Protokoll der Sitzung vom 20.09.2007

Stattdessen riskiert Rot-Grün, dass das Gesetz früher oder später vom Bundesverfassungsgericht einkassiert wird. Der Wissenschaftliche Dienst der Bürgerschaftsverwaltung ist in einem fundierten Rechtsgutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Bundesverfassungsgericht eine landesrechtliche Ergänzung tierschutzrechtlicher Bestimmungen für unzulässig erachten wird. Mit anderen Worten: Weil Rot-Grün nicht den Mut hat, den Unterstützern des Bürgerantrags reinen Wein einzuschenken, soll hier ein Gesetz be

schlossen werden, das weder inhaltlich überzeugen kann noch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau S t a h - m a n n [Bündnis 90/Die Grünen]: Sehe- rische Fähigkeiten!)

Nein, ich denke, und das ist hier auch noch einmal gesagt worden: Es ist zwar immer so, verschiedene Juristen, verschiedene Anwälte, verschiedene Meinungen,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Was?)

aber ich möchte auch noch einmal ganz deutlich etwas zu der Feststellungsklage sagen. Es ist schon so, dass man das so sehen kann, dass hier auf Landesebene die Möglichkeit gegeben ist. Wir als CDU sehen das anders. Wir sagen, auch hier in dem Bundesland Bremen ist die Möglichkeit einer Feststellungsklage nicht gegeben, denn die Anfechtungsklage – und das sagen Sie ja auch selbst – und die Verpflichtungsklage sind hier rechtlich nicht möglich.

(Beifall bei der CDU)

Ich will es hier noch einmal ganz deutlich sagen: Es geht uns hier nicht darum, und das muss auch allen klar sein, dass mit dem Verbandsklagerecht für die Tierschutzvereine der Tierschutz nicht weiter verbessert wird. Das ist ganz einfach nicht der Fall. Was ich überprüfen kann mit der Verbandsklage und mit der Feststellungsklage, ist, ob die Richtlinien, die das Bundesgesetz für den Tierschutz vorgibt, eingehalten werden.

Ich meine, das müssen wir nicht zusätzlich machen, weil das nämlich schon so scharfe Bedingungen sind, und sie sind wirklich nicht einfach so gegeben. Herr Apel hat ja dadurch, dass er auch Mitglied in diesem Gremium der Tierschutzkommission ist, durchaus das Recht, dies auch zu tun. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das deshalb hier mit der Feststellungsklage nicht verbessern werden.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte für die CDU betonen: Es geht hier nicht darum, dass wir als CDU sagen, der Tierschutz – und das haben wir in vielen Debatten schon so gezeigt, es ist ja nicht die erste Debatte, die wir hier dazu führen – sei uns nicht wichtig. Wir möchten nur einfach deutlich machen, dass es uns wichtig ist, dass wir auch verfassungsrechtlich auf einer Grundlage hier Tierschutz betreiben, der dann dementsprechend auch ausgeführt und durchgesetzt werden kann, aber nicht einfach sagen, weil es diese Bürgerinitiative gibt, werden wir jetzt die Verfassung so drehen, dass jetzt alles passt, und wir werden unsere eigenen Gesetze

machen. Das kann nicht die Intention einen Bundeslandes sein.

(Beifall bei der CDU)

Wir als CDU-Fraktion sind mit der Mehrheit der juristischen Experten der Meinung, dass aufgrund der umfassenden Bundesregelung im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung eine Landeszuständigkeit zur Einführung einer Verbandsklage nicht gegeben ist. Noch einmal, es hilft nicht dem Tierschutz, es hilft keinem weiter! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach der Rede von Frau Dr. Spieß muss ich doch noch einmal daran erinnern, worum es hier eigentlich geht. Es ging und geht darum, eine rechtsstaatliche Schieflage zu beseitigen,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Was? Eine zu schaffen!)

