Es ist von den Studierenden und von den Beschäftigten der Universitäten gefordert worden, die Tendenz zur Privatisierung an den Hochschulen zurückzunehmen, die Tendenz zur zunehmenden Einflussnahme aufgrund vordergründiger und oberflächlicher wirtschaftlicher Interessen. Es ist verlangt worden, die demokratischen Strukturen zu stärken, aus dem Hochschulentwicklungsplan V auszusteigen, der massive Kürzungen, ja sogar eine Schrumpfung der Universität, beinhaltet.
Es ist gefordert worden, für die wachsende Zahl der Studierenden zusätzliches Personal bis 2015 einzustellen, gebührenfrei, ohne Wenn und Aber, das Studium zu ermöglichen, das BAföG als Zuschuss und existenzsichernd zu gestalten. All dies findet sich nicht im Bereich der wirtschaftspolitischen Planung der Koalition, und es zeigt sich, dass hier die Betreffenden enttäuscht werden. Der Grund sind zwei Probleme, die sich durch die ganze Koalitionsvereinbarung, die Regierungsplanung ziehen.
Das eine Problem ist, Ihre sozialen Absichten konterkarieren Sie durch die Fortsetzung der Kürzungspolitik. Gute Absichten verkehren sich dadurch ins Gegenteil, Peter Erlanson hat das hier schon einmal gesagt. Wenn Sie die guten Absichten allesamt nicht umsetzen und an finanzpolitischen Fragen scheitern lassen, dann untergraben Sie Ihre Glaubwürdigkeit bei uns und auch im Lande, sofern sie noch vorhanden ist. Zugespitzt könnte man sagen, Ihre finanzpolitische Frömmigkeit frisst Ihre sozialen Wünsche und Bekenntnisse.
Das zweite Problem, die Tendenz der neoliberalen Umgestaltung und Privatisierung, behalten Sie bei, die setzen Sie fort. Das äußert sich in tausenderlei Formulierungen und durchzieht leider viele Bereiche, in dem Fall spreche ich vom Bereich Wissenschaft. Dort ist es dann die Frage einer selbstständigen Universität, Wettbewerbsfähigkeit, Förderung privater Universität, sie heißt jetzt nicht mehr IUB, sie heißt jetzt schon ehrlicherweise Jacobs-Universität,
und was wir sonst noch an Namen alles haben. Vielleicht sollen das Rathaus und die Bürgerschaft auch
Ja, das befürchten wir jetzt, und leider geht es ja zum Teil in die Richtung. Beim Weserstadion ist es so, beim Bürgerpark kommt es vielleicht auch noch, bei der Stadthalle haben Sie es geschafft. Ich muss es Ihnen leider vorhalten, es tut weh. Ich hoffe, dass es Ihnen auch weh tut und dass Sie es dann bremsen.
Ich habe die Hoffnung trotz allem noch nicht ganz aufgegeben, denn es ist so, wie Klaus Rainer Rupp sagt: Wer einen Kopf zum Denken zwischen den Ohren hat – und das hat auch die Bevölkerung –, der will es, und wenn die Bevölkerung es will, dann werden Sie dem ein Stück weit nachgeben, so erlebe ich ja auch die Tendenz.
Die SPD-Partei unter Herrn Schröder hat diese Politik für modern erklärt. Bei Ihnen wird dieselbe Politik nun mit der Knappheit der Mittel begründet, und die Knappheit der Mittel ist bei Ihnen nicht der Skandal, den Sie bekämpfen wollen und bekämpfen sollten als Volksvertreterinnen und Volksvertreter, nein, er ist für Sie der Ausgangspunkt Ihrer Politik, den Sie akzeptieren! Darüber würde ich gern einmal mit Ihnen reden, ob es wirklich so sein muss, denn Sie wissen es eigentlich besser. Sie wissen, die Knappheit der Mittel ist nicht gottgegeben, sie ist gemacht und ist öffentliche Armut. Dazu habe ich kein Wort und keinen Protest in dieser Richtung gehört.
