Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Frau Senatorin, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Kollegen Rohmeyer anzunehmen?

Ja!

Bitte schön, Herr Kollege!

Dreimal ist Bremer Recht, von daher kann ich jetzt bei der dritten Möglichkeit auch eine Zwischenfrage stellen: Frau Senatorin, sind Sie der Auffassung, dass das Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen das Grundgesetz ignoriert hat, wenn Sie uns Verfassungsfeindlichkeit unterstellen?

Ich bin der Auffassung, dass es sich hier um eine verfassungsrechtliche Frage handelt, die mit entschieden worden ist und gerade deshalb von grundsätzlicher Bedeutung ist und gerade deshalb eine Berufungszulassung meines Erachtens richtig gewesen wäre. Wir beantragen Sie jetzt.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen auch ganz deutlich sagen: Wir werden die Klärung durch das oberste Gericht natürlich akzeptieren und werden dann auch in Gespräche gehen. Man geht aber mit Eltern, mit denen man in einem Gerichtsverfahren ist – das will ich Ihnen auch deutlich sagen, das ist übrigens ein Grundsatz bei mir –, nicht in Gespräche, wenn man sich gleichzeitig vor Gericht auseinandersetzt. Aber selbstverständlich werden wir unmittelbar die Hand reichen, wenn die Klärungen herbeigeführt sind. Versuchen Sie hier nicht, Keile zu treiben! Sie machen sich einen leichten Fuß an dieser Stelle, einen sehr leichten Fuß, und das gilt übrigens auch für die Frage, ob Eltern staatliche Schulen akzeptieren oder nicht. Es geht nicht, dass man irgendwelche Dinge hinter vorgehaltener Hand über Schulen sagt und anschließend, wenn man hier stehen muss, dann irgendwo unter den Tisch kriecht, das ist scheinheilig.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Erstes will ich einmal feststellen: Es ist ja schön, dass Sie, Frau Senatorin, sagen, mit dem Oberverwaltungsgericht geben wir uns zufrieden, man hätte ja sonst eine Verfassungsfrage auch noch bis zum Bundesverfassungsgericht treiben können. Ich bin schon einmal sehr gespannt, wie es weitergeht. Ich freue mich darauf, dass wenigstens das hier schon einmal gesagt ist, dann wollen wir wenigstens das schon einmal festhalten.

Die nächste Sache, die wir schlichtweg sehen müssen, ist doch die: Es geht um die Erziehungs- und die Privatschulfreiheit, eben solche Gründe, die im Grundgesetz festgelegt sind. Natürlich gibt es den Artikel 7 Absatz 5, und wir können das bei aller Kritik, die ich persönlich am Artikel 7 Absatz 5 des Grundgesetzes habe, das ist bekannt, momentan auch nur auf dessen Basis entscheiden. Dann müssen wir uns darüber Gedanken machen.

Ich glaube, der Hinweis des Gerichts, dass es eine Berufung nicht zugelassen hat, zeigt ziemlich deutlich, wie fest Sie in Ihrer Überzeugung sind, dass das nämlich von Ihnen ein politisches Wollen ist, dass diese Schule nicht zugelassen worden ist, und Sie wollen auch klagen. Sie sind in keiner Frage verpflich

tet, hier weiterzuklagen, nur um das noch einmal festzuhalten! Ich habe mich eigentlich mehr geärgert über den Kollegen Beilken, der wieder einmal meinte, wir würden nur Politik für bestimmte Leute machen.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Das ist bei der FDP so!)

Es ist nicht so! Mir geht es darum, wenn ich Politik mache, mehr Freiheit für mehr Menschen zu schaffen, und das ist auch immer so, dass Freiheit die Freiheit des Andersdenkenden ist und dass man sich auch dafür einsetzt, dass andere Meinungen, Positionen und Lebensweisen ihr Recht haben, und dafür ist das ein Indiz. Alles andere ist falsch, und ich weise das hier entschieden für mich und die FDP-Fraktion zurück!

