Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Nagel. Wir kommen zur ersten Lesung. Die Beratung ist eröffnet. Als Erster erhält das Wort der Abgeordnete Liess.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute Morgen den Nachtragshaushalt beschlossen, das heißt, wir haben die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt, um Maßnahmen jetzt auch tatsächlich umsetzen zu können. Wir folgen mit dem vorgelegten Gesetzentwurf einer Empfehlung der Bundesregierung und auch Festsetzungen, die in dem Vergabegesetz des Bundes dort getroffen worden sind, mit dem Ziel, beschleunigte Umsetzungen der Investitionen vornehmen zu können. Das bedeutet, dass bei diesen vereinfachten Verfahren die Wertgrenzen verändert werden. War es beispielsweise bisher so, dass eine freihändige Vergabe im Bereich der Bauleistungen bis 30 000 Euro möglich war, soll diese jetzt bis zu 100 000 Euro möglich sein, das bedeutet, der Spielraum insgesamt, freihändige Vergaben oder beschränkte Ausschreibungen zu machen, wird erhöht. Es gibt die Chance, hier schnell Aufträge vergeben zu können, es gibt die Chance, schnell Impulse für die Wirtschaft vor Ort setzen zu können, und ich glaube, dass wir hier mit diesem Gesetz einen richtigen Weg beschreiten. Ich möchte hinzufügen, weil in dem Zusammenhang mit Vergaben auch immer schnell der Vorwurf gemacht wird, dass man – und das ist selbstverständlich! – sehr gewissenhaft prüfen und schauen muss und dass wir darauf achten müssen, dass nicht der Verdacht – auch nur der Verdacht! – von Vorteilsnahme oder Korruption entsteht, dass in diesem Zusammenhang die Bieteranzahl erhöht worden ist; bei der freihändigen Vergabe auf vier, bei der beschränkten Ausschreibung auf sechs, und das schon ab 10 000 Euro. Insofern schaffen wir hier auch ein Höchstmaß an Transparenz und Kontrolle, und zur Transparenz trägt auch bei, dass insgesamt die Vergaben, sofern sie über 25 000 Euro betragen, im Internetportal veröffentlicht werden sollen und nachdem der Auftrag erteilt worden ist, auch dort kenntlich gemacht wird, welches Unternehmen den Zuschlag bekommen hat.
Von daher schaffen wir, glaube ich, ausreichend und hinreichend Transparenz. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Wir verbinden hiermit die Hoffnung – ich sage bewusst die Hoffnung, denn es wird sich erweisen müssen, ob die Veränderung der Wertgrenzen tatsächlich dazu führt –, dass wir Impulse für die Wirtschaft schnell setzen können. Dies ist Ziel des Konjunkturprogramms. Dieses Gesetz zur Erleichterung von Investitionen ist ein Beitrag dazu, dass wir zur schnellen Umsetzung kommen. Da wir alle davon ausgehen, dass die Krisensituation spätestens im Jahr 2010 vorbei ist, ist das Gesetz auf Ende 2010 befristet, dann werden wir wieder zu den alten Regelungen zurückkehren können. Von daher bitte ich um Zustimmung zu dem Gesetz. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute sollen die Vereinfachungen von Ausschreibungsverfahren zur Erleichterung von Investitionen aus dem Konjunkturpaket II in erster und zweiter Lesung beschlossen werden. Diese Erleichterungen bewirken, dass öffentliche Aufträge über Bauleistungen mit einem Auftragswert von bis zu 100 000 Euro ohne gesonderte Begründung freihändig vergeben oder diese Aufträge beschränkt ausgeschrieben werden können. Aufträge von 100 000 bis zu einer Million Euro sollen beschränkt ausgeschrieben werden. Öffentliche Aufträge für Dienstleistungen und Lieferleistungen mit einem Auftragswert von bis zu 50 000 Euro können freihändig vergeben, und die mit einem Auftragswert von 50 000 bis 100 000 Euro sollen wieder beschränkt ausgeschrieben werden.
