Protokoll der Sitzung vom 10.11.2010

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Nachtragsproduktgruppenhaushalt 2010 zu. Nunmehr lasse ich über das Nachtragshaushaltsgesetz 2010 in zweiter Lesung abstimmen. Wer das Nachtragshaushaltsgesetz 2010, Drucksache 17/1429, in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, DIE LINKE, FDP und Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Nachtragshaushaltsgesetz 2010 in zweiter Lesung.

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht des staatlichen Haushalts- und Finanzausschusses, Drucksache 17/1527, Kenntnis.

Abfallsammlung bürgerfreundlich gestalten – kommunale Steuerung erhalten

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 2. Juni 2010 (Drucksache 17/1318)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Golasowski.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mathes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Vorgaben der europäischen Abfallrahmenrichtlinie verlangen eine Anpassung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Kürzlich fand die Anhörung der Interessenverbände zum entsprechenden Referentenentwurf der Bundesregierung statt. Mit diesem Entwurf aus dem Haus des CDU-Umweltministers Röttgen soll der privatwirtschaftlichen Entsorgung der Wertstoffe bei privaten Haushalten der Vor

zug gegeben werden. Das lehnen wir Grünen ganz stringent ab.

(Beifall bei Bündnis 90/Die Grünen)

Grund ist, bei den Aufgaben der Daseinsversorgung muss die kommunale Steuerung erhalten bleiben. Nur so – mit der kommunalen Steuerung – kann ein bürgerfreundliches Abfallsammlungssystem in Bremen auch zukünftig gewährleistet und in der Tat noch weiter verbessert werden.

Hier möchte ich erwähnen, dass auch die kommunalen Spitzenverbände anlässlich der Anhörung zur Neuordnung des Kreislaufwirtschaft- und Abfallrechtes eindringlich davor gewarnt haben, den jetzt vorliegenden Entwurf so weiter in den parlamentarischen Verfahren zu beschließen, weil damit die sichere, hochwertige und günstige Hausmüllentsorgung als Teil der Daseinsvorsorge der Kommunen ausgehöhlt würde.

(Vizepräsident Ravens übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte insbesondere aus der Anhörung des Deutschen Städtetags zum Referentenentwurf zitieren: „Es kann nicht angehen, dass das Bundesumweltministerium den Kommunen jegliche Steuerungsmöglichkeiten nehmen will und sie zum Ausfallbürgen für private Unternehmen degradiert. Die dadurch entstehenden Strukturen können im schlimmsten Fall die von den Bürgern zu zahlenden Abfallgebühren in die Höhe treiben.“

So unter anderem die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Petra Roth, bekanntlich Bürgermeisterin in Frankfurt, CDU, und gebürtige Bremerin! Frau Roth hat recht, denn die privaten Abfallsammler werden vor allem dort tätig, wo sie sich Gewinne versprechen. Ihre Dienstleistung stellen sie dann erfahrungsgemäß wieder ein, wenn die Erlöse wegbrechen. Die privatwirtschaftlich aufgestellte und oft wieder eingezogene Papiertonne in vielen Städten und Landkreisen ist hierfür ein Beispiel, hier muss man sagen, dass es glücklicherweise in Bremen so nicht passiert.

Für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bedeutet das unkalkulierbare Einnahmeverluste und überzählige Sammeleinrichtungen, wenn gewerbliche Sammler lukrative Wertstoffe abschöpfen. Dies kann dann in der Folge natürlich auch zur Gebührenerhöhungen für Bürger und Bürgerinnen führen, was wir auf gar keinen Fall wollen. Bremen ist zwar bisher von dieser Entwicklung einigermaßen verschont geblieben, aber insbesondere die steigenden Rohstoffpreise könnten – wenn, wie gesagt, dieser Referentenentwurf wirklich zum Gesetzeswerk würde – auch hier in Bremen dazu führen, dass gewerbliche Sammler versuchen, die Wertstoffe abzuschöpfen.

Daher wollen wir, um einer Zersplitterung der Abfallwirtschaft auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger und der Kommunen entgegenzuwirken, dass die Erfassung und Verantwortung für sämtliche Abfälle aus privaten Haushalten dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger übertragen wird. Nur dadurch ist langfristig gewährleistet, dass wir ein einheitliches, komfortables Abfuhrsystem haben, das auch auf der Grundlage kalkulierbarer Kosten und mit der Verantwortung für die Stadtsauberkeit möglich ist und realisiert werden kann.

Ich möchte auch noch erwähnen, bevor dann die Auffassung entsteht, wir wollen alles immer in öffentlicher Hand lassen: In der Tat sind Private im Bereich der Abfallentsorgung aus privaten Haushalten zurzeit auch tätig. Die Möglichkeit, dass die Kommune quasi Dienstleistungsaufgaben an private Unternehmen ausschreibt, wollen wir natürlich auch weiterhin, aber die Gesamtsteuerung muss in kommunaler Hand bleiben beziehungsweise dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zugeordnet werden. Nur so sind die Einheitlichkeit, die Effektivität und günstige Kosten gewährleistet.

