Ich habe vor einiger Zeit gelernt, es gibt in Deutschland den Begriff des maßvollen Steuervollzugs, und dies ist gekoppelt mit der Reduzierung von Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfern auf Länderebene, und es ist mit einer Reduzierung von Einnahmen aus diesem Bereich gekoppelt. Es wird als Wettbewerbsvorteil insbesondere von südlichen Bundesländern hervorgehoben, dass es dort diesen sogenannten maßvollen Steuervollzug gibt. Es ist kein offizieller Begriff, aber dieses Phänomen ist von Leuten beschrieben worden, die sich durchaus damit auskennen und wissen, wovon sie reden. Das ist ein Punkt, an den wir heranmüssen!
Deswegen ist es relativ schwierig zu sagen – das ist der zweite Begriff –, dass das, was da gemacht wird, ein Sammelsurium ist. Das Problem ist ein bisschen, dass es nicht eine einzige Maßnahme gibt, mit der man das bekämpfen kann. Wir haben es hier mit einem systemischen Problem zu tun.
(Abg. W o l t e m a t h [FDP]: Dann schrei- ben Sie doch einfach einmal einen vernünf- tigen Antrag dazu!)
Wir halten den Antrag, den Rot-Grün gemacht hat, im Kern für vernünftig, weil es darin eine Reihe von vernünftigen Maßnahmen gibt, die allesamt nicht ungeeignet sind, die Krise zu bekämpfen. An einigen Stellen hätten wir andere und weiter gehende Vorstellungen, aber das ist jetzt nicht der Punkt.
Es geht meines Erachten darum, in dieser Gesellschaft einen Konsens über Parteigrenzen hinweg zu erzielen, dass solche Regulierungsmaßnahmen möglich sind, dass man sich auch auf konkrete Regulierungsmaßnahmen verständigt, denn sonst geht es nämlich wieder von vorn los. Irgendein Unternehmen macht mit irgendetwas kurzfristig 20 Prozent Gewinn ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
in einem Jahr, dann werden ganz automatisch andere Institute, andere Unternehmen nachgerade gedrängt, das auch in irgendeiner Weise zu realisieren, und dann wird es auch noch mit Bonifikationen gekoppelt, aber wer das nicht schafft, bestimmte Formen von Versicherungen in Amerika auch an Leute zu verkaufen, die sie sich nicht leisten können, fliegt einfach heraus!
Das ist ein Stück System, und dann gibt es einen Ansturm, dann ist lange Zeit derjenige dumm, der sich mit fünf Prozent auf sein Sparkassenbuch zufriedengibt, dann gibt es einen Ansturm auch von Landesbanken, die Armut in öffentlichen Haushalten haben, und die sind dann dumm, wenn sie nicht irgendwo in Irland oder sonst wo eine Dependance gründen und abfischen, was es da abzufischen gibt. Die waren lange Zeit stolz darauf, dass sie ein Stück weit zur Finanzierung des Haushalts beigetragen haben. Das ist die Systematik, die wir sich nicht wiederholen lassen dürfen.
Es darf nicht mehr diesen sich selbst verstärkenden Prozess geben, und dazu sind differenzierte Maßnahmen auf allen politischen Ebenen notwendig. Davon sind eine ganze Reihe heute hier genannt worden, was die Kontrolle von Banken angeht, die Transparenz von Bankgeschäften, möglicherweise auch von Managergehältern, möglicherweise auch von Regeln, die neu erfunden werden müssen, möglicherweise von Regeln, die wir schon einmal gehabt haben.
