Prekärbeschäftigung, also von Arbeit, von der man nicht leben kann, sondern von tariflichen und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen und von Menschen, die regelmäßig ihre Lohnsteuer und Abgaben entrichten. Diese Arbeitsplätze sind als Stütze des Einzelhandels anzusehen, da diese gewollte tarifvertragliche Bindung der Karstadt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter dem bereits etablierten Trend zur Niedriglohnbeschäftigung entgegentritt.
Dieser Trend der Niedriglohnbeschäftigung hat zur Folge, dass immer weniger für geleistete Arbeit gezahlt wird und die Beschäftigten zum Teil gezwungen sind, das geringe Einkommen von den Kommunen aufbessern zu lassen. Hiervon sind tendenziell immer mehr Frauen betroffen. Karstadt bildet dabei eine erfreuliche Ausnahme, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN)
Die Karstadt-Warenhäuser gehören zum Stadtbild der Städte Bremen und Bremerhaven und müssen erhalten werden, was auch von der gesamtbremischen Bevölkerung gefordert wird. Die Richtigkeit dieser Aussage wird von den über 12 000 Unterschriften bekundet, die in kürzester Zeit gesammelt werden konnten. Bereits von Anfang an habe ich die bedenkliche Entwicklung beobachten müssen und mir Sorgen und Gedanken um die Zukunft der KarstadtMitarbeiterinnen und -Mitarbeiter gemacht. Als ein Ergebnis dessen hat die Fraktion DIE LINKE nun einen Dringlichkeitsantrag mit dem Titel „Arbeitskräfte bei Karstadt erhalten – Insolvenz verhindern!“ eingebracht. Dort fordern wir den Senat dazu auf, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass die von der Wirtschaftskrise ausgelöste Insolvenz der KarstadtWaren- und -Sporthäuser verhindert wird.
Meine Damen und Herren, unsere Bundestagsfraktion DIE LINKE wird die Bestrebungen des bremischen Senats nach Kräften unterstützen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich, dass aufgrund unserer Initiative auch die Mehrheit in diesem Haus wach geworden ist und Änderungsanträge eingebracht hat.
(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. S i e - l i n g [SPD]: Als bei Ihnen der Wecker klin- gelte, waren wir schon mit der Arbeit fer- tig! – Heiterkeit)
den. Im Interesse der Karstadt-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter in Bremen und Bremerhaven werden wir dem Änderungsantrag 17/806 der SPD und vom Bündnis 90/Die Grünen zustimmen. Den Änderungsantrag 17/807 der FDP und der CDU lehnen wir dagegen ab, da er uns nicht weit genug geht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem besonderen Aspekt beginnen, denn ich finde, es ist schon schwer zu ertragen, dass der Staat vermehrt als Reparateur für schwere Managementfehler auftreten muss. interjection: (Beifall)
Es ist ja leider so, dass nicht die Finanz- und Wirtschaftskrise Ursache dieser Entwicklung ist, sondern die Ursachen sind leider hausgemacht und durch die Wirtschaftskrise jetzt allerdings verstärkt worden, auch dies lässt sich ja nicht leugnen, aber für uns ist die Frage gewesen: Wie gehen wir mit einer solchen Situation um? Finden wir es richtig, dass wir die Beschäftigten im Regen stehen lassen, wenn einige Manager nicht in der Lage waren, den Laden richtig zu führen? Das finden wir nicht.