Es wird nicht alles mitgemacht bei der Unternehmensteuerreform, das ist schon gut, aber es muss auch hier in die andere Richtung gehen, und dazu habe ich kein Wort gehört. Ich habe nichts vernommen von solchen Dingen wie Vermögensteuer, wie Erbschaftsteuer, wie Börsenbesteuerung, von Börsengewinn, von Kapitaltransfers. Das sind Dinge, die sich auch auf hohe Einkommen beziehen, denen man in den letzten Jahren Geschenke in Milliardenhöhe gemacht hat, und genauso an die Konzerne.
Das haben Sie alles mit Ihrer Politik insgesamt im Land bewerkstelligt, und Sie wissen es. Ich gehe einmal davon aus, es tut Ihnen selbst auch sogar weh,
aber es ist ein Tabu. Sie tabuisieren es, wie früher gegenüber der Obrigkeit Dinge tabuisiert wurden. So verhalten Sie sich wie gläubige, brave Landeskinder zu mittelalterlichen Zeiten. Ich nenne das finanzpolitische Frömmigkeit, und genau wie die Frömmigkeit damals – wenn sie übertrieben wurde – auch den dekadenten Reichtum möglich gemacht hat, so ist es auch heute.
Ich zitiere aus dem „Handelsblatt“ von gestern ein Beispiel, das ich dank eines Newsletters unseres Bundestagsabgeordneten Axel Trost heute mitgeteilt bekommen habe, um es Ihnen plastisch zu machen, wo wir die Finanzressourcen haben, von denen Sie hier davon ausgehen, dass sie einfach nicht vorhanden sind. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Genau 8601 Diamanten hat der britische Künstler Damian Hirst auf einen Todesschädel aus Platin geklebt. ‚For the Love of God’ heißt das morbide Werk, das zurzeit in der Galerie ,White Cube’ im noblen Londoner Westend vor sich hin funkelt. 75 Millionen Euro soll das teuerste Werk der Gegenwartskunst kosten. Es ist angeblich der glänzende Totenkopf schon lange verkauft.“
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Können wir verfügen über die Di- amanten? – Her damit!)
Ja, das muss im „Handelsblatt“ angeprangert werden, dann wird es für Sie vielleicht auch einmal interessant sein zuzuhören. „Das wäre nicht weiter erstaunlich, denn moderne Kunst ist in, nicht nur bei Sammlern, sondern auch bei Spekulanten wie Hedgefonds. Diese haben das boomende Geschäft mit dem Schönen, Guten und Wahren längst für sich entdeckt.“ Einen Absatz weiter heißt es: „Die immer exotischeren Ideen der Hedgefonds sind nur ein Beispiel für die verzweifelte Suche der Investoren nach frischen Anlagemöglichkeiten.
Ich wiederhole dieses Zitat im „Handelsblatt“: „Die Welt schwimmt im Geld, und das macht es schwierig, neue Märkte zu entdecken, die noch lukrative Renditen bieten.“
Soviel also, ein kleiner Hinweis, dass Sie einmal ein bisschen über den Tellerrand hinaus denken bei Ihrer Regierungsplanung und auch dies als Programm nehmen, um an dieser Sache etwas zu drehen! Es gibt Bundesratsinitiativen, wir sind Teil der Demokratie, auch in anderen Ländern und in Bremen besonders
muss in dieser Sache das Wort ergriffen werden. Auch von Ihnen als sozial orientierte Regierung müsste man das eigentlich erwarten.
Ich komme zum Schluss und sage Ihnen: Verfolgen Sie weiter die guten Ansätze, die Monique Troedel bei Ihnen hervorgehoben hat! Bemühen Sie sich weiter um Glaubwürdigkeit, was Peter Erlanson angemahnt hat! Nutzen Sie die finanzpolitischen Ratschläge, die Klaus-Rainer Rupp Ihnen im Ansatz hier als ersten Vorgeschmack von dem, was wir noch bieten werden, gegeben hat, und lassen Sie die neoliberalen Tendenzen, die ich Ihnen gelegentlich vorhalte und vorhalten werde, wenn Sie so weitermachen! – Danke, meine Damen und Herren!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vielleicht noch ein paar Worte aus Bremerhavener Sicht! Der Kollege Bödeker verglich – ich glaube, es war in der letzten Sitzung – den Bremer mit dem Bremerhavener Koalitionsvertrag. Er kam zu seinem persönlichen Schluss: Der Vertrag der Großen Koalition sei besser gelungen. Ich kann Herrn Bödeker da in einem Punkt zustimmen. In Bremerhaven musste ich mich wirklich wundern, wie viel heiße Luft auf so wenigen Seiten unterzubringen ist. In Bremen hat man für die gleiche Menge Luft, ohne eine konkrete Aussage zu machen, fast fünfmal so viele Seiten benötigt. Lyrik nennt man solche Texte normalerweise!