In einer Frage gebe ich Ihnen recht, ich hätte mir auch gewünscht, dass noch einmal von den Parteien, die möglicherweise damals dieser Form von Irrtum erlegen sind, heute auch noch einmal gesagt wird, dass man sich damals geirrt hat und dass es möglicherweise keine gute Idee war, diese Dinge, die auch sie mit möglich gemacht haben, abzuschaffen. Es geht jetzt aber nicht darum, darauf herumzuhacken, sondern es geht darum, einen Konsens zu erzielen, diese Finanzmarktkrise zu bekämpfen und Kontrollmechanismen einzuziehen, und ich befürchte, was die Vehemenz und die Erfolge angeht – je nach Ausgang der Bundestagswahl – sind möglicherweise ab September schlechtere Zeichen, um Finanzmärkte zu kontrollieren und soziale Sicherheit wieder herzustellen. – Danke! (Beifall bei der LINKEN)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem Dank für das Lob beginnen, was hier von Herrn Dr. Schrörs und Herrn Dr. Kuhn für die Antwort des Senats ausgesprochen wurde. Ich bin deshalb froh über das Lob, weil es stimmt: Wir haben uns außergewöhnlich viel Mühe mit dieser Antwort gegeben und geben müssen, weil die Anfrage quer liegt zu dem, was wir sonst bekommen, weil wir uns richtig
anstrengen mussten, die Verwaltungswege zu verlassen, uns neue Gedanken zu machen, und das hat uns gut getan und Freude bereitet. Das ist aber natürlich auch mit hohem Aufwand verbunden, und ich verspreche nicht, dass wir das jetzt immer in gleichem Maße machen können.
Wir haben uns aber auch deshalb viel Mühe gegeben, weil es wichtig ist, mit einer Haltung an dieses Problem heranzugehen, die zeigt, dass wir der Opfer dessen, was da passiert ist, gedenken.
Die Opfer sind diejenigen, die arbeitslos werden, die jetzt kurzarbeiten müssen, die dauerhaft arbeitslos sein werden, die um ihre Alterssicherung gebracht werden, und diejenigen Menschen in vielen anderen armen Ländern, die aufgrund der Wirtschaftskrise eine wirtschaftliche Entwicklung, wie sie geplant oder erhofft war, nicht bekommen werden. Ich finde, dass man bei all dem Streit und den Auseinandersetzungen über den richtigen Weg nicht vergessen darf, dass es dort sehr viele Mensche gibt, die von uns ernsthafte Antworten erwarten und die auch zu Recht erwarten können, dass wir die Sache hier nicht mit einer Debatte erledigen.
Von den Verheerungen, die das in den Staatshaushalten anrichtet, möchte ich hier überhaupt nicht sprechen. Morgen werden wir dazu noch Gelegenheit haben. Es ist Konsens, dass der Senat sich gemeinsam einsetzen wird – da ist der Antrag der Koalition Unterstützung für uns – für weitere Transparenz, dafür dass wir letztendlich erfolgversprechende Wege nur auf europäischer Ebene gehen können, dass wir unabhängige Ratingagenturen brauchen, dass wir uns für Regeln einsetzten müssen, die Anreize für eine nachhaltige Geschäftspolitik schaffen.
Ich sage Ihnen auch: Es gibt Bereiche, da sollte man schlicht und einfach mit Verboten agieren. Wer auf sinkende oder steigende Getreidepreise wettet, was haben wir damit zu tun? Das gehört in den Bereich des illegalen Glücksspiels oder, wenn es ganz schlimm läuft, auch legalen Glücksspiels, aber da würde der Staat wenigstens noch etwas davon abbekommen.
Wir haben es mit einer Veränderung unserer Wirtschaft zu tun. Unsere Regeln und auch die Kategorien in unseren Köpfen werden von dem Ideal des nachhaltig wirtschaftenden Familienbetriebs dominiert, in dem man sich im Wesentlichen darauf verlassen kann, dass nicht alles von heute auf morgen verzockt wird, dass sich die Unternehmer, die Eigentümer, Gedanken darüber machen, was heute ist, was morgen ist, was in zehn und in 20 Jahren ist. Jetzt stellen wir aber fest, dass ein wesentlicher Teil der
Wirtschaft mittlerweile kurzfristige Renditeinteressen bedient. Entschleunigung ist hier mehrfach genannt worden als Idee, wie man das in den Griff bekommen kann, oder als Leitbegriff für das In-den-GriffBekommen.
