Protokoll der Sitzung vom 19.02.2009

In wenigen Worten: Wenn die Bürgerschaft heute diesen Beschluss fast, der offenbar dann einstimmig ausfallen wird – wenn ich Herrn Rupp richtig verstanden habe, stimmt DIE LINKE auch zu –, dann marschieren wir unmittelbar los und hoffen, dass es klappt. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen der FDP, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der CDU mit der Drucksachen-Nummer 17/693 – Neufassung der Drucksache 17/685 – seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Enthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt den Antrag einstimmig.

(Beifall)

Gesetz zur Neuregelung des Volksentscheids

Zwischenbericht und Antrag des nichtständigen Ausschusses Erleichterung der Volksgesetzgebung und Weiterentwicklung des Wahlrechts vom 4. November 2008

(Drucksache 17/594) 1. Lesung

Wir verbinden hiermit:

Einsetzung eines nichtständigen Ausschusses gemäß Artikel 125 der Landesverfassung – Neuregelung des Volksentscheids

Dazu als Vertreter des Senats Staatsrat Prof. Stauch.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Berichterstatter Tschöpe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der nichtständige Ausschuss hat bis zur Vorlage dieses Zwischenberichts achtmal getagt. Die Sitzungen des Ausschusses erfolgten selbstverständlich alle öffentlich. Er hat in zwei Anhörungen den Verein Mehr Demokratie e. V. und Herrn Prof. Dr. Theo Schiller von der Universität Marburg gehört. Zu den jeweils behandelten Teilthemen wurden sowohl der Senator für Justiz als auch der Senator für Inneres angehört und im Vorfeld jeweils um schriftliche Stellungnahme gebeten. Der Ausschuss hat alle eingegangenen Stellungnahmen und die Protokolle der Sitzungen auf der Homepage der Bürgerschaft veröffentlicht.

Der Ausschuss hat sich einvernehmlich darauf geeinigt, den Bericht in Form eines Gesetzesänderungsantrags inklusive einer Begründung zu erstellen. Die hiervon abweichenden Voten der im Ausschuss vertretenen Fraktionen sind auf den Seiten 29 und 30 des Berichts aufgenommen worden. Dem Abschlussbericht haben die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP zugestimmt. Die Fraktion der CDU und die Fraktion der LINKEN haben sich unter Bezugnahme auf entsprechende Voten enthalten.

In Kurzfassung versuche ich, einmal darzustellen, welche Neuerungen dieser Gesetzentwurf enthält. Der Gesetzentwurf enthält unter anderem eine kostenfreie Beratung für die Initiatoren des Volksbegehrens durch die Bürgerschaft unter Hinzuziehung des Senats. Das soll garantieren, dass das Verfahren bürgerfreundlicher und sicherer wird. Der Entwurf enthält eine Regelung dahingehend, dass finanzwirksame Volksentscheide erstmals in der Bremer Geschichte zulässig werden. Das weitet die Befugnisse des Volksgesetzgebers entscheidend aus.

Volksentscheide können in Zukunft zusammen mit Wahltagen durchgeführt werden. Wir erhoffen uns davon eine erhöhte Beteiligung an Volksentscheiden. Es wird ein Abstimmungsheft über den Volksentscheid für alle Wahlberechtigten erstellt. Hierin können die Initiatoren und die Bürgerschaft beziehungsweise die einzelnen Fraktionen gleichberechtigt Stellung nehmen. Zielrichtung soll sein, dass die Transparenz eines solchen Volksgesetzgebungsverfahrens und damit hoffentlich auch die Beteiligung erhöht wird.

Den Initiatoren eines Volksbegehrens wird in Zukunft zugestanden, dass sie in Museen, der Volkshochschule und der Stadtbibliothek ihre Unterschriften

sammeln können, soweit hierdurch nicht der Geschäftsbetrieb dieser Einrichtungen beeinträchtigt wird. Dies ist eine entscheidende Erleichterung für die Initiatoren, ihre Unterschriften zu sammeln.

Es werden Stichfrage und Konkurrenzvorlage eingeführt. Die Bürgerschaft kann abweichende Positionen vorlegen, als angenommen gilt dann der Entwurf mit den meisten Stimmen. Dies macht das Volksgesetzgebungsverfahren bunter, vielfältiger und erhöht somit hoffentlich auch die Beteiligung.

Es wird ein Dialogverfahren eingeführt, sodass zwischen Bürgerschaft und Initiatoren eines Volksbegehrens auch politische Kompromisse ausgehandelt werden können. Dies macht das Volksgesetzgebungsverfahren deutlich flexibler, da es nicht auf eine einfache Ja-Nein-Entscheidung reduziert bleibt.

