Protokoll der Sitzung vom 08.12.2010

Dass der Senat dieses gute Projekt fortsetzen soll, finden wir auch. Ich persönlich finde, im Parlament immer zu beschließen, das Parlament findet gut und richtig, was der Senat macht, und fordert den Senat auf, weiterzumachen, ehrlich gesagt, nicht so durchschlagend. In der Pädagogik mag das mit der positiven Bestärkung seinen Sinn haben, in der Politik finde ich das, ehrlich gesagt, nicht so zielführend.

Dass der Senat jetzt alle sechs Wochen berichten soll, bis zum Februar wieder, macht unseres Erachtens auch nicht so viel Sinn. Wir sind uns mit Ihnen in einem Punkt einig, das Konzept muss umgesetzt werden, und insofern, wo noch Lücken sind, soll der Senat weitermachen, anstatt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt im Wochenrhythmus mit neuen Berichten zu befassen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Darum in aller Kürze, dieses Konzept, dass gemeinsam von dem Haus getragen ist, hat einen Kern, nämlich: Alle sollen für ein Ziel ressortübergreifend vernünftig zusammenarbeiten. Dieser Prozess ist schwierig. Wenn man vier Ressorts, viele verschiedene Akteure mit ganz unterschiedlichen Sichtweisen zusammenführen muss zur Bekämpfung der Jugendkriminalität, ist das eine schwierige Aufgabe. Sie ist aber wichtig, richtig, und sie ist begonnen worden. Wir haben in einigen Bereichen durchaus noch Schwierigkeiten, das räumen wir ein. Wir sind aber auf einem vernünftigen Weg. Insofern: Das Ziel teilen wir, dieses Konzept, Stopp der Jugendgewalt, soll fortgesetzt werden. Der Senat soll es weiter umsetzen, darin sind wir uns einig. Dieser Antrag trägt aber dazu leider nicht bei.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag und der Bericht, Stopp der Jugendgewalt, sind sicherlich gut gemeint, kommen aber um Jahre zu spät.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Die Rede hatten wir schon einmal!)

Tatsache ist doch, die Gewalttaten von jugendlichen Intensivtätern steigen schon seit Jahren kontinuierlich an. Die Gewalttaten werden ohne Hemmschwelle immer brutaler und die Gewalttäter immer jünger. Hier hätten Sie schon vor Jahren politisch handeln müssen.

Im Übrigen brauchen wir keinen Bericht „Stopp der Jugendgewalt“. Sie hätten sich nur einmal das sehr gute, realistische Buch „Das Ende der Geduld“ der ehemaligen Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig genauestens durchlesen sollen. Da hätten Sie einen realistischen Bericht mit effektiven Lösungsansätzen gehabt. Dieses hervorragende Buch hätte eigentlich eine Pflichtlektüre für jeden selbst ernannten Multikulti-Gutmenschen sein müssen, aber auch

für jene Politiker, die die ansteigende Jugendkriminalität schon seit Jahren wissentlich zulasten der Bevölkerung verharmlosen, beschönigen oder bewusst verschweigen. Solche unverantwortlichen Politiker sind für eine dramatisch ansteigende Jugendkriminalität im hohen Maße mitverantwortlich.

Frau Heisig schreibt in ihrem Buch völlig richtig, wenn wir nicht rasch und konsequent handeln, wenn wir unsere Rechts- und unsere Werteordnung nicht entschlossen durchsetzen, werden wir den Kampf gegen die ansteigende Jugendgewalt verlieren. Ich behaupte sogar, dass Sie den Kampf gegen die ansteigende Jugendgewalt schon lange verloren haben. Die Zahlen und Fakten sprechen hier eine eindeutige Sprache. Dementsprechend kommt der Antrag auch um Jahre zu spät. Das heißt, jugendliche Intensivtäter, in der Mehrzahl mit Migrationshintergrund, hätten schon vor Jahren zeitnah verfolgt und viel schneller und konsequenter bestraft werden müssen. Jugendliche Gewalttäter brauchen keine sehr teuren, sinnlosen Resozialisierungsurlaube im Ausland. Jugendliche Gewalttäter brauchen wieder klare Grenzen und Regeln, die sie nicht ohne Konsequenzen überschreiten dürfen.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Endlich wieder die Prügelstrafe, genau!)

