es ja, Gott sei Dank, auch gibt. Wo kommen wir denn hin, wenn Sie sagen, jetzt haben wir da eine Gruppe von Muslimen in der CDU, ich kenne zum Beispiel eine in Schleswig-Holstein, darin steht ganz etwas anderes. Das wird doch genauso wenig Grundlage unseres staatlichen Unterrichts wie eine sehr freundliche, angenehme, nette Gruppierung von Christinnen und Christen bei den Grünen. Der zentrale Punkt ist – und das haben Sie ja freundlicherweise klar gesagt –, dass Sie immer noch davon ausgehen, dass die christliche Religion, dass die christlichen Kirchen hier einen Monopolanspruch haben.
Priorität oder Monopolanspruch, das ist immer die Frage! Wenn jemand klar verlangt, dass er zuerst kommt und dann alle anderen, kann man das entweder Vorrang oder Monopol nennen.
(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Im Biblischen Geschichtsunterricht! Das ist Verfassungs- grundlage! Lesen Sie die Verfassung!)
Ja, von diesem Unterricht rede ich doch, da muss das Christentum das A und O sein, von dem aus man etwas anderes unterrichtet. Das Zweite war, dass sie behauptet hat, das Christentum habe das Monopol an Werten, an der Schaffung und Einhaltung von Werten. Wenn ich auf die Geschichte und die gegenwärtige Gesellschaft blicke, glaube ich das, offen gestanden, nicht. Ich bin davon überzeugt, dass es schon lange nicht der Fall ist, dass irgendeine Religion einen Vorrang, ein Monopol hat, Werte zu produzieren. Diese Behauptung, nur mit Religion gebe es Werte, ist so abgrundtief falsch, kann ich Ihnen nur sagen, denn sonst würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren!
Dann haben Sie eine große Reihe von guten Menschen aufgemacht, wunderbar! Ist Ihnen aufgefallen, dass dies nur Christinnen und Christen waren? Sie können doch nicht im Ernst erwarten, dass wir Ihnen da zustimmen, wenn Sie sagen, schauen Sie einmal, die Kinder müssen von guten, wunderbaren Menschen erfahren, und dann schildern Sie uns hier zehn Leute, die nur einer Religion angehören. Wenn das
Ich rede davon, dass Sie nach wie vor ganz klar sagen, dass das Christentum Vorrang im staatlichen Schulunterricht haben muss. Sie nicken, und das ist der entscheidende Punkt! Wir sagen, aufgrund der Entwicklung in der Gesellschaft und unseres Verständnisses von Religionsfreiheit, Gleichheit und Gleichberechtigung der Menschen und der Religion kann dies heute nicht mehr der Fall sein. Das ist der zentrale Unterschied! Wir wollen einen Unterricht, in dem Gleichberechtigung und Respekt vor allen der Fall ist. Das ist der entscheidende Punkt.
Wissen Sie, Frau Motschmann, wenn Sie dann von dem freundlichen christlichen Standpunkt aus sagen, wir sind die Grundlage, und von da aus machen wir einen Dialog mit anderen,
ist das nicht richtig, das ist keine Gleichberechtigung, das ist nicht auf Augenhöhe. Was Sie dann über den Islam gesagt haben, war nicht Dialog mit dem Islam, sondern war Kampf gegen den Islam, und das ist genau der Geist, den Sie hier hineinbringen.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN – Abg. R o h m e y e r [CDU]: Sie machen sich die Welt, wie sie Ihnen gefällt! – Abg. Frau M o t s c h m a n n [CDU]: Das ist nicht Kampf gegen den Islam, das ist Kampf für die Frauen!)
Die Art und Weise, in der Sie pauschal über den Islam gesprochen haben, war nicht Kampf für die Frau, sondern Zuspitzung und Polemik gegen den Islam.
Die entscheidende Frage, und deswegen ist es ja auch gut, dass es so klar und zugespitzt auf den Tisch kommt: Es gab Zeiten, da konnten Sie sagen, wo leben wir denn, wenn hier nicht christliches Abendland, Christentum an erster Stelle, Christentum an zweiter Stelle stehen und dann erst Dialog mit den anderen der Fall ist. Diese Zeiten sind vorbei. Nach unserem Verständnis unserer Gesellschaft, den Grundlagen unseres Zusammenlebens kann das nicht mehr der Fall sein. Wir leben in einer Gesellschaft, in der nicht nur der Einzelne unveräußerliche Rechte hat,
sondern mit diesen unveräußerlichen Rechten auch die Religionsgemeinschaften gleiche Rechte haben – haben müssen! –, wenn wir in Frieden und vernünftig miteinander leben wollen. Auf der Grundlage, wie Sie sie beschreiben, kann es dieses vernünftige Zusammenleben auf Dauer nicht geben, und deswegen kämpfen wir auch dafür, den Religionsunterricht als Religionskunde, als Unterricht über die Religionen auf eine neue Grundlage zu stellen.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Frau M o t s c h m a n n [CDU]: Die Grundlage ist das Grundgesetz!)
