Protokoll der Sitzung vom 27.08.2009

Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Drei kurze Anmerkungen: Herr Dr. Buhlert, es stimmt, dass es Anlagen gibt, die sich abschalten, wenn sie eine Störung haben, und niemand mehr etwas tun muss. Die Atomkraftwerke gehören nicht dazu. Ein Atomkraftwerk muss funktionieren, damit man es abschalten kann.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Es muss Strom haben, um es abschalten zu können!)

Es muss Strom haben, um es abschalten zu können, und alles, was dort ist, muss funktionieren. Wenn das ab einem bestimmten Punkt nicht funktioniert, dann entsteht so etwas wie in Tschernobyl. Ein Auto bleibt stehen, und wenn man Glück hat, überfährt einen dann keiner. Eine Küchenmaschine bleibt stehen, wenn der Strom weg ist. Es gibt auch Produktionsanlagen, die stehen bleiben, wenn man den Stecker herauszieht, und es entsteht kein Schaden. Dazu gehören Atomkraftwerke nicht, das macht sie ja zusätzlich gefährlich und macht das Risiko, diese zu betreiben, doch nur noch größer. Nur um klarzustellen, dass man nicht die Illusion hat, wenn da irgendetwas passiert, dann fahren wir die Kiste herunter, und damit ist es erledigt! Es funktioniert oft eben auch nicht, und wenn es nicht funktioniert, hat es bittere Folgen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Es gibt einen weiteren Aspekt. Es gibt ein Land im Nahen Osten, ich glaube, Iran heißt es, das sehr großen Ärger hat. Warum hat es so viel Ärger? Weil es vorgibt, Atomkraft friedlich nutzen zu wollen. Warum hat es möglicherweise berechtigt Ärger? Weil die friedliche Nutzung von Atomkraftwerken, die sogenannte friedliche Nutzung, eben auch über Umwege, wie zum Beispiel über die Anlagen zur Uranaufbereitung und so weiter, auch Potenzial bietet, Waffen herzustellen.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Was hat das noch mit Esenshamm zu tun?)

Das hat etwas damit zu tun, dass man auf eine Technologie setzt und behauptet, sie sei friedlich, und es hat eindeutig eine militärische Komponente, auch in der Bundesrepublik, zumindest am Anfang.

(Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP]: Völli- ger Unsinn!)

Es hat mit Unsinn überhaupt nichts zu tun! Das Forschungsprogramm in der Bundesrepublik für die sogenannte friedliche Nutzung der Kernenergie oder der Atomenergie ist unter anderem entwickelt worden, um gegebenenfalls auch in der Bundesrepublik Atomwaffen herzustellen, und das ist eben nicht nur eine friedliche Nutzung. Das, was dabei herauskommt, die Form von Abfall, kann auch zu irgendeinem terroristischen Zweck oder für Ähnliches missbraucht werden, daher ist auch die Frage der friedlichen Nutzung oder das Adjektiv friedlich bei Atomenergie nur sehr begrenzt tauglich.

Eine letzte Bemerkung! Ich wundere mich ein bisschen, dass bei solch einem Thema behauptet wird, wenn man sich hier dazu äußern würde, würde man Wahlkampfreden halten. Würde man etwas anderes erzählen, wenn kein Wahlkampf wäre? Ist es nicht berechtigtes Interesse von denjenigen, die möglicherweise jetzt auch zuhören, zu sagen, es gibt ein Problem in Esenshamm, und zu fragen, wie wir dieses Problem lösen können? Dieses Problem können wir hier in Bremen letztendlich nicht lösen, wir können nur appellieren. Wir können aber zur Transparenz und zur Aufklärung beitragen, wie die einzelnen Parteien in diesem Haus zu dieser Frage stehen, und deswegen finde ich es, wenn es Wahlkampfreden sind, vollständig legitim, im Vorfeld der Bundestagswahl hier solche politischen Themen zu diskutieren, sodass die Menschen, die uns zuhören, wissen, wen sie wählen können und wen nicht. Wenn sie Atomkraftwerke wollen, müssen sie diesen Teil des Landtags wählen, wenn sie das nicht wollen, müssen sie eine von diesen drei Parteien wählen. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Rupp, Ihr Beitrag über die nicht friedliche Nutzung der Atomenergie ist genauso abstrus in der Begründung, als wenn ich die Kernkraftwerke dadurch rechtfertigen würde, dass sie am Ende Material für die Krebstherapie erbrüten, ergeben oder erzeugen, das wäre doch abstrus.

