Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

Deshalb geht es mit den Kürzungen voran, mit der Armutsbekämpfung aber nicht. Dieser Prozess muss zwingend umgekehrt werden. Daher wollen wir, dass die Bürgerschaft den Senat damit beauftragt, einen Masterplan Armutsbekämpfung zu erarbeiten, den er uns vorzulegen hat. Damit das nicht zwei Jahre dauert, soll es sich um einen Masterplan handeln, der unmittelbare Ziele und Maßnahmen für Bremerhaven und für die besonders betroffenen Stadtteile Bremens definiert; hier brennt es am dringendsten. Die Zahlen des BIAJ sprechen eine deutliche Sprache. Wir wollen, dass der Senat erklärt: Wir setzen uns zum Ziel, die Armutsquote in den nächsten zwei Jahren um einen angebbaren Betrag zu senken. Dafür verfolgen wir konkrete Maßnahmen, und man kann messen, ob wir das geschafft haben.

Meine Damen und Herren, ich finde, das ist nicht zu viel verlangt. Wenn man das nicht macht, sagt man: Für Armutsbekämpfung sind wir nicht zuständig. Das ist keine Aufgabe, die wir ernsthaft verfolgen. Ich hoffe sehr, dass die anderen Fraktionen nicht dazu bereit sind, dies den Menschen in Bremerhaven und Bremen ins Gesicht zu sagen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Liberale beteiligen uns gern an einer Diskussion über eine Verbesserung der Verwirklichung und der Lebenschancen der Menschen in unserem Land, gerade von denjenigen, die aus schwierigen materiellen Bedingungen kommen.

(Beifall bei der FDP)

Das Thema, das die Fraktion DIE LINKE aufgegriffen hat, ist als Stichwort ein richtiges, wenngleich ich vorausschicke: So einfach, lieber Herr Kollege Müller, kann man es sich nicht machen, einfach zu sagen, jetzt brauchen wir einen Masterplan, und der Senat soll jetzt gefälligst einmal etwas tun; was, ist uns eigentlich egal, wir haben dazu auch keine sinnvollen Vorschläge. Dafür gibt es aber die FDP, wir haben nämlich sehr konkrete Vorschläge in unserem Ihnen vorliegenden Antrag unterbreitet,

(Beifall bei der FDP)

um auch dieser Diskussion hier eindeutig eine Richtung zu geben, und wir glauben, dass es notwendig ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

konzept einzufordern, war das Ergebnis, das das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e. V., kurz BIAJ, unlängst veröffentlicht hat. Danach liegt Bremerhaven im September 2009 bei den Zahlen der von Hartz IV abhängigen Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren auf einem traurigen Spitzenplatz. Von 100 Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren waren 37,4 Prozent in Bremerhaven von Hartz IV abhängig, so viel wie in keinem anderen Kreis Deutschlands. Dasselbe gilt für Frauen: Von 100 Frauen im erwerbsfähigen Alter sind in Bremerhaven 20,9 Prozent von Hartz IV abhängig, ebenfalls so viel wie in keinem anderen Kreis Deutschlands. Insgesamt sind von 100 Erwerbsfähigen in Bremerhaven 20,2 Prozent abhängig von Hartz IV. Das ist Platz zwei im Negativranking. Nur in Uecker-Randow bei Rügen ist diese Lage noch schlechter. Meine Damen und Herren, das Land Bremen schneidet unter den Bundesländern fast ebenso schlecht ab. Im Land Bremen sind 30,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren abhängig von Hartz IV. Schlimmer ist es nur noch in Berlin, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Dieses Ergebnis täuscht allerdings noch darüber hinweg, wie dramatisch die Lage ist. Die Armut und Hartz IV-Abhängigkeit ist in Bremen in besonders betroffenen Stadtteilen konzentriert. In diesen Stadtteilen liegen die Kennzahlen ähnlich schlimm wie in Bremerhaven. Meine Damen und Herren, das sind Zahlen von September 2009, zwei Jahren nach dem Amtsantritt der rot-grünen Koalition. Wir verkennen nicht, dass für diese soziale Katastrophe auch die Bundespolitik wesentlich verantwortlich ist. Als Beispiel ist hier Hartz IV, die Agenda 2010, die Massenarbeitslosigkeit und das Niedersparen der Kommunen zu nennen. Das alles kann aber die Landesregierung nicht aus ihrer Verantwortung zum Handeln entlassen. In der Koalitionsvereinbarung von SPD und den Grünen von 2007 hieß es, ich zitiere: „Die zunehmende Armut in vielen unserer Stadtteile bedroht das soziale Gefüge. Hier werden wir alle Möglichkeiten nutzen, um dieser Entwicklung entgegenzutreten.“ Nun hat der Senat mit dem Lebenslagenbericht eine Reihe von solchen Möglichkeiten angeführt. Wir können aber leider nicht erkennen, wo diese Möglichkeiten genutzt werden. Auch hier ein paar Beispiele: Die Beschäftigungsförderung wird abgebaut. Der Senat plant im Rahmen des Haushalts 2011, den Personalabbau im öffentlichen Dienst zu verschärfen. In Bremerhaven ist unter Federführung der bremischen BLG eine neue Niedriglohngruppe für die Hafenarbeiter eingeführt worden, die einen erheblichen Teil der Beschäftigten in Zukunft zum aufstockenden Hartz IV-Bezug treiben. Meine Damen und Herren, das sind negative Fakten, die hier geschaffen werden. Für die Kürzung des Haushalts gibt der Senat sehr konkrete Ziele an, aber für die Armutsbekämpfung gibt der Senat keine konkreten Ziele an.