Daher – und ich komme dann jetzt auch zum Schluss! – beantragen wir mit dem vorliegenden Antrag, dass sich Bremen und der Bundesrat für die entsprechenden Korrekturen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes einsetzen. Die Kommunen müssen unmissverständlich die vollständige Verantwortung für die Sammlung sämtlicher Abfälle aus privaten Haushalten erhalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dennhardt.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will nicht noch einmal alles wiederholen, was die Kollegin, Frau Dr. Mathes, jetzt gerade gesagt hat, ich will es nur noch einmal im Kern bekräftigen! Ich habe als umweltpolitischer Sprecher in dieser Legislaturperiode ein deutliches Auf und Ab bei den Preisen für die Wertstoffe aus dem Abfall miterleben dürfen. Wir haben das Glück gehabt – auch das hat die Frau Kollegin beschrieben –, dass wir als Bürgerinnen und Bürger in unserem Abfallalltag hier in Bremen relativ wenig davon betroffen waren, weil wir gerade ein solches System haben, wo wir kommunal gesteuert haben, wie bei uns in Bremen der Abfall abgeholt wird.

Es ist wichtig, dass wir ein sehr kompliziertes System, bei dem viele Menschen im Ausland immer ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

bewundern, mit welcher Sorgfalt die Deutschen das handhaben, nicht noch komplizierter und unübersichtlicher machen. Wir hatten ja hier zum Beispiel auch das Thema, dass unser System so schwierig ist, dass es zum Beispiel für Einwanderinnen und Einwanderer schwer zu erlernen ist.

Vor diesem Hintergrund, denke ich, können wir auch noch einmal an die CDU und die FDP appellieren, ihren Einfluss auf Bundesebene geltend zu machen, denn es geht hier auch ganz klar um die Interessen von uns allen, auch der Wirtschaft, dass wir hier einen Standort haben, der eine Gebührenstabilität hat. Wenn es von der Konjunktur abhängig ist, dass hier immer wieder einmal zwischendurch durch private Sammler Gelder aus unserer Abfallwirtschaft herausgesaugt werden, dann geht das zulasten der Allgemeinheit, des allgemeinen Gebührenhaushalts.

Auf der anderen Seite – ich weiß nicht, wie es Ihnen geht –, ich bekomme ab und zu immer einmal irgendwelche Körbe in den Vorgarten geworfen, die ich gar nicht bestellt habe und gar nicht haben wollte. Dieses System würde sich noch viel mehr ausweiten, und das kann nicht in unserem Interesse sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Frau Dr. Mathes hat es deutlich gemacht: Auf der einen Seite ist es ein Kern der öffentlichen Daseinsvorsorge, als Kommunen in unserem Zwei-StädteStaat dafür zu sorgen, dass der Abfall ordentlich entsorgt wird, auf der anderen Seite ist es ja auch schon Realität in Bremen, dass das durch private Unternehmen gemacht wird. Das ist also keineswegs ein Widerspruch, es geht hier nicht um Freiheit oder Sozialismus, sondern es geht darum, dass wir eine gute Lösung für unsere beiden Kommunen haben. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Imhoff.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Europäische Union beeinflusst in ganz vielen Dingen unser Handeln auf nationaler Ebene. So ist es auch bei dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, das den grundsätzlichen Umgang und die Entsorgung von Abfällen in Deutschland regelt. Da die EU-Richtlinie und das deutsche Gesetz nicht mehr deckungsgleich sind, müssen wir unser nationales Recht anpassen.

Die Novelle der Bundesregierung zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz beinhaltet dabei drei ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Kernziele: Erstens soll das deutsche Abfallrecht stärker an Klima- und Ressourcenschutz ausgerichtet werden, zweitens wird endlich Rechtssicherheit geschaffen und drittens sollen bis zum Jahr 2020 65 Prozent der Siedlungsabfälle wiederverwertet werden. Ich meine, das ist schon einmal ein gutes Ansinnen, wofür man hier auch ruhig applaudieren darf.

(Beifall bei der CDU)

Die Novelle hat auf Fachebene und in der Politik zu erheblichen Diskussionen geführt. Einige sind für den komplett freien Wettbewerb, andere wollen die vollständige Verstaatlichung und wieder andere möchten, dass alles so bleibt, wie es ist.

Nun konkret zu dem überzogenen Antrag der rot-grünen Koalition! Sie möchten im Klartext, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger allein für sämtliche Abfälle beziehungsweise Wertstoffe die Verantwortung, also für die Entsorgung, übernehmen. So einer Verstaatlichung kann die CDUFraktion jedenfalls nicht zustimmen. Das hieße nämlich auch, dass zum Beispiel private Entsorger zukünftig weder Papier und Glas bei Einkaufszentren noch den gelben Sack einsammeln dürften. Dieses Ansinnen schießt unserer Meinung nach weit über das Ziel hinaus.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Richtig ist, dass eine gesetzeskonforme, flächendeckende und betriebswirtschaftlich effiziente Entsorgung bei allen privaten Haushalten gewährleistet sein muss. Richtig ist auch, dass die Entsorgung von Restmüll ausschließlich im Zuständigkeitsbereich der öffentlich-rechtlichen Entsorger sein und bleiben muss. Es kann aber nicht angehen, dass die Erfassung von allen Wert- und Reststoffen per se durch die Kommune zu erfolgen hat. Unserer Meinung nach müssen auch weiterhin gewerbliche Betreiber die Möglichkeit haben, Abfälle einzusammeln, zum Beispiel Abfall aus Deponiecontainern, Einkaufszentren und den gelben Sack. Für dieses duale System von gleichzeitig privater und öffentlicher Entsorgung muss es eine gesicherte rechtliche Grundlage geben, wie die Bundesregierung es mit ihrer Novelle vorgelegt hat.

Da wir Ihre überzogene Privatisierungsangst nicht mittragen werden, können wir Ihren Antrag auch nicht unterstützen, denn vergessen Sie nicht: Konkurrenz belebt das Geschäft, und das oft zugunsten des Verbrauchers! – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! DIE LINKE unterstützt den Antrag der Regierungskoalition, weil wir es für ausgesprochen sinnvoll halten, diese Rosinenpickerei – wobei das bei Abfall vielleicht nicht der richtige Vergleich ist, aber im Kern läuft es darauf hinaus – zu unterbinden. Es wurde auch schon gesagt, dass es private Unternehmen gibt, die sich oft unter nicht immer ganz vernünftigen Arbeitsbedingungen Wertstoffe aneignen, verkaufen und damit Geld machen. Das geht zulasten der kommunalen Entsorgung, weil es da sonst eine Querfinanzierung gibt. Da man gleichzeitig Dinge einsammelt, die man gut verkaufen kann und andere, die man nicht so gut verkaufen kann, hat man unter dem Strich weniger Kosten als Kommune. Schon deswegen, um dieses Prinzip, diese Logik zu durchbrechen, finde ich es ausgesprochen sinnvoll, dass man wieder die Abfallentsorgung der Hand, der Verantwortung der Kommune überlässt. Es spricht im Zweifel auch nichts dagegen, dass man von da aus bestimmte Dinge wieder privaten Unternehmen überlässt. Ich persönlich wäre da wirklich sehr vorsichtig, aber das kann man im Zweifel prüfen, denn im Kern geht es jetzt nicht um Privatisierung, Wettbewerb oder Verstaatlichung, sondern es geht darum, welchen Begriff man von öffentlicher Daseinsvorsorge hat. Zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehört die Abfallentsorgung. Meiner Meinung nach ist es ein Gebot der Stunde, dass man diese Abfallentsorgung so organisiert, dass sie für die Bürgerinnen und Bürgern möglichst wenig Kosten verursacht. Das geht eben nur, wenn man nicht in lukrative oder nicht lukrative Bereiche separiert und wenn man eindämmt, dass sich private Unternehmen die lukrativen Rosinen aus dem Abfall picken, damit Geld machen und die Kommunen dann auf den weniger lukrativen Dingen sitzen bleiben. Ich werbe dafür, dass auch bei der CDU einmal diese Schablonenhaftigkeit abgelegt wird, denn meiner Meinung nach ist auch die CDU für eine öffentliche Daseinsvorsorge und für Kommunen, die ihre Aufgaben wahrnehmen, und die These, wenn Private das machen, wird es automatisch billiger, ist inzwischen in so vielen Fällen widerlegt worden, dass dieser Automatismus nicht gilt. Deswegen ist es Aufgabe des Landes Bremen, genau zu prüfen: Haben wir eine effektive, eine kostengünstige Abfallentsorgung, wie können wir sie durch ein breites Feld von Abfallentsorgung refinanzieren? Man kann auch als Kommune – wenn man das will – und das hat dann mit bürokratischer Abfallentsorgung überhaupt nichts mehr zu tun, eine sehr effektive und sehr kostengünstige Abfallentsorgung organisieren, unter Beibehaltung von vernünftigen Lohn- und Einkommensstrukturen bei Arbeitsplätzen, die einigermaßen vernünftig und nicht in irgendeiner Weise prekär gestaltet sind. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Das ist die Aufgabe, und ich denke, auch die CDU sollte sich dieser Aufgabe widmen, anstatt ständig mit Worten wie Verstaatlichung, Privatisierung und Wettbewerb zu jonglieren. Mit solchen Phrasen kann man keine Politik machen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben wieder einmal das Problem, dass wir eine Debatte führen, in der die einen nur schwarz und die anderen nur weiß sehen. Die einen sagen, es muss völlig in staatliche Hand, in städtische Hand, in kommunale Hand.