Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen?

(CDU)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Zentrale Servicestelle zur Anerkennung von im Ausland erworbenen berufsqualifizierenden Ausbildungs- und Bildungsabschlüssen einrichten Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 1. November 2010 (Drucksache 17/1498)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Schuster.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Nitz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, die Zeit ist fortgeschritten. Ich weiß, Sie möchten nach Hause.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wir freuen uns auf die Debatte!)

Trotzdem möchte ich Sie bitten, doch mit uns gemeinsam noch einmal den Weg zu gehen, hier über unseren Antrag zu diskutieren und hoffentlich auch positiv zu befinden, eine zentrale Servicestelle zur Anerkennung von im Ausland erworbenen berufsqualifizierenden Ausbildungs- und Bildungsabschlüssen einzurichten.

Wir haben des Öfteren Zuwanderungsdebatten sowohl im Bund verfolgen als auch teilweise hier im Haus führen können, und es wird immer wieder auf die Beseitigung von Zuwanderungshemmnissen hingewiesen. Es gibt eine Begründung, die dabei häufig im Mittelpunkt steht. Die Begründung lautet: Ja, wir brauchen auch aus dem Ausland stammende Fachkräfte, die wir hier in Bremen einsetzen können. Ob die Wirtschaft diese vielen Fachkräfte tatsächlich braucht, das kann ich nur eingeschränkt beurteilen. Ich weiß aber, dass ein Teil derer, die scheinbar gebraucht werden, schon längst bei uns sind.

Es gibt unter anderem Verkäuferinnen im Supermarkt, die irgendwann einmal vielleicht in einem Krankenhaus oder in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet haben. Es gibt Taxifahrer, die vielleicht einen akademischen Abschluss gemacht haben, und es gibt den einen oder anderen Gemüsehändler auf dem Grünmarkt, der vielleicht auch einmal irgendwann selbstständig im Handwerk gewesen ist, nicht alles in Bremen, nicht alles in Deutschland, aber in den Heimatstaaten, aus denen sie kommen. Warum können also genau diese Menschen bei uns nicht in ihrem erlernten Beruf oder mit ihrem Studienabschluss arbeiten? Das Problem ist, dass diese Berufe, diese Abschlüsse, die sie mitbringen, häufig nicht anerkannt werden oder noch nicht anerkannt wurden und es meistens einen langen Weg für diejenigen bedeutet, damit ihr Abschluss hier auch Anerkennung findet.

Zudem werden die Menschen von Pontius nach Pilatus geschickt, und sie wissen eigentlich gar nicht, wer ihr Ansprechpartner ist und bei wem sie ihren Bildungsabschluss beziehungsweise Berufsabschluss anerkennen lassen können. Wenn sie es erfahren haben, dann gibt es mehrere Möglichkeiten, dann gehen Sie einmal hierhin oder Sie gehen einmal dorthin! Frust und Enttäuschung machen sich häufig breit. Sobald Frust und Enttäuschung so groß sind, dass die Verzweiflung schon quasi im Haus steht, er

werben sie lieber eine Taxilizenz, als sich weiter diesem Behördenwirrwarr auszusetzen. Dann haben wir noch einen qualifizierten Facharbeiter oder qualifizierte Facharbeiterin weniger. Deshalb haben wir gesagt, dass es doch sinnvoll wäre, wenn wir in Bremen zumindest ein Zeichen nach dem Motto setzen könnten: Wir wollen alles aus einer Hand haben!