(Beifall bei der LINKEN)

ist, dass diese Punkte auch mit einbezogen und berücksichtigt werden.

(Beifall bei der FDP)

Eines lassen Sie mich vorwegschicken: Jemand, der den Armutsbegriff und diese Armutsdebatte nur unter dem Begriff der materiellen Ausstattung und der Alimentierung von Personen führt, springt entscheidend zu kurz. In den Mittelpunkt der Diskussion müssen die Verwirklichungs- und Lebenschancen der Menschen gestellt werden, und deshalb sind wir Liberale der Meinung, Bildungspolitik ist die Sozialpolitik des 21. Jahrhundert und nicht die Alimentationspolitik, die die SPD, die Grünen und auch die LINKEN vorgebracht haben.

(Zuruf des Abg. F r e h e [Bündnis 90/ Die Grünen])

Lieber Herr Kollege Frehe, da Sie zwischenrufen: Es ist eben genau der Vorschlag, den ich gestern schon kritisiert habe: Es reicht nicht aus zu sagen, wir stocken den Regelsatz, wie Sie es wollen, auf 420 Euro auf, und damit sind dann Armutsprobleme gelöst.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das sagt ja auch kein Mensch!)

Dass dieser Vorschlag lächerlich ist, wissen Sie doch auch! Es braucht ein Bündel von Maßnahmen, und wir haben dies in unserem Antrag aufgezeigt.

Eines muss noch einmal deutlich gesagt werden: Die regierende sozialdemokratische Partei regiert ja nun seit mehreren Jahrzehnten, und Sie haben in vielen Politikfeldern mit dazu beigetragen, dass viele Menschen um ihre Verwirklichungschancen gebracht worden sind, dass sie in eine schwierige Lebenssituation gekommen sind. Ich will das hier auch noch einmal eindeutig unterstreichen, damit die Ursachen Koch und Kellner hier auch genannt werden. Was würden Sie denn zu jemandem sagen, der als Koch in seinem Restaurant morgens eine Suppe anrührt, und sich mittags, wenn die Gäste kommen, vor die Tür stellt und sagt, das ist aber ein ziemlich übler Brei, den ihr da angerührt habt, ich würde es nicht essen, und im Übrigen, das ist sowieso ein ganz schwieriges Lokal, in das ihr hineingeht. Zu Recht würden Sie diese Person als jemand kritisieren, der schon mit sehr fragwürdigen Methoden operiert.

So ähnlich agiert leider die SPD. Sie haben – wir haben das auch schon mehrfach kritisiert – in Ihrem Lebenslagenbericht ein ideologisches Pamphlet vom Senat vorstellen lassen. Herr Staatsrat Dr. SchulteSasse hat sich hier heute Morgen beklagt, dass sein Ressort zu sehr mit den Arbeiten belastet sei, die für das Parlament zu erledigen seien. Eines ist doch wohl sehr deutlich: Wenn die Verwaltung damit beschäf

tigt ist, monatelang an einem pseudowissenschaftlichen Pamphlet zu schreiben – in dem in jedem Kapitel immer das gleiche Ergebnis steht, nämlich, dass die SPD mit allem recht hat und dass alle Vorschläge, die andere vorgebracht haben, generell immer falsch sein müssen – und dann zu nichts anderem mehr kommt, will ich gern glauben, aber damit hat man in der Tat zur Armutsbekämpfung noch nichts beigetragen.

