Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, DrucksachenNummer 17/821, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.
Ich gehe davon aus, Frau Bürgermeisterin Linnert, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht mündlich wiederholen möchten.
Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst beim Senat für die umfassende, sorgfältige Antwort auf unsere Große Anfrage zur Regulierung der Finanzmärkte. Um so mehr, da einige Fragen, die nach bundesdeutschen, europäischen Regelungen vielleicht nicht das Alltagsgeschäft einer Landesregierung sind! Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir uns auch mit solchen Gegenständen hier befassen müssen, auf die wir nur sehr vermittelt und nur gemeinsam mit anderen Einfluss nehmen können, denn auch wir haben politische Verantwortung in dieser Frage. Auch das Land Bremen haftet mit vielen Millionen Euro Steuergeldern für das 500Milliarden-Euro-Rettungspaket für die Banken, und wir haben, als wir das hier vor neun Monaten diskutiert und unsere Zustimmung dazu gegeben haben, zugesichert, dass wir gleichzeitig mit der Stabilisierung der Finanzmärkte auch ihre Zähmung und Regulierung in Angriff nehmen, damit so etwas nicht noch einmal passieren kann.
Es ist heute viel die Rede davon, dass das Vertrauen zwischen den Banken wiederhergestellt werden muss, und ich sage einmal in Klammern, die werden schon wissen, warum sie sich gegenseitig nicht trauen. Es muss uns aber mindestens so wichtig sein, dass wir das Vertrauen unserer Bürgerinnen und Bürger wiedergewinnen.
Deswegen stehen wir im Wort dafür, dass die Finanzmärkte nun wirklich gezähmt werden. Wir müssen die historische Chance, dieses kleine Zeitfenster, auch wirklich nutzen, denn es reden und handeln jetzt schon sehr viele wieder nach dem Motto: „War da etwas?“ Wir wollen nicht, dass das Finanzkasino wieder aufgemacht wird.
Die Finanzmarktregulierung, das zeigt die Antwort des Senats, ist ein weites Feld. Ich beschränke mich auf wenige zentrale Aspekte und beginne mit der Frage, was der Senat darüber weiß, wie die Gelder des Rettungsschirms in Berlin vergeben werden. Was kann er uns darüber sagen, die wir auch für diese Gelder, für dieses Risiko, gestimmt haben? Die Antwort ist schlicht und ernüchternd: Nichts, gar nichts! Weil er nicht mehr als der Zeitungsleser weiß, und das ist wenig Verlässliches! Mithaftung der Länder, ja, und Informationen und Mitspracherecht gegen null, das war kein faires, gutes Geschäft.
Das ist aber nicht nur eine Frage der Beteiligung der Parlamente. Diese mangelnde Information und Transparenz sind Teil des allgemeinen Problems, dass in den Banken und zwischen den Banken immer noch
kein Vertrauen wieder da ist, dass keiner dem anderen traut. Die US-Regierung hat hier einen pragmatischen Weg gewählt, den wir Grüne auch für Deutschland vorschlagen, nämlich einen Stresstest für alle Banken, der die Risikounterlagen untersucht und dann aufzeigt und dessen Ergebnis öffentlich gemacht wird. Transparenz muss das Schlüsselwort sein, und das müsste eigentlich die erste Lektion aus dieser Finanzkrise sein, die wir zu lernen haben, dass Transparenz und Offenheit ganz oben stehen müssen.
Die Verantwortung der handelnden Personen! Ich bin – und ich glaube, da bin ich nicht allein – enttäuscht und entsetzt darüber, wie wenige Bankenvorstände und Aufsichtsräte, und zwar aus Wirtschaft und Politik, für ihre Versäumnisse und Fehlentscheidungen, die sehr weitreichende, negative Folgen haben, für die wir viel Geld aufbringen müssen, die Verantwortung übernommen haben oder zur Verantwortung gezogen worden sind.
Es mag ja rechtlich erlaubt sein, auch nach völligem Scheitern noch für millionenschwere Abfindungen und Bonuszahlungen vor Gericht zu ziehen oder die Aufsichtsräte, wie bei den Landesbanken, zu erpressen,
nur gegen sehr viel Geld den Dreck wieder aufzuräumen, den man selbst gemacht hat, das mag ja rechtlich möglich sein, ich finde es aber abstoßend und unanständig, und zwar auch deswegen, weil Menschen gleichzeitig für einen Lohn arbeiten müssen, von dem sie nicht ordentlich leben können.
Ich verstehe sie nicht, diese Leute, und frage mich, in welcher Welt – dieses schöne Wort ist nicht von mir, aber das trifft es – diese Bankster eigentlich leben.