Meine Damen und Herren, mit diesen Regelungen werden die Grundsätze des bisherigen Vergaberechts eingeschränkt. Dies soll aber zum Wohle der Bevölkerung unseres Landes geschehen. Hier bleibt uns nur zu sagen, dass dies nur zum Teil richtig ist. Es ist wahr, dass über das Konjunkturpaket II erhebliche Steuergelder zur Stärkung der bremischen Wirtschaft eingesetzt werden können. Unserer Fraktion fehlt aber, dass zusätzliche soziale und ökologische Standards eingeführt werden. Allein über die freihändige Vergabe der öffentlichen Aufträge wird es möglich, bestimmte Forderungen einzubinden, wie zum Beispiel die Forderung der Tariftreue der beauftragten Unternehmen und deren Subunternehmern.
Es muss ersichtlich und verbindlich sein, dass öffentliche Aufträge, die aus dem Konjunkturprogramm II finanziert werden, nicht an Unternehmen vergeben werden, die den fairen Wettbewerb durch Niedriglöhne konterkarieren. Dies wurde zwar für nor
male Ausschreibungsverfahren über das sogenannte Rüffert-Urteil des Europäischen Gerichtshofs untersagt, diese Vorlage ist aber nicht als ein normales Ausschreibungsverfahren zu bezeichnen, sondern als eine Sonderregelung auf Zeit, und sie eröffnet uns Wege für so manche zusätzliche soziale Forderung. Mit dieser sozialen Regelung wäre es möglich gewesen, dass auch die Beschäftigten der beauftragten Firmen vom Konjunkturpaket II, das übrigens über zukünftige Steuereinnahmen finanziert werden soll und diese schließlich zum größten Teil von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Unternehmen bezahlt werden sollen, partizipieren könnten. Diese Möglichkeit wurde aber nicht geprüft und bleibt in der Senatsmitteilung unerwähnt.
Den marktliberalen Kräften zum Trotz sollten sich die Kommunen als Anbieter von öffentlichen Aufträgen der Qualität der Produkte, gemessen an den sozialen und ökologischen Kriterien, zuwenden, anstatt unsoziale niedrige Löhne zuzulassen. DIE LINKE wird dem Gesetzesentwurf im Interesse der Bevölkerung unseres Landes zustimmen, fordert aber den Senat dazu auf, die von uns genannten Möglichkeiten rechtlich zu prüfen und diese in die Ausschreibungsverfahren einzubinden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir machen ja auch dieses Gesetz, weil es wichtig ist, dass wir im Gleichklang mit dem Bund und den anderen Ländern im Rahmen des Konjunkturprogramms handeln. Das ist der Rahmen dafür, dort sind ja diese vorübergehenden Lockerungen, vor allen Dingen die Erhöhung der Wertgrenzen für freihändige Vergabe und beschränkte Ausschreibung, vereinbart worden. Wir schöpfen das nicht vollkommen aus. Ich habe verstanden, dass die CDU der Meinung ist, man müsste dort noch weiter lockern. Wir setzen in Bremen moderat um, das halten wir auch für richtig, und ich möchte für die Grünen betonen: Das ist eine Möglichkeit, und wir gehen nicht davon aus, dass es immer und zwingend die Regel sein muss, schon deswegen nicht, weil die jetzt geltenden Vergaberegeln nicht dazu gemacht worden sind, wie der Titel dieses Gesetzes vielleicht glauben machen könnte, um Investitionen zu erschweren.
Das ist also ausdrücklich nicht der Sinn der geltenden Vergaberegeln, sondern es geht darum, scheinbar einfache Vergabe zu verhindern, die aber dafür nachhaltig schädliche Verfahren nach sich zieht. Ich rede von Verfahren, bei denen es dann eben nicht so ganz ordentlich zugehen könnte, wo die Verfahren nicht ordentlich eingehalten werden. Das, was wir jetzt an geltendem Vergaberecht haben, kommt
ja nicht vom Himmel. Dahinter stehen lange Erfahrungen, und gerade in Bremen muss ich leider auf Korruptionsanfälligkeiten nicht groß eingehen. Wir sehen uns daher in der Pflicht, in der Transparenz und in der sorgfältigen Dokumentation unter den Bedingungen dieser zeitweiligen Ausnahmen einen besonders hohen Standard zu erreichen. Wie wir das machen wollen, wie der Senat das machen will, hat der Kollege Liess hinreichend geschildert.