Man muss vielleicht auch eines noch einmal deutlich sagen: Es geht hier nicht – ich vermute, dass so etwas gleich irgendwo kommt – um irgendwelche direkte Subventionen, sondern es geht darum, dass ein Kredit verbürgt und dass ein anderer Kredit aufgenommen werden soll, der natürlich auch zurückgezahlt werden muss. Insofern wird dieses Verfahren das Überleben von Karstadt und von Arcandor insgesamt sichern, aber es löst die strukturellen Probleme noch nicht. Die sind vom Konzern selbst zu lösen, und dies ist auch keine Aufgabe des Staates, aber die Erwartungshaltung ist, dass die Probleme gelöst werden. (Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)
Ich möchte zur besonderen Situation von Karstadt in Bremen und Bremerhaven noch einiges sagen. Herr Müller hat ja richtigerweise ausgeführt, wir haben hier eine tarifliche Bezahlung, wir haben hier zwei große Einzelhandelsstandorte, die auch ausbilden. Ich erinnere mich an eine Untersuchung, die in Bremen einmal gemacht worden ist. Da sind die Leute befragt ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
worden, die in Bremen in der Innenstadt zum Einkaufen gehen, und man hat herausbekommen, dass mindestens 80 Prozent der Befragten doch zumindest bei Karstadt vorbeischauen. Das macht deutlich, dass wir hier tatsächlich Perlen in Bremen und Bremerhaven haben, sowohl was die Beschäftigungssituation als auch was die Akzeptanz dieser Häuser angeht. Insofern können wir uns auch nicht danebenstellen.
Wesentlich ist natürlich auch, dass beide Häuser schwarze Zahlen schreiben. Das Bremer Haus – wer „buten un binnen“ gesehen hat, unser ehemaliger Kollege Blumenberg hat das dort einmal deutlich formuliert –, ist unter den ersten zehn, oft unter den ersten fünf in der Leistungsfähigkeit. Da kann man nur sagen, es sind starke Häuser, und wir können uns nur dafür einsetzen, dass diese auch hier erhalten bleiben.
Ich freue mich ausdrücklich, dass wir hier nicht den Kampf um das Erstgeburtsrecht führen, sondern dass wir hier tatsächlich gemeinsam oder weitestgehend gemeinsam zu einer Entscheidung kommen können. Dem Antrag der CDU werden wir nicht folgen können, denn wir glauben, er ist nicht konkret genug. Wir finden, es muss benannt werden, welche Möglichkeiten gegeben sind. Mit dem Wirtschaftsfonds sind diese Möglichkeiten gegeben, und es ist selbstverständlich für uns, dass wir die Anstrengungen des Senats – der Bürgermeister hat jetzt einen Brief an die Bundesregierung geschrieben – mit unterstützen und dass sie unsere volle Unterstützung haben. Ich bitte Sie daher um die Zustimmung zu dem Antrag.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben drei Anträge vor uns liegen, die sich mit dem Thema „Arbeitsplätze bei Karstadt erhalten – Insolvenz verhindern!“ beschäftigen. Für den Arcandor-Konzern ist es eine schwierige Situation, noch viel schwieriger ist die Situation aber für die Mitarbeiter. Es geht hier, bei Karstadt Bremen beziehungsweise Bremerhaven, um 1000 Mitarbeiter in Bremen und 200 Mitarbeiter in Bremerhaven.
Es wird gesagt, dass die Junigehälter gefährdet seien. Der Hintergrund ist das Auslaufen eines Kredites von 650 Millionen Euro am 12. Juni. Ich glaube, wir brauchen hier in diesem Haus nicht darüber zu streiten, welche Bedeutung dieses Unternehmen für Bremen hat. Wir brauchen auch nicht darüber zu streiten, was das für die Mitarbeiter bedeutet, wenn an dieser Stelle etwas passiert, und genauso wenig darüber, was es für die bremischen Unternehmen bedeutet, die davon betroffen sind.
Trotzdem müssen wir aber dieses Thema auch kritisch betrachten. Wenn es eine solche Situation gibt, wie sie sich im Moment darstellt, dann muss man doch zunächst einmal privatwirtschaftliche Lösungen fordern, bevor man staatliche Lösungen fordert. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass Eigentümer gefragt werden müssen und mit Eigentümern diskutiert werden muss, wie die Situation verändert werden kann. Es müssen natürlich auch Gespräche mit Gläubigerbanken geführt werden. Auch darüber kann man diskutieren: Wenn die Gläubigerbanken nicht bereit sind – und das ist eigentlich der erste Schritt –, das zu machen, was eigentlich ihre Aufgabe ist, nämlich Kredite zur Verfügung zu stellen, und wenn man dann hört, warum Banken möglicherweise nicht mehr bereit sind, dies zu tun, dann kann die Politik fragen, was man als Politik auch für die Banken tun kann, damit das geleistet werden kann, was die Banken heute nicht leisten.
Es ist auch – und das ist ein wesentlicher Punkt, der die Debatte in den letzten Tagen beherrscht – die Frage der Konkurrenzsituation von Karstadt. In der „Wirtschaftswoche“ ist ein sehr schönes Bild, leider mit der Überschrift: „Schlussverkauf – Wie die Konkurrenz den Arcandor-Konzern zerlegen will“. Das ist keine freundliche Formulierung, aber, meine Damen und Herren, es ist so, es gibt Interessenten auch im Markt. Es gibt die REWE Group für Thomas Cook, es gibt die Otto Group für Primondo, und es gibt Interessen, Karstadt in die METRO Group zu integrieren und zusammen mit Kaufhof etwas zu machen. Auch dies darf man nicht einfach verschweigen. Das hat nämlich etwas mit Privatwirtschaft zu tun.
Wenn man nun der Auffassung ist, dass dies alles nicht ausreicht und dass der Staat eingreifen soll, muss man sich fragen, welche Möglichkeiten hat der Staat denn im Augenblick? Es gibt den Lenkungsausschuss Unternehmensfinanzierung, den Wirtschaftsfonds, da stellt man sehr schnell fest, dass es verschiedene Kriterien gibt, dass es nämlich darauf ankommt, dass das betroffene Unternehmen nach einer Beruhigung der wirtschaftlichen Krise – nicht der Wirtschaftskrise, sondern der des Unternehmens – ohne staatliche Hilfe auskommt, die beantragte Finanzierung damit nur vorübergehender Natur ist, keine dauerhaf
ten und gravierenden Wettbewerbsverzerrungen zu befürchten sind und dass die Voraussetzung ist, dass alle anderen Möglichkeiten der Finanzierung ausgeschöpft werden. Das bedeutet: Erwartet wird eigentlich ein gesundes Unternehmen, das unverschuldet und vorübergehend gefährdet ist.
Meine Damen und Herren, machen Sie sich nichts vor! Dieser Konzern hat riesige Verluste in den letzten Jahren gemacht. Es ist, das wurde bereits gesagt, ein Ergebnis jahrelangen Missmanagements. Dass darunter die Mitarbeiter nicht leiden dürften, sollte so sein, ist aber leider nicht so, die Realität ist eben eine andere. Wenn man so lang ein solches Missmanagement betreibt, muss man sich nicht wundern, wenn der Markt darauf reagiert. Wenn man hier vonseiten des Staates eingreift, führt das zu Wettbewerbsverzerrungen. Da muss man sich fragen: Ist das nicht auch ein Schlag in das Gesicht derjenigen Unternehmer, die ordentlich gewirtschaftet haben? Auch das muss man bedenken! Man muss sich auch darüber klar sein, dass in diesem Markt des Einzelhandels ungefähr 25 Prozent Überkapazität existiert. Wenn es so eine Überkapazität gibt, ist leider auch eine Bereinigung zu erwarten.
Das Warenhaus an sich ist leider, muss man sagen, ein Auslaufmodell. Sie können in Spanien sehr gut erkennen, wie die Warenhäuser zukünftig aufgestellt sein werden, die funktionieren nämlich. Sie können auch sehen, wie ein Mitbewerber – nämlich Kaufhof – funktioniert.
Meine Damen und Herren, es waren einfach krasse Managementfehler! Es waren Investmentbanker, die sich so verhalten haben, wie sie sich leider häufiger verhalten haben. Der Vorstandsvorsitzende Herr Middelhoff hat erheblich dazu beigetragen, in welche Situation dieser Konzern gekommen ist. Es hat laufende Wechsel im Vorstand, bei den Bereichsleitern und im Aufsichtsrat gegeben. In solchen Strukturen kann man kein Unternehmen führen, weder ein Kaufhaus noch ein Automobilunternehmen, noch ein sonstiges Unternehmen!
Meine Damen und Herren, auch das muss man sagen, Managementfehler sind keine Dinge, die man auf die Steuerzahler abwälzen kann! Es kann nicht angehen, dass ein jeder Unternehmer, der in eine Krise gerät, Steuergelder für die Rettung verlangt. Ich komme zu einem vorläufigen Ergebnis: Ich halte nichts von Staatshilfen für Unternehmen, die in vergangenen Jahren nur Verluste geschrieben haben, die schlecht geführt worden sind und deren aktuelle Probleme wirklich nichts mit der Finanzkrise zu tun haben.
Dennoch haben wir ein Verfahren in Berlin verabredet. Es gibt einen Wirtschaftsfonds, und da gibt es gewisse Reihenfolgen, die man einhalten sollte. Zu
nächst soll ein Bürgschaftsausschuss tagen, und da geht es um Expertenmeinungen und nicht um Politik. Diese Experten werden wesentlich mitentscheiden, ob eine Beurteilung, so wie ich sie eben abgegeben habe, möglicherweise dazu führen wird, einen solchen Bürgschaftsrahmen zu versagen. Das ist die Reihenfolge, danach kommt erst der Lenkungsausschuss, das bitte ich einzuhalten und auch zu bedenken. Dies ist übrigens einer der Gründe, warum wir Ihrem Antrag nicht zustimmen, denn Sie sagen schon automatisch, Sie gehen davon aus, dass der Konzern für den Wirtschaftsfonds geeignet ist. Da muss man sagen: Nein, so weit sind wir noch nicht, diese Entscheidung wird zunächst einmal getroffen werden, aber sie ist jetzt noch nicht getroffen! Dies geht auch an die Adresse der Arbeitnehmer.
Ich kehre wieder zum Anfang zurück und sage: Es ist ein wesentlicher Punkt, dass wir als bremische Politiker unsere Hausaufgaben machen. Deswegen haben wir auch in unserem Antrag gesagt, dass wir den Senat auffordern, weiterhin seine Bemühungen für den Erhalt der Arbeitsplätze hier in Bremen und in Bremerhaven fortzusetzen. Das finden wir richtig, es gehört aber auch dazu – das wurde heute schon einmal am Rand deutlich –, dass der Senat hier mehr machen kann, indem er zum Beispiel ein vernünftiges Innenstadtkonzept macht, das nicht auf die lange Bank geschoben wird, damit man den Einzelhandel, der schon Schwierigkeiten hat, hier in Bremen auch deutlich unterstützt!
Die Mitarbeiter haben, schon unsere Unterstützung. Gehen Sie davon aus, dass wir auch alles tun werden, ihre Arbeitsplätze zu sichern.
Staat und Politik sind aber nicht die besseren Unternehmer, das ist leider so, und wenn sich Änderungen im Markt ergeben, muss man das einfach hinnehmen und kann das nicht durch den Staat korrigieren.
Ein Letztes möchte ich an die Adresse der LINKEN sagen! Es gibt heute in der Onlineausgabe der „Berliner Zeitung“ eine sehr interessante Neuigkeit, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.
Herr Nußbaum, der Ihnen, glaube ich, irgendwie noch bekannt ist – er war einmal Finanzsenator in Bremen – –. (Glocke)
Ich zitiere jetzt einfach: „Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum, parteilos, beurteilt Staatshilfen für den Arcandor-Konzern skeptisch. Berlin müsste für rund 100 Millionen Euro geradestehen, sollten die beantragten Bürgschaften gewährt werden. Dieses Geld sei im Haushalt nicht eingeplant. Zudem sollte laut Nußbaum derzeit vor allem Mittelständlern geholfen werden, die durch die Finanzkrise in Not geraten sind. Arcandor, zu dem Karstadt gehört, sei dagegen ein Großkonzern, dem es schon vor der Krise schlecht gegangen sei.“