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt also, dass diejenigen, die ihre Abschlüsse anerkennen lassen wollen, nicht erst suchend umherlaufen müssen und nicht erst die Stelle finden müssen, wo sie das anerkennen lassen können. Es soll vielmehr eine Stelle geben, wo sie beraten werden, wo sie ihre Unterlagen zur Bearbeitung lassen können und wo auch diese Unterlagen letztendlich bearbeitet werden. Bestenfalls, so schreiben wir es in unserem Antrag, wird die Person binnen drei Monaten informiert, ob eine Anerkennung stattfinden kann. Wenn keine Anerkennung stattfindet, dann sollte zumindest auch eine Ablehnung mit einer Begründung versehen werden. Es gibt gute Beispiele wie Dänemark – also andere europäische Länder –, wo man das heutzutage schon praktiziert. Ich denke, Bremen kann hier in dieser Frage eine Vorreiterrolle übernehmen. Ich finde auch, dass uns das gut zu Gesicht stünde. Alles aus einer Hand! Warum denn nicht? Machen Sie mit! – Vielen Dank! (Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohammadzadeh.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um das Problem nicht noch einmal zu beschreiben, meine Kollegin Frau Nitz hat sozusagen schon die Diagnose gemacht: Wir haben in Bremen eine große Gruppe von Migrantinnen und Migranten, deren Abschlüsse nicht anerkannt werden, obwohl sie qualifiziert sind, und das liegt an Anerkennungsfehlern im Anerkennungsverfahren, das wissen wir. Das heißt aber nicht, dass es so bleiben soll. Wir haben in dieser Legislaturperiode einiges auf den Weg gebracht, um die Situation hier in Bremen zu verbessern. Wir haben einen mehrsprachigen Wegweiser initiiert, mit dem die von dem Problem Betroffenen sich in dieser verwirrenden Vielfalt, wie sie auch Frau Nitz erwähnt hat, der Zuständigkeiten und Antragserfordernisse zurechtfinden können. Das reicht aber natürlich nicht aus, das wissen wir. Nun haben wir einen Antrag der Fraktion DIE LINKE vorliegen, der eine gute Absicht hat, aber am Ziel vorbeigeht. Mit der Schaffung einer zentralen Servicestelle soll eine Entbürokratisierung, so heißt ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

es in dem Antrag, erreicht werden, und die notwendigen Verfahren sollen beschleunigt werden. Leider würden aber diese Maßnahmen das Gewünschte nicht erreichen. Wie muss man sich denn diese zentrale Servicestelle vorstellen? Wie viele Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Bildungs- und Berufsbereichen sollen dort tätig sein, um die Anerkennungsmöglichkeiten der verschiedenen Qualifikationen beurteilen zu können?

Wir wissen zum Beispiel aus Dänemark, dass es dort eine zentrale Anlaufstelle für die Bewertung der ausländischen Qualifikationen gibt. Diese Anlaufstelle ist die dänische Agentur für internationale Bildung. Sie hat aber auch die gesetzliche Befugnis, rechtskräftige Entscheidungen zu treffen, denn in Dänemark gibt es ein Gesetz zur Anerkennung dieser Qualifikationen.

In Deutschland ist die Rechtslage aber etwas anders. Die verschiedenen Bildungsabschlüsse sind in das föderale System eingebunden. Die Berufsabschlüsse sind in das System der Berufsordnungen, zum Beispiel des Handwerks, integriert, Ärzte und Anwaltskammern haben ihre Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte. Diese rechtlich verankerten Zuständigkeiten, Frau Nitz, können wir nicht einfach ignorieren.

Die Bundesregierung hat inzwischen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Anerkennung ausländischer Abschlüsse regeln soll. Durch diese Neuregelung soll auch künftig erreicht werden, dass die Arbeitgeber und Betriebe nachvollziehbare, vor allem bundesweit einheitliche Bewertungen zu den mitgebrachten ausländischen Qualifikationen zur Verfügung stellen. Jedoch bezieht sich dieses angestrebte Gesetz, das noch nicht beschlossen ist, nur auf bundesrechtlich geregelte Berufe, zum Beispiel akademische Heilberufe, und auch auf die Ausbildungsberufe des Berufbildungsgesetzes und der Handwerksordnung. Das heißt, es ist hier auch wichtig, dass einzelne Bundesländer sich auch abstimmen und sich auch Gedanken über die Berufe machen, die auch in den einzelnen Bundesländern geregelt werden, zum Beispiel Lehrerinnen, Ingenieure, Erzieherinnen, Architektinnen.

