Protokoll der Sitzung vom 17.03.2010

Zweite Überschrift: Ja, wir können unsere Eigenanstrengungen meistern. Ja, wir werden auch sparen, liebe Kollegen und Kolleginnen von der CDU. Das allein wird nicht reichen. Natürlich müssen wir strukturell alle Wege für Eigenanstrengungen suchen. Bis 2014 sollen 950 Stellen zu den bisherigen 5 000 hinzu eingespart werden. Wer sagt, dass das kein Sparen ist?

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das verstehe ich nicht! Das macht man nicht einmal eben im Vorübergehen, das erfordert harte Anstren

gungen aller Beteiligten und ist auch mühsam. Das ist manchmal auch furchtbar langweilig, wenn ich im Betriebsausschuss Performa Nord sitze – das soll unser zentraler Dienstleister für die Verwaltung werden –, ist es sicherlich erst einmal langweilig, was dort vorgetragen wird, es ist mühsam. Ich bin aber auch immer wieder beeindruckt von dem Engagement der Beteiligten, sich dieser Aufgabe zu stellen. Natürlich ist das kein großes Getöse und Geschepper und kein großes Kino, aber es ist harte, mühsame Verwaltungsarbeit, der wir uns stellen werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

An der Stelle zum Thema Sparen erlauben Sie mir, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen hier im Hause, auch einen Appell in eigener Sache! Es wird nicht gehen, auf der einen Seite brutalst mögliches Sparen vom Senat zu fordern, aber auf der anderen Seite dann die nötige Solidarität vermissen zu lassen. Ich sage das ausdrücklich in Richtung des gesamten Hauses als Haushaltspolitikerin. Es wird nicht gehen, Veräußerungen von Vermögen und damit Senkung der laufenden Kosten zu fordern, dann aber bei jedem Grundstücksverkauf erst einmal dagegen zu sein. Es wird nicht gehen, den Klinikneubau BremenMitte zu kritisieren, aber in der stadtteileigenen oder privaten Klinik mehr Investitionen zu fordern. Es wird nicht gehen, neue Einwohnerinnen und Einwohner und damit Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ins Land zu holen, aber die Wiese vor der eigenen Haustür darf nicht bebaut werden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Jetzt bekomme ich doch Beifall, da bin ich verwundert! Es wird auch nicht gehen, strukturell bei den Zuwendungen, beispielsweise für die Bürgerhäuser, sparen zu wollen, das eigene Bürgerhaus aber davon auszunehmen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es wird auch nicht gehen – jetzt kommt mein Stadtteil –, den Investitionsstau bei den Straßen zu beklagen, aber im Viertel muss es dann schönes, teures Pflaster sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn wir sparen, dann können wir das nur gemeinsam tun, und nicht, indem wir gegenseitig immer mit dem Finger auf andere zeigen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Genauso wenig wird es aber gehen, Steuergeschenke an die einen zu verteilen, das Ganze dann aber am sozialen Zusammenhalt und an der Daseinsvorsorge vor Ort in den Kommunen wegzusparen, ich könnte Ihnen jetzt die Präsidentin des Städtetages, Petra Roth, zitieren.

Klassenbester Sparer zu werden, wird uns aber allein nicht weiterhelfen. Wer das erzählt, sagt nur die halbe Wahrheit. Der andere Teil der Wahrheit liegt – und das ist die dritte Überschrift – auf der Einnahmeseite. Wir können mit den Eigenanstrengungen niemals die selbst gemachten Steuersenkungen wegsparen. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat uns Verluste in Bremen von 38,5 Millionen Euro gebracht, die weiteren angedachten Steuergeschenke werden uns noch einmal über 160 Millionen Euro kosten. Die Einnahmeseite ist aber auch zwingende Voraussetzung für das Gelingen des Sanierungskurses wie die Ausgabenseite auch, eines ohne das andere wird nicht gehen.