Ich möchte aber doch auf zwei mögliche Missverständnisse hinweisen! Das Erste ist, dass wir jetzt einmal eben so ein Ausnahmegesetz hätten, wo wir machen könnten, was wir wollen, womit wir vielleicht auch das im Übrigen geltende Vergaberecht einschließlich des europäischen Rechts aushebeln könnten, wie der Kollege Müller es eben suggeriert hat. Das ist nicht der Fall, und auch da sage ich: Gott sei Dank ist das nicht der Fall!
Ja, es ist eben klar vorgesehen, und gerade im Baugewerbe gibt es ja den gesetzlich bestimmten Mindestlohn. Da haben wir eine klare Linie.
Ich will auf ein anderes Missverständnis eingehen: Der Leiter der Weser-Ems-Region der IG Bau hat in einem Zeitungsartikel einen Sozialcheck gerade für diese Aufträge vergeben, die wir heute beschlossen haben, bei denen, wo es jetzt losgeht. Er erhebt dort Forderungen nach effektiver Verfolgung von Schwarzarbeit, nach Vermeidung von Lohndumping, nach Transparenz, alles völlig richtige Dinge, die wir sehr unterstützen. Dann nennt er als vierten Punkt – da, finde ich, fängt das Missverständnis an, ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -: „Regionale Firmen und Handwerker müssen bevorzugt werden, das Gegenteil von dem, was heute und sonst ist, sonst nämlich wird EU-weit ausgeschrieben.“ – Soweit das Zitat!
Dazu muss ich sagen, die EU-weiten Regelungen werden mit dieser Regelung keineswegs außer Kraft gesetzt, und auch heute ist es nicht so, dass die Renovierung von Fenstern EU-weit ausgeschrieben worden wäre. Ich bin überzeugt davon, dass bei den Aufträgen, die wir heute beschlossen haben, bei diesen Sanierungsvorhaben, Bremer Firmen, Bremer Handwerker die allerbesten Chancen haben, sich nicht nur zu bewerben, sondern auch den Zuschlag zu bekommen. Ich kann auch die Gewerkschaften verstehen, dass sie glauben, dass das Geld hier in den Taschen ihrer Kollegen landen muss. Ja, alles in Ordnung, naheliegend, verständlich, aber, meine Damen und Herren, Protektionismus ist immer ein süßes Gift, aber es ist eben doch Gift, das am Ende mit Sicherheit alle schwächt.
Wir haben es bei den Debatten um die Konjunkturprogramme in den Vereinigten Staaten erlebt. Präsident Obama hat einmal – Gott sei Dank nur für ei
nen Tag! – den Fehler gemacht, von einer Kampagne „Buy american“ zu sprechen, und da gab es Frankreich, das die Abwrackprämie nur an französische Autos binden wollte; alles, glaube ich, Fehlwege, und ich bin heilfroh, dass es in Europa so ist, dass die europäischen Regierungen nicht nur Erklärungen gegen Protektionismus abgeben, womit ja in der Regel meistens der andere gemeint ist, sondern dass es auch das EU-Wettbewerbsrecht gibt und die Kommission als Hüterin dieses Rechts auch klar und deutlich gemacht hat, dass dies auch in Zeiten besonderer Situationen gilt und gelten wird. Ich weiß, dieses europäische Recht ärgert viele, jeden Einzelnen, der gerade auf seinen Vorteil bedacht ist und seine Interessen schützen will, aber gleichzeitig schützt es auf Dauer alle gemeinsam, davon bin ich überzeugt. Ausgerechnet wir in den Welthandelsstädten Bremerhaven und Bremen sollten den Versuchungen von Protektionismus, von Subventions- und Kirchturmpolitik auf keinen Fall nachgeben, so verständlich und so naheliegend und populär er manchmal auch sein mag.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Allein der Name dieses Gesetzes lässt das Herz eines Liberalen höherschlagen.
