann nachweisen muss, dass ich nicht diskriminiert werde, sondern es ist anders: Ich muss die Tatbestände glaubhaft nach der Richtlinie und nach dem AGG sogar beweisen, die eine Diskriminierung begründen, erst dann kommt die Beweislastumkehr, weil es die Motivlage betrifft, die ich nicht schwerlich an Gegenständen beweisen kann. Dann tritt die Beweislastumkehr ein, und der andere muss beweisen, dass die Benachteiligung oder eine Auswahl aus anderen Motiven getroffen worden ist.
Wir sind mit diesem Prinzip seit einiger Zeit im Arbeitsrecht gut gefahren, und es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass dies irgendwelche Schwierigkeiten in der Rechtsfindung gemacht hat. Insgesamt kann gesagt werden, die Erfahrungen, die mit den Richtlinien gemacht worden sind und mit der Umsetzung
im AGG, dass zum Beispiel erreicht wurde, dass behinderte Menschen jetzt Versicherungen abschließen können – vorher sind sie zum Beispiel aus bestimmten versicherungsvertraglichen Konstellationen ausgeschlossen gewesen –, das ist jetzt möglich, das kann ich jetzt einklagen –, sind eher positiv. Ich bitte Sie deswegen, nicht weiter Ihre Vorurteile aufrechtzuerhalten, und ich freue mich, dass der Senat zum Glück eine andere Position als die Bundesregierung hier eingenommen hat. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ja froh, Herr Frehe, dass Sie dann doch noch ein bisschen die Kurve bei dem Vorwurf von Argumenten gekriegt haben, die hier von uns und auch von der CDU-Bundestagsfraktion keiner erhoben hat, nachdem Sie klargestellt haben, dass es ein einzelner Gutachter war. Ich finde, so kann man mit solch einem Thema auch nicht umgehen, meine Damen und Herren. Das ist meine erste Aussage!
Meine zweite Aussage: Sie behaupten, in dem Richtlinienentwurf steht nichts von Beweislastumkehr. Bitte lesen Sie den Artikel 8 – Beweislast –, dort steht es ganz dezidiert, das ist eine qualitative und quantitative Veränderung der vorhandenen Richtlinien. Darin steht eindeutig etwas von Beweislastumkehr. Auch das versuchen Sie hier zu negieren, und dann sagen Sie, die Erfahrungen, die vorliegen, sind so positiv, dass Sie ja gar nichts gegen den neuen Richtlinienentwurf haben könnten. Bitte, das erklären Sie mir einmal! Der Richtlinienentwurf liegt vor, er ist noch nicht verabschiedet, es können noch keine Erfahrungen vorliegen.
Sie behaupten aber, dass die Erfahrungen mit dem Richtlinienentwurf, der noch nicht genehmigt worden ist, positiv sind. Ich finde, so kann man damit nicht umgehen. Sie negieren hier die materiellen Veränderungen des Richtlinienentwurfs der Kommission. Er wird massive bürokratische Folgen nach sich ziehen, weil er sich sehr stark in den zivilrechtlichen Bereich ausweitet, und das ist genau das, was wir kritisieren, Bürokratie und Abbau von Subsidiarität. Ich glaube, dass wir letztendlich den Betroffenen damit nicht gerecht werden. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auch ich will diese Debatte nicht in die Länge ziehen. Es ist ja deutlich geworden, dass offensichtlich einige Wissenslücken selbst durch die Beantwortung der Großen Anfrage aufseiten der Koalition nicht geschlossen werden konnten. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich wirklich noch einmal eingehend mit dem auseinandersetzen, was die EU-Kommission hier tatsächlich vorgeschlagen hat. Ich rate Ihnen auch dringend, mit den Repräsentanten ihrer Parteien auf Bundesebene noch einmal ein Gespräch darüber zu führen, ob das gerade für wirtschaftlich schwächer gestellte Bundesländer wie Bremen solch ein geeignetes Instrument sein kann. Ich glaube nicht, und ich bin auch der Meinung, und deshalb haben wir das auch, Herr Kollege Frehe, hier immer so vertreten, dass es einen Unterschied in der Frage von Anti-Diskriminierungspolitik, für die wir als Liberale in der Tat sehr eintreten, zwischen der Frage, was muss man gesetzlich regeln und was kann man vielleicht darüber hinaus an Maßnahmen ergreifen, gibt.
