Protokoll der Sitzung vom 28.05.2009

(Beifall bei der CDU)

Wir werden diesen aus meiner Sicht rein populistischen Antrag deshalb ablehnen. Bei der sogenannten Altfallregelung war es Ziel des Gesetzgebers, gut integrierten Ausländern einen gesicherten Aufenthalt zu ermöglichen, die Zuwanderung in die Sozialsysteme zu vermeiden und nachhaltige Bemühungen der Betroffenen um ihre Integration in unsere Gesellschaft zu fordern. Im Rahmen dieser Regelung können Ausländer bei Vorliegen der Voraussetzungen bis zum 31. Dezember 2009 – Sie haben es gesagt, Frau Mohammadzadeh – ein befristetes Aufenthaltsrecht und einen gleichrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Nach dem 31. Dezember 2009 wird die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Recht nur verlängert, wenn davon auszugehen ist, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt sichern kann und er nachweist, dass er in der Vergangenheit überwiegend erwerbstätig war. Das Aufenthaltsrecht sieht darüber hinaus in Paragraf 104 Absatz 6 diverse Ausnahmeregelungen zur Vermeidung von Härtefällen bei dem Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung vor. Das gilt beispielsweise für Familien und Alleinerziehende mit Kindern, die nur vorübergehend auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind. Die Beispiele, die hier genannt worden sind, ziehen so gesehen nicht. Nach Ansicht der CDU-Fraktion ist der vorliegende Antrag ein Schnellschuss ohne entsprechende Grundlagen.

(Beifall bei der CDU)

Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf diesen Personenkreis sind der Koalition offensichtlich nicht bekannt. Das hindert Sie, meine Damen und Herren, jedoch nicht, Gesetzesänderungen zu beantragen. Populistischer geht es nicht! Damit tun Sie im Übrigen diesen Menschen auch nichts Gutes, vielmehr – das hat Herr Woltemath eben auch schon angedeutet – benutzen Sie sie für Wahlkampfzwecke mit ideologischer Ausrichtung.

(Beifall bei der CDU)

Sie nehmen die Wirtschaftskrise zum Anlass, wieder einmal das Thema Duldung auf die Tagesordnung zu ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

bringen. Wenn Sie für diesen Personenkreis wirklich etwas Positives erreichen wollen, dann hätten Sie zunächst einmal eine Auskunft vom Senat über die tatsächlichen Auswirkungen der Krise auf die Beschäftigungsmöglichkeiten für Ausländer einfordern sollen. (Zuruf der Abg. Frau B u s c h [SPD])

Diese Daten, Frau Busch, sind nach unserer Ansicht für die Beurteilung Ihres Antrags unabdingbar – für Sie vielleicht nicht, aber für uns schon! –, Zeit wäre ausreichend vorhanden gewesen, und das wird auch dadurch nicht auf die lange Bank geschoben, denn, wie schon mehrfach dargestellt, die gegenwärtige Rechtslage gilt noch bis zum 31. Dezember 2009.

Ebenso unseriös ist Ihr Versuch, die Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz verändern zu wollen. Dafür ist nämlich bekanntlich das Bundesinnenministerium zuständig. Mit diesem in mehrfacher Hinsicht unbegründeten Dringlichkeitsantrag machen Sie sich auf Bundesratsebene nur lächerlich.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU lehnt deshalb diesen Antrag ab. – Vielen Dank! (Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Nitz.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Uns liegt ausnahmsweise einmal ein Antrag vor, der den Namen Dringlichkeitsantrag verdient, völlig im Gegensatz zum vorhin diskutierten Anliegen. Dieses Thema ist unserer Meinung nach absolut dringend und bedarf einer nachhaltigen Lösung für das Problem der Kettenduldung. Aus diesem Grund freue ich mich besonders über diesen sehr sinnvollen Antrag, den wir hier gerade behandeln.

Ein Aber kann ich mir dennoch nicht verkneifen, denn mit Ihrem Antrag schlagen Sie zwar eine kurzfristige Lösung in einer schwierigen Situation vor, die fundamentalen Probleme lassen Sie allerdings unberührt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen. Die gesetzliche Altfallregelung sollte ein Ausweg aus der Kettenduldung bieten. Das war angesichts der bisherigen Abwesenheit einer solchen Lösung allerhöchste Eisenbahn. Allerdings hat der Gesetzgeber jetzt nicht etwa einen modernen Schnellzug auf den Weg gebracht, sondern eine gesetzliche Bimmelbahn kreiert, denn schon von Anfang an wurden die hohen Voraussetzungen der Altfallregelung von vielen migrantischen und nicht-migrantischen Verbänden und auch von uns, der LINKEN, kritisiert. Da waren zwei Entwicklungen mit negativen Auswirkungen auf geduldete Menschen noch überhaupt nicht absehbar.

