Protokoll der Sitzung vom 19.05.2010

(Zurufe von der CDU)

Ich sage auch ganz deutlich, so richtig, wie es ist, es gibt keine Währungsunion ohne Wirtschaftsunion, und ich sage auch, es gibt keine Währungsunion ohne Sozialunion.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden Verhältnisse schaffen müssen, in denen die Lebensverhältnisse der Menschen in der europäischen Gemeinschaft, vor allen Dingen von denen, die nicht über hohe Einkommen verfügen, ähnlich sind und dass nicht große Teile der Europäerinnen und Europäer in Armut leben müssen. Das hilft im Übrigen auch der Dritten Welt, wenn es so ist.

Ich sage, im Moment haben wir das Problem, dass wir deutlich machen müssen: Die Vereinbarungen zur Sanierung des bremischen Haushalts im Rahmen der Föderalismusreformkommission II sind nicht einzuhalten, selbst wenn man konstatiert, dass die jetzigen Einnahmeverluste konjunkturbedingt sind. Ich sage auch einmal, die Steigerung der Sozialhilfelasten ist konjunkturbedingt. Das heißt, wir sind auf der einen Seite gesetzlich verpflichtet, sie zu bezahlen, wir haben gar nicht die Wahl, bestimmte Leistungen aus dem Sozialpaket einfach wegzulassen, weil Bremen gesetzlich dazu verpflichtet ist, sie zu leisten. Der Bindungsgrad liegt irgendwo bei 95 Prozent, vielleicht sogar etwas höher. Wenn dann die Armutsentwicklung so ist, dass mehr Leute Anspruch darauf haben, müssen wir das bezahlen, und ich will auf der anderen Seite auch, dass das bezahlt wird, weil es den armen Menschen wirklich hilft.

Dagegen können wir aber nicht ansparen, deswegen muss man möglicherweise diese konjunkturbedingten Einnahmeausfälle und Ausgaben noch einmal neu diskutieren. Kann man einen Dispens „aushandeln“, oder ist es wirklich so, dass wir 2020 richtig auf null sein müssen? Richtig auf null wird hier nicht gehen, dann haben wir ein anderes Bremen als heute. Man muss darüber diskutieren, wenn man ernsthaft Schulden bekämpfen will, dass man die Einnahmen der Länder sichert. Ich habe das schon einmal vorgeschlagen. Die FDP hat gesagt, wir machen Steuererleichterungen, dann steigt die Wirtschaftskraft, dann steigen die Einnahmen. Wenn das so passt, ist es in Ordnung, aber die, die solche Konzepte fordern, sollen auch sicherstellen, dass es stimmt, das heißt, sie könnten eine Garantieleistung geben und sagen, für den Fall, dass es wider Erwarten nicht passiert, stellen wir vonseiten der Bundesregierung die Einnahmen sicher. Das heißt, die Länder haben nicht für

Einnahmeausfälle zu büßen, die durch Bundesregierungen in Form von Steuererleichterungen beschlossen werden.

(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

Wir brauchen auch eine Debatte um die Lebensbedingungen und die notwendigen Ausgaben hier in Bremen. Ich denke einfach, man muss diese Debatte nicht von der Schuldenseite her diskutieren, sondern man muss sie von der notwendigen Ausgabenseite her und von der Sicherstellung von Einnahmen diskutieren. Das ist die Aufgabe, die wir jetzt haben. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Woltemath.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird sicherlich niemanden verwundern, dass wir die Banken und auch die großen Banken nicht verstaatlichen wollen,

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Sie wollen nur die Gewoba verkaufen!)

weil ich glaube, dass zu einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft ein funktionierendes Bankensystem gehört, und da müssen wir wieder hinkommen.

(Beifall bei der FDP – Abg. K a s p e r [SPD]: Ein funktionierendes, ja!)

Das haben wir mit dem Bankenrettungsplan und mit dem Bankenrettungsschirm versucht, und da sind wir auf einem guten Weg, glaube ich. Wir sind jetzt in einer Situation, dass die Bürger tief verunsichert sind, weil wir eine vermeintliche Euro-Krise haben, denn wenn man sich einmal die Entwicklung – –.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Da hat die CDU vorhin noch gelacht!)

Frau Busch, das war klar! Das waren jetzt eine Minute und zehn Sekunden und der erste Zwischenruf.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Das zeigt, wir haben ein lebendiges Parlament!)

Ganz wunderbar! Ich gehe jetzt aber nicht darauf ein!