In der Tat haben Sie mich heute Morgen erheblich missverstanden. Ich habe mich dafür ausgesprochen, dass wir innerhalb des bestehenden gesetzlichen Rahmens von Schulerziehung und Schulbildung Maßnahmen ergreifen, um dort Aufklärung in diesem Bereich, den Sie angesprochen haben, zu erreichen. Das halte ich für geeignet. Dafür braucht es kein neues Gesetz, das ist hier von mir nicht gefordert worden, genauso wenig wie von meinen Kollegen aus meiner Fraktion. Im Übrigen denke ich schon, es ist der Sache nicht dienlich, wenn Sie hier einerseits eine Große Anfrage, die man ja normalerweise stellt, um Aufklärung über Sachverhalte zu schaffen, als Podium benutzen, um zu vernebeln und zu verschleiern, was das eigentliche politische Vorhaben ist. Wenn Sie diese Inhalte, die heute in dem Kommissionsentwurf enthalten sind, national durchsetzen wollten, dann wüssten Sie genau, dass Sie dafür keine Mehrheit bekommen würden. Wir sind dagegen, dass die EU-Ebene missbraucht wird, um Dinge voranzubringen, für die sich in Deutschland so keine Mehrheiten finden. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin schon sehr ––––––– *) Vom Redner und von der Rednerin nicht überprüft.
Herr Dr. Möllenstädt, wie wollen Sie denn das jemandem erklären, der eine Diskriminierung erfährt, weil er eine Ferienwohnung anmieten will und ihm gesagt wird, nein, Rentner nehmen wir nicht, die stinken, aber jemand, der am Arbeitsplatz diskriminiert wird, hat ein Rechtsschutz in diesem Land? Es ist doch nicht zu glauben, dass Sie meinen, dass es irgendwie von Zufälligkeiten abhängt, wo ich gerade eine Unmöglichkeit erfahre, ob ich dann die Möglichkeit habe, meine Rechte auch durchzusetzen oder nicht.
Wir könnten jetzt stundenlang noch weiter darüber streiten, aber es ist wirklich unverständlich, wie Sie hier herumeiern. Auf der einen Seite darf man in Gesetzen etwas verändern, aber neue Gesetze, die als Ergänzung zu sehen sind, darf man dann nicht machen. Das verstehe ich überhaupt nicht!
Das Gleiche gilt für die Beweislastumkehr. Ich glaube, manche von Ihnen haben die Vorlage nicht richtig gelesen, und zum anderen kennen Sie sich im Rechtssystem vielleicht nicht aus. Was hat Beweislastumkehr mit der Auslegung von Gesetzen zu tun, Herr Kastendiek? Das verstehe ich nicht. Beweislastumkehr ist die Frage, wer nachweisen muss, ob ich diskriminiert werde oder nicht. Im Gleichstellungsbereich gibt es das schon seit Langem, das ist überhaupt kein Thema. All die Argumente, die Sie heute hier gebracht haben, sind wirklich alte Ladenhüter, weil wir sie schon so häufig gehört haben, und zwar immer, wenn es um Chancengleichheit geht!
Ich finde, Sie sollten einfach noch einmal ein bisschen darüber nachdenken, ob Sie dort nicht einen neuen Kurs angehen, dass es Ihnen wirklich um Chancengleichheit geht. Für eine Chancengleichheit brauchen wir leider zurzeit immer noch einen Rechtsschutz, und deswegen ist es absolut notwendig, dass diese Sache auch umgesetzt wird. – Vielen Dank!