Darüber hinaus müssen wir auch im Umgang mit den anderen Bundesländern Sorge tragen, dass eine auf Landesebene ausgesprochene Anerkennung auch in anderen Bundesländern gilt, dass es einen bundesweit möglichst einheitlichen und gerechten Standard und eine qualitätsgeleitete Entscheidungspraxis gibt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Nur so können wir erreichen, dass die qualifizierten Migrantinnen und Migranten bundesweit in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Liebe LINKE, diese Resultate, die ich hier beschrieben habe, können wir mit Ihrem Antrag nicht erreichen. Stattdessen sind wir der Meinung, halten es für sinnvoll und werden auch dafür streiten, die verschiedenen zuständigen Stellen in Bremen zu bündeln, zu koordinieren, zu vernetzen und ihre Verfahren zentral zugänglich zu machen. Die zentrale Servicestelle, wie sie aus dem Antrag der LINKEN hervorgeht, ist meiner Ansicht nach ein aufgeblähter bürokratischer Apparat. Sie ist nicht umsetzbar beziehungsweise fraglich. Wie ich beschrieben habe, berühren Anerkennungsverfahren viele verschiedene gesetzliche Grundlagen. Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Allers.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat es schon erwähnt, die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Frau Dr. Schavan, hat einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen vorgelegt und ihn auch auf dem vierten Integrationsgipfel, der sich unter anderem auch mit diesem Thema befasst hat – ich glaube, er war im November letzten Jahres –, vorgestellt.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass wir bundesweit circa 500 000 betroffene Migranten haben, deren Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wird. Wir reden hier also nicht nur von einer Bremensie, das Problem haben wir natürlich bundesweit. Da brauchen wir uns auch nichts vorzumachen, und da sind wir uns sicherlich auch im Haus alle einig, hier liegen Ressourcen, die wir brauchen, brach, ganz besonders bei dem vorhandenen Fachkräftemangel in Deutschland und auch besonders im Bereich der Medizin- und Erziehungsberufe, im Pflegebereich und in den sogenannten MINT-Berufen, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Ich stimme der Bundesministerin auch zu, die bei einer Pressekonferenz gesagt hat, ich zitiere: „Es ist allemal leichter, den versteckten Schatz im eigenen Land zu heben, als neue Fachkräfte im Ausland zu suchen.“ Außerdem ist dies sicherlich auch ein sehr wichtiger Beitrag zur Integration – das ist auch schon gesagt worden –, wenn die Leistungen von Migrantinnen und Migranten, die sie in Form von Ausbildung und Qualifikation schon erbracht haben, auch anerkannt werden. Natürlich müssen sich diese Qualifikationen an den deutschen Standards messen lassen, Sie müssen sicher inhaltlich nicht absolut identisch sein, aber sie müssen im Ergebnis vergleichbar ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

sein. Maßstab muss immer das Qualitätsniveau deutscher Ausbildungen und Abschlüsse sein, und natürlich dürfen Inländer auch nicht diskriminiert werden. Dieser Gesetzentwurf findet sich derzeit in der Abstimmung verschiedener Ressorts, die für die verschiedenen Berufsgruppen zuständig sind. Das ist der Prozess, der jetzt auf Bundesebene läuft. Auch auf europäischer Ebene läuft seit April 2008 der EQR-Prozess, der sich mit dem grenzüberschreitenden Arbeitsund Bildungsraum befasst und auch zum Ziel hat, ausländische Berufsabschlüsse und Qualifikationen abzustimmen und einzuordnen. Der EQR befasst sich mit der allgemeinen Bildung, der beruflichen Bildung, der Erwachsenenbildung und auch der Hochschulbildung. Heruntergebrochen auf Deutschland ist es der DQR-Prozess, der sich bereits seit der Konstituierung der Bund-Länder-Koordinierungsgruppe im Januar 2007 mit der Erarbeitung eines Vorschlags für einen deutschen Qualifikationsrahmen befasst. In diesen Gremien des DQR ist auch das Land Bremen von Anfang an vertreten und begleitet diesen Prozess auch von Anfang an. Wir hatten die Debatte dazu auch letztes Jahr hier in der Bürgerschaft, auch die Kammern im Land Bremen sind für dieses Problem und für dieses Thema sensibilisiert. Unter anderem ist – Sie haben das sicher der Zeitung entnommen – am Dienstag in Zusammenarbeit beider Kammern und dem Senat eine Unternehmensservicestelle eröffnet worden. Vielleicht kann man auch einmal darüber nachdenken, ob nicht eine solche Stelle auch weitere Aufgaben übernehmen kann und ob nicht hier auch Ratsuchende in Sachen Anerkennung von beruflichen Abschlüssen und Qualifikationen eine Anlaufstelle finden können, gerade um nicht wieder eine zweite Stelle zu fassen, das Wort Bündelung vorhandener Stellen ist auch schon gefallen. Da es zum Beispiel auch einige kritische Bewertungen, zum Beispiel aus Sicht des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, zum Gesetzentwurf der Bundesministerin gab, wäre vielleicht auch solch eine Lösung begrüßenswert, da so im Vorfeld eine von allen getragene zielführende Einrichtung geschaffen werden könnte. Zusammengefasst kann man sagen, auch wir halten inhaltlich die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen und Qualifikationen für wichtig und richtig. Auf europäischer, Bundes- und Landesebene ist bereits ein Prozess im Gang, der genau die von der LINKEN beschriebene Problematik aufgreift. Daher werden wir Ihren Antrag ablehnen, da wir ihn zu diesem Zeitpunkt für überflüssig halten. – Danke schön! (Beifall bei der CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Ziegert.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben über dieses Thema hier in der Bürgerschaft auf Antrag der Grünen und der SPD bereits im Jahr 2008 schon einmal sehr ausführlich debattiert. Wir hatten die Senatorin wegen dieses Problems der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und der Schwierigkeiten dabei auch aufgefordert, einen Wegweiser zur Anerkennung zu erstellen. Die Senatorin hat dazu einen Zwischenbericht vorgelegt, und dieser Wegweiser ist erstellt worden und steht seit Dezember 2009 zur Verfügung.