Wir haben eine gefühlte Euro-Krise. Ich sage bewusst gefühlte Euro-Krise, weil sich der Eurokurs allmählich dem annähert, wo wir ihn eigentlich haben

wollten. Wir haben noch vor einem halben Jahr darüber debattiert, der Eurokurs ist für uns viel zu hoch, die Parität zum Dollar muss sinken, jetzt sinkt sie. Einige haben sogar darüber debattiert, dass Griechenland wieder zur Drachme zurückkehren sollte, damit die Währung abgewertet wird. Jetzt sinkt der Eurokurs und hilft Griechenland, und ich finde es auch gut so, dass er auf ein normales Maß sinkt, deshalb sehe ich da im Moment überhaupt keine Euro-Krise.

Ich sehe eine Krise des Vertrauens in die Organisation der Finanzmärkte, und da müssen wir für Regulierungen sorgen. Das habe ich bei allen Debatten hier auch immer wieder gesagt, und dazu stehe ich auch. Wir brauchen eine wirkungsvolle Regulierung der Finanzmärkte, und wir brauchen wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung von Auswüchsen. Das heißt aber – und das hat die Debatte der vergangenen Tage auch gezeigt, die uns teilweise schneller überholt, als wir Zeitung lesen können –, wir müssen die erforderlichen Schritte sehr genau debattieren, damit sie nachhaltig sind. Es kann jetzt nicht eine Form von Schnellschuss geben, quasi eine Mischung aus Beruhigungspille und Populismus. Nein, das dürfen wir nicht machen!

Wir haben beim Bankenrettungsfonds auch Fehler gemacht, die wir analysieren müssen, und die jetzt in die weitere Planung mit zu berücksichtigen sind. Deshalb sage ich, man muss nicht sofort alles regulieren und sofort über Nacht entscheiden, sondern man sollte auch noch einmal innehalten und überlegen, ob das, was man angedacht hat – ich sage einmal Tobin-Steuer –, wirklich sinnvoll ist, weil ich nicht glaube, das damit Spekulationen verhindert werden. Das wird überwälzt, das zahlen die kleinen Sparer, die kleinen Einkommen und die kleinen Leute nachher.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Bei wem denn? Bei den Hedgefonds?)

Das ist wie beim Grünen Punkt und bei der Ökosteuer, und die Spekulation geht weiter.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen gerade genau die Spekulation eindämmen.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Wie kann man nur so wenig dazulernen? – Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen])

Ich lerne täglich dazu! Das Problem des Dazulernens liegt auf Ihrer Seite. Sie haben nicht dazugelernt, Sie haben sich nur von Ihrer früheren Bundesregierung abgesetzt.

(Beifall bei der FDP)

Am 25. Mai 2006 ist der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank Otmar Issing in den Ruhestand gegangen. Er hat damals gesagt, ich zitiere aus dem „Handelsblatt“: „EZB Chefvolkswirt fürchtet Spannungen in der Währungsunion“. Ich will das jetzt nicht alles vortragen, nur wenn man das liest, hat er genau das prognostiziert, was uns jetzt im Moment passiert ist, eine Überschuldung Griechenlands.

Man kann jetzt lange darüber debattieren, wie diese Situation entstanden ist und wer sie verursacht hat, aber wir haben eine Überschuldung Griechenlands, wir haben Überschuldungen in fast allen Ländern, und wir haben eventuell einen Dominoeffekt, den wir verhindern müssen – und dazu stehen wir auch – mit Portugal, Spanien und Irland. Ich sage nicht, dass er kommen wird, aber er könnte drohen, und deshalb war es auch richtig zu handeln.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt noch einmal zum zitierten Beschluss des FDPLandesvorstands! Man kann es genau so sehen, wie der Landesvorstand es auch beschlossen hat, weil wir als FDP vor Schnellschüssen warnen wollten. Deshalb habe ich gesagt, man muss auch innehalten und nicht sofort alles beschließen.

(Beifall bei der FDP)

Bei dieser Hilfsaktion sind bei Nacht und Nebel alle Vorschriften und alle Vereinbarungen der Europäischen Union und der EU-Währungsgemeinschaft über Bord geworfen worden, indem man einfach gesagt hat: Die Europäische Zentralbank kauft jetzt auch Papiere auf, die sie vorher nicht kaufen durfte. Da darf man sehr wohl sagen, wir müssen handeln. Die Frage ist aber, müssen wir in dieser Form so handeln, und müssen wir so schnell handeln. Diese Frage muss gestellt werden dürfen, und es darf durchaus auch gesagt werden – und dazu stehe ich auch –, nein, so wollen wir das nicht, wir wollen einen anderen Weg gehen. Das halte ich für durchaus legitim, und das halte ich auch nicht für angreifbar.

(Beifall bei der FDP)

Ich finde auch, dass wir durchaus hätten überlegen können – das ist am Anfang dieser Krise debattiert worden –, ob es beispielsweise einen Europäischen Währungsfonds geben soll. Wir müssen auch – und darauf lege ich äußersten Wert – darüber sprechen, ob wir eine europäische Ratingagentur bekommen, denn so, wie die Ratingagenturen im Moment aufgestellt sind, die drei großen angelsächsischen Ratingagenturen, kann es nicht weitergehen. Da sind die Ratingagenturen nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Ich glaube, das sollten wir unbedingt angehen, und das gehört für mich in dieser Situation auch dazu, ein kurzer Moment des Innehal

tens, um zu überlegen, welche Regelungen brauchen wir.

(Beifall bei der FDP)

Wir wissen doch ganz genau – das ist das, was ich vorhin mit Herrn Issing noch einmal in Erinnerung gerufen habe –, dass Griechenland mit geschönten Zahlen beim Euro aufgenommen worden ist. Das wissen alle ganz genau, und man hatte auch jahrelang Zeit, das Problem anzugehen und zu lösen. Man hat es immer wieder vertagt beziehungsweise immer wieder die Augen davor verschlossen. Da komme ich zu Bremen, und da bin ich bei meinem Kollegen Dr. Schrörs von der CDU: Wir müssen hier in Bremen den Sparkurs fortsetzen, dazu gibt es überhaupt keine Alternative.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben uns auch – und dazu stehen wir ebenfalls – zur Schuldenbremse verpflichtet, und das wollen wir auch einhalten. Wir müssen aber ganz dringend eine Aufgabenkritik durchführen und alle Bereiche auf den Prüfstand stellen. Ich wiederhole mich da noch einmal, und da bestreite ich auch die Aussagen des – im Moment ist er nicht da! – Kollegen Dr. Kuhn,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ich sitze die ganze Zeit hier!)

doch, er ist doch da, nein, Entschuldigung, die Aussagen des Kollegen Rupp natürlich! Dass wir in irgendeiner Form davon abrücken können, das funktioniert überhaupt nicht. Wir können nicht den Weg weiter in den Verschuldungsstaat gehen. Wir müssen hier ein deutliches Zeichen setzen, und wir müssen hier mit der Aufgabenkritik ansetzen, und wir haben unsere Vorschläge gemacht. Ich sage das Reizwort Gewoba, mehr erwähne ich diesmal nicht. Wir haben unsere Vorschläge gemacht, wir haben aber auch ganz deutlich gesagt, es muss einen Dreiklang geben. Das eine ist die bremische Eigenleistung, das Zweite ist eine Altschuldenregelung, und das Dritte ist eine Neuorganisation der Finanzierung der Länder und vor allen Dingen auch der Städte.

(Beifall bei der FDP)

Da, muss ich sagen, war die Debatte gestern Nachmittag über swb und Gewoba sehr erhellend. Da machen sich mittlerweile zwei bremische Unternehmen beziehungsweise ein Unternehmen, das hier am Standort ist, viele Arbeitsplätze sichert und auch viele Arbeitsplätze schafft, und ein anderes Unternehmen, das hier in der überwiegenden Mehrheit ein städtisches Wohnungsbauunternehmen ist, Konkurrenz, indem man sagt, wir steigern und fördern jetzt die Wirtschaft in Baden-Württemberg, wir sehen zu, dass

die Wirtschaft in Baden-Württemberg gefördert wird und am Ende des Tages hier in Bremen unter dem Strich Steuereinnahmen und Arbeitsplätze verloren gehen. Da muss ich ehrlich sagen: Nein, das kann nicht im Sinne des Erfinders sein, dass sich bremische Unternehmen in dieser Form gegenseitig Konkurrenz machen. Das lehnen wir ab!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Was denn sonst? – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: Jetzt verstehe ich die FDP überhaupt nicht mehr! Sind Sie jetzt gegen Wettbewerb?)

Nein, ich bin überhaupt nicht gegen Wettbewerb! Man kann aber vernünftigerweise mit den bremischen Unternehmen einmal darüber sprechen, ob sie nicht ein ähnliches Angebot machen können. Genauso muss man den Leuten natürlich sagen, wenn man ihnen hier ein ungewöhnliches Angebot macht: Will ich Arbeitsplätze in der Region gefährden? Das hat überhaupt nichts mit Wettbewerbsfeindlichkeit zu tun,