Protokoll der Sitzung vom 08.12.2010

Des Weiteren möchte ich Ihnen davon Kenntnis geben, dass die Abgeordnete Frau Mahnke mit sofortiger Wirkung ihren Austritt aus dem Ausschuss für Wissenschaft und Forschung erklärt hat.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen:

In der ersten Sitzung dieser Legislaturperiode am 28. Juni 2007 hatte ich der Bürgerschaft die auf interfraktioneller Absprache beruhende Mitteilung gemacht, dass die Fraktion der FDP für den Vorstand der Bürgerschaft als Vertreter ihrer Fraktion ohne Stimmrecht Herrn Abgeordneten Dr. Buhlert benannt hatte. Infolge des Fraktionswechsels der Abgeordneten Frau Cakici gebietet diese Absprache nun, dass der Fraktion DIE LINKE, die im Vorstand nicht mehr vertreten ist, entsprechend die Möglichkeit gewährt wird, ein Mitglied als Vertretung ohne Stimmrecht für den Vorstand zu benennen. Die Fraktion DIE LINKE hat dafür die Abgeordnete Frau Troedel benannt. Frau Troedel, ich gehe davon aus, dass wir auch im Vorstand unsere vertrauensvolle Zusammenarbeit fortsetzen werden.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Inklusionspädagoginnen und -pädagogen an Gymnasien und Oberschulen

Antrag der Fraktionen der FDP, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 7. Dezember 2010 (Neufassung der Drs. 17/1474 vom 5. Oktober 2010) (Drucksache 17/1583)

Wir verbinden hiermit:

Gesetz zur Änderung des Bremischen Lehrerausbildungsgesetzes

Mitteilung des Senats vom 9. November 2010 (Drucksache 17/1522) 1. Lesung 2. Lesung

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion der CDU vom 7. Dezember 2010

(Drucksache 17/1570)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Jürgens-Pieper.

Wir kommen zur ersten Lesung der Gesetzesvorlage.

Gemäß Paragraf 34 Absatz 1 der Geschäftsordnung findet in der ersten Lesung zunächst eine allgemeine Besprechung statt; ihr folgt in der Regel die Ein

zelberatung. Ich schlage Ihnen jedoch vor, dass wir den Änderungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 17/1570, mit in die allgemeine Aussprache einbeziehen.

Ich höre keinen Widerspruch, dann können wir so verfahren.

Die allgemeine Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat diesen Antrag eingebracht als Antrag, der im Zusammenhang mit dem steht, was wir als Gesetz gleich beraten. Es geht darum, dass wir einen Teil unseres Schulgesetzes nämlich auch umsetzen müssen, indem wir dann sagen, dann müssen wir auch die entsprechenden Lehrer ausbilden. Das heißt, sie müssen mit Heterogenität umgehen können, und das Maximale an Heterogenität ist der Umgang mit Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Regelschulen, etwas, das wir wollen, nämlich Inklusion in Regelschulen.

(Beifall bei der FDP)

Weil das notwendig ist, muss man dann auch schauen: Was ist denn dafür rechtlich zulässig? Rechtlich zulässig ist es nach KMK-Beschlüssen, dass Inklusionspädagogik gemeinsam mit dem Grundschullehramt studiert werden kann.

Grundschullehrer können dann von Klasse 1 bis 6 unterrichten. Das soll hier auch so umgesetzt und entsprechend ausgebildet werden. Was dann aber nach KMK-Lehramtstypen nicht möglich ist – und da ist auch das Problem bei dem CDU-Antrag –, ist, dass dies mit dem Lehramtstyp für Gymnasien und Oberschulen verknüpft wird, die ja jetzt hier nach dem Gesetz ausgebildet werden sollen, das wir gleich diskutieren und dem wir als FDP-Fraktion auch zustimmen wollen. Das ist unserer Meinung nach zu wenig. Hier muss, glaube ich, die rechtliche Entwicklung, die mit der UN-Behindertenrechtskonvention eingetreten ist, auch berücksichtigt werden.

Deswegen wollen wir die KMK hier mit dem Antrag auffordern – ähnlich wie auch die Bildungsdeputation dort die Bitte geäußert hat –, dass dort etwas geändert wird, dass Inklusion, sprich sonderpädagogische Förderung, auch in Gymnasien und allen Oberschulen, dort in allen Bildungsgängen, stattfinden kann.

(Beifall bei der FDP)

Dafür braucht man ausgebildetes Personal. Bisher ist es da nämlich nur möglich, dass das im Zusatzstudium erlernt wird. Das ist für die Studentinnen und Studenten misslich, und es ist eben auch anstrengend, und wir brauchen diese Menschen in den Schulen,

unabhängig davon, was da im Moment an Möglichkeiten besteht.

Die Idee, dass wir weiter Haupt- und Realschullehrer ausbilden, wie es die CDU quasi verklausuliert fordert, halte ich für etwas abwegig, denn diesen Schultyp in der Art gibt es in Bremen in Zukunft nicht mehr. Auf der anderen Seite muss man sich auch fragen angesichts der Haushaltsnotlage in unserem Land: Können wir es uns leisten, an der Universität Bremen alles, was man an Lehrerinnen und Lehrern braucht, auszubilden? Wir als FDP denken nein, wir können diese Angebote nicht mehr in der Breite machen, sondern es muss dann auch Einschränkungen auf das geben, was wir brauchen, und das, was wir in der Region eben auch an Ausbildungsangeboten haben. Über Sport und so weiter ist ja an der Stelle auch schon gesprochen worden.

Als Letztes, und da möchte ich den Gesetzentwurf auch loben, ist dort anerkannt, dass die Bedeutung des Grundschullehramtes steigt. Das ist dadurch anerkannt, dass das Studium dort auf 300 Stunden hochgesetzt wird. Das ist richtig, denn dort, gerade in der Grundschule, brauchen wir qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer. Dass sie alle in die Lage versetzt werden, nicht fachfremd, sondern fachlich qualifiziert Deutsch und Mathematik auszubilden und die Schüler dort voranzubringen, halte ich für richtig, denn das sind die elementaren Grundfertigkeiten. Deshalb unterstützt die FDP-Fraktion auch diesen Gesetzentwurf. Das ist der richtige Weg, deswegen unterstützen wir das und werben für die Annahme des Antrags, den wir zu dem Gesetz gestellt haben. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit der Weiterentwicklung der Schulstruktur zu mehr gemeinsamem Lernen ist Bremen Vorreiter in Deutschland. Die Abschaffung der sogenannten Dreigliedrigkeit und der Beginn der Umsetzung der Inklusion sind ein riesiger Erfolg der rotgrünen Koalition.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie sind aber auch durchaus ein Kraftakt für die sie umsetzenden Lehrkräfte, der selbstverständlich durch Fortbildungsmaßnahmen begleitet und unterstützt wird. Daneben ist es aber notwendig, die Ausbildung der neuen Lehrkräfte dieser Struktur anzupassen. Mit dem uns heute vorliegenden Lehrerinnen- und Lehrerausbildungsgesetz werden wir diese Strukturanpassungen vornehmen, aber auch entscheidende

Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der Ausbildung vornehmen.

Die Qualitätsverbesserung geschieht zum einen durch eine Ausweitung der Vermittlung der Fachwissenschaften. Zukünftig werden Grundschullehrkräfte und Lehrkräfte der Sekundarstufe I fachwissenschaftlich besser ausgebildet. Das geschieht dadurch, dass die Masterphase auf zwei Jahre erhöht wird und nicht wie in der Vergangenheit nur ein Jahr umfasst. Das bietet dann den entsprechenden Rahmen und erfüllt auch die Forderung nach einer gleich langen Studiendauer für alle Lehrämter.

Studierende des Lehramtes an Grundschulen werden zukünftig zwei große und ein kleines Fach studieren. Deutsch und Mathematik werden verbindlich sein, das dritte Fach ist frei anwählbar. Wir wissen, dass gerade im Bereich der Mathematik ein hoher Grad von fachfremdem Unterricht erteilt wird. Dem werden wir begegnen und die Qualität dieses Unterrichts verbessern, aber auch Deutsch als Zweitsprache und interkulturelle Kompetenz werden für alle Lehrämter verbindliche Studieninhalte, und die jetzt fünf Praxisphasen werden zu drei Phasen gebündelt, ohne dabei ihren Gesamtumfang zu reduzieren. Darin wird ein Praxissemester in der Masterphase enthalten sein.

Nun aber zu den Strukturveränderungen! Neben dem Lehramt an Grundschulen, Lehramt an beruflichen Schulen und dem Lehramt für inklusive Pädagogik werden wir zukünftig das Lehramt an Oberschulen und Gymnasien haben. Bremen orientiert sich damit, das sage ich ganz deutlich, an den bundesweiten Lehramtstypen. Uns ist aber ganz besonders wichtig, hier deutlich zu machen, dass es eine Gleichwertigkeit des Lehramtes an Gymnasien und Oberschulen gibt, denn die Oberschulen führen genauso zum Abitur wie das Gymnasien und sind nicht eine Schulform der – wie jetzt in Niedersachsen eingeführt – Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen.

Das sonderpädagogische Lehramt ist inklusiv ausgerichtet. Es wird als eigenständiges Lehramt aufrechterhalten, um diese Qualität auch sicherzustellen. Es wird dabei gleichzeitig mit dem Grundschullehramt vernetzt, und die Absolventinnen und Absolventen können sich entscheiden, wenn sie in das Referendariat gehen, ob sie sich dann auf Grundschullehramt oder Lehramt für inklusive Pädagogik spezialisieren.

In dem gemeinsamen Antrag mit der FDP geht es nun darum, eine Kopplung der inklusiven Pädagogik über das Grundschullehramt hinaus für den Bereich der Oberschule, das Gymnasium zu schaffen, denn durch die inklusive Beschulung, die wir ja hier in Bremen umsetzen, besteht natürlich auch in der Sekundarstufe I die Notwendigkeit einer entsprechenden Ausbildung. Wegen der allerdings existierenden Inkompatibilität zwischen den Lehramtstypen ist das so nicht zu realisieren. Das Sonderschullehramt – jetzt

für die Spezialisten! – erfordert mindestens 120 Credit Points, das gymnasiale Lehramt erfordert wiederum die Ausbildung in zwei Fächern und damit 180 Credit Points. Weil aber beide Lehrämter natürlich auch bildungs- und erziehungswissenschaftliche Anteile haben müssen, kämen wir über die Obergrenze der vorgesehenen Leistungspunkte hinaus, das lässt sich so nicht umsetzen. Es geht hier also darum, mit dem Antrag der FDP, den wir ja auch zu unserem Antrag gemacht haben, zu Veränderungen der Rahmenbedingungen für die Ausbildung im Lehramt der Sonderpädagogik zu kommen, eine Doppelqualifikation der Inklusionspädagogik auch mit dem Lehramt an Oberschulen und Gymnasien zu ermöglichen. Das geht aber nur im Rahmen der KMK und im Geleitzug mit den anderen Bundesländern. Ich finde es richtig, dass wir diesen Schritt gehen, ich hoffe, dass wir ihn erfolgreich gehen können. Bis wir aber diesen Schritt umgesetzt haben, ist es natürlich notwendig, ganz gezielt auch auf Integration der inklusionspädagogischen Anteile im Regelcurriculum zu setzen und auch gegebenenfalls Studienweiterbildungsangebote genau für den Bereich zu schaffen. Meine Damen und Herren, der Antrag der CDU geht in eine völlig andere Richtung, er sieht nicht, dass die Oberschule zum Abitur führt. Er setzt auf eine Trennung von Oberschul- und Gymnasiallehramt und auf eine Ungleichwertigkeit derselben, und von daher bietet er uns überhaupt keine Möglichkeit, dem zuzustimmen. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich könnten wir es uns gar nicht aktueller wünschen, denn gestern wurden die PISA-Ergebnisse vorgestellt, und ich finde, da passt es ganz gut, dass wir heute einen so wichtigen Punkt wie die Reform der Lehrerausbildung in der Bremischen Bürgerschaft auf den Weg bringen werden. Gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sind wichtig für einen guten Unterricht. Nicht nur Schüler müssen lernen, sondern es ist auch wichtig, dass wir Lehrer gut ausbilden, dass wir sie praxisnah ausbilden, dass wir ihnen aber auch das wichtige und richtige Rüstzeug im Bereich der Theorie geben. Dafür stellen wir heute hier die Weichen, und ich bin darüber sehr froh.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Drei zentrale Punkte möchte ich hervorheben – wir haben jetzt gerade nur eine Fünf-Minuten-Debatte ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

; die Reform der Lehrerausbildung ist sehr komplex, aber drei Punkte sind aus meiner Sicht besonders wichtig: Wir setzen auf gebündelte Praxisphasen. Wir verankern die gleiche Studiendauer für alle Lehrämter, das heißt, dass künftig Grundschullehrerinnen und -lehrer genauso lange studieren wie Gymnasiallehrerinnen und -lehrer und Lehrerinnen und Lehrer, die an der Oberschule arbeiten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, und es ist auch überfällig, dass wir das heute hier beschließen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ein anderer zentraler Baustein ist, dass wir interkulturelle Kompetenzen fördern, dass Deutsch als Zweitsprache einen richtigen Stellenwert findet und verbindlich wird bei den Studieninhalten, und auch das ist angesichts von 50 Prozent Schülern mit Migrationshintergrund an bremischen Schulen wichtig und richtig. Da ist es einfach völlig notwendig, dass Lehrer auch Erfahrungen damit haben, was es heißt, wenn man nicht in Deutschland geboren ist, wenn man eine zweite Sprache spricht, vielleicht auch eine dritte Sprache, und dass man das auch für seinen Unterricht nutzen kann. Dass wir das hier beschließen, ist wirklich ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Von meinen Vorrednern wurde angesprochen, dass Bremen einer der Vorreiter ist, was das Thema Inklusion angeht, wenn nicht sogar der bundesweite Vorreiter, wenn man die Presse verfolgt. Wir starten jetzt mit der zweiten Anwahlrunde. Aus Sicht der grünen Fraktion brauchen wir auch gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer an den Oberschulen und an den Gymnasien, die sich mit dem Bereich der Inklusionspädagogik auskennen, die Erfahrung im Umgang mit behinderten Schülern haben, die wissen, was auf sie zukommt. Deswegen bin ich auch sehr froh, dass die Bildungssenatorin ihre Absicht bekundet hat, sich in der KMK dafür einzusetzen, dass sich künftig alle Lehrerinnen und Lehrer verbindlich mit dem Thema Inklusionspädagogik beschäftigen; wir haben das in der Deputation beschlossen, wir beschließen das heute hier auch noch einmal im Haus der Bürgerschaft. Wir wollen heute hier eine Lehrerausbildung beschließen, die kompatibel ist mit den KMK-Vorschriften. Das ist nicht immer einfach, das ist ein hoch kompliziertes Gebilde, aber wir stellen heute hierfür die Weichen.