Es gibt viel Kapital, das sich Anlegeformen oder Anlegemöglichkeiten sucht, und es gibt, glaube ich, in diesem großen und starken Wirtschaftsbereich eine schleichende Enteignung von kleineren Anteilseignern. Die große Monopolisierung, die in unserem Wirtschaftssystem stattfindet, schlägt sich auch da nieder. Wir kommen gemeinsam zu dem Ergebnis, dass die Wirtschaft, wenn sie zu einem großen Teil vom Funktionieren geprägt ist, Schaden anrichtet, Schaden für die Menschen und die Wirtschaft und das auch noch global. Das ist eigentlich erst der Anfang, es ist schon viel passiert, aber wir werden noch viel mehr über die Funktionsweise dieses Teils der Wirtschaft lernen müssen. Ich finde eine Finanzumsatzsteuer richtig. Wer jetzt vom Staat verlangt, dass er die ganze Sache aus dem Dreck zieht, muss auch sicherstellen, dass er auch von dieser Art des Geldverdienens seinen Anteil abbekommt.
Fangen wir einfach einmal so an: Banken werden wieder lernen müssen, dass sie Dienstleister sind und kein Selbstzweck. Das wird in keinem Gesetz stehen, sondern das hat ganz viel damit zu tun, was wir für Ansprüche stellen und mit welcher Haltung wir an die ganze Sache herangehen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass ein Leben, eine gesellschaftliche Zuschreibung, die Protz, Hochmut und Hybris für tough hält, geächtet wird und dass Menschen, die für so etwas stehen, nicht ausgerechnet auch noch zu Beratern der Politik gemacht werden!
Die Managergehälterbesteuerung: Offensichtlich ist es sehr umstritten, ob man als Staat so weit in die Unternehmen eingreifen darf, dass man dafür Vorschriften macht. Was aber mit Sicherheit geht, ist, dass wir fragen: Ist es wirklich richtig, dass Gehälter von der Steuer abgesetzt werden können, die so hoch sind, dass Menschen in einem Monat so viel verdienen, wie andere, die in derselben Gesellschaft leben, in ihrem ganzen Leben nicht erreichen können? Von der Steuer absetzen können heißt, die Gemeinschaft, der Staat, fördert diese hohen Gehälter durch Steuerfreistellung, durch Abziehen von den Unkosten des Unternehmens, und da sage ich: Nein! Ich finde, dass wir zu Regelungen kommen müssen, bei denen der Staat Grenzen nennt. Wenn ein Unternehmen dann der Auffassung ist, dass man darüber hinaus dicke Autos fahren will oder ganz große Gehälter zahlen
muss, kann man das vom Gewinn abziehen, dann ist es das Privatvergnügen, so wie es hier immer dargestellt wird. Ich finde nicht, dass die Gemeinschaft das zahlen soll!
Ich möchte gern noch einen Punkt nennen, das ist nämlich die Verantwortung eines jeden Einzelnen. Es gibt eine Verantwortung der Banken, des Staates, des Gesetzgebers, der rot-grünen Bundesregierung und aller anderen auch. Darüber ist gesprochen worden. Es gibt aber auch eine Verantwortung der Einzelnen. Es sind Menschen gewesen, die sich von Bankberaterinnen und Bankberatern haben dadurch blenden lassen, dass man ihnen Renditen von 12, 15 oder 20 Prozent versprochen hat, und die einer Philosophie gefrönt haben, dass hier bei uns nur die Dummen arbeiten. Verbraucherinnen und Verbraucher, das sind wir alle gewesen, brauchen bessere Regeln und Unterstützung! Sie haben aber auch eine Verantwortung, und alles, was wir vorhaben, wird nicht dafür sorgen können, dass es eine hundertprozentige Sicherheit gibt. Wir müssen lernen, dass es nicht ausreichend ist, uns damit zu beschäftigen, ob die Tütensuppe Glutamat enthält, ob mit Genmais verunreinigte Lebensmittel im Verkehr sind, ob wir regional wirtschaften, ob Strahlenbelastung existiert, und immer wie viel Kalorien, wie viel Zucker darin ist, all das, was wir bei den Dingen mehr oder weniger beachten, die uns im täglichen Leben interessieren.
Wir werden bei unseren Geldanlagen auch zu der Frage zurückkommen müssen: Was ist meine eigene Verantwortung? Wird das Geld, das ich jemandem anvertraue, eingesetzt, um auf Lebensmittelpreise zu spekulieren, oder wird es für die Rüstungsindustrie eingesetzt, richtet es irgendwo anders auf der Erde Verheerung an, oder kann ich dazu stehen, was mit diesem Geld passiert, und bin dann allerdings bereit, darauf zu verzichten, dass solche Renditeerwartungen in mir geweckt und vielleicht sogar erfüllt werden?