Das Unterschriftsquorum wird auf fünf Prozent und das Zustimmungsquorum auf 20 Prozent bei einfachen Gesetzen gesenkt. Dies reduziert die Hürden für erfolgreiche Volksgesetzgebungsversuche. Durch Volksentscheid zustande gekommene Gesetze können innerhalb einer Wahlperiode erst nach zwei Jahren geändert werden, es sei denn durch Volksentscheid oder Zweidrittelmehrheit im Parlament. Dies erhöht nachhaltig die Verbindlichkeit der Entscheidung des Volksgesetzgebers. All das war Konsens aller im Ausschuss vertretenen Fraktionen.

Dissens bestand im Ausschuss über die Quoren insbesondere bei verfassungsändernden Gesetzen und bei den zulässigen Regelungsgegenständen beziehungsweise dem Haushaltsvorbehalt. Für die Einzelheiten verweise ich auf die Seiten 29 bis 30 des vorliegenden Berichts. Ich gehe davon aus, dass die FDP, DIE LINKE und die CDU ihre Positionen hierzu ausführlich darstellen werden.

Bei allen Differenzen in der Sache, war die Auseinandersetzung im Ausschuss davon geprägt, konstruktiv die Möglichkeiten der Volksgesetzgebung im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen auszuweiten. Ich bedanke mich bei allen Ausschussmitgliedern für die stringente, sachbezogene Arbeit. Insbesondere bedanke ich mich aber auch bei denen, die unsere Sitzungen mit fachlichem Input versorgt haben. Stellvertretend möchte ich hier Frau Dr. Haarmann vom Wissenschaftlichen Dienst der Bürgerschaft, Herrn Dr. Wrobel vom Senator für Justiz und Herrn Klünder vom Senator für Inneres nennen. Ohne diese und auch ohne den Protokolldienst wäre es dem Ausschuss nicht gelungen, innerhalb von elf Monaten einen Bericht zu den Veränderungsmöglichkeiten der Volksgesetzgebung vorzulegen. Herzlichen Dank hierfür!

(Beifall)

Als abschließende Bewertung gestatten Sie mir folgendes Fazit: Der Ausschuss setzt einen Meilenstein für mehr Partizipation mit dem modernsten Volksgesetzgebungsgesetz der Republik und erreicht gleich

zeitig, dass die Spielregeln des Haushaltsrechts eingehalten werden müssen. Das Verfahren wird vereinfacht, der Zugang zur Volksgesetzgebung wird niederschwelliger. Beteiligungshindernisse werden abgebaut. Die Entscheidungskompetenz wird massiv ausgeweitet, und das Verfahren wird für die Initiatoren wesentlich flexibler. Besser als die persönliche Wertung eines Ausschussvorsitzenden ist vielleicht das Resümee des Vereins Mehr Demokratie e. V. vom 29.Oktober 2008 geeignet, um das Arbeitsergebnis des Ausschusses zu bewerten. Trotz weitergehender Wünsche bewertete Herr Tim Weber das Ergebnis wie folgt: „Wir begrüßen den Entwurf als eine Reform, die den Namen auch verdient.“ – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte beginnen mit dem Hinweis auf einen Mann, mit dem Sie mich vielleicht nicht sofort und normalerweise in Verbindung bringen, nämlich mit dem Modeschöpfer Karl Lagerfeld.

(Heiterkeit)

Er hat kürzlich auf die Frage, ob er es nicht leid sei, ständig imitiert zu werden, geantwortet: „Nein, eigentlich nicht! Schlimm wäre es, wenn ich selbst beginnen müsste, anderen hinterherzulaufen!“

In diesem Sinn freue ich mich, dass wir heute mit dem Bericht und Antrag des Ausschusses einen weiteren und wirklich großen Schritt zur Erleichterung der Volksgesetzgebung im Land Bremen machen können und, ich bin sicher, auch machen werden. Ich freue mich, dass sich die Erwartung einer konstruktiven Zusammenarbeit, die wir hier anfangs geäußert haben, im Ausschuss erfüllt hat. Ich bedanke mich für die Beiträge auch der Oppositionsfraktionen, die an verschiedenen Stellen Eingang in das Ergebnis gefunden haben.