Die Einnahmeerwartungen der Regierungserklärung sind ja nicht aus der Luft gegriffen. Sie orientieren sich an den Steuerschätzungen des Bundes, das denkt sich die Finanzsenatorin nicht allein aus. Wenn uns nun der Bund unsere eigenen Einnahmen durch Steuersenkungsgesetze wegnimmt, kann die Sanierung auch nicht gelingen. Das merkt der Bund mittlerweile auch selbst, wenn man sich die derzeitigen Haushaltsberatungen dort anschaut. Diese Art von Umwegrentabilität gibt den sogenannten Leistungsträgern, wer das auch immer ist, die werden dann den Überschuss schon nach unten zu den sogenannten Bedürftigen abgeben, das ist noch nirgendwo gelungen, das ist ein frommer Wunsch oder ein bewusst falsches Versprechen, um die eigene Klientel zu bedienen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die SPD-Bundestagsfraktion hat die schwarz-gelbe Regierung übrigens gefragt, welches makroökonomische Modell dieser Wachstumsbeschleunigungsvorstellung zugrunde liegt. Auf die Antwort bin ich schon heute gespannt.

(Heiterkeit bei der SPD)

Teilweise können wir ja an den Einnahmen selbst drehen, das machen wir auch, wir werden die Grunderwerbssteuer erhöhen. Das geht nun leider wieder mit der FDP nicht. Dies sei kontraproduktiv, so die FDP in einer Pressemitteilung vor einigen Tagen. Oder war es gar nicht die FDP,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Bei Herrn Richter kann man das verstehen!)

sondern der Grundbesitzerverein Haus & Grund?

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Das hatte zwei Brief- köpfe bei Herrn Richter!)

Da kann man ja bei Ihnen nicht immer so sicher sein, wo Lobbypolitik anfängt und Parteipolitik aufhört! Vierter Punkt: Ohne den sozialen Zusammenhalt – ich habe die Gemeinsamkeit vorhin angesprochen –, ohne gegenseitige Solidarität in den Städten und dem Land wird es nicht gehen. Wir werden weiter den Kurs der Ausgabenbegrenzung fortführen, das ist Teil der Vereinbarung. Was wir aber nicht tun werden, ist, unsere Selbstständigkeit wegzusparen. Wir werden weiterhin in unsere Schwerpunkte investieren, in Arbeitsplätze und Bildung. Wir haben das in den letzten Jahren durch Umschichtung, nicht durch Mehrausgaben getan. Was nützt es uns, wenn wir kein Theater mehr haben wie in Wuppertal, keine Schwimmbäder wie in Oberhausen und Bibliotheken und Bürgerhäuser schließen, die Schulentwicklung auf Eis legen, die Kinderbetreuung wieder hinunterfahren und exzellente Studiengänge schließen? Das ist keine Lösung, wie manchmal suggeriert wird.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das sind Verzweifelungstaten, aber keine wirklichen Lösungen. Dann sind Bremen und Bremerhaven eine Ansammlung von Häusern, wo auch noch Menschen leben, aber wozu sollen wir dann noch selbstständig sein? Am Ende bleibt uns dann noch übrig, einen Tag in der Woche als fleischfreien Tag zu erklären, aber politische Handlungsfähigkeit haben wir nicht mehr. Das werden wir am Ende niemandem verkaufen, übrigens keine politische Partei. Die letzte Überschrift, und ich glaube, die wichtigste: Sparen an sich ist kein Selbstzweck, sondern dient am Ende der politischen Handlungsfähigkeit. Da steht Bremen zum Glück nicht allein da. Wir sind keine Insel. Wir werden uns zusammentun mit den anderen Konsolidierungsländern, wir werden mit den Kommunen ein Bündnis eingehen, die unter den sinkenden und selbstgemachten Steuersenkungen der Bundesregierung ebenso leiden wie wir. Was wir brauchen, ist ein breites Bündnis für politische Handlungsfähigkeit, gegen Sozialabbau, für bezahlbare Daseinsvorsorge und gute Arbeitsplätze. Das alles können wir am besten, wenn wir ein selbstständiges Bundesland bleiben. Deswegen sagen wir, ja, wir nehmen die Herausforderung an, ja, wir können das schaffen. Lassen Sie uns gemeinsam 2011 diesen ersten Schritt machen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Fraktion der Grünen für die Regierungserklärung, die Herr Bürgermeister Böhrnsen für den Senat abgegeben hat. Der politische Kern ist für uns, dass sich der Senat damit als Ganzes auf das Ziel und auf die ersten Schritte zur Konsolidierung unseres Haushalts verständigt und festgelegt hat. Der Weg fängt mit dem ersten Schritt an.

In der Senatsvorlage heißt es, eine Alternative „wird im Interesse der Wahrung der Eigenständigkeit und Zukunftsfähigkeit Bremens nicht vorgeschlagen“. Die Grünen teilen und unterstützen diese Auffassung voll und ganz, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir sind überzeugt, wir müssen uns dieses Ziel zu eigen machen, wir können es erreichen, wenn wir umdenken und wenn wir dieses Umdenken den Bürgerinnen und Bürgern unserer beiden Städte klar und deutlich sagen und zeigen. Der Bürgermeister hat von einem Wechsel in der Mentalität gesprochen. Für uns sind die Beschlüsse des Senats zur Korrektur des Haushalts 2011 und zur Finanzplanung die ersten richtigen Schritte auf diesem langen Weg.

Zum Ausgangspunkt: Ich glaube, man muss es doch immer wieder allgemein und generell diskutieren. Der Ausgangspunkt liegt auf der Hand. Bremen steckt fest in der Schuldenfalle. Das bedeutet, dass in immer schnellerem Tempo ein immer größerer Teil der Einnahmen für Zins und Zinseszins ausgegeben werden muss und eben nicht für Schulen, Straßen, Naturerhaltung und Klimaschutz, innere Sicherheit und Sozialausgleich zur Verfügung steht. Wir geben heute über 20 Prozent unserer Einnahmen für Zinsen aus. Wenn wir so weitermachen, sind es in zehn Jahren 30 Prozent. Das würde bedeuten, das Land könnte immer weniger für seine Bürgerinnen und Bürger tun und müsste gleichzeitig noch mehr Schulden machen. Die Schraube dreht sich immer schneller, bis sie sich festfrisst. Wie das aussieht, können wir gegenwärtig in Griechenland studieren. So sieht das dann aus!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Bremen ist nicht auf einmal, sondern auf einem langen Weg in diese Schuldenfalle geraten, weil das Land und seine Gemeinden über viele Jahre hinweg mehr ausgegeben als eingenommen haben. Ich will das hier einmal zugespitzt formulieren: Wir haben einige Jahrzehnte lang über unsere Verhältnisse gelebt. Ich weiß, das widerspricht unserem Gefühl, dass wir schon ewig

sparen. Ich weiß auch andere Einwände. Die Verhältnisse seien ungerecht, insgesamt ohnehin und die föderalen Finanzbeziehungen im Besonderen. Das Land hat auch zweimal große Hilfen zugesprochen bekommen. Außerdem kann man einwenden, die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft seien als Akteure und Nutznießer unterschiedlich an dieser Überziehung beteiligt gewesen, und die politische Verantwortung sei doch sehr unterschiedlich verteilt. Das stimmt natürlich.

Ich bin sicher, bei den notwenigen Korrekturen wird die Geschichte bisweilen bei dem einen oder anderen von Interesse sein, und es mag auch sinnvoll sein, diejenigen, die früher besonderen Nutznieß hatten, bei den Belastungen dann auch zu berücksichtigen. Ich bin aber überzeugt, bei den Diskussionen, die wir jetzt vorhaben, hat das alles nur einen sehr begrenzten Wert. Ich habe auch kein großes Interesse, dass wir uns daran beteiligen, obwohl wir Grünen gar nicht so schlecht dabei wegkommen würden.