Ein Wirtschaftssystem ohne Bodenhaftung, rein spekulativ und virtuell, dient nicht dem Gemeinwesen, und wir werden das nur in den Griff bekommen, wenn wir gemeinsam Funktionsweisen ächten, die einen glauben machen, dass man sich entkoppeln kann und dass man, wenn man besonders clever ist, auch ohne Arbeit reich werden kann. Ich wünsche mir, dass das ganz wenigen Menschen gelingt, ohne Arbeit reich zu werden, und ich wünsche mir noch mehr, dass der Staat, wenn es gelingt, dann einen gerechten Anteil davon abbekommt.
Senat dabei helfen, nicht zu vergessen, dass wir es da mit einem sehr wichtigen Bestandteil unserer Gesellschaft zu tun haben, auch zum Beispiel bei der Frage: Wie ist der Wirtschaftsunterricht und Politikunterricht in den Schulen? Dass wir jungen Menschen helfen, eine Einstellung, eine Einschätzung und Kompetenzen in diesem Bereich zu gewinnen! Ich glaube, dass wir das alle ziemlich gut gebrauchen können, dieses Thema hier regelmäßig auf der Agenda zu haben, und der Senat selbstverständlich Rechenschaft darüber ablegt, was wir getan haben.
Letzter Gedanke: Die Bremer Landesbank freut sich natürlich über Rückendeckung. Die Pauschalverurteilung der Landesbanken – es ist gerade ein bisschen besser geworden, aber in den letzten Monaten war das zum Teil schon sehr ätzend – trifft auch unsere Bremer Landesbank. Ich habe gehört, dass Vertreter der Landesbank in den Haushaltsausschuss eingeladen worden sind, darüber freue ich mich. Auch das dient der Versicherung von uns allen, ob da Dinge passieren, zu denen wir stehen können – das Unternehmen gehört Bremen zu einem nicht unerheblichen Teil –, oder ob wir Dinge finden, die wir nicht in Ordnung finden.
Verlangen Sie auch Rechenschaft vom Aufsichtsrat! Sie müssen beurteilen können, ob ich da in einer Richtung agiere, die Caymaninseln können es ruhig sein, dafür habe ich ein bisschen mehr Geld für den Staatshaushalt, so wie es ja in den Landesbanken einiger Bundesländer gewesen ist, oder ob ich dem Gedanken der Nachhaltigkeit und dem Schutz bremischen Vermögens diene und mich in so einer Richtung verhalte. Sie müssen sich selbst in den Stand setzen, das zu beurteilen, und dafür bin ich Ihnen Rechenschaft schuldig, und das werde ich auch gern tun. Letztendlich werden wir gemeinsam, was die Landesbank und andere öffentliche Unternehmen betrifft, uns vielmehr darüber verständigen müssen: Was wollen wir denn, was ist der Ethos öffentlicher Unternehmen, was wollen wir denn von denen?
Bei dem Umgang mit den Landesbanken in einigen anderen Bundesländern bisher war das völlig klar! Die wegbrechenden, unsicheren Staatsfinanzen der Länder haben sich dann da niedergeschlagen, sodass die Finanzminister über jeden Euro froh waren, den sie aus den Landesbanken herausholen konnten, was dann zu der absurden Erscheinung führt, dass der Staat sich selbst darüber freuen muss, wenn ihm und seinen Besitztümern – in diesem Fall den Landesbanken – Steuersparmodelle auf den Caymaninseln gelungen sind.
Diese Absurdität werden wir hier jedenfalls nicht machen, und ich finde auch, dass uns allen eine öffentliche Debatte über den Ethos öffentlicher Unternehmen ganz gut tun würde. – Vielen Dank!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Gemäß Paragraf 51 Absatz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich zunächst über den Änderungsantrag abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 17/846 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! interjection: (Dafür DIE LINKE)
Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Änderungsantrag ab. Nun lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/844 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu. Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Antwort des Senats, Drucksache 17/821, auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.
Änderung der Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft hier: Regelung zur Abgabe von Erklärungen durch den Senat
Bericht und Antrag des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses vom 24. April 2009 (Drucksache 17/766)