Der Bericht hält auch fest, und das werden Sie sicherlich selbst gleich darlegen, dass Sie an einigen Punkten weitere Vorschläge, andere Vorschläge gemacht haben, und ich mache auch hier an dieser Stelle keinen Hehl daraus, dass wir Grüne für den einen oder anderen Punkt Sympathie hatten und auch weiterhin haben. Ich gehe auch davon aus, dass wir solche Vorschläge zwischen der ersten, zweiten und dann dritten Lesung erneut sorgfältig abwägen und beraten werden. Denn ganz sind wir noch nicht am Ziel. Ich glaube, wir sind ganz kurz davor, und ich bin auch sicher, dass wir uns einig sind in dem Willen, diese letzten Meter gemeinsam zu schaffen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es irgendjemanden gibt,

der das bisher Erreichte irgendwie aufs Spiel setzen wollte.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich bin zwar noch nicht ganz so lange hier wie der Kollege Pflugradt, aber ich glaube, das, was wir erreicht haben, ist sehr viel. Ich mache diese Arbeit jetzt in diesem Punkt inzwischen auch schon seit 17 Jahren – also die Arbeit an der Erleichterung der Volksgesetzgebung im Land Bremen – für die Grünen, und ich will eines sagen: Es ist einfach so, die rot-grüne Regierungskoalition macht das, was lange diskutiert worden ist, aber was nicht gemacht werden konnte. Diese Koalition, wir, haben das Vorhaben, wie es heute auf dem Tisch liegt, möglich gemacht, das ist für uns entscheidend, ich sage noch einmal, mit konstruktiver Begleitung der anderen Fraktionen.

Allerdings will ich mir an der Stelle die Bemerkung nicht verkneifen, Frau Winther, ich war erfreut über die Bewegung, die es in der CDU gegeben hat, aber vielleicht können Sie einmal mit Ihren Parteikollegen in Berlin sprechen und ihnen ein bisschen etwas sagen, was Sie in dem Ausschuss gelernt haben. Denn die haben leider in der vergangenen Woche wieder die Einführung jeglicher Elemente von direkter Demokratie auf Bundesebene verhindert, und das ist sehr bedauerlich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist aber nicht unsere Sache, aber vielleicht befördert die Diskussion in den Ländern noch irgendwann einmal die Debatte im Bund!

Der Auftrag des Ausschusses war, die Volksgesetzgebung im Land Bremen nicht nur als Idee, sondern in der Realität zu erleichtern, und denjenigen eine faire Chance zu geben, die dies in die direkte Praxis jetzt hier auch umsetzen wollen. Diesem Auftrag sind wir, davon bin ich überzeugt, nachgekommen. Der Vorsitzende des Ausschusses hat das bereits dargelegt, da kann ich mich kurz fassen. Er hat allen gedankt, ich darf an dieser Stelle auch ihm für seine Arbeit danken, die das Ganze zusammengeführt hat. Herzlichen Dank, Herr Kollege Tschöpe!

(Beifall)

Die wichtigsten Elemente nur in Stichworten: die Herabsetzung der Quoren für einen Volksentscheid über einfache Gesetze von zehn auf fünf Prozent beim Antrag und von 25 auf 20 Prozent bei der Abstimmung – Verfassungsänderung ist ja etwas anderes, da werden wir sicherlich später noch darüber diskutieren –, die regelmäßige Verknüpfung mit Wahlterminen, wenn die Initiatoren es wollen, was zu einer höheren Beteiligung führt, die Erleichterung der Unterschriftensammlung, die Informationsbroschüre, die

jedem in die Hand gegeben wird, die gleichberechtigt Pro und Kontra darstellt.

Wir schlagen Ihnen auch vor, dass die Bürgerschaft sich selbst Fesseln und Beschränkungen anlegt, wenn es darum geht, dass die Bürgerschaft zu der Auffassung kommt, dass erfolgreiche Volksbegehren vielleicht in der einen oder anderen Frage korrigiert werden müssten. Das ist nicht mehr so einfach möglich, sondern da gibt es Hindernisse und Beschränkungen, das finden wir auch richtig.

Wir schlagen vor, Bürgerantrag und Volksbegehren zu verknüpfen, um damit den Übergang von dem einen zu dem anderen zu erleichtern. Wir schlagen vor, parlamentarisches Verfahren und Volksgesetzgebung miteinander zu verbinden, indem die Vertrauenspersonen ein Volksbegehrensverfahren auch abbrechen können, wenn Sie zu der Überzeugung kommen, dass das Parlament ihr Anliegen im Wesentlichen angenommen und übernommen hat. Ich weiß, dass es da verfassungsrechtliche Bedenken gibt, weil damit den Vertrauenspersonen ein Spielraum eingeräumt wird, der nicht auf ihrem Zettel steht. Ich glaube aber, dass der Gewinn für ein rationales Verfahren so groß ist, dass man das hinnehmen kann.