Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

Welche Maßnahmen plant denn die Innenbehörde in den nächsten zwölf Monaten, um gesetzeswidrigen Handlungen von Angehörigen der Großfamilie M. präventiv entgegenzuwirken, und welches Mittelbudget wird dafür veranschlagt?

Bitte, Herr Senator!

Auch diese Frage kann so nicht beantwortet werden. Es handelt sich hier um eine Daueraufgabe, die nicht erst mit der Pressekonferenz vom Februar eingeläutet wurde, sondern es werden seit Jahren Ermittlungsverfahren geführt, und der Personaleinsatz wird hochgefahren. Das war auch das Ergebnis der Diskussion in der Bürgerschaft, aber, wie gesagt, wir können auch nur mit dem Personal arbeiten, das wir gegenwärtig haben, und wir rechnen nicht um, wie hoch die Kosten für einen Haftbefehl oder für eine andere Maßnahme sind.

Zusatzfrage, Herr Kollege? – Bitte sehr!

Herr Senator, mich wundert doch etwas, dass Sie alle Fragen – es ist ja nicht die erste Anfrage, die ich zu dieser Großfamilie stelle – mit datenschutzrechtlichen Gründen abwiegeln. Ich muss dann ständig in der Presse lesen, dass die Polizei hier bestimmte Daten über Straffälligkeit dieser Familie herausgibt. Jetzt frage ich Sie allen Ernstes: Warum können Sie als Innensenator mir diese Zahlen nicht nennen, warum muss ich sie aus der Presse entnehmen? Warum bekommt die Presse Informationen, die Sie dem Parlament hier vorenthalten?

Bitte, Herr Senator!

Auf die Pressearbeit haben wir keinen Einfluss, da müssen Sie die Redakteure befragen. Wir können aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in unseren Mitteilungen sagen, welcher Haftbefehl wo wann vollstreckt worden ist. Das sind Dinge, die entziehen sich unserer Möglichkeit, und von daher habe ich damit kein Problem. Aber es macht auch keinen Sinn, dieses Thema nun in einem Rhythmus von 14 Tagen hier aufzurufen. Ich weiß nicht, wie oft wir dieses Thema hier schon diskutiert haben.

Wir sind daran, das sehen Sie allein bei der Auflistung der Maßnahmen, die in den letzten Monaten gelaufen sind. Das kann noch intensiver werden, da kann die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ressorts noch deutlich gesteigert werden, aber er

wecken Sie nicht den Eindruck, dass wir hier wirklich bei Null anfangen! Es ist ein dickes Brett, das die Polizei zu bohren hat, und Sie sehen ja auch die Entwicklung in Berlin, in Essen, das ist kein bremisches Problem, und wir sind daran!

Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sie haben meine Frage nicht richtig beantwortet: Warum bekommt die Presse aus Polizeikreisen oder über die Polizei in Interviews Informationen, die Sie uns hier vorenthalten oder mir speziell?

Bitte, Herr Senator!

Ich weise das zurück, dass die Presse Informationen aus Polizeikreisen bekommt, die gegen die Vorschriften verstoßen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Hinners! – Bitte, Herr Kollege!

Herr Senator, haben Sie Erkenntnisse darüber, ob es in diesen Clans so etwas wie Paralleljustiz gibt?

Bitte, Herr Senator!

Erkenntnisse kaum, wir vermuten dies! Wir sehen auch häufig, wenn Anzeigen erstattet werden und auch die ersten Maßnahmen im Bereich der Ermittlungen eingeleitet worden sind, dass dann diese Verfahren plötzlich eine ganz merkwürdige Wendung nehmen, dass Zeugen nicht mehr aussagen, dass sie ihre Anzeige zurücknehmen. Das sind in der Tat Indizien dafür, dass in diesen Clans auch eine andere Vorstellung von Recht existiert.

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hinners? – Bitte sehr!

Ich möchte das noch ein bisschen vertiefen, Herr Senator! Sie sagen, es gibt Indizien dafür. Ich würde gern wissen, welche Abläufe Sie sich dort vorstellen oder über welche Erkenntnisse Sie verfügen, dass diese Paralleljustiz – so will ich sie einmal nennen – tatsächlich praktiziert wird, und mit welchem Ergebnis am Ende.

Bitte, Herr Senator!

Wir können nur feststellen, dass manche Verfahren nicht zu Ende geführt werden können, weil Zeugen dann in der Tat ihre Aussagen zu

rücknehmen. Dahinter steht der Versuch dieser Clans, diese Sachen untereinander zu regulieren. Das ist aber nicht unsere Vorstellung von einem Rechtsstaat, und deswegen werden wir auch weiter dagegen vorgehen.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Können Sie Hinweise geben, wie Sie dagegen vorgehen wollen?

Bitte, Herr Senator!

Ja, mit den Mitteln, die wir hier aufgelistet haben! Es gibt aber in der Tat auch eine ganze Reihe von erfolgreichen Ansätzen dadurch, dass wir die Informationen hier an der Zentralstelle zusammengefasst haben, dass es eine exakte Lagebildbeschreibung gibt, was fortgeschrieben wird, und dass hier die beteiligten Ressorts von Finanzen bis hin zu Soziales versuchen, dieses Problem anzugehen. Man muss auch eines immer sagen: Ich habe immer den Eindruck, dass alle ihren Blick auf die Polizei richten. Wir haben es hier mit einem Problem zu tun, das in der Tat auch damit zusammenhängt, dass diese Familien nicht integriert sind, das heißt, es ist ein gesellschaftliches Problem. Es ist genauso verfehlt, wenn man das Thema Gewalt beim Fußball nur der Polizei zuordnet und fragt: Was macht die Polizei dagegen?