Meine Damen und Herren, Predigten über den Verfall der Werte, dass wir uns besinnen und umkehren müssen, dass Schluss sein müsse mit Egoismus und Gier, solche Predigten, gute Worte und Präsidentenreden haben wir in den vergangenen Monaten viel gehört. Ich habe gar nichts gegen sie, und das muss auch die Grundlage für eine Veränderung sein, aber wirksam sind am Ende nur handfeste und klare Regeln. Regeln nicht nur für die Manager der Banken, die Staatshilfe erhalten, klarere Regeln auch gegen Bonuszahlungen für kurzfristige Erfolge, die in der Finanzkrise regelrecht wie Brandbeschleuniger ge
wirkt haben! Die Bonuszahlungen müssen begrenzt werden. Sie müssen natürlich mit Abzügen versehen werden, wenn dann einmal ein Minus gemacht wird, und sie dürfen nicht kurzfristig ausgezahlt werden. Wenn Bankvorstände Schaden anrichten, dann müssen sie auch mit ihrem persönlichen Vermögen haften und dürfen sich nicht alles wegversichern, wie das heute der Fall ist.
Meine Damen und Herren, ist das jetzt, wenn das gemacht würde, eine unerhörte Verletzung der Vertragsfreiheit, wie Leute sagen, die das Wort liberal falsch verstehen? Ich finde nicht! Das ist die Einschränkung ungezügelter Freiheit im Interesse eines stabilen Finanzmarktes für alle, und dafür sind wir.
Wenn Banken nun darüber klagen und jammern, dann würden ihnen die besten Leute womöglich weggehen, dann sage ich: Wären diese besten Leute doch bloß vor dem großen Crash gegangen, uns wäre einiges erspart geblieben!
Meine Damen und Herren, wir haben in der Anfrage nach dem Stand wichtiger Finanzmarktregulierungen gefragt, nach der Sicherung der Einlagen, nach den Vorschriften für höheres Eigenkapital, nach den Entwicklungen eines grenzüberschreitenden europäischen Finanzaufsichtssystem, nach der Regulierung der Hedgefonds, nach der Aufsicht über die Ratingagenturen, die mit ihren Bewertungen das Desaster ja oft beschleunigt haben, nach der Austrocknung der Steuer- und Regulierungsoasen und nach der Stärkung der Verbraucherrechte.
Die Antworten des Senats, die jetzt schon zwei Monate alt sind, und die Entwicklungen danach zeigen, dass vieles begonnen wurde, aber eigentlich sehr wenig wirklich schon abgeschlossen und in trocknen Tüchern ist. Das gilt für Deutschland, das gilt für die Europäische Union wie natürlich auch für die G-20Gruppe, die sich im September in den USA wieder trifft. Wenn man sich in die Details vertieft, sieht man überdeutlich, wie viele schon wieder in der Politik und Wirtschaft unterwegs sind, die Regulierung aufzuhalten, wenigstens zu verwässern oder sie dann ins Leere laufen zu lassen. Das würde bedeuten, die nächste Blase, der nächste Crash wird vorbereitet, und das heißt auch, wir müssen uns mit der Regulierung beeilen und jetzt handeln.
Deswegen fordern die Koalitionsfraktionen den Senat auf, auf der Linie der Senatsantwort und unseres Antrags weiter mit langem Atem Einfluss zu nehmen. Die Finanzmärkte Europas müssen regulierte Märkte werden. Wir brauchen gemeinschaftliche europäische Lösungen, nicht nur lose Zusammenarbeit.
Im Finanzmarkt darf es kein Institut, kein Produkt und keinen Ort ohne Kontrolle und Regulierung geben. Es kann doch nicht sein, dass Autos natürlich durch den TÜV müssen, dass Medikamente natürlich zunächst einmal aufwendig geprüft werden, dass aber riskante und hochgefährliche Finanzprodukte ohne jede öffentliche Kontrolle auf dem Markt kommen.
Eine etwas längerfristige Forderung, über das nächste halbe Jahr hinaus gedacht, ist die Finanzumsatzsteuer, die wir fordern. Eine solche Steuer wird nicht den normalen Börsen- und Währungsumsatz stören, wenn das richtige Maß gewahrt bleibt, aber sie würde die kurzfristige Spekulation abkühlen, die brandgefährlichen Spekulationsblasen abmildern. Hier ist Entschleunigung das Zauberwort, das Schlüsselwort, und ich finde, dass die große Lektion, die wir lernen müssen, ist, dass nicht alles schnell und auf den ersten Blick gehen muss, dass man auch einmal bremsen muss. Das Aufkommen einer solchen Steuer sollte dafür verwendet werden, den Ärmsten der Welt zu helfen, die durch die Finanzkrise wieder besonders hart getroffen sind.
Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich etwas zur aktuellen Diskussion über die Zukunft der Landesbanken sagen. Die Landesbanken können jetzt eine sogenannte Bad Bank für ihre Schrottpapiere gründen. Sarkastisch könnte man sagen: Wozu brauchen wir eine Bad Landesbank? Davon haben wir doch schon vier oder fünf! Klar ist, dass einige Landesbanken unter wohlwollender staatlicher Aufsicht sich besonders heftig und durchschlagend verzockt haben. Einige Landesbanken haben offensichtlich gegenwärtig kein stimmiges Geschäftsmodell, wären ohne massive staatliche Hilfe längst pleite. Deswegen ist eine Neuorientierung und Neuordnung zwingend erforderlich, aber ich fürchte, es wird noch viel Geld verbrannt werden, bis einige Landesfürsten das endlich akzeptieren.
Bremen, meine Damen und Herren, muss sich an dieser Diskussion aber nicht beteiligen, denn zu den von mir genannten einigen Landesbanken gehören nicht die Nord/LB und nicht die Bremer Landesbank.
Nach unseren heutigen Kenntnissen haben sie weder Schrottpapiere, die sie belasten, noch müssen sie ihr Geschäftsmodell neu ausrichten. Sie sind, und das will ich vor allem für die Bremer Landesbank hervorheben, gesunde Bankinstitute mit einem klaren und erfolgreichen regionalen Auftrag. Es gibt nach unserer Auffassung keinerlei Grund, dass die Bremer Landesbank und die Nord/LB in die Diskussionen und Spekulationen um eine Neuordnung hineingezogen werden. Wir treten klar für ihren Erhalt ein, denn diese
Banken zeigen auch, Chaos und Ordnung der Finanzmärkte sind von Menschen gemacht. Es geht so oder so!
Wir werben mit unserem heutigen Antrag dafür, durch klare Regeln die Chancen zu erhöhen, dass Menschen es auch besser machen können. Dafür aber, meine Damen und Herren, müssen wir die Kraft haben, über den kurzfristigen Vorteil hinaus zu denken, hinaus zu handeln, uns dem Druck des Augenblicks auch einmal entziehen zu können. Das ist übrigens wie in den Fragen der Ökologie und der Bildung der Menschen auch die politische Grundüberzeugung der Grünen. Deswegen glaube ich, dass nur eine langfristige, hartnäckige, klare Regulierung der Finanzmärkte das in Zukunft verhindern kann, was wir heute leider erleben mussten. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschäftigen uns nach einem dreiviertel Jahr einmal wieder im Parlament mit dem Thema Finanzmarktkrise und deren möglichen Stabilisierung und Regulierung. Es hat sich inzwischen einiges getan. Erste Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte sind bereits ziemlich schnell ergriffen worden, weitere sind gefolgt und werden noch folgen. Konjunkturprogramme zur Stabilisierung der Realwirtschaft wurden aufgelegt. In dieser Phase hat Politik sich als handlungsfähig erwiesen. Nun kommt es darauf an, Maßnahmen zu ergreifen, damit so etwas in diesem Ausmaß nicht wieder passiert. Die Finanzmärkte müssen nachhaltig reguliert werden.
„Zwei Jahre später ist wieder Partyzeit“, titelte die „Neue Zürcher Zeitung“ kürzlich. „Die Aktienmärkte steigen. Fast die Hälfte der Verluste seien ausgeglichen. Es herrschen wahre Emissionsorgien, und geschickt aufgestellte Anleger verdienen sich gleich zweimal eine goldene Nase.“ So die Zitate mit Genehmigung des Präsidenten! Es wäre fatal, wenn diese Party nunmehr mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler einfach so weiterginge, deswegen auch unser Antrag, und deswegen erhalten wir ihn auch aufrecht, auch wenn Bundestag und Bundesrat bei einigen der angesprochenen Punkte sicher auch schon ein Stück vorangekommen sind.
Zur Antwort des Senats hat der Kollege Dr. Kuhn schon einiges gesagt. Ich möchte im Folgenden mich ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
auf unseren gemeinsam vorgelegten Antrag konzentrieren, in dem wir die für uns wichtigsten politischen Punkte noch einmal herausgegriffen haben. Zum einen geht es um Verteilung. Wir fordern in einem Punkt die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Eine der Ursachen der Krise war die völlige Abkoppelung der Finanz- von der Realwirtschaft. Eigentlich sollen die Finanzmärkte der Finanzierung von neuen Investitionen dienen. 1970 dienten noch 95 Prozent der finanziellen Transaktionen auf den globalen Finanzmärkten der Realwirtschaft, nach 30 oder 40 Jahren ist das jetzt genau umgekehrt. Das kann nicht funktionieren!