(Beifall bei der FDP)

Insofern lassen Sie mich vielleicht in einigen zentralen Punkten kurz auf unseren Antrag eingehen, mein Kollege Dr. Buhlert wird das dann im Zuge der Debatte weiter ausführen. Zum einen ist uns in der Tat wichtig, wirklich einen Schwerpunkt auf eine Verbesserung der Bildungschancen von jungen Menschen zu legen, egal, aus welchem Elternhaus sie kommen. Das will ich auch sehr deutlich für unsere Fraktion unterstreichen: Bildungschancen sind der beste Weg gegen Armut, und nichts anderes! Hierauf muss der Fokus gelegt werden. Wir wollen eine Veränderung der arbeitsmarktpolitischen Programme des Landes Bremen, auch da muss umgesteuert werden. Die rot-grüne Koalition beschreitet den falschen Weg. Sie alimentieren und qualifizieren die Menschen nicht ausreichend. Ihr arbeitsmarktpolitisches Programm, Frau Senatorin, trägt dazu bei, dass immer mehr Menschen für immer längere Zeit in Beschäftigungsmaßnahmen für immer mehr Geld beschäftigt werden, während sie sich dort eingewöhnen und nachher quasi gar nicht mehr den Unterschied zwischen dem Ersten Arbeitsmarkt und Beschäftigungsmaßnahmen und Arbeitsgelegenheiten erkennen. Dies halten wir für einen fatalen Weg, der uns am Ende nur in einen Sektor staatlicher und öffentlicher Beschäftigung führen wird, aber nicht zu einer Verbesserung der Chancen dieser Personen im Ersten Arbeitsmarkt beitragen kann.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt eine Reihe von weiteren Punkten, die wir hier mehrfach eingefordert haben, die aber vollständiger- und richtigerweise in unserem Antrag stehen. Es muss darum gehen, sich auf die wirklich Bedürftigen zu konzentrieren, nicht immer neue Problemlagen für immer neue Gruppen dazuzuerfinden, und es muss darum gehen, Zuverdienstmöglichkeiten gerade im Bereich Hartz IV auszubauen. Bitte unterstützen Sie dabei die Bundesregierung mit Ihren Möglichkeiten als Landesregierung! Hier geht es wirklich um Fairness und Gerechtigkeit, und ich glaube, es würde Bremen gut anstehen, sich auch hier zu dem zu stellen, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Sie werden in unserem Antrag eine ganze Reihe – nämlich elf – von konkreten

Vorschlägen finden, wie Armut bekämpft werden kann. Ich hoffe, dass dieses Haus diesen Vorschlägen in breiter Mehrheit zustimmt. Ich hoffe auf eine angeregte Diskussion, und ich freue mich, dass wir hier wieder einmal deutlich sehen: Die FDP hat sehr konkrete Vorschläge gemacht, die die Koalition in dieser Debatte bisher schuldig geblieben ist.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag „Armutsbekämpfung in Bremen und Bremerhaven“ hört sich im ersten Moment ja wirklich sehr gut an, ist aber nur einer von vielen unzähligen Anträgen, die das wichtige Thema Armutsbekämpfung in Bremen und Bremerhaven schon behandelt haben und wohl auch weiterhin behandeln werden. Unsere Bürgerinnen und Bürger fragen sich doch schon sehr lange, und das zu Recht: Wann wollen Sie denn endlich damit anfangen, die steigende Armut in Bremen und ganz besonders in Bremerhaven effektiv zu bekämpfen? Unsere Bevölkerung merkt nämlich überhaupt nichts davon, von Ihrer groß angekündigten, angeblichen Armutsbekämpfung schon gar nichts, ganz im Gegenteil, es gibt immer mehr Armut in Bremen und Bremerhaven, Tendenz steigend.

Das liegt einzig und allein an der von Ihnen betriebenen unsozialen Sozialpolitik, nach Ihrem politischen Motto: Wenn jeder an sich selbst denkt, ist hier auch an jeden gedacht. Das aber ist keine sozialgerechte Politik zum Nutzen unserer Bevölkerung, und ich habe nicht nur nach der Rede vom FDP-Chef Westerwelle den leisen Verdacht, dass einige politische Verantwortliche der grausamen Meinung sind, wer in Not geraten ist, sei gewissermaßen selbst daran Schuld.