(Beifall bei der FDP)

So können wir hier doch nicht argumentieren!

Dass es so viele meldepflichtige Ereignisse gibt, finde ich zwar auch nicht gut, aber es zeigt doch eines, sie werden gemeldet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zurufe)

Man hat eine Sicherheitskultur, die Fehler offen bekennt, damit sie behoben werden können.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das stimmt doch nicht!)

Haben Sie das für dieses Kernkraftwerk belegt?

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Nicht für die- ses, aber für andere! – Abg. Frau D r. S c h a e f e r [Bündnis 90/Die Grünen]: 2020!)

Wir reden aber jetzt gerade über dieses Kernkraftwerk. Darauf bezieht sich Ihr Antrag, und nicht auf allgemeine Dinge!

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Sie reden ja auch allgemein!)

Wenn Sie die allgemeine Aussage treffen, dass wir ja – Herrn Troge zitierend – die Atomkraftwerke schon heute abschalten könnten, dann sagen Sie damit implizit, dass wir dann andere konventionelle Kraftwerke gebaut haben müssen. Gas ist auch nicht unendlich vorhanden und kommt beispielsweise aus ganz anderen Staaten als Kohle, wo wir sicherere Lieferanten haben, wenn man das einmal geostrategisch betrachtet.

Sie sagen dann am Ende auch, dass wir Kernenergie aus anderen europäischen Staaten beziehen. Wenn ich richtig informiert bin, ich kann mich da täuschen, werden in der Schweiz drei, in Finnland eines, in Frankreich eines und in der Slowakei momentan zwei Kernkraftwerke gebaut. Wenn wir dazu beitragen wollen, dass Kernkraft keine Energie für übermorgen

ist, müssen wir die anderen Energien forcieren und dann dafür werben, dass man solche Kernkraftwerke nicht mehr bauen und weiterentwickeln muss und abschalten kann.

(Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Etwa zu- gunsten von Atomkraft?)

Was meinen Sie damit?

(Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Ein bisschen muss man etwas von Wirtschaft verstehen. Wenn Sie Anlagen, die abgeschrieben sind, die Möglichkeit verschaffen, dass sie länger betrieben werden können, dann verlängern Sie die Gelddruckmaschinen, und damit verschlechtern Sie die Marktbedingungen für andere Energieträger!)

Also, so mag es sein, und so ist es.

(Heiterkeit – Abg. D e n n h a r d t [SPD]: So ist es!)

So ist es aber auch mit anderen abgeschriebenen Anlagen, und wir Liberale unterstützen beispielsweise das EEG, um die Marktbedingungen für regenerative Energien zu verbessern, insofern drehen wir also die Schraube in die andere Richtung. Das tun wir auch, damit es in Richtung regenerative Energien geht, auch das sollten Sie wahrgenommen haben.

(Beifall bei der FDP)

Ansonsten möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass, wenn die Beurteilung des Bundesministeriums eine andere ist als die eines Landesministeriums, es dieses schöne Instrument der atomrechtlichen Weisung gibt. Wenn dort eine Diskrepanz vorhanden ist, könnte Herr Gabriel, der, glaube ich, der SPD angehört, dort eine atomrechtliche Weisung aussprechen, und dann könnte das entsprechend behandelt werden. Auch dieses Instrument gibt es, und wenn Herr Gabriel das nicht nutzt, wird er die Gründe dafür wissen. Ich muss das nicht beantworten, denn ich weiß es nicht.

