Protokoll der Sitzung vom 18.06.2009

Herr Dr. Güldner, ich würde zunächst gern noch auf Ihren Beitrag über die Frage der Gemeinsamkeit eingehen. Sie haben eben auch noch einmal darauf hingewiesen, dass vom CDU-Fraktionsvorsitzenden, aber auch von mir die Bereitschaft erklärt worden ist, gemeinsam an der Lösung der finanzpolitischen Fragen zu arbeiten. Bisher haben wir nicht den Eindruck gehabt, dass Sie überhaupt ein Interesse als Koalition haben, mit uns ernsthaft über dieses Thema zu reden. Ich komme gleich noch auf Herrn Dr. Sieling zurück.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Das ist eine Frage der Inhalte!)

Ich nehme das Signal auf. Sie sagen, man kann es nur gemeinsam machen, und ich denke einmal, Sie haben recht. Das ist nichts anderes als das, was wir auch sagen. Wir müssen in Bremen die Probleme gemeinsam lösen. Insofern ist die Aufforderung von Ihnen – die kann ich gern genauso zurückgeben – der richtige und auch einzige Weg.

(Beifall bei der CDU)

Dies gilt im Übrigen auch für Bremerhaven. Auch das teile ich, was Sie am Schluss gesagt haben.

Einen letzten Satz noch zu der Ernsthaftigkeit: Sie können vielen mangelnde Ernsthaftigkeit unterstellen, aber ich war während der Großen Koalition, ich glaube, zehn Jahre Mitglied des Haushaltsausschusses.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Da wurde richtig Geld ausgege- ben!)

Mir vorzuwerfen und zu unterstellen, dass ich diese Debatte, die wir jetzt führen, nicht ernsthaft führe – wir reden nicht über die vergangenen Debatten, wir

wollen, das haben Sie eben selbst auch zu Recht gesagt, über die Zukunft reden, finde ich nicht in Ordnung, und das lasse ich auch nicht zu!

(Beifall bei der CDU)

Dazu ist die Frage und der Punkt zu ernst.

Zunächst zu Herrn Dr. Sieling: Herr Dr. Sieling, man kann auch versuchen, jemanden misszuverstehen. Ich glaube, ich habe beim Sozialticket deutlich und klar gesagt, dass die CDU ein solches Ticket nicht will, und zwar deswegen nicht will, weil wir glauben, dass die finanzpolitische Situation es nicht hergibt.

(Beifall bei der CDU)

Wo Ihr Problem liegt, das kann ich verstehen. Sie wollten doch immer ein anderes Ticket. Dieses andere Ticket, das Sie haben wollten, nämlich das weit umfassendere, welches Sie jetzt nicht gemacht haben, ist ihr Problem. Ich sage, wir wollen keine Ausweitung, um dies noch einmal deutlich zu sagen.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Ich habe im Januar gesagt 29 Euro! Jetzt sind es 29,50! Das nehmen wir hin!)

Herr Dr. Sieling, im Gegensatz zu Ihrem Kollegen aus der Koalition hatten Sie eine Rede, in der es nur darum geht, uns vorzuwerfen, dass wir keine Vorschläge machen. Wobei Sie genau wissen, dass wir mehrere Vorschläge gemacht haben. Sie haben sie eben selbst genannt. Dass wir diese Vorschläge machen, heißt, dass wir noch einmal deutlich machen, dass wir bereit sind, etwas zu verändern. Aber Sie sind noch nicht einmal bereit, ernsthaft darüber zu diskutieren. Dies zeigt mir, dass Sie mit Ihrer Fraktion überhaupt nicht bereit sind, eine Strukturdebatte zu führen. Sie wollen einfach genauso weitermachen wie bisher!

(Beifall bei der CDU – Glocke)

Herr Kollege Dr. Schrörs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Sieling?

Bitte sehr!