Das ist natürlich völliger Blödsinn. Noch einmal zu Ihrer Erinnerung Ihres politischen Versagens: Das Bundesland Bremen hat einen Spitzenplatz – natürlich im negativen Bereich – im Bereich der Schuldnerquote. Circa 60 Prozent aller Bremer sind völlig überschuldet, ihre monatlichen Einkünfte decken die monatlichen Ausgaben nicht einmal ansatzweise ab. Bittere Not und soziale Verelendung sind das Schicksal dieser Menschen, die dann unweigerlich durch Ihre Politik in sogenannten Schuldenghettos menschenunwürdig quasi dahinvegetieren müssen, da sie mit einer lächerlichen Summe abgespeist werden, die zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel ist.

Tatsache ist auch, das Bundesland Bremen hat schon seit Jahren ein konstant ansteigendes Armutsproblem. Bremerhaven ist sogar das Armenhaus der Nation mit 40 Prozent Kinderarmut. Ein Ende dieser Negativauszeichnung ist noch lange nicht absehbar. Ich aber sage Ihnen, Armut und insbesondere

Kinderarmut ist kein Naturgesetz, hierfür trägt die Politik die alleinige Verantwortung, denn Hauptursache für die ansteigende Verarmung unserer Bevölkerung ist die Massenarbeitslosigkeit, für die Sie auch die Mitverantwortung tragen. Hinzu kommt noch, dass fast jedes dritte Kind, also circa 35 000 Kinder, der unter 15-Jährigen von Sozialgeld auf Basis von Hartz IV abhängig ist. Das führt insgesamt natürlich unweigerlich zu Isolation und Ausgrenzung in unserer Gesellschaft. Das ist eine weitere Schande unseres Bundeslandes, wofür Sie auch die Mitverantwortung tragen.

Kurzum gesagt, es müssen dringend notwendige wirkungsvolle politische Maßnahmen gegen die ansteigende Armut in Bremen und Bremerhaven eingeleitet und auch schnellstens umgesetzt werden. Hierfür haben Sie meine volle Unterstützung. Hinzufügen möchte ich noch: Es ist eine Schande und eine soziale Ungerechtigkeit sondergleichen, dass es in Deutschland unzählige Menschen gibt, die täglich sehr hart arbeiten, aber trotzdem auf Grundlage ihres sehr geringen Lohns und Einkommens auf Sozialhilfe angewiesen sind. Das ist im höchsten Maß ungerecht und völlig inakzeptabel. Hier muss schnellstens ein lebenswerter und gerechter Mindestlohn eingeführt werden. Das wäre schon einmal ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um die ausufernde Armut auch in diesem Armutsbereich bekämpfen zu können. Das große Problem ist, dass im großen Bereich des Arbeitsmarkts die Löhne viel zu gering sind, um anständig und menschenwürdig überleben zu können. Darum wäre ein erster Schritt die Einführung eines gerechten Mindestlohns, denn Arbeit muss sich wirklich wieder lohnen. – Ich danke Ihnen!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Frehe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir debattieren hier zusammen zwei sehr unterschiedliche Anträge. Einmal einen Antrag, der mit der Diffamierung von Arbeitslosen beginnt – den FDP-Antrag – und der in seinen Forderungen dann eher ziemlich platt daherkommt. Dann einen Antrag der LINKEN, der die Arbeitslosen auch nur als Opfer qualifiziert und anschließend nur einen Masterplan fordert. Wir haben am 27. Januar 2010 schon einmal hier in der Bürgerschaft über die besondere Situation arbeitsloser Menschen, insbesondere erwerbsloser Frauen in Bremerhaven, debattiert. Gestern haben wir über die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts debattiert. Eine weitere Debatte war zum Armutsbericht des Senats, der hier in der Debatte mehrfach Gegenstand war. Über den Wert eines Masterplans haben wir auch schon auf Antrag der LINKEN debattiert.

Wir haben zahlreiche Anfragen gemacht. Wir haben zum Beispiel eine wichtige Kleine Anfrage zur

Kinderarmut gestellt. Nun kommt der Antrag der LINKEN daher, den Senat zu beauftragen, und Herr Müller hält es nicht einmal für nötig, nach seinem Redebeitrag hier an der Debatte teilzunehmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP – Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Der interes- siert ja auch nur zwei Linke, dieser Antrag!)

Nun kommt ein erneuter Antrag der LINKEN, den Senat zu beauftragen, für besonders betroffene Stadtteile in Bremerhaven – übrigens hat Bremerhaven auch Stadtteile, und die sind auch unterschiedlich betroffen – einen Masterplan zur Bekämpfung von Armut vorzulegen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Abgesehen davon, dass es sich beim Verhältnis von Legislative und Exekutive nicht um ein Beauftragungsverhältnis handelt – das ist den LINKEN vielleicht noch nicht so klar –, ist der Antrag auch sachlich überflüssig und wenig zielführend. Die Wiederholung von Anträgen macht sie zudem nicht plausibler. Ich werde mich daher auf einige kurze Anmerkungen zu dem Antrag beschränken.