Insofern müssen wir weiterdiskutieren, wie es denn gelingen kann, hier diese Freiheit zu schaffen, und dann müssen wir auch überlegen, was es heißt, wenn wir ein Schulgesetz für Schulen in freier Trägerschaft haben. Die Antwort kann nur das Gesetz über Schulen in freier Trägerschaft geben. Ich bin sicher, wenn Sie das alles regeln und sagen, eine Schule in freier Trägerschaft darf nur eine andere Trägerschaft haben, muss aber alles so machen wie staatliche Schulen, dass dann die Schulen in freier Trägerschaft klagen werden, weil das ihre Privatschulfreiheit und damit auch ihre Organisationsfreiheit unzulässig einschränken würde. Das ist, glaube ich, falsch.

(Beifall bei der FDP – Abg. G ü n g ö r [SPD]: Es geht um die Schularten!)

Insofern bin ich sehr gespannt auf den Gesetzentwurf, den Sie an dieser Stelle vorlegen werden.

Ein letzter Punkt! Sie sprachen schon wieder von der sozialen Entmischung. Schauen Sie sich doch die staatlichen Schulen an! Wir haben Schulen mit so vielen Problemen, mit so vielen Differenzen. Wenn Sie es nicht sehen wollen, wir können es auch gern noch einmal abfragen, wie die Zusammensetzung der einzelnen Schulen ist, dann würden Sie es sehen. Daran ändert aber doch die Zusammensetzung der Schulen in freier Trägerschaft nur einen ganz kleinen Teil. Wer das nicht sehen will, will nicht sehen.

Wir setzen uns weiter dafür ein, dass Schulen in freier Trägerschaft und Eltern, die solche gründen wollen, zu ihrem Recht kommen.

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich deswegen zu Wort gemeldet, weil ich glaube, dass wir bei allen Gemeinsamkeiten, sehr geehrte Frau Senatorin, die wir in den letzten Monaten miteinander verabredet haben, in dieser Debatte sehen, dass zwischen dem, was Sie sich unter bremischer Bildungspolitik vorstellen, und dem, was sich die CDU-Bürgerschaftsfraktion darunter vorstellt, doch noch erhebliche Unterschiede bestehen.

Der erste Unterschied ist der von Ihnen heute, aber auch in der Vergangenheit – genauso wie von Herrn Güngör heute und auch in der Vergangenheit – immer wieder erhobene Vorwurf, bei den Privatschulen handele es sich um Eliteschulen. Ich halte das für nachweislich falsch.

(Beifall bei der CDU)

Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal in einer konfessionell gebundenen Schule, zum Beispiel des Katholischen Gesamtverbandes, gewesen sind, aber wer dieser Schulform unterstellt, sie betreibe Elitebildung und Selektion, hat keine Ahnung von der Grundauffassung dieses Schulträgers.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage dazu auch noch: Wer versucht, damit den Eindruck zu erwecken, an solchen Schulen wie zum Beispiel konfessionell gebundenen Schulen würde jetzt auch nur konfessioneller Unterricht erteilt werden, irrt sich auch nachhaltig. Ich behaupte, zurzeit werden an keiner anderen Schule – ich hoffe, es wird sich ändern – so sozial verantwortliche junge Menschen erzogen wie an den konfessionell gebundenen Schulen im Land Bremen, das ist meine feste Überzeugung.

(Beifall bei der CDU)

Der zweite Unterschied zwischen Ihrer und unserer Auffassung ist, glaube ich, ein unterschiedlicher Begriff von Freiheit in der Wahrnehmung der Aufgabe einer Senatorin. Sie sagen, ich lasse die Schule nur zu, wenn ich gesetzlich oder jetzt durch Rechtsprechung dazu verpflichtet bin. Über die Frage, ob ein Rechtsanspruch auf Zulassung besteht oder nicht, kann man streiten. Aber für die CDU-Bürgerschaftsfraktion ist völlig klar: Unabhängig davon, ob diese beiden Schulen einen Rechtsanspruch auf Zulassung haben, weil sie Ihre Entscheidung falsch begründet oder falsch getroffen haben, sind wir der Auffassung, dass es politisch geboten ist, diesen beiden Schulen die Zulassung zu geben, das will ich an dieser Stelle auch ausdrücklich sagen,

(Beifall bei der CDU)

weil wir der festen Überzeugung sind, dass es eben nicht nur Aufgabe einer Senatorin ist, Schulen zuzulassen, wenn Sie dazu rechtlich verpflichtet ist oder wenn sie ihr besonders gut gefallen. Unsere Auffassung von Freiheit ist, auch Schulen zuzulassen, die einem vielleicht in der eigener politischen Weltanschauung nicht passen. Freiheit heißt, auch etwas zuzulassen, was einem nicht passt!