Vor allen Dingen brauchen sie aber wieder eine vernünftige Erziehung mit solchen Moralvorstellungen wie zum Beispiel Anstand, Achtung, Ordnung und Disziplin. Diese Moral- und Wertvorstellungen sind aber von der sogenannten AchtundsechzigerGeneration fast völlig abgeschafft worden. Nun haben Sie die Geister, die Sie riefen! Da ist es überhaupt kein Wunder, dass die Jugendkriminalität auch weiterhin unkontrollierbar ins Uferlose ansteigen wird. Dafür tragen unrealistische, unverantwortliche politische Gutmenschen auch zukünftig die alleinige Verantwortung und sonst niemand! – Danke!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Den letzten Vortrag kannten wir schon, den brauchten wir nicht. Sehr geehrter Herr Ehmke, Sie haben leider inhaltlich überhaupt nichts gesagt!

(Beifall bei der CDU – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das ist nicht so seine Stärke!)

Das zeigt uns einmal mehr, wie wichtig es ist, über dieses Thema hier immer wieder zu sprechen.

Der Senat hat in der Vorlage, die er im Oktober vorgelegt hat, ein dickes Eigenlob gebracht. Wir wissen ganz genau, dass noch erhebliche Lücken da sind, die geregelt werden müssen, und wir haben an Ih

rem Beitrag gesehen, dass wir hier immer wieder Druck machen müssen, dass dies auch geschieht, also werden Sie sich nicht wundern, dass wir den Bericht so nicht unterstützen können. Es fehlen aber auch ganz entscheidende Aussagen. Es gibt einen Hinweis, wie ein Evaluierungskonzept aussehen soll. Es gibt aber keine Evaluierung, obwohl wir dieses Programm „Stopp der Jugendgewalt“ im Januar 2008 beschlossen haben. Man hätte also schon einmal tätig werden können.

Es gibt auch keine Verbesserungsvorschläge, obwohl wir ganz genau wissen, dass wir eine Reihe von Schwachstellen haben. Ein Hauptproblem ist, dass Jugendliche nicht umgehend nach einer Straftat die Folgen ihrer Tat zu spüren bekommen. Frau Richterin Heisig hat immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass straffällig gewordene Jugendliche sofort nach der Tat ein Stopp erfahren müssen. Das gelingt uns leider aber hier in Bremen immer noch nicht. Das liegt nicht so sehr an der Polizei, die gute Arbeit leistet. Das liegt daran, dass dann die Zuständigkeitsfragen losgehen oder dass wir keine sofort verfügbaren Heimplätze haben. Wir haben diese nur in Niedersachsen, aber es dauert, bis wir dann dort den einen oder anderen Platz erhalten.

Die Polizei müht sich mit normenverdeutlichenden Ansprachen, aber leider sind diese Mittel oft umsonst. Eltern interessieren sich oft nicht, insofern kommen wir an dieser Stelle nicht wirklich weiter. Das heißt, wir haben nur die Folge, dass die Polizei frustriert ist, aber wirklich einschlägige Folgen für die Jugendlichen nicht immer wirklich nachvollziehbar sind.

Deswegen fordern wir an dieser Stelle zum wiederholten Mal eine schnelle und konsequente Zusammenarbeit aller Ressorts und genauso die deutlichen Folgen für die Jugendlichen. Gerade was die Zusammenarbeit der Ressorts betrifft, gibt es einiges kritisch zu sehen. Das ist das Thema Fallkonferenzen und Datenschutz. Es kann nicht sein, dass wir hier ein solches Problem aus dem Datenschutz machen, wenn es darum gehen muss, Jugendliche wieder auf die rechte Bahn zu bringen. In anderen Bundesländern ist es möglich, trotz eines guten Datenschutzes die Informationen, die wir aus den Schulen, dem Bildungsressort, aber ganz speziell auch aus dem Sozialressort brauchen, in den Konferenzen zu behandeln, um damit eine schlagkräftige Truppe zu werden.

Es kann auch nicht richtig sein, dass wir, wie es das Sozialressort hier in Bremen macht, die Verwendung der Daten von der Zustimmung der Minderjährigen beziehungsweise deren Eltern abhängig machen, denn oftmals sind die Eltern ja gerade Teil der Misere, und es wird uns dann eben diese verweigerte Zustimmung nicht weiterhelfen, um konsequent an den Fällen zu arbeiten.

(Beifall bei der CDU)

Noch etwas anderes sollte uns nachdenklich machen. Laut Gutachten aus Hannover und aus Hamburg liegt die Dunkelziffer bei der Jugendkriminalität bei 80 Prozent. In dieser Situation sind wir mit den uns zur Verfügung stehenden Informationen zurückhaltend. Das ist nicht hinnehmbar.

Es ist sicher richtig, dass sich ein großer Teil des Projekts um die Prävention kümmert. Es ist natürlich genauso richtig, in die Bildung der Jugendlichen zu investieren, das ist sicher die beste Vorbeugemaßnahme für deutsche wie für Migrantenkinder. Der Erfolg kommt aber erst nach zehn Jahren, und so lange können wir nicht tatenlos zusehen. Deswegen fordern wir an dieser Stelle noch einmal den Senat auf, den präventiven Ansatz zu optimieren, der bereits in der Anlage in diesem Programm enthalten ist.

Kritisch ist aber auch das Verhalten des Bildungsressorts zu sehen, nämlich dann, wenn es um die Schulschwänzer geht. Diese werden in Bremen immer noch nicht konsequent verfolgt. Dabei haben wir Regelungen und Maßnahmen genug, die eingesetzt werden könnten. Sie müssen eben einfach nur umgesetzt werden. Das geschieht leider nicht. Wie sollen wir denn eine gute Bildung erreichen, gerade für eine schwierige Klientel, wenn Sie in diesem Punkt nicht handeln?

(Beifall bei der CDU)

Ein Eigenlob für ein im Grundsatz gutes Konzept reicht nicht. Es muss konsequent angewendet, und es muss vor allen Dingen dort nachgebessert werden, wo es Schwachstellen hat, sonst hat es eben einfach keinen Erfolg. Dies können wir immer wieder nur anmahnen. Deswegen erwarten wir auch einen Bericht zu diesen fehlenden Punkten bis zum Februar des kommenden Jahres. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Nitz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der ursprüngliche Antrag hieß ja, dass endlich ein Bericht zur Umsetzung des Handlungskonzepts „Stopp der Jugendgewalt“ vorgelegt werden soll. Ich finde, es ist den Antragstellern erst einmal zu danken, dass sie überhaupt mit ihrem Antrag dem Senat Druck gemacht haben, denn zwei Jahre zu brauchen, um ein geeignetes Evaluationskonzept für Projekte für verschiedene Maßnahmen überhaupt zu entwickeln und vorzulegen, ist eindeutig zu lang.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine zeitnahe Vorlage wäre sicherlich etwas anderes gewesen.

Natürlich kann man über die Beweggründe dieses Antrags trefflich spekulieren, wir landen bei unserer Bewertung Ihres Antrags immer wieder in der Law-and-order-Ecke. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, Ihnen ist doch sicherlich klar, dass einerseits der Ruf nach Stellenabbau vor allem im öffentlichen Dienst wegen knapper Kassen mit der Forderung nach mehr Justiz und mehr Polizei nicht zusammengeht. Dennoch finden auch wir: Um überhaupt fundierte Forderungen aufstellen und entwickeln zu können, fundierte Forderungen, die eben nicht nur in die Richtung mehr Polizei und Justiz gehen, sondern die sich auch eindeutig mehr mit der Prävention beschäftigen, müssen Berichte vorgelegt werden. Deswegen werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Fecker.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Festzustellen bleibt erst einmal, Bremen ist auf dem richtigen Weg, nämlich sich dieser Thematik vernetzend, ressortübergreifend zu widmen. Ich glaube, das ist in allen Fraktionen dieses Hauses Konsens. Wir haben auch immer gesagt, dass dieses Papier allein nicht ausreichen wird, sondern dass wir dieses Papier auch mit Leben füllen müssen, das gilt auch – nicht nur für die Ebene der Senatorinnen und Senatoren, nicht nur für die Ebene der Staatsrätinnen und Staatsräte – für die Ebene derjenigen, die direkt mit den Kindern und Jugendlichen in Kontakt sind, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kontaktbereichspolizisten, all die Menschen, die wir eigentlich mit diesem Konzept erreichen wollen. Das funktioniert in unheimlich vielen Bereichen, und das ist erst einmal festzustellen. Deswegen ist es ein Konzept, das nicht nur den richtigen Weg weist, sondern auf diesem richtigen Weg befinden sich auch der Senat und die entsprechenden Behörden.