Die Entstehung von Armut – es wäre gut, Herr Dr. Möllenstädt, wenn Sie zuhören würden – ist komplex, und die Auswirkungen sind eben auch sehr unterschiedlich auf die Bevölkerung verteilt. Wie meine Kollegin Frau Hoch schon in der Debatte am 27. Januar aufgezeigt hat, liegt die besondere Arbeitslosigkeit von Frauen in Bremerhaven in der spezifischen Strukturkrise. Zum Beispiel sind besonders viele Arbeitsplätze in der Fischindustrie weggefallen, in der sehr viele, nicht besonders qualifizierte Frauen beschäftigt waren. Der Aufbau neuer Beschäftigungsfelder, insbesondere in der Windkraftindustrie, kommt Frauen unterdurchschnittlich stark zugute. Allerdings entsteht zum Beispiel ein stark geförderter Ausbau des Tourismus in Bremerhaven, in dem durchaus Arbeitsplätze geschaffen werden, die auch Frauen zugute kommen.

Die Kollegin Hoch hat auch erwähnt, dass der besonders hohe Anteil von Frauen ohne Berufs- und Berufschulabschluss eine Hypothek der Vergangenheit Bremerhavens, einer im Wesentlichen auf die Werften fixierte Wirtschaftsstruktur ist. Eine konsequente Politik gegen Armut und Ausgrenzung in Bremerhaven und auch in den Bremer Stadtteilen mit besonders hohem Anteil an Armutsbevölkerung und Integrationsproblemen muss bereits bei der Entwicklung der Wirtschaftsstruktur ansetzen, Herr Dr. Möllenstädt, und nicht nur bei den Sozialleistungen und der Bildungspolitik. Ihr Reduktionismus hilft auch nicht weiter!

Eine den Lebensunterhalt der Arbeitnehmerinnen absichernde Beschäftigungspolitik betreiben, eine zielgruppenspezifische Arbeitsmarktpolitik – dazu wird sich meine Kollegin Schön gleich noch einmal in einem zweiten Beitrag äußern –, eine angemessene Grundsicherung, die eine Benachteiligung ausgleichende Sozialleistung vorsieht, und dann noch eine gegen Ausgrenzung und Ausschluss gerichtete egalitäre soziale Infrastruktur vorhalten. Eine solche Politik muss die Armutsproblematik als Querschnittaufgabe für die gesamte Politik im Land Bremen und in den beiden Städten sowie in den Stadtteilen berücksichtigen. Sie muss darüber hinaus im Bundesrat darauf hinwirken, dass dort die richtigen Entscheidungen in der Steuer-, Wirtschafts- und Sozialpolitik – also auch bei der Bundesregierung – getroffen werden.

Wie Sie sicher wissen, entziehen sich viele entscheidende Politikfelder einem landespolitischen Zugriff. In dem Armutsbericht des Senats, Lebenslagen in Bremen, wurden neben der ergiebigen Analyse – das ist kein Ideologiepapier, es gab eine sehr differenzierte Analyse der Armutsproblematik – auch zahlreiche Vorschläge entwickelt, die nun vom Senat bewertet und in ein schlüssiges Konzept gebracht werden müssen. Dazu haben wir als Bürgerschaft den Senat in der Diskussion des Armutsberichtes aufgefordert. Die Zeit, die wir ihm für ein solches Konzept gegeben haben, ist noch nicht abgelaufen. Wir sollten ihm daher – und das gebietet meines Erachtens auch die Fairness – die Zeit geben, dieses Konzept vorzulegen, und nicht diese Zeit mit immer neuen Anträgen vergeuden, die zu weiteren Handlungen auffordern und vortäuschen, dass man in diesem Bereich aktiv ist.

Wir sollten unsere Funktion als Parlament ernst nehmen. Das bedeutet auch, dass wir dem Senat die Chancen und Möglichkeiten geben, dann ein solches Konzept vorzulegen. Wir erwarten dieses Konzept noch in dieser Jahreshälfte. Wenn wir dieses Konzept haben, werden wir erneut darüber diskutieren, welche konkreten Maßnahmen der Senat ergreifen kann. Jetzt diese Diskussion zu führen, nimmt uns im Grunde genommen selbst als Parlament nicht ernst. Daher lehnen wir den Antrag der LINKEN ab. Zu dem Antrag der FDP wird Frau Schön noch einmal etwas sagen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Garling.