(Beifall bei der CDU)

Deswegen ist es an dieser Stelle kein bisschen scheinheilig, wenn sich die CDU-Bürgerschaftsfraktion jetzt für die Zulassung von zumindest einer Schule, vielleicht sogar zwei Schulen starkmacht, die gar nicht in unser Weltbild passen, sondern es ist konsequent zu sagen: Jawohl, das ist eine andere Schule, als wir sie uns vorstellen, aber es ist eben eine Schule, wo Eltern ein pädagogisches Konzept entwickelt haben, wo Eltern meinen, dass diese Schulform für ihre Kinder die richtige ist. Deswegen sagen wir, so etwas darf man nicht verbieten – wie die Senatorin –, so etwas muss man zulassen! Das ist die Auffassung der CDU-Bürgerschaftsfraktion.

(Beifall bei der CDU)

Der dritte ganz entscheidende Unterschied zwischen Ihrer politischen Grundüberzeugung und unserer als CDU ist der, dass Sie sagen, das, was wir an Schulstrukturen und an Schulformen verabredet haben, muss jetzt in seiner Absolutheit in ganz Bremen gelten, und wieso soll dort plötzlich sechsjährige Grundschule stattfinden? Wieso soll dort plötzlich zehnjähriges gemeinsames Lernen stattfinden? Es ist richtig, der Staat muss sich darauf verständigen, welche Schulform er in seinem System schaffen, finanzieren und unterstützen will, aber das bedeutet doch nicht, dass all das, was der Staat in seinem Verantwortungsbereich macht, auch eins zu eins auf jede freie Initiative in unserem Land übertragen werden muss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deswegen sage ich, die Debatte haben wir übrigens am Rande des Schulkonsenses auch schon geführt, weil wir als CDU-Bürgerschaftsfraktion gesagt haben, wir müssen das System durchgängiges Gymnasium und Oberschule nicht eins zu eins auf alle privaten Schulen oder Schulen in freier Trägerschaft übertragen, an diesen Schulen kann sich auch etwas anderes entwickeln. Es ist richtig, dass der Staat streng und stringent ein Ziel in seiner Bildungspolitik für staatliche Schulen verfolgt, aber es ist genauso politisch richtig und ein Gedanke von Freiheit, dass er alles andere, was er selbst als Staat nicht für richtig hält, in freier Verantwortung zulässt. Das sind die ek

latanten Unterschiede zwischen Ihrer Politik und der Grundauffassung der CDU-Bürgerschaftsfraktion.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Beilken.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Es schadet nicht, wenn wir hier gelegentlich grundsätzliche Unterschiede diskutieren. Herr Dr. Buhlert, wenn Sie jetzt hier von Freiheit sprechen, muss ich Ihnen sagen: Freiheit braucht sozialen Ausgleich! So eindringlich, wie Sie eindimensional von Freiheit gesprochen haben, schlicht und einfach Freiheit: Wir haben eine große Ungleichheit, und diese verstärkt sich, wenn man nur mit Freiheit darauf antwortet, verstehen Sie das bitte!

Das ist das, was unsere Wähler auch fordern. Sie fordern den sozialen Ausgleich, um selbst die Freiheit zu haben, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Dazu gehört Bildung und auch, dass man nicht darauf angewiesen ist, Nachhilfestunden zu bezahlen und so weiter. Diese ganzen Freiheiten, die man nur durch Ausgleich haben kann, die unterstützen wir, damit dann auf der Basis wirklich die Möglichkeiten für alle gegeben sind, die wir wünschen in der Bildung. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Jürgens-Pieper.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle nur klarstellen, dass es nicht in meinem Belieben steht, welche Schulen ich genehmige und welche nicht. Es gibt an dieser Stelle, Herr Röwekamp, auch wenn Sie politisch vielleicht dieser Auffassung sind, rechtlich für mich kein Ermessen, nein. Wir können uns gern noch einmal in Ruhe darüber auseinandersetzen. Es gibt ein existierendes Privatschulgesetz – also nicht nur eines, das wir vorlegen sollen, ich will nur darauf hinweisen –, und in diesem ist von Ersatzschulen und Ergänzungsschulen die Rede, die es übrigens auch in allen anderen Bundesländern gibt. Das Privatschulgesetz sagt, und wir werden uns bei der Novellierung darüber unterhalten müssen, dass Schulen, die ich als Ersatzschulen genehmige, staatliche Schulen in diesem Sinne ersetzen und damit auch in gewisser Weise in der Schulart abbilden müssen, nicht in den Inhalten, da haben Sie völlig recht. Das heißt, wenn wir jetzt das Privatschulgesetz novellieren, dann gilt unser staatliches Schulgesetz auch für die Ersatzschulen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wir führen dazu gerade Gespräche mit der Landesarbeitsgemeinschaft und sagen – da es natürlich auch eine Umstrukturierung im Privatschulbereich ist, wenn man ein solches neues Schulgesetz verabschiedet –, dass wir jetzt erst einmal eine gewisse Zeit sich entwickeln lassen. Es wird dennoch eine Entscheidung geben müssen, dass auch diese Schulen Ersatzschulen sind. Es gibt übrigens auch schon Träger, die überlegen, ob sie jetzt Oberschulen als private Schulen gründen. Natürlich, warum denn nicht? Von daher kann man jetzt nicht beliebig sagen, alles ist Ersatzschule, und ich genehmige, wie ich lustig bin, nach dem, was ich gut und richtig finde. Ich bitte, das noch einmal sagen zu dürfen, ich habe da kein Ermessen, sondern muss mich schon nach dem richten, was der Gesetzgeber mir hier vorgegeben hat!

Ich will noch einmal darauf aufmerksam machen: Beim letzten Mal habe ich das Bundesverfassungsgericht zitiert, und Sie sagen ja, dass die Privatschulen sich auch sehr bemühen, das will ich auch gar nicht bestreiten, eine Mischung aus Migrantenkindern und Kindern mit ausländischem Pass herzustellen. Aber wenn man das in den Stadtteilen mit den Quoten vergleicht, die dort existieren – das können Sie in meiner Rede noch einmal nachlesen, ich will das nicht noch einmal zitieren –, dann sind da doch erhebliche Unterschiede. Wir haben nur den Ausländeranteil, beim Migrantenanteil wird das noch ganz anders aussehen. Von daher sollten wir darüber nicht streiten, sondern es ist Fakt, das wird übrigens auch nicht von der LAG bestritten.

Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung gesagt, ich darf zitieren, Herr Präsident: „Nach wie vor verfolgen die in Rede stehenden Verfassungsbestimmungen mithin den Zweck, die Kinder aller Volksschichten, zumindest in den ersten Klassen, grundsätzlich zusammenzufassen und private Volks- oder Grundschulen nur zuzulassen, wenn der Vorrang der öffentlichen Schulen aus besonderen Gründen zurücktreten muss. Dahinter steht eine sozialstaatlichem und egalitär-demokratischem Gedankengut verpflichtete Absage an Klassen, Stände und sonstige Schichtungen. Dass solche Bemühungen schon wegen einseitiger sozialer Zusammensetzung der Bevölkerung der jeweiligen Schulsprengel, aber auch aus vielfältigen anderen Gründen häufig nur begrenzten Erfolg haben, nimmt diesem Ziel nicht seine Bedeutung. Auch jüngere pädagogische, gesellschaftliche und verfassungsrechtliche Entwicklungen lassen es nicht überholt erscheinen, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Privatschulen ein einseitiges Bild von der Zusammensetzung der Gesellschaft widerspiegeln und den Schülern vermitteln, wenn sie nur von Kindern der Anhänger bestimmter pädagogischer, weltanschaulicher oder religiöser Anschauungen besucht werden.“ Soweit und sehr eindringlich das Bundesverfassungsgericht! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Hier ist getrennte Abstimmung beantragt worden, darum lasse ich zuerst über die Ziffern I. 1, I. 2, I. 3 und II. 2 abstimmen. Wer den Ziffern I. 1, I. 2, I. 3 und II. 2 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! interjection: (Dafür CDU, FDP und Abg. T i m k e [BIW])