und zwar geht es darum, dass wirklich der Tierschutz, der im Grundgesetz und der Landesverfassung verankert ist, hier auch seine volle Wirkung entfalten kann. Das ist Sinn dieses Antrags, das ist Sinn der Einführung des Verbandsklagerechts, und das ist letztendlich auch die Zustimmung zu dem Bürgerantrag. Die CDU scheint das immer noch nicht verstanden zu haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte mich da jetzt auch nicht in juristischen Details verlieren,

(Lachen bei der CDU)

das macht mein Kollege! Wir machen eine Arbeitsteilung, jeder dort, wo er kompetent ist, und das macht mein Kollege Horst Frehe sicherlich besser als ich, da ich Jura nie studiert habe, aber ich bin durchaus in der Lage, die Argumentation meiner Kollegen und meiner Kolleginnen der Rechtswissenschaft nachzuvollziehen.

Meine Damen und Herren, ich möchte vielmehr jetzt auch einmal verdeutlichen, dass dieses Gesetz – ich glaube, es ist noch nicht klar, Herr Grotheer hat es gesagt, es ist heute ein historischer Tag – dazu führt, dass Bremen als erstes Land das Verbandskla

gerecht einführt und hier auch zum Pionier im Naturschutz,

(Zurufe: Tierschutz!)

im Tierschutz wird. Da sieht man wieder einmal, wo ich bin,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wo Sie herkommen!)

aber ich komme auch gleich zum Naturschutz! Dass es Ihnen von der CDU nicht passt, dass Bremen hier wirklich positiv voranschreitet und dass die Blockaden der Großen Koalition hier endlich beseitigt werden, kann ich durchaus nachvollziehen.

Ich möchte an das Naturschutzrecht erinnern. Auch damals, 1979, war Bremen das erste Bundesland, das das Verbandsklagerecht im Naturschutz eingeführt hat.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Das haben wir unterstützt!)

Da gab es genauso, meine Damen und Herren von der CDU, Bedenkenträger, und das Geschrei war genauso groß!

(Zurufe von der CDU – Abg. I m h o f f [CDU]: Fragen Sie einmal Kudella!)

Bremen war das erste Land und ist vorangeschritten, und das war eine richtige Erfolgsgeschichte. Die anderen Bundesländer sind dem gefolgt, bis dann sogar der Bundesgesetzgeber das Verbandsklagerecht eingeführt hat. Genau das, meine Damen und Herren, ist natürlich auch das Ziel, dass wir hier von Bremen aus ein Signal geben auch an die Bundesebene, sodass das Verbandsklagerecht im Tierschutz auf der gesamten Bundesebene zur Selbstverständlichkeit wird.

Meine Damen und Herren, ich bin auch manchmal ein bisschen erstaunt, dass es jetzt irgendwie, was habe ich gehört, quasi vernünftig sei, dass die Länder am besten keine eigenen Gesetze machen, dass wir damit eines demonstrieren, dass das Länderparlament letztendlich nicht reformfähig ist und dass auch das, was wir und viele auch von Ihrer Seite der CDU unterstützt haben, nämlich im Rahmen der Föderalismusreform mehr Kompetenzen auf die Länderebene zu geben, hier selbst wieder klein geredet wird.

Ich bin froh, dass wir hier heute dazu kommen, doch mit einer breiten Mehrheit das Verbandsklagerecht einzuführen. Vielleicht ist es müßig, aber trotzdem denke ich, aus meiner Sicht war es ein langer und steiniger Weg, der begonnen hat mit einer Initiative der Grünen, mit einem Gesetzesantrag im Jahr 2005. Das ist im Juli 2005 gewesen, also mittlerweile auch 2 Jahre her. Was lange dauert, wird endlich gut! Es

ist meines Erachtens eine Sternstunde des Parlamentarismus, eine Sternstunde der Demokratie und ein Zeichen, dass auch von Länderparlamenten Reformen ausgehen können. – Danke schön für die Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit historischen Tagen sollte man mitunter etwas vorsichtig sein. Wenn das anschließend wieder kassiert wird, war das ein historischer Tag in der falschen Richtung.