Herr Präsident, verehrte Abgeordnete! Die Bekämpfung von Diskriminierung und der Schutz der Opfer von Diskriminierung ist aus Sicht des Senats ein wichtiges Element der vielfach geforderten sozialen Dimension der Europäischen Union. Mit dem vorliegenden Richtlinienentwurf der EUKommission soll das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung auf Bereiche außerhalb des Arbeitsmarktes, darum geht es, ausgeweitet und ein europaweit einheitliches Mindestschutzniveau für die Diskriminierungsopfer festgelegt werden. Der Entwurf ergänzt, das wurde ja gerade schon gesagt, bestehende EU-Richtlinien, Diskriminierungsverbote in den Bereichen Beschäftigung, Beruf und Berufsausbildung zu regeln. Der Senat begrüßt ausdrücklich, dass Diskriminierungsverbote für behinderte Menschen außerhalb des Arbeitsmarktes umfassend in diesen europäischen Richtlinienvorschlag aufgenommen worden sind. Die Anti-Diskriminierungsziele des Richtlinienentwurfs werden überwiegend von den Mitgliedstaaten der Union geteilt, hier konnte gerade eben ein anderer Eindruck entstehen. Allerdings sind in den bisherigen Beratungen, auch das wurde schon gesagt, eine Reihe von Aspekten offengeblieben, die noch einer intensiven Erörterung im Rat bedürfen. Der Senat teilt jedoch nicht die Kritik, das möchte ich ausdrücklich sagen, dass mit diesem ergänzenden EU-Richtlinienentwurf der bestehende deutsche Rechtsrahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG, vom 14. August 2006 erheblich oder in wesentlichen Aspekten angepasst werden müsste und umfassend zu erweitern sei. Das ist ein Popanz, der aufgebaut wird, der so nicht existiert.
Es ist bekannt, die tschechische EU-Ratspräsidentschaft – ich nehme an, das war auch in den verschiedenen Beiträgen gemeint – hat die Beratung dieses Richtlinienentwurfs bis April 2009 unterbrochen, um den Mitgliedsstaaten mehr Zeit für die Prüfung auf der nationalen Ebene zu geben und ihre Fragen und Veränderungsvorschläge zu präzisieren. Das heißt, wir sind bei diesem Entwurf jetzt auf der Zielgeraden. Die auch in dieser Debatte von CDU und FDP angesprochene Kritik, die Umsetzung des AGG und seine weitere Anpassung an eine zusätzlich neue EURichtlinie belaste in unvertretbarem Maße die Unternehmen, muss ernst genommen und soll sorgfältig geprüft werden. Man kann auch durchaus darüber nachdenken – so die Meinung des Senats –, bürokratische Erleichterungen hier und da zu schaffen, zum Beispiel die
Reduzierung von Dokumentationspflichten und die Berücksichtigung der besonderen Situation von KMU einzubeziehen. Insofern gibt es da noch gewisse Überarbeitungsmöglichkeiten, das ist gar keine Frage, aber keine Sachen, die den Kern der Richtlinie berühren. Deswegen hat Bremen auch eine eindeutige Stellungnahme im Bundesrat, die sich deutlich vom Votum der Großen Koalition unterscheidet, abgegeben. Im Einzelnen würde es der Senat begrüßen, wenn in den weiteren Beratungen in den Gremien des Rates Klärungen und Präzisierungen zu einigen Aspekten erreicht werden könnten. Dazu gehören eine sorgfältige und angemessene Klärung des Verhältnisses zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht und eine Abgrenzung zu den Kompetenzbereichen der Mitgliedsstaaten, also die berühmte Subsidiaritätsdebatte, die Definition von klaren Regelungen im Bereich der Sozialschutzsysteme und der Bildung, eine Klärung von spezifischen Aspekten von finanziellen Dienstleistungen und die Festlegung von Regelungen zum Beispiel für Privatgeschäfte, die Vermietung von Wohnungen und die Festlegung der Fristen, die den Mitgliedsstaaten für die Vorbereitung und Umsetzung von Maßnahmen ausreichend Zeit geben müssen. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss! Ergänzend sollte hinzugefügt werden, dass natürlich Öffentlichkeits- und Beratungsarbeit ganz, ganz wichtig ist, um Vorurteilen zu begegnen, um gegen sie anzugehen, um über Rechte aufzuklären und Informationsdefizite zu reduzieren. Bremen und Bremerhaven verfügen über ein dichtes Netz von Anlaufund Beratungsstellen für die verschiedenen Personengruppen, die in erster Linie von Diskriminierungen betroffen sein können. Wir werden uns auch in Zukunft dafür einsetzen, dieses Beratungs- und Stützungsangebot zu erhalten, zu verbessern und, wo nötig, auch zu erweitern. Prävention und Bekämpfung von Benachteiligungen werden ein Schwerpunkt in der Arbeit des Senats bleiben, ob mit europäischer Richtlinie oder ohne. – Danke!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 17/686, auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD Kenntnis. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist 18.02 Uhr, ich schließe die Sitzung und wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend!