Protokoll der Sitzung vom 26.08.2010

Die letzte Sache, zu der ich schlichtweg sagen musste: Da haben wir grundsätzlich andere Auffassungen, Herr Rohmeyer, und das ist auch der Grund, weshalb wir da nicht übereinkommen. Sie sagen, die große Freiheit in den Schulen schadet der Frage der Leistung.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Beliebigkeit!)

Sie haben Freiheit mit Beliebigkeit übersetzt! Für mich ist Freiheit nicht Beliebigkeit, sondern Freiheit geht immer nur mit Verantwortung zusammen, und wir brauchen die Freiheit in den Schulen, damit die Lehrer in ihrem Unterricht bestmöglichen Unterricht machen können. Wir brauchen aber die Frage, welche Schule am Ende die beste ist, damit es Wettbewerb unter den Schulen gibt. Wir brauchen Veröffentlichung von Abschlussergebnissen.

(Abg. R o h m e y e r [CDU]: Es ist Glücksa- che, auf welcher Schule ein Kind landet!)

Es ist nicht Glücksache! Ich habe die Schulwahlen nicht als Glücksache erlebt. Es gibt Wahlverfahren und so weiter. Wenn Sie die Wahlverfahren als Lotterie bezeichnen wollen, tun Sie das gern. Ich glaube, dazu gibt es eine Verordnung, und das hat nur bedingt mit Glück zu tun. Es muss doch so sein, dass wir daran arbeiten, dass die Lehrerinnen und Lehrer bestmöglich unterrichten können und dass die Schulen im Wettbewerb agieren können. Dazu brauchen sie Freiheiten, dazu müssen sie eigenständiger werden, dazu brauchen wir auch mehr Schulen in freier Trägerschaft. Am Ende brauchen wir auch nicht nur die Unterstützung der Schwachen. Ich habe an anderer Stelle sehr viel dazu gesagt, was wir an Sprachförderung, insbesondere für Zugewanderte, brauchen. Wir brauchen aber auch die Förderung der Hochbegabten, denn auch das hebt den Durchschnitt. Das sind diejenigen, die in der Schule die anderen auch mitreißen können. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rohmeyer, Sie versuchen ja, in einem zweiten Anlauf noch einmal deutlich zu machen, warum wir Ihren Antrag brauchen, um in der Bildungspolitik vom Fleck zu kommen. Ich sage noch einmal, wir brauchen den CDU-Antrag nicht, um unsere Hausaufgaben zu machen. Wir haben die Hausaufgaben gemacht und sind mitten dabei, und wir brauchen keinen Erinnerungszettel von Ihnen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir haben mehrfach in der Deputation, im Jugendhilfeausschuss, in der Sozialdeputation und hier im Haus in der Fragestunde über das Cito-Verfahren diskutiert. Wir haben uns mit der Frage auseinandergesetzt, wie viele Eltern ihre Kinder nicht dahin schicken. Die Grünen selbst haben eine Veranstaltung mit den Elternvertretern durchgeführt, die bei der Sprachförderung skeptisch sind. Wir haben den Dialog gesucht. Auch im Sozialressort hat man sich intensiv Gedanken gemacht: Wie geht man mit Eltern um, die ihre Kinder nicht zur verbindlichen Sprachförderung und zum Kindergartenbesuch anmelden? Dort sind verschiedene Maßnahmen in die Wege geleitet worden. Auch seitens des Bildungsressorts hat man das Gespräch mit dem Sozialressort gesucht, und ich glaube auch, dass da einiges passiert ist. Sicherlich kann man nicht zufrieden sein, wenn nach der dritten oder vierten Aufforderung immer noch 100 Kinder fehlen. Da bin ich wiederum bei Ihnen, das wäre aber auch ein Thema für die Deputation, worüber man diskutieren kann, dazu braucht man nicht diesen Antrag.

Dann, Herr Beilken, die Lehrerstellen werden wieder besetzt, ich kann Sie beruhigen. Rot-Grün investiert in Köpfe, wir besetzen 1 000 Lehrerstellen in dieser Legislaturperiode neu, 1 000 Lehrer gehen, 1 000 neue gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer kommen, bei sinkenden Schülerzahlen. Das, was Sie befürchtet haben, oder das, was Sie skizziert haben, ist ja richtig: Wir haben eine große Personallücke an einigen Schulen gehabt. Diese wird aufgefüllt, und das führt auch zu einer Qualitätsverbesserung. Darauf sind wir auch stolz, dass wir das geschafft haben, das war nämlich ein riesiger Kraftakt im Haushalt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir setzen bei den Schulen auf Teambildung, wir setzen auf die Lehreraus- und -fortbildung, und, Herr Rohmeyer, natürlich sind die Lehrer fortgebildet worden, das darf man an dieser Stelle überhaupt nicht behaupten, dass die Lehrer für die Arbeit an den Oberschulen nicht fortgebildet worden sind, das ist falsch. Darüber wurde auch in der Deputation berichtet. Wir haben auch ein Informationspaket vom Landesinstitut für Schule bekommen mit einer dicken Mappe zum Thema Aus- und Fortbildung. Das muss man auch einmal würdigen, dass unser Landesinstitut für Schule sich große Mühe macht. Es ist eine Herkulesaufgabe, die Bremer Lehrkräfte fit zu machen und nach vorn zu bringen, trotz manchmal schwieriger Arbeitssituation.

Wir haben uns aufgrund der sozialen Lage in Bremen entgegen dem Rat von vielen Experten dafür entschieden, dass wir die Klassen verkleinern. Die

Bildungsexperten landauf, landab sagen nämlich, an den Bildungsergebnissen sind gar nicht einmal die Klassengrößen schuld. Wir haben uns aber auch aufgrund der verschiedenen Herausforderungen in den unterschiedlichen Stadtteilen – die Datenlage kennen Sie – dafür entschieden, dass wir kleine Klassen bei den kleinsten Kindern in der Grundschule brauchen und dass wir die größeren Klassen eben in den Oberstufen haben. Das halte ich bildungspolitisch auch für richtig. Dass wir das umsetzten, ist gut.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Unser Riesenproblem bleibt, dass etwa 20 Prozent eines Jahrgangs in Deutschland das Mindestziel der Schule verfehlen. Sie verlassen die Schule ohne eine Basisausstattung für einen zukunftsfähigen Beruf. Das war auch die Hauptbotschaft von PISA 2000, das weiß Herr Rohmeyer. Die Folgeprobleme sind prognostizierbar: fehlende oder abgebrochene Berufsausbildungen, instabile Beschäftigungsverhältnisse, instabile soziale Beziehungen, mangelnde Fürsorge auch für sich selbst. Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass Menschen, die einen schlechteren Bildungsabschluss haben, höhere Risiken haben, krank zu werden. Das Problem ist nicht neu, Herr Rohmeyer. Dafür brauchen wir kein Sofortprogramm. Es ist bekannt, wir arbeiten mit langfristigen Programmen daran, das tun viele Bildungspolitiker in den Ländern. Der Weg ist hart, der Weg ist auch mühsam, und wir kommen dabei auch vom Fleck.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Ein paar kurz- fristige Maßnahmen wären auch gut!)

Jetzt meldet sich Herr Röwekamp, ich bin gespannt! Ich habe jedenfalls schon gemerkt, wer ihn beraten hat. Herr Güngör hat ja noch versucht herauszufinden, wer die vielen falschen Informationen für das Statement in der Zeitung geliefert hat. Ich sehe keinen Grund dafür, dass die Bildungssenatorin im Winter zurücktreten muss. Ich finde, dass sie ihre Arbeit gut macht,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

dass sie auch die Bälle, die die Politik ihr zuspielt, und die Aufgaben, die wir ihr geben, gut löst.

Herr Rohmeyer, von Ihnen würde ich mir manchmal mehr Mitarbeit wünschen. Dass Sie so auf Herrn Dr. Buhlert und auch auf der LINKEN herumhacken, wird der Sache einfach nicht gerecht. Ich finde, die Kollegen machen ihre Aufgabe in der Deputation ausgesprochen gut, die sind wenigstens Opposition.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte hätte ja genug Anlass gegeben, um auf dem Niveau von Herrn Güngör etwas oberflächlich wechselseitige bildungspolitische Vorwürfe in die Vergangenheit zu richtigen.

(Abg. G ü n g ö r [SPD]: Was stört Sie? Dass ich Ihre Aussage richtig gestellt habe!)