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Das geht mir manchmal auch auf die Nerven: Als sei die Polizei für alle Probleme dieser Stadt verantwortlich. Das ist hier nämlich ein großes soziales Thema, die mangelhafte Integration von diesen Familien. Wir sind alle dazu aufgerufen, einen Beitrag zu leisten, dies zu verändern; jedenfalls, dass die Kinder dieser Familien eine andere Zukunft haben, das kann nicht allein die Polizei leisten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Herr Kollege, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Arbeiten Sie an dem Beispiel der Paralleljustiz mit dem Ressort Justiz zusammen, und tauschen Sie sich die Informationen an der Stelle aus?

Bitte, Herr Senator!

Ja, das ist natürlich nahe liegend, anders kann das hier nicht funktionieren. Haftbefehle

kann die Polizei anregen, anstoßen, aber die Staatsanwaltschaft muss den Antrag stellen, und die Justiz muss die Haftbefehle erlassen. Das ist der normale Gang der Dinge, und deswegen geht das nicht ohne Zusammenarbeit.

Möchten Sie noch eine weitere Zusatzfrage stellen? – Bitte sehr!

Sie tun das jetzt ein bisschen so ab, als sei es eine Selbstverständlichkeit, aber am Anfang haben Sie ja deutlich gemacht, dass die Indizienlage, die Erkenntnislage relativ gering sind. Das ist möglicherweise in der Justiz etwas anderes.

Bitte, Herr Senator!

Nein, das habe ich nicht gesagt. Unsere Indizienlage und unser Lagebild sind inzwischen sehr präzise. Das kann man exakt verfolgen, und wir können auch die Taten, Haftbefehle und Urteile präzise den Personen zuordnen. Aber es ist ein Unterschied, ob ich nun in der Bürgerschaft darüber berichte, wer nun verhaftet worden ist und wer zu wie vielen Jahren verurteilt worden ist, das kann ich nicht namentlich machen. Ich glaube, das müsste auch jedem klar sein.

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Timke!

Herr Senator, was die Menschen in dieser Stadt bewegt, ist, dass unter den Mitgliedern dieser Familie Personen sind, die teilweise 150 Straftaten verdächtigt werden. Sind Sie mit mir der Auffassung, dass man alle Möglichkeiten ausschöpfen müsste, um diese Personen nach dem Aufenthaltsgesetz auszuweisen?

Bitte, Herr Senator!

Uns ist bekannt, wenn wir uns auch einmal die Biografien anschauen, dass es eine ganze Reihe von Intensivtätern gibt, und aus meiner früheren Tätigkeit im Strafvollzug kenne ich eine ganze Reihe von Inhaftierten, die leider häufig wiedergekommen sind. Das muss man auch fairerweise sagen, da stoßen wir an Grenzen. Ein Haftbefehl, ein Urteil enden irgendwann, und wir erleben sehr häufig, dass diese Intensivtäter dann nach einer sehr kurzen Zeit außerhalb des Vollzuges wiederkommen. Es gehören immer zwei dazu, wenn Sie jemanden abschieben wollen. Wir haben damit keine Probleme, aber finden Sie erst einmal ein Land, welches bereit ist, diese Straftäter aufzunehmen! Das ist doch das entscheidende Problem. Es ist wunderbar, darüber zu diskutieren, an allen Stammtischen, dass wir sagen, wir müssen da abschieben, aber finden Sie jemanden, der Ihnen die Pässe ausstellt, der dann sagt, diese

Personen gehören zu uns, und wir möchten, dass sie in unser Land zurückkehren! Dann sehen Sie in der Praxis, dass das völlig anders aussieht und dass wir häufig daran scheitern, dass wir kein Land haben, welches bereit ist, diese Straftäter aufzunehmen.

Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Senator, es gibt Städte und Gemeinden in Deutschland, die erfolgreiche Abschiebungen durchführen, also ganz so ist es ja nicht, dass das nicht möglich ist, bloß hier vielleicht in Bremen nicht! Deswegen noch einmal ganz konkret meine Frage: Sind Sie mit mir der Meinung, dass man bei Personen, die hier 147 Straftaten begangen haben, alle Möglichkeiten ausschöpfen müsste, um diese Personen auszuweisen?

Bitte, Herr Senator!

Ich habe es doch eben gesagt.

(Abg. T i m k e [BIW]: Ja oder nein reicht mir!)

Das liegt doch nicht an uns, wir würden da keine Sekunde zögern. Wenn wir hier die Alternative haben, einen Intensivtäter abzuschieben, würde er keine Stunde in Bremen verbleiben. Nehmen Sie aber zur Kenntnis, dass das alles schwierig ist, weil man sich natürlich auch einmal die Sichtweise der anderen Länder vergegenwärtigen muss, die kein Interesse daran haben, dass diese Personen in ihr Land zurückkehren, und alles tun werden, um denen auch keine Papiere zu geben! Was wollen wir da machen? Wir können sie hier ins Flugzeug setzen, das geht noch, aber wir bekommen keine Landerlaubnis, und das ist die Schwierigkeit.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. T i m k e [BIW]: Dann ist das in Bremen anders als in anderen Städ- ten und Gemeinden, da findet das nämlich statt!)