Ich will mich sehr gern dem stellen, weil es mir um die Inhalte geht. Ich will einmal ein Beispiel nennen: Der Bürgermeister hat einen zentralen Punkt angesprochen, dass wir uns in Bremen nicht erlauben können, weiter Steuersenkungen hinzunehmen, und er hat gesagt, dann würde Bremen eine Klage in Karlsruhe einreichen müssen. Würden Sie dem beitreten? Wäre das ein Bestandteil eines Pakts, den die CDU Bremen mitträgt?

Vielleicht gestatten Sie, dass ich auf diesen Punkt gleich noch einmal zurückkomme, weil ich dies in einem gesamten Zusammenhang darstellen möchte. Danke schön!

Ich würde gern die Finanzsenatorin zitieren, nämlich aus dem „Weser-Kurier“ vom 10. Juni 2009, wenn Sie Herr Präsident, gestatten: „Wir gehen einen konsequenten und geraden Weg“. Das haben Sie im Zusammenhang mit der Haushaltssperre in der Pressekonferenz gesagt. Ich frage: Wie ist der Weg? Der Weg, das haben wir festgestellt, ist ein Weg in die erhöhte Verschuldung. Sie haben eben immer noch keinen spürbaren Sparbeitrag geleistet. Sie sagen selbst, Sie wollen einen spürbaren Sparbeitrag leisten! Was haben Sie denn dafür getan? Nichts! Gar nichts!

(Beifall bei der CDU)

Sie sagen, Sie wollen keinen politischen Flurschaden anrichten und den sozialen Zusammenhang der Stadt nicht gefährden. Dagegen kann man doch nicht sein, verehrte Frau Linnert. Aber ich kann doch nicht von vorherein alle kritischen Punkte in dieser Stadt ausschließen. Ich nenne Ihnen ein weiteres Beispiel, über das wir bereit wären zu diskutieren. Das ist der gesamte Bereich der Zuwendungen. Das ist ein riesiger Bereich. Wir haben im Haushaltsausschuss darüber in der Vergangenheit lange diskutiert. Es gibt einen Zuwendungsbericht, der wahrscheinlich immer noch so dick ist. Das ist ein Punkt, an den man heran muss, meine Damen und Herren von der Koalition!

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD – Abg. R ö w e k a m p [CDU] Sparen tut weh! – Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Es ist die Frage, wem es wehtut!)

Ein letzter Satz noch einmal zur Haushaltssperre! Was ist das bitte für eine Relation? Sie legen einen Nachtragshaushalt von rund 220 Millionen Euro vor, und Sie schlagen eine Einsparung von 8,8 Millionen Euro vor. Die Relation stimmt doch nicht!

(Beifall bei der CDU)

Nun noch einmal zurück zur Frage des Fraktionsvorsitzenden der SPD! Sind eigentlich der Fraktionsvorsitzende und auch der Bürgermeister, sind Sie jetzt eigentlich gegen Ihre Beschlüsse, die Sie in Berlin mit uns gemeinsam gemacht haben? Haben Sie die Steuersenkungsbeschlüsse, über die wir eben gesprochen haben, eigentlich nicht mitgemacht, und haben Sie nicht wie jede andere Partei ein Steuerkonzept?

Sehr geehrter Herr Dr. Sieling, noch einmal die Position der CDU zu Steuersenkungen: Wir sind der Auffassung, dass nachhaltiges Wachstum geschaffen werden muss und dass nur nachhaltiges Wachstum ein Ausweg aus der Krise ist, nur dies! Deutschland ist

und muss ein Exportland bleiben. Diese beiden Voraussetzungen sind da. Wenn wir dann durch Wachstum zusätzliche Einnahmen erwirtschaften können, dann werden und können wir als Erstes eine Haushaltskonsolidierung machen. Nach dieser Haushaltskonsolidierung muss man – und darüber sind wir, glaube ich, uns auch ziemlich einig – als Nächstes Investitionen sowohl in Bildung als auch in Innovationen tätigen. Dann, sehr geehrter Herr Sieling und Herr Bürgermeister, kommt die Frage nach Steuererleichterungen, und zwar für Bürger und für Unternehmen. Und dies alles bitte nur in dieser Reihenfolge, und nur wenn nachhaltiges Wachstum möglich ist, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Es kann doch für Sie auch nicht falsch sein, dass die kalte Progression, die eine Vielzahl von Menschen in diesem Land betrifft, wenn diese heimliche Steuererhöhung endlich einmal abgeschafft wird.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Drei kurze Bemerkungen! Erste Bemerkung zu Bremerhaven: Ich bin vollständig sicher, es geht überhaupt nicht darum, die beiden Städte auseinanderzutreiben, aber wenn sich herausstellt, dass ein Projekt, welches einmal ungefähr 270 Millionen Euro kosten sollte, jetzt 56 Millionen Euro mehr kostet, dann sind wir meiner Meinung nach verpflichtet zu schauen, woran es gelegen hat. Entweder sind diese Mehrausgaben nötig – und ich habe mir den vorläufigen Bericht genau durchgelesen, ich arbeite in einer ähnlichen Welt, es gibt Situationen, da kann man im Detail nachweisen, dass man die Wahl hatte, das Ding wird nicht gebaut, oder man muss das Geld in die Hand nehmen – oder aber sie sind nicht nötig, und dann gilt es, daraus Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Ich glaube, was Bremen sich nicht leisten kann, ist ein weiterer Space-Park.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sind wir verpflichtet, nicht auf der Ebene des Auseinanderdividierens, sondern auf der Ebene des nüchternen Hinschauens uns damit auseinanderzusetzen und, wie gesagt, gegebenenfalls für die Zukunft Konsequenzen zu ziehen.

Kollege Dr. Güldner, ich bezweifele nicht, dass ein Großteil dessen, was an öffentlicher Daseinsvorsorge in Bremen ausgegeben wird, sehr aktiv dazu nutzt, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Armut zu bekämpfen. Ich stelle nur fest, wenn ich mir die Zahlen auch im Lebenslagenbericht anschaue und sie mit dem Datenmaterial von vor fünf oder zehn Jahren vergleiche, hat es offensichtlich nicht gereicht, sondern wir haben eine sich verschlechternde Entwicklung und eine Entwicklung, die sich mittlerweile selbst verstärkt. Deswegen sage ich nicht, dass diese Ausgaben, die jetzt auch von der rot-grünen Koalition beschlossen worden sind, nutzlos sind oder dass sie vergeblich sind. Ich meine nur, es ist zu wenig.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein letztes Wort zu Herrn Dr. Schrörs! Das Anwachsen von privatem Reichtum in einer zunehmenden Geschwindigkeit und in Größenordnungen, die wir uns hier nicht vorstellen können, ist keine Erfindung von linken Dogmatikern, das ist eine statistische Wahrheit weltweit und auch in der Bundesrepublik. Die Tatsache, dass in vielen Ländern, insbesondere in den USA, Rentenversicherungen immer mehr kapitalgestützt sind und auch dort Kapital ist, welches Anlagen sucht, ist keine Erfindung, es ist eine Wahrheit. Diese beiden Quellen sind das Benzin für Finanzmarktgeschäfte, Spekulationen, Hedgefonds, Private Equity, Real Estate, Fonds gewesen. All diese Dinge gäbe es, zumindest in diesem Umfang, ohne dieses Geld, was nach Anlage sucht, nicht. Deswegen sind privater Reichtum und auch kapitalgestützte Rentenversicherungen eine Ursache für diese Finanzmarktkrise. Wenn man diese Finanzmarktkrise nicht wiederholen will, muss man auch an diesen beiden Ursachen arbeiten.