Erstens war die derzeitige Wirtschafts- und Finanzmarktkrise nicht vorauszusehen, und zweitens konnten auch wir nicht ahnen, dass die hohen Einkommensvoraussetzungen durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom August 2008 noch verschärft werden würden. Auf einer Veranstaltung der ökumenischen Ausländerarbeit wurde vorgerechnet – Herr Hinners, ich bitte Sie jetzt, genau zuzuhören! –, dass eine Familie mit zwei Kindern ein Einkommen von circa 1 600 Euro netto benötigt, um die Voraussetzungen dieser Altfallregelung überhaupt zu erfüllen. Das ist schwierig, vor allem für Familien mit mehreren Kleinkindern, für Familien, in denen die Eltern in unqualifizierten Beschäftigungen arbeiten müssen, in denen die Eltern Vermittlungshemmnisse haben, wie es die BAgIS so schön tituliert.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Und was ist die Alternative?)

Das war schon vor der Finanz- und Wirtschaftskrise nahezu aussichtslos, und die Situation hat sich noch verschärft. Das belegen im Übrigen auch die Zahlen: In Bremen sind derzeit 715 Personen nur probeweise aufenthaltsberechtigt. Probeweise aufenthaltsberechtigt heißt, sie erfüllen nicht die finanziellen Voraussetzungen dieser Altfallregelung. Dass sie angesichts immer neuer Meldungen von Stellenabbau, Kurzarbeit und Werksschließungen auch noch einen Job finden, bei dem sie ausreichend verdienen, ist leider nicht sehr wahrscheinlich. Wenn sie denNachweis zum Lebensunterhalt bis Ende des Jahres nicht erbracht haben, dann fallen sie nach der jetzigen Regelung zurück in die Duldung und sind erneut von der Abschiebung bedroht. Um das zu verhindern, befürworten wir jetzt diese Fristverlängerung.

Sie schlagen in Ihrem Antrag direkt eine Gesetzesänderung vor, aber bitte beantworten Sie mir doch eine Frage: Wenn Sie schon das Gesetz ändern möchten, warum dann nicht auch gleich die gesetzlichen Voraussetzungen für den Lebensunterhalt? Stattdessen schlagen Sie in Ihrem zweiten Antragspunkt nur Verwaltungsvorschriften vor, die den Übergang in die Aufenthaltserlaubnis deutlich erleichtern. Da frage ich mich doch wirklich, wer Ihnen diese rosarote Brille aufgesetzt hat! Diese Formulierung ist doch komplett schwammig, und es bleibt hier völlig unklar und natürlich auch Interpretationssache, was Sie mit einer Erleichterung des Übergangs meinen. Eine Verwaltungsanweisung ist unserer Meinung nach keine Lösung des Problems und noch viel weniger ein verlässliches Instrument für die betroffenen Menschen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat aufgrund der bestehenden Gesetze geurteilt, eine effektivere Erleichterung oder Abschaffung der Voraussetzungen erreicht man nur mit einer Gesetzesänderung. Wir werden heute Ihrem Antrag zustimmen, weil die Fristverlängerung notwendig und wie bereits beschrieben auch sehr dringend ist. Doch in der Zielsetzung,

die auch in den Ausführungen gerade deutlich wurde, stimmen wir Ihnen nicht zu. Es geht nicht um eine kurzfristige Erleichterung anlässlich der Krise, sondern es geht darum, dass die finanziellen Voraussetzungen der gesetzlichen Altfallregelung unabhängig von der Krise abgeschafft werden müssen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der nächsten Woche die Innenministerkonferenz in Bremerhaven, und dieser Punkt steht auf der Tagesordnung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Insofern ist es richtig und notwendig, dass wir heute in der Bürgerschaft darüber diskutieren.

Noch einmal zum Hintergrund des Problems: Es geht um circa 20 000 bis 25 000 Menschen, die in der Bundesrepublik seit vielen Jahren leben. Um überhaupt in den Genuss dieser Altfallregelung zu kommen, musste man bereits sechs beziehungsweise acht Jahre in der Bundesrepublik gelebt haben. Dieses Gesetz sieht nun vor, dass man bis zum 31. Dezember 2009 nachweist, dass man seinen Lebensunterhalt selbstständig erwirtschaftet. Sie haben es ausgeführt, es ist der denkbar ungünstigste Zeitpunkt überhaupt. Wir sehen, wie die Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt losschlägt, und man muss kein Prophet sein, um abzuschätzen, wie diese Probleme gerade in diesem Sektor ihren Niederschlag finden. Es sind in der Regel instabile Arbeitsverhältnisse, es sind Zeitarbeitsverhältnisse. Wenn Sie sich im Land Bremen oder in Bremerhaven umschauen: Wo sind die Ersten entlassen worden? Das war nicht bei Mercedes, sondern das war bei den Zeitarbeitsfirmen, das waren die Fremdfirmen, die zuerst zurückgezogen worden sind. Insofern müssen wir nicht lange abwarten, sondern die Prognose wird sein, dass die Wirtschaftskrise in der Tat in diesem Bereich erheblich zuschlagen wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Deswegen müssen wir jetzt handeln. Eigentlich ist es nicht unsere Sache. Verantwortlich ist der Bund – es ist der Bundestag, der normalerweise in einer solchen Situation, in der man letztlich für alle etwas tut, ich brauche die Liste nicht hier zu öffnen, was alles in den nächsten Tagen bewegt werden soll –, und dieser Bereich wird nicht angefasst, obwohl erkennbar ist, welche Probleme zum Ende des Jahres entstehen werden, auch hier in Bremen, wo wir zurzeit circa 586 Verfahren haben, die auf uns zukommen werden.