(Beifall bei der FDP)

Sie sind noch einmal auf die Frage eingegangen, wie es denn mit der Terrorgefahr aussieht. Diese Terrorgefahr gibt es in der Tat, das ist ein Punkt, den man diskutieren kann und auch sollte. Es gibt unterschiedliche Gefährdungsgrade bei unterschiedlichen Bautypen, auch das ist bekannt, insofern erzähle ich hier auch nichts Neues.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Das ist auch nichts Neues!)

Sie haben auch nichts Neues erzählt, es ist aber eine Frage, wie man dieses Risiko einschätzt und ob man dieses Risiko seit dem 11. September 2001 nicht auch anders im Griff hat. Danach sind etliche andere Maßnahmen ergriffen worden, die die Frage aufwerfen, ob sich so etwas in der Art noch einmal wiederholt, und es ist auch für dieses Kraftwerk eine analoge Anlage beantragt worden, die für Grohnde – damals übrigens kurz vor der Bundestagswahl 2005 vom Umweltminister Trittin – genehmigt worden ist, wobei ich mich auch gewundert habe, dass diese Genehmigung so kurz vor der Wahl kam, aber da war sie dann vielleicht auch nicht mehr aufzuhalten. Insofern ist das eine Geschichte, die man dann für sich bewerten muss. Ich frage mich, warum solche Maßnahmen an dieser Stelle nicht schon früher realisiert werden konnten, wie übrigens auch an weiteren Kernkraftstandorten.

(Beifall bei der FDP)

Insgesamt noch einmal, damit es auch klar bleibt: Kernenergie ist eine Technik von gestern, die wir heute und morgen leider noch nutzen müssen; übermorgen sollten wir sie überwunden haben. – Danke!

(Beifall bei der FDP – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Einverstanden, also Samstag!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Dr. Schaefer, Sie haben eben noch einmal die Gasstromversorgung oder vielmehr die Gasverstromung angesprochen, dass diese nun praktisch die Lücken bei der Stromversorgung schließen soll. Dazu möchte ich hier einmal mit Erlaubnis der Präsidentin etwas zitieren: „Dass die Grünen den Ausstieg aus Atomenergie und aus der Kohleenergie fordern und dass als einzige Regelenergie die Gasverstromung zur Verfügung steht, ist nicht möglich, da sie zu teuer ist.“ Wer hat das wohl gesagt? Das war Bundesumweltminister Gabriel im März dieses Jahres.

(Abg. D e n n h a r d t [SPD]: Das können Sie aber nicht den Grünen vorwerfen!)

Deswegen muss man da schon ein bisschen genauer schauen!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Welche Partei?)

) Vom Redner nicht überprüft.

Ich glaube, das war die SPD!

(Heiterkeit)

Nein, jetzt einmal wieder ganz ernst, ich will außerdem noch einmal auf die Sicherheitsmängel eingehen, die Sie, Frau Dr. Schaefer, angesprochen haben. Sie haben hier die Greenpeace-Aktivisten genannt, dass sie auf die Kuppel geklettert seien, herumgeschmiert und dadurch deutlich gezeigt hätten, dass das nun nicht sicher ist. Dazu muss man sagen, Sie kennen ja das Prinzip, Sie sind ja wahrscheinlich erfahrene Demonstrantin und kennen das Prinzip der Deeskalation, wenn Sie einmal mit den Leuten, mit den Betreibern gesprochen hätten, dann hätten Sie auch von denen ganz klar sofort die Antwort bekommen, und so war es ja auch, sie haben gleich erkannt, dass das Aktivisten waren.

(Widerspruch beim Bündnis 90/Die Grünen)

Natürlich, die waren doch nicht als Terroristen getarnt, sie liefen doch nicht mit Feldspritzen oder Ähnlichem herum. Nein, und deswegen wurden nur die Leute abgeführt, die dort unten noch zu greifen waren, der Rest wurde in Ruhe geregelt. Insofern ist das kein Argument, das Sie einbringen können. Ich denke, wir können heute mit gutem Grund den Antrag hier ablehnen, und der Wähler kann heute auch entscheiden, was er lieber haben möchte, vernünftige Stromversorgung oder sich Angst machen lassen wie früher von Ihnen. – Danke!