Letzte Bemerkung: Wir werden diesem Nachtragshaushalt zustimmen, weil wir es richtig finden, dass es notwendig ist, dieses Risiko einzugehen, und Alternativen dazu gibt es nicht. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Sieling.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Gott sei Dank fangen wir jetzt an, über das Wichtigste zur Stabilisierung unserer Haushalte und auch zur Konsolidierung zu sprechen, nämlich darüber, wie sich die Einnahmeseite konstant und richtig weiterentwickeln kann. Ja, Frau Dr. Mohr-Lüllmann, Herr Dr. Schrörs hat genau das angesprochen und thematisiert, ich finde, auch in einem Zusammenhang, in dem man jetzt die Diskussion weiterführen muss und worauf ja genau in den letzten Monaten die Reaktion im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise basiert hat. Den Schritt gehen Sie noch nicht! Dahinter stecken natürlich ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik und eine neue ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wirtschaftspolitik, die in der Tat in dieser Bundesregierung gemeinsam von unseren beiden Parteien SPD und CDU in der Großen Koalition getragen wird, und ich glaube, sie hat auch einen breiten Konsens.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Tatsache, dass man weiß, um wieder in einen Wachstumspfad hineinzukommen – das muss ja kein Superwachstumspfad sein, es muss aber eine nachhaltige Entwicklung sein –, die Wachstumskräfte stärken muss, auch andere Fraktionen umfasst. Dafür muss man – den Punkt haben Sie hier richtig angesprochen, ich unterstreiche das, wir haben das hier gemeinsam unterstrichen mit unseren Entscheidungen zum Konjunkturprogramm I – auf der einen Seite investieren und Investitionen möglich machen und auf der anderen Seite – und auch das tun wir in diesem Nachtragshaushalt – die Investitionen aus den Kürzungen in diesem Feld jetzt herauslassen und herausnehmen. Das brauchen wir auch, weil Deutschland als Exportnation stabilisiert werden muss, das wird so bleiben.

Das reicht aber nicht, und da müssen wir weiter diskutieren. Vielleicht haben wir grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen. Die Diskussion geht nämlich dahingehend weiter, dass man weiß, dass diese Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise zeigt, dass das Exportmodell der letzten zehn Jahre allein nicht ausreichen wird, um Wohlstand, Wachstum und stabile Einnahmen zu gewährleisten, sondern dass man auch die Binnenwirtschaft wieder verstärken muss. Dafür spricht übrigens auch unsere demografische Entwicklung, nicht nur, dass wir bei den jungen Menschen mit Bildung und anderen Dingen etwas tun müssen, sondern vor allem auch dafür, dass wir auch im Bereich der Älteren, im Bereich der Gesundheitspolitik viel werden machen müssen.

Dieser Wechsel zu einer stärkeren binnenwirtschaftlichen Komponente hat sich im Übrigen auch in der Investitionspolitik gezeigt. Das Konjunkturprogramm II ist in seinen Wirkungen – –. Wir sind hier in Bremen ja sehr stolz darauf, und darum unterstützen dies auch die Handwerkskammer, die Handelskammer und so weiter, weil sie genau sehen, welche binnenwirtschaftliche Stabilisierung das hat, über die wir dann zu verstärkten und verbesserten Einnahmen kommen können. Das allerdings muss gewährleistet sein, und diesen Schritt sehe ich in diesem Zusammenhang in Ihren Ausführungen hier noch nicht, ich will aber auch gern noch einmal auf die Steuerpolitik zu sprechen kommen.

Natürlich gibt es Dinge innerhalb des Steuersystems, an die man heran muss und die man auch weiter verändern muss. Nur kann man sich eben nicht mehr erlauben – und da glaube ich, das wird noch mindestens fünf, sechs Jahre umfassen –, am Ende Mindereinnahmen zu haben. Das heißt, jede Veränderung in der Steuerpolitik, im Steuerkonzept muss eine Gegenfinanzierung kennen, auf diese Gegenfinanzierung kommt es an. Ihre Darlegungen, die ja offensichtlich dem entsprechen, was in der CDU diskutiert