Es gibt Bereiche, in denen es noch Optimierungsbedarf gibt, das will ich an dieser Stelle überhaupt nicht verhehlen. Ein Punkt – das hat Frau Winther gerade angesprochen – ist der Bereich der Fallkonferenzen. Wir haben auf der einen Seite ein berechtigtes Interesse und den Datenschutz – Datenschutz ist keine Erfindung einfach einmal so, sondern hat ja einen Hintergrund – und auf der anderen Seite das berechtigte Interesse des Staates, jungen Menschen helfen zu können, helfen zu wollen und dafür auch die entsprechenden Maßnahmen zu treffen. Deswegen, glaube ich, ist der Weg, den zumindest die Deputation für Inneres gegangen ist, ein sehr sinnvoller, nämlich zu sagen, wir wollen uns jetzt einfach einmal in der Innendeputation anschauen – und so, wie ich den Innensenator verstanden habe, auch mit

Einladung an andere Abgeordnete –, wie eigentlich eine kriminelle Karriere dieser Schwellentäter, die wir erreichen wollen, begleitet wird, an welcher Stelle unsere Hilfesysteme funktionieren und an welcher Stelle Hilfesysteme vielleicht auch nicht funktionieren. Deswegen geht der Weg, glaube ich, auch nicht zurück zu diesen Mammutsitzungen, wie wir sie einmal in dieser Thematik hatten, sondern ganz dezidiert in den einzelnen Bereichen zu schauen, was gut läuft und was nicht.

Ich begrüße auch ausdrücklich, dass wir jetzt endlich ein Evaluationskonzept haben. Jetzt kann man natürlich sagen, das ist noch nicht ausgereift und so weiter. Ein Evaluationskonzept, das wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, Frau Winther, schütteln wir aber auch nicht einfach so aus der Hand, da legen wir auch – in diesem Fall ganz klar – beim Vorgehen Wert auf Sorgfalt und nicht auf Schnelligkeit.

Zum Abschluss: Wissen Sie, was mich an dem Antrag der CDU und der FDP ein wenig gestört hat? Nicht nur die Thematik, dass Sie erst den Bericht vorgelegt haben wollen und sich anschließend dann hier rühmen, dass dieser Antrag nun Ihretwegen vorgelegt wurde! Wenn ich mir die Beschlussformeln anschaue, dann bleiben Sie mit alledem absolut im Unklaren. Es gibt von der CDU keinen konkreten Kritikpunkt in den Beschlussformeln, der umgesetzt werden könnte. Sie sagen, man soll darauf hinwirken, dass alle zusammenarbeiten. Das wollen wir auch! Die entsprechenden Maßnahmen sollen überprüft werden, es steht im entsprechenden Konzept. Sicherzustellen, dass es ausreichend Gerichtshelfer gibt, ausreichend Polizeikräfte, auch das ist, glaube ich, Konsens, zumindest bei uns. Wenn das bei Ihnen nicht Konsens ist, dann erwarte ich auch, dass Sie es hier mit konkreten Zahlen hinterlegen.

Insgesamt finde ich Ihren Antrag nicht nur inhaltlich, sondern auch formal schlecht. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat Herr Senator Mäurer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal ist man doch sehr enttäuscht, wenn man einen Bericht in diesem Umfang, in dieser Qualität vorlegt – wir haben ihn auch noch in Farbe gedruckt –,

(Heiterkeit)

und man muss dann leider feststellen, dass es Abgeordnete in diesem Haus gibt, die – egal, was man ihnen vorlegt – immer das Gleiche darauf antworten. Herr Tittmann, ich glaube nicht, dass Sie überhaupt einmal einen Blick in diesen Bericht geworfen haben,

denn dieser Bericht zeigt, dass all das, was Sie hier exemplarisch vorgetragen haben, mit der Realität nichts zu tun hat.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)