Ich will für mich sagen, dass mich der Verlauf der Debatte einmal wieder, was die Frage der Bildungspolitik betrifft, sehr nachdenklich gemacht hat, da insbesondere die Vertreter der Koalitionsregierung heute in dieser Debatte – wie ihre Senatorin ja auch – in der Öffentlichkeit erklärt haben, eigentlich machen wir alles richtig. Trotzdem muss es ja irgendeinen Grund dafür geben, dass die Bremer Kinder, obwohl sie nicht von Natur aus dümmer sind als Kinder in anderen Bundesländern, bei allen Ländervergleichsstudien bisher auf dem letzten Platz abgeschnitten haben.

Wenn alles richtig gemacht wird und alles richtig gemacht wurde, Herr Güngör, warum schneiden wir dann in diesen Ergebnissen immer als Klassenschlechteste ab? Es muss einen Grund haben, und deswegen rechne ich jedem das Bemühen, an der Situation dieser Kinder und an ihren Bildungschancen etwas zu verbessern, hoch an, und zwar erst einmal unabhängig davon, aus welcher politischen Richtung das kommt.

(Beifall bei der CDU)

Es bleibt eine gemeinsame Aufgabe. Vielleicht sind die Maßnahmen, die wir vorschlagen, nicht alle richtig. Vielleicht sind sie auch nicht vollständig. Es kann aber doch nicht sein, Herr Güngör, dass Sie sagen, wir bekommen jetzt mittlerweile die vierte Vergleichsuntersuchung, die sozialdemokratische Karawane zieht weiter, aber die sozialdemokratischen Bildungskamele bleiben die gleichen. So kann es in Bremen nicht weitergehen, um die Zukunftschancen unserer Kinder zu verbessern.

(Beifall bei der CDU)

Das betrifft auch die Evaluation von Maßnahmen, die wir nach PISA 1 und PISA 2 und, was weiß ich wann, alle beschlossen haben. Es ist doch nicht automatisch gesetzt, dass all das, was wir bisher gemacht haben, erstens ausreichend ist und zweitens richtig war. Ich habe von Ihnen als Sozialdemokraten in den letzten 20 Jahren in der Bildung –, ich weiß gar nicht, welchen Zugang außer der Politik Sie zu Bildungsfragen haben, Herr Güngör. Ich habe Kinder in der Schule.

(Abg. G ü n g ö r [SPD]: Oh, das qualifi- ziert Sie unheimlich!)

Ich führe viele Gespräche auch mit Lehrern nur zu Ihrem Stichwort: Lehrer fühlen sich im Unterricht nicht überbürokratisiert. Sprechen Sie einmal mit den Lehrerinnen und Lehrern, wie sich das in den letzten 15 Jahren an den Schulen tatsächlich entwickelt hat und was sie heute für bürokratische Pflichten erfüllen müssen!

(Beifall bei der CDU)

Ich will, dass Lehrer unterrichten, und ich will nicht, dass Lehrer ihrer Senatorin jeden Mist aus der Schule berichten. Ich will, dass Lehrer unterrichten! Das ist ihre erste Aufgabe, dafür beschäftigen wir sie, dafür bezahlen wir sie, und das wird den Kindern am Ende nutzen, und nicht irgendwelche Berichtspflichten und virtuellen Pläne, die jeden Tag neu angefertigt werden müssen.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe aus der Vergangenheit bei Ihnen immer wieder nur gehört: Erstens, wir brauchen mehr Geld für Bildung, und zweitens, wir brauchen längeren gemeinsamen Unterricht. Herr Güngör, beides machen wir seit vielen Jahren in Bremen, teilweise heftig umstritten. Gemeinsamen Unterricht gab es schon, als ich zur Schule gegangen bin, mit der damals flächendeckend verbindlichen Einführung der Gesamtschule. Es wurde in Bremen mittlerweile an allen Schulformen herumexperimentiert. Deswegen sage ich, weder die Schulstruktur noch die Frage, ob Bayern 100 Euro mehr oder weniger für jeden Schüler ausgibt, entscheidet über die Bildungszukunft unserer Kinder. Weder das Geld noch die Struktur ist der Schlüssel, um das zu lösen. Wir brauchen einfach qualitativ besseren Unterricht in den Schulen. Das ist die Antwort, die wir als CDUBürgerschaftsfraktion geben.

(Beifall bei der CDU)

Sie sagen jetzt, wir wollen Kooperationsmodelle zur Finanzierung von bestimmten Dingen auch in den Ländern, ich habe mich dafür ausgesprochen, auch gegen den Widerstand meiner eigenen Partei. Meinetwegen! Ich will aber, dass es wegen unserer Schüler und Kinder, die in Bremen und Bremerhaven jeden Tag zur Schule gehen, bundesweit einheitliche Bildungsstandards gibt. Ich will, dass die Rahmenverantwortung für die Bildung in Zukunft nicht mehr von Länderministern, sondern vom Bund verbindlich festgelegt wird, damit alle Kinder das Gleiche lernen und nicht irgendwelche Kultusministerkonferenzen irgendwelche abstrusen Pläne aufstellen. Ich will die Bildungsverantwortung des Bundes nicht nur wegen

des Geldes, sondern auch wegen des Inhalts. Das ist die Position der CDU-Bürgerschaftsfraktion.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen sage ich, immer nur über Strukturen und fehlendes Geld zu lamentieren, hilft den Kindern, die heute zur Schule gehen, nicht. Diese Kinder haben keine Zeit, darauf zu warten, dass die Senatorin den siebten, achten, neunten, zehnten oder zwölften Evaluationsbericht vorlegt. Ich will das auch noch einmal ausdrücklich sagen: Cito ist nicht der Schlüssel, um die Frage der Erkennung und vor allen Dingen der Förderung von Sprachdefiziten schon vor Beginn des Unterrichts zu klären. Cito ist sicherlich nicht der Schlüssel. Ich will auch sagen, es ist nicht repräsentativ, und ich weiß nicht, ob das schon untersucht worden ist. Wenn Sie aber mit Lehrerinnen und Lehrern in der Grundschule in diesen Tagen reden und sie fragen, ob sich eigentlich seit Cito das Sprachniveau der Erstklässlerinnen und Erstklässler so wesentlich verbessert hat, dass gesagt werden könne, es sei ein Fortschritt, dann ist das nicht der Fall. Ich habe niemanden getroffen, der gesagt hat, nur durch den Test oder auch nur durch das Angebot von Sprachförderung ist es besser geworden.

Wir wissen, es gibt in anderen Ländern die Verbindlichkeit von Sprachförderung und die Verbindlichkeit der Teilnahme an dem Test. Ich will die Eltern, die nicht freiwillig auf diese Idee kommen, ihren Kindern die Voraussetzung für eine gute Bildung zu schaffen, nicht nur anleiten und Angebote machen. Sie haben verdammt noch einmal die Pflicht, ihre Kinder in die Sprachförderung zu geben, und wenn sie dieser Pflicht nicht nachkommen, dann will ich es sanktionieren. Das sage ich Ihnen als Position der CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben das Gesprächsangebot der Senatorin angenommen, wobei ich gleich sagen will, Frau Senatorin Jürgens-Pieper, und das ist ja auch der Anlass für die öffentliche Debatte gewesen, mich ärgert, dass Sie für jede Ländervergleichsstudie, in der Bremen schlecht abschneidet, immer sofort eine Entschuldigung haben. Ich will keine Entschuldigungen mehr hören, ich will von Ihnen wissen, wie Sie sich vorstellen, dass es besser wird, dass unsere Kinder eine ihren Begabungen entsprechende Chance in unserem Bildungssystem bekommen und nicht dauernd in Ländervergleichsstudien hinten herunterfallen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist meine Auffassung. Das ist im Übrigen Ihre Aufgabe seit dreieinhalb Jahren, dazu sind Sie zur Rechenschaft verpflichtet. Ich erwarte von Ihnen,

dass Sie mir konkrete Vorschläge machen, wie sich der Unterricht verbessern soll, und dass Sie sich nicht nur auf das beschränken, was bisher gemacht worden ist und was Sie an Entschuldigungen heranziehen, sondern dass Sie die Verantwortung für die Kinder in diesem Land übernehmen und uns sagen, wie es besser werden soll. Ich habe keine Lust, von Studie zu Studie immer neue Ausreden zu hören, ich will Auswege hören. Das ist die Auffassung der CDUBürgerschaftsfraktion!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Güngör.