Der rot-grüne Koalitionsvertrag, meine Damen und Herren, strotzt nur so vor Allgemeinheiten, Plattitüden, leeren Phrasen und Prüfaufträgen. Als Wahlbremerhavener höre ich natürlich gern die Aussage der Koalition, Bremerhaven sei eine lebendige und lebenswerte Stadt. Wie man Bremerhaven aber als wirtschaftlich stark bezeichnen kann, das müssen mir SPD und Grüne aber erst einmal erklären!
Wohin der Weg geht, scheint hier allerdings von vornherein klar zu sein. Über das Schaffen von gleichwertigen Lebensverhältnissen in beiden Städten argumentiert man so jedenfalls problemlos hinweg. Die Koalition bezeichnet Bremen als Stadtstaat, Bremerhaven erscheint im Koalitionsvertrag nur noch im Sinne der Political Correctness als – ich zitiere, Herr Präsident – „und Bremerhaven“ hinter jeder Nennung Bremens. Bremerhaven findet inhaltlich aber so gut wie gar nicht mehr statt.
Bei der Erwähnung des Flughafens ist wohl kaum der Bremerhavener oder – wenn man einmal über die Landesgrenzen hinausschaut – der Nordholzer Flughafen gemeint. Die A 22 scheint für Rot-Grün uninteressant, und um das Thema Außenweservertiefung wird auch nur ziellos herumlamentiert.
Die Hafenanbindung verkommt zur Floskel. Bremerhavens Wirtschaft ist für Rot-Grün nur die Hochschule, das AWI, Windenergie und der Fischereihafen. Gerade einmal 3 Seiten des Koalitionsvertrages beschäftigen sich mit Bremerhaven, meine Damen und Herren!
Der Rest ist bremische Kommunalpolitik. 3 Seiten von 130 Seiten entsprechen etwa zweieinhalb Prozent! Was das für den zukünftigen Anteil Bremerhavens an den Investitionsmitteln bedeutet, ist doch wohl klar!
Meine Damen und Herren, von der Zukunft Bremerhavens hängt die Zukunft unseres ganzen Landes ab. Der Kampf um die Selbstständigkeit Bremens, dem im Koalitionsvertrag sogar ein eigenes Kapitel eingeräumt wurde, ist unter diesen Voraussetzungen vollkommen unglaubwürdig. Diese Koalition setzt mit ihrer Bremerhaven-Politik die Selbstständigkeit Bremens aufs Spiel.
In der letzten Sitzung wurde schon angesprochen: Wenn ich mir die rot-grüne Agenda für die nächsten 4 Jahre anschaue, sehe ich schwarz. Wo ist die Gegenleistung für die gekappte Investitionsquote? Wo ist die Liste der zu fördernden Projekte – es wurde schon angesprochen –, um den Aufschwung in Bremerhaven weiter voranzubringen? Die erste Kürzung im Hochschulbereich durch die Große Koalition, jetzt das Kippen der Quote, dann die Besetzung des Senats – wo ist das politische Ziel der Koalitionäre, meine Damen und Herren?
Natürlich hat die Koalition recht, wenn sie unsere Hochschule als bedeutenden Wirtschaftsfaktor in den Vordergrund stellt. Warum aber, meine Damen und Herren, werden die gravierenden Kürzungen im Wissenschaftsbereich des letzten Senats dann nicht vollständig zurückgenommen?
(Beifall bei der FDP – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sagen Sie mir einmal, wie das finan- ziert werden soll!)
Unsere Hochschule ist existenziell für die ganze Seestadt. Strukturschwache Regionen, Sie wissen es, sind mehr abhängig von Wissenschaft und Forschung, als es Regionen sind, in denen die Industrie stark ausgeprägt ist. Hier ist die Hochschule wie eine Keimzelle, und nur aus dieser Keimzelle können neue Produkte entstehen, können Innovationen kommen, können sich neue Arbeitsplätze ergeben.