Am Ende ist es so, dass das geliehene Geld auf die eine oder andere Weise, ob mehr oder weniger, insgesamt in unseren beiden Städten, in Bremerhaven und Bremen, angekommen ist. Es hat dieses „wir“ in dem Satz „wir haben über unsere Verhältnisse gelebt“ tatsächlich und real gegeben. Es wird dieses „wir“ auch auf dem schmerzlichen Weg zurück geben müssen, den wir jetzt in Angriff nehmen. Es ist unser Land Bremen mit den beiden Städten, unser Gemeinwesen, das uns im Besseren wie im Schwierigeren verbindet. Wir müssen es gemeinsam neu erfinden, um es zu erhalten, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Deswegen müssen wir es auch schaffen und können es nicht, wie es DIE LINKE vorschlägt, auf andere schieben. Es ist ein großer politischer Erfolg – der Bürgermeister hat das ausgeführt –, dass fünf Länder Konsolidierungshilfen erstritten haben, Bremen vorneweg. Es mag sein, dass es uns gerechter erschiene, besser ohnehin, es wäre das Doppelte und die Übernahme der Altschulden noch dazu. Wir können aber, glaube ich, nicht die Frage von der Hand weisen, ob das dem Metallarbeiter in Offenbach auch gerechter erschiene, dessen Schwimmbad gerade eben geschlossen wurde.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es ist auch mit Sicherheit richtig, uns heute in anderer Hinsicht schon auf das Jahr 2019 vorzubereiten, gute Argumente zu sammeln und vor allen Dingen Verbündete zu suchen für eine Neuordnung der Finanzbeziehungen, die den tatsächlichen Leistungen Bremens für den Bund und die Länder bes

ser gerecht wird und auch eine realistische Regelung der Altschuldenproblematik einschließt. Wir müssen aber auch wissen, dass wir dafür Verbündete und vor allen Dingen offene Ohren in Karlsruhe nur finden werden, wenn wir unseren Teil der Verabredungen und Verpflichtungen erfüllen. Anders – davon bin ich überzeugt – haben wir keinerlei politische Chancen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Aufgabe der kommenden zehn Jahre heißt also, Einnahmen und Ausgaben in Deckung zu bringen. Dafür müssen wir beide Seiten der Gleichung verändern. Ich glaube, anders als in Diskussionen noch im letzten Winter sind wir uns darüber auch eher einig geworden. Ausgangspunkt ist heute ein Tief der Steuereinnahmen, auch bedingt durch die Krise. Wir gehen davon aus, dass in besseren Konjunkturzeiten auch die Einnahmen steigen werden, das tut auch die Steuerschätzung so. Ich habe in dem Zusammenhang die Kritik der CDU nicht ganz verstanden, die sagt, die Annahmen des Senats seien zu optimistisch. Warum soll der Bremer Senat etwas anderes annehmen als Herr Schäuble und die anderen Finanzminister? Verstehe ich nicht ganz! Ich sage auch dazu, die Bremer CDU hat bisher nichts Erkennbares gegen die Berliner Klientelsteuergeschenke getan. Wenn die so weitergingen, dann wären die Steuerschätzungen allerdings sehr bald Makulatur, davon bin ich überzeugt!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Aber eben nicht nur für Bremen, sondern auch für Kiel, für Saarbrücken und für Berlin! Wenn die Bundesregierung ihre Steuerpolitik fortsetzt, untergräbt sie die Geschäftsgrundlage der Föderalismusreform insgesamt. Wir wollen das nicht, wir wollen alles dafür tun, dass Kommunen und Länder genügend Einnahmen haben, um verantwortungsvolles staatliches Handeln sicherzustellen. Es ist doch einfach so: Wer viel Geld hat, mag sich Bildung und Sicherheit selbst kaufen können, für alle anderen muss der Staat die öffentlichen Güter bereitstellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir werden also um die Einnahmen kämpfen, gemeinsam mit anderen Ländern und den Kommunen. Wir werden auch über sinnvolle moderate Anhebungen der wenigen Steuern, die wir selbst hier in Bremen beeinflussen können, nachdenken. Der Senat hat da mit der Grunderwerbssteuer bereits einen Vorschlag gemacht. Wir haben im Januar einmal in einer ersten Diskussion eine Touristikabgabe ins Gespräch gebracht. Das wird aber mit Sicherheit noch

nicht das letzte Wort sein. Soweit zu der einen Seite, den Einnahmen!