Grundlage ist das Grundgesetz und die Ausnahme, die für Bremen und andere Länder gemacht worden ist, und die Grundlage muss auch in dieser Frage die Realität sein, die Herausforderung der Realität! Wir müssen einen vernünftigen Weg finden. Die Kirchen sind übrigens sehr viel weiter als Sie, Frau Motschmann. Die Kirchen sind gerade im Land Bremen sehr viel weiter, sie sind in der Diskussion, im Gespräch über die Fortentwicklung dieses Unterrichts viel weiter, deswegen werden wir mit denen in Ruhe und vernünftig weiterreden. Ich bin sicher, wir werden am Ende einen Unterricht haben, der denAnforderungen einer modernen Gesellschaft gerecht wird.
Wir leben in einem Land, das aus einem christlichen Abendlandverständnis kommt, aber die Definition, das sind wir hier, und das werden wir ewig sein, und wo leben wir denn, das geht nicht! Das hat keine Zukunft, Frau Motschmann, davon bin ich überzeugt.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Motschmann, normalerweise hätte ich mich in diese Debatte nicht eingeschaltet, aber ich bin Lehrerin, und einige Ihrer Äußerungen sind mir sehr unter die Haut gegangen. Ihre Predigt, dass der Unterricht in Biblischer Geschichte oder der Biblische Geschichtsunterricht mit der Wertevermittlung verknüpft ist respektive dass, wenn er nicht stattfindet, keine Wertevermittlung in Schulen stattfindet, ist unsäglich!
Mein Anspruch als Lehrerin ist selbstverständlich Wertevermittlung, und zwar in jedem Unterricht, in jeder Stunde, die ich in der Klasse stehe, vermittele ich Werte, das gehört einfach dazu und ist nicht an ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
ein bestimmtes Fach gebunden! Ihre, sage ich einmal, Schlussfolgerung, die Sie aus Erfurt und Winnenden ziehen, ist genauso unsäglich. Zu sagen, dass das etwas mit dem Unterrichten dieses Faches zu tun hätte, ist völlig haltlos und aus der Luft gegriffen.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Zumal Winnenden in Baden-Würt- temberg liegt, wo Religionsunterricht erteilt wird!)
Das, was der Biblische Geschichtsunterricht vermittelt, nämlich die Auseinandersetzung mit den eigenen religiösen Wurzeln, ist gut und richtig und soll in adäquater Form auch hier in Bremen erfolgen, dagegen ist nichts einzuwenden. Aber das, was Sie gerade deutlich gemacht haben, ist aus meiner Sicht christlicher Fundalismus und keine Grundlage für dialogorientierten Unterricht!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte mir diese Debatte kürzer vorgestellt, aber mir geht es ähnlich wie der Kollegin Böschen, dass bestimmten Dingen hier wirklich widersprochen werden muss. Ich sehe da eine gewisse Lebendigkeit bei der CDUFraktion. Ich muss sagen, als vom christlichen Abendland die Rede war, haben auch alle Beifall gespendet. Ich denke, dazu muss es auch innerhalb der CDUFraktion noch ein Nachdenken geben.
Das geht über das hinaus, was wir hier erwarten und akzeptieren können, denn es ist schon an der Grenze zur Ausschließung von Bürgerinnen und Bürgern, die einen anderen religiösen und ethnischen Hintergrund haben,
wenn wir sagen, wir sind hier das christliche Abendland. Das ist ein historischer Begriff, mit Verlaub gesagt, Sie sind da nicht mehr auf dem aktuellen Stand! Das christliche Abendland als solches gibt es nicht mehr! Das wäre also eine Information, die in einem solchen Unterricht dann auch einmal vermittelt werden müsste! (Beifall bei der LINKEN)
Es ist, wie gesagt, sehr ernst, weil es Ausschließungsimpulse beinhaltet, die auch sehr sensibel so ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
wahrgenommen werden und die wir hier als spaltend und nicht akzeptabel zurückweisen müssen. Wir haben die Werte Gerechtigkeit, Solidarität, Menschenrechte, übrigens auch der Vortrag von Herrn Prof. Rinken, finde ich, ist eine ganz große Hilfe in dem Zusammenhang.
(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Der war schlimm, übel! – Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Der war exzellent!)
Es ist nur schwer zu glauben, aber wir haben da doch einigen Nachholbedarf auf der rechten Seite des Parlaments, habe ich das Gefühl. Ich empfehle „Nathan, der Weise“ von Lessing, sehr verehrte Frau Motschmann!
Was die eine Religion fordert, fordert legitimerweise auch die andere Religion. Das ist seit der Aufklärung bekannt, und damit muss man klug umgehen. Diese Klugheit gibt es aus allen Religionen heraus, es gibt sie mittlerweile, und das betrifft zum Beispiel mich, auch ohne Religion.
Ich bin ursprünglich religiös motiviert in die Politik gegangen, und ich bin nunmehr ohne religiöse Werte, aber mit denselben Grundlagen, mit einer Ethik der Solidarität und der Gerechtigkeit dabei, und das sind viele, die heute aufwachsen, auch! Deswegen haben wir ganz viele nichtreligiöse Werte, das werden wir alles schön verbinden und mit Respekt zusammenführen. – Vielen Dank!