Es hängt offensichtlich damit zusammen, dass der Mehrheit im Parlament der Mut fehlt, im Wahlkampf – im Europawahlkampf und dann bei der Bundestagswahl – dieses Thema aufzugreifen. Es ist überhaupt kein populäres Thema, das heißt, diejenigen, die davon betroffen sind, entscheiden nicht über die zukünftige Zusammensetzung des Bundestages, sondern es ist die Frage, wie die Mehrheit dieses Landes mit diesen Menschen umgeht. Deswegen, denke ich, brauchen wir eine Entscheidung.

Wir werden versuchen, in Bremerhaven eine Regelung zu finden, die es uns ermöglicht – das will ich im Einzelnen nicht erläutern –, über den Paragrafen 23 diese Menschen faktisch so zu stellen, als ob sie die Voraussetzungen erfüllen. Das setzt aber voraus, dass alle Länder und insbesondere der Bund mitmachen. Ich bin da sehr skeptisch, weil bisher keinerlei Signale von dieser Seite gekommen sind. Ich vermute eher, dass man dieses Thema erst einmal konsequent ausblendet und schaut, wie es dann nach den Wahlen weitergeht.

Es ist völlig klar, und auch die B-Seite wird natürlich nicht das Problem in der Form lösen, dass man wirklich ernsthaft an eine Rückführung dieser 20 000 bis 25 000 Menschen denkt. Das ist faktisch auch ausgeschlossen, aber man schiebt das Problem einfach in den Herbst und schaut dann einmal. Was das bedeutet, diese Unsicherheit, dass die Frist abläuft, dass man nicht weiß, wie der Bundestag zukünftig mit diesem Problem umgehen wird, finde ich, ist einfach das Skandalöse an dieser Situation, dass man hier nichts macht und wartet.

Ich muss sagen, Ihren Antrag in allen Ehren, nur leider sehe ich dafür auch keine Mehrheit. Wenn der Bundestag nicht bereit ist, sich zu bewegen, dann wird es auch nicht die Länderkammer tun. Insofern bleibt eigentlich nur die Hoffnung, dass nach der Bundestagswahl mit einer anderen Zusammensetzung, mit einer anderen Regierung die Mehrheiten dafür gefunden werden, dieses Problem vernünftig zu lösen, und ich glaube auch nicht, dass die Lösung darin bestehen kann, diese Regelung nur um ein Jahr hinauszuschieben. Auch das täuscht uns im Grunde genommen darüber hinweg, dass wir hier eine dauerhafte stabile Lösung finden müssen. Insofern unterstütze ich Ihren Antrag dem Grunde nach, aber ich glaube, wir müssen uns überlegen, wie es im Herbst weitergeht. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Damit ist die Beratung geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD mit der Drucksachen-Nummer

17/791 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und FDP)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Arbeitsplätze bei Karstadt erhalten – Insolvenz verhindern! Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 27. Mai 2009 (Drucksache 17/804)

D a z u

Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 28. Mai 2009 (Drucksache 17/806)

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP vom 28. Mai 2009 (Drucksache 17/807)

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Als Vertre- ter des Senats ist wer da?)

Als Vertreter ist noch Herr Senator Mäurer anwesend. Der zuständige Senatsvertreter, Herr Staatsrat Heseler, ist auf dem Weg zum Haus der Bürgerschaft. Weil wir diesen Tagesordnungspunkt außerhalb der Tagesordnung vorgezogen haben, ist Herr Staatsrat Heseler benachrichtigt worden und wird gleich hier im Haus eintreffen. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen! Die von der Finanzkrise ausgelöste Wirtschaftskrise hat nun auch Auswirkungen auf die zu Arcandor gehörenden KarstadtWarenhäuser. Bundesweit sind circa 132 KarstadtWaren- und -Sporthäuser und deren 32 500 Arbeitsplätze von der sich abzeichnenden Insolvenz betroffen. Allein in Bremen und Bremerhaven sind circa 1200 Karstadt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter von Arbeitslosigkeit bedroht. Hier sprechen wir nicht von

Prekärbeschäftigung, also von Arbeit, von der man nicht leben kann, sondern von tariflichen und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und von Menschen, die regelmäßig ihre Lohnsteuer und Abgaben entrichten. Diese Arbeitsplätze sind als Stütze des Einzelhandels anzusehen, da diese gewollte tarifvertragliche Bindung der Karstadt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter dem bereits etablierten Trend zur Niedriglohnbeschäftigung entgegentritt.