Jeder, der mich kennt, weiß, dass mir der Tierschutz sehr am Herzen liegt und dass ich mich sehr stark dafür engagiere. Ich habe mich aber – das sage ich auch – von den rechtlichen Bedenken überzeugen lassen, und ich orientiere mich dabei an dem Wissenschaftlichen Dienst der Bremischen Bürgerschaft. Ich denke, wenn wir ihn haben, sollten wir auf ihn vertrauen.

Wir unterstützen aber auf der anderen Seite die Bundesratsinitiative, das Verbandsklagerecht auf Bundesebene einzuführen, weil wir meinen, dass der Bundesgesetzgeber das ja letztlich und endgültig in seiner Bundesgesetzgebung geregelt hat. Wir sollten diesen Weg gehen, anstatt uns jetzt der Gefahr auszusetzen, hier ein etwas populistisch orientiertes Gesetz zu verabschieden, das dann anschließend möglicherweise vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert.

In diesem Sinne wird die FDP-Fraktion abstimmen. Wir werden also dem Verbandsklagerecht auf Landesebene nicht zustimmen, aber die Bundesratsinitiative unterstützen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Frehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Dr. Spieß, es ist schon ein starkes Stück, dass Sie zu uns sagen, „was schert uns die Verfassung“, und dies hätten wir zum Ausgangspunkt unserer Politik und unseres Antrages gemacht! Sie räumen dann später selbst ein, dass man sehr wohl unterschiedlicher Auffassung sein kann.

Diese unterschiedlichen Auffassungen spiegeln sich auch in unterschiedlichen Rechtsgutachten wider. Das Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes dieses Parlaments kam zu dem Ergebnis, dass ein Verbandsklagerecht nicht möglich sei. Wir bewegen

uns hier auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung nach Artikel 74 Grundgesetz, dort ist unter Ziffer 20 der Tierschutz verankert. Die Frage ist einfach: Wann entfaltet die Bundesgesetzgebung eine Sperrwirkung, sodass wir tatsächlich auf Landesebene keine weitere rechtliche Regelung treffen können? Das wird sehr unterschiedlich gesehen.

Herr Grotheer hat schon einmal eine Position eines Verwaltungsgerichts dazu dargestellt. Ich möchte Bezug nehmen auf das Gutachten, das für den Schleswig-holsteinischen Landtag von Professor Caspar erstellt worden ist, und ich möchte mit Genehmigung des Präsidenten zitieren: „Ein Gebrauchmachen liegt zunächst vor, wenn der Bundesgesetzgeber durch Gesetz eine bestimmte Frage ausdrücklich geregelt hat.“ Er bezieht sich da auf die verschiedenen Verfassungsgerichtsurteile. „Dabei ist nicht allein der Umstand einer bundesrechtlichen Regelung ausreichend, diese muss vielmehr die betreffende Materie auch erschöpfend erfassen.“

Der Bundesgesetzgeber hat einerseits den Tierschutz sehr stark geregelt und alle Schutzbestimmungen festgelegt, dazu könnten wir nicht initiativ werden. Er hat ferner einen Teil des Verwaltungsverfahrens geregelt. Insofern können wir auch nicht eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verabschieden, die in diesen Prozess der Verwaltungsakte eingreift. Es bleibt aber durchaus die Feststellungsklage.

Nun haben Sie, Frau Dr. Spieß, ausgeführt, dass diese Popularklage eine Ausnahme sein soll. Dann müssen Sie auch sagen, in welchen Fällen diese Ausnahme zum Tragen kommt. Sie kommt zum Beispiel immer dann zum Tragen, wenn man nicht als Prozessbeteiligter in ein Verfahren eintreten kann, obwohl man mittelbar davon betroffen wird oder als Verband bestimmte Schutzrechte wahrnimmt. Das ist im Naturschutz der Fall. Deswegen hat man im Naturschutz, weil die Natur nicht selbst klagen kann, ein Verbandsklagerecht eingeführt. Das ist heute unumstritten, und dieses Verbandsklagerecht gibt es für die Naturschutzverbände, weil die Natur nicht selbst klagen kann. Bei den Tieren ist es ebenso: Die Tiere können nicht selbst klagen, also haben wir das Verbandsklagerecht für die Tierschutzverbände. Das macht hier in jedem Fall Sinn.