Im Rahmen der Maßnahmen des Konjunkturpaketes ist ein solches Gesetz auch dringend geboten. Wir befinden uns hier im Reigen aller Bundesländer, wie es auch schon gesagt worden ist. Von daher haben wir keine Einwände und können dem Entwurf zustimmen.
Allerdings, das möchte ich hier anmerken, ist für die schnelle Durchführung der geplanten Maßnahmen, über deren Inhalt wir an dieser Stelle nicht mehr diskutieren wollen, ein schneller Ablauf in der Verwaltung wesentlich. Nicht allein die Möglichkeit, Aufträge freihändig vergeben zu können, ist ausreichend, es muss auch wirklich geschehen, meine Damen und Herren.
Für den dauerhaften Bürokratieabbau wird dieser Vorschlag wohl weniger geeignet sein, aber er zeigt, man kann, wenn man will. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen, dass wir gemeinsam mit den Sozialdemokraten in Berlin ein Beschleunigungsgesetz für Investitionen gemacht haben. Dies ist ein wichtiger Punkt, um den Unternehmen zu helfen. Es sollte aber keiner glauben, das sei ein Gesetz, um irgendetwas auszuhebeln, das ist vorhin auch schon gesagt worden. Es sollte einen Gleichklang – Herr Dr. Kuhn hat darauf hingewiesen – in der Bundesrepublik geben. Dass es in den einzelnen Ländern leider doch schon wieder unterschiedliche Positionen gegeben hat, bedauern wir sehr. Wir hätten uns gewünscht, dass man das eins zu eins hätte umsetzen können, wir haben darüber schon in der Deputation gesprochen.
Trotzdem halten wir die Abweichungen, die Bremen gemacht hat, jetzt nicht für so schwerwiegend, als dass man diesem Gesetz nicht auch zustimmen könnte. Wichtig ist, dass nicht herumgemäkelt wird, dass nun vielleicht das eine oder das andere nicht bis zu Ende gedacht worden ist, sondern dass wirklich das gemacht wird, was notwendig ist, nämlich so schnell wie möglich die Investitionen zu tätigen, damit die Menschen davon profitieren. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst bitte ich um Entschuldigung für die leichte Verspätung. Ich war schon im Hohen Haus und werde jetzt nicht sagen, Abgeordnete haben mich aufgehalten, sondern ich ließ mich aufhalten. Schönen Dank für Ihre Nachsicht!
Die inhaltlichen Dinge sind gesagt, der gesetzliche Rahmen für die Umsetzung des Konjunkturprogramms ist gesetzt. Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass mit diesem Gesetzentwurf das Thema Dokumentationspflichten, Vier-Augen-Prinzip, Rolle der Vergabeausschüsse in keiner Weise tangiert ist, sondern das muss, sogar im Interesse derjenigen, die Verantwortung für Vergaben haben, ganz sauber eingehalten werden.
Jetzt wird sich der Alltag – der Alltag ist ja die Bewährungsprobe – zeigen. Wir haben quantitativ und qualitativ große Herausforderungen für die Kolleginnen und Kollegen, die in den Behörden und anderen Stellen die Vergaben machen, und deshalb ist es gut, dass dort gewusst wird, dass dieses Haus diesen Gesetzentwurf, diesen neuen befristeten rechtlichen Rahmen, auch mitträgt und dass Rückendeckung da ist. Es wird sich natürlich auch zeigen, dass bei der kurzfristigen Umsetzung eines solch ambitionierten Programms die Säge hin und wieder klemmen wird. Deshalb ist es gut, dass wir mit den Kammern, Verbänden und Gewerkschaften auf Einladung des Bürgermeisters zusammensaßen und auch weiter
zusammensitzen werden und auch auf der sogenannten Arbeitsebene enge Tuchfühlung halten, damit, wenn die Säge irgendwo klemmt, wir auch schnell in der Lage sind, gemeinsam mit den Akteuren die Säge wieder gangbar zu machen. Herzlichen Dank für die Unterstützung des Hauses für diesen Gesetzentwurf! – Danke!