Ich glaube, es ist außerdem von meiner Kollegin Frau Dr. Mohammadzadeh und auch von Frau Allers gesagt worden, dass das Problem gar nicht darin liegt, dass wir hier noch keine einheitliche Anlaufstelle haben, so wie Sie es sagen, Frau Nitz, sondern das Problem liegt darin, dass wir zum einen noch keine einheitliche Rechtsgrundlage dafür haben, aufgrund der wir dann überhaupt so etwas machen könnten. Insofern könnte solch eine Anlaufstelle, wenn sie da wäre, gar nichts anderes machen, als die Ratsuchenden wieder an die verschiedenen Stellen zu verweisen, wo sie dann ihre richtige Anerkennung bekommen. Es ist im Grunde genommen eine Stelle, die dasselbe macht wie das, was wir jetzt durch diesen Wegweiser haben. Der könnte überarbeitet werden, und es gibt auch viel Kritik daran, dass auch das Layout nicht das beste sei, aber ich sehe da auch keinen wirklichen Fortschritt.

Wie Frau Nitz und Frau Dr. Mohammadzadeh beschrieben haben, ist das Problem, das Ausländer haben, die jetzt hierher kommen, vor allem wenn sie nicht EU-Ausländer sind und somit keinen Rechtsanspruch auf die Anerkennung haben, dass es teilweise sehr langwierige Verfahren sind, an deren Ende dann doch nicht die erhoffte oder erwünschte Anerkennung steht. Das ist das Problem! Deswegen meine ich, wir müssten eigentlich mehr in die praktische Umsetzung dieser Anerkennung gehen, damit sich das dann auch wirklich in einer beruflichen Perspektive niederschlägt, und ich meine, dass da zum einen nach wie vor große Versäumnisse bei den Agenturen für Arbeit und bei den Jobcentern liegen, weil es da noch viel zu häufig passiert, dass ausländische Arbeitsuchende als Ungelernte eingestuft werden und gar nicht geschaut wird, welche Qualifikationen sie eigentlich aus ihrem Herkunftsland mitbringen. Dies könnte übrigens auch ein guter Wegweiser sein, hier eine Anlaufstelle einzurichten. Das läge für mich näher, Frau Allers, als diese Beratungsstelle in der Handelskammer, um vor allen Dingen auch denjenigen, die hierher kommen, zu helfen, ihre Qualifikationen dann sinnvoll und auch in dem Sinn, wie wir es bedürfen, zu verwerten. Schließlich ist es unsinnig, dass wir in andere Länder gehen, von da ausländische Arbeitskräfte anwerben und hier eine ganze Menge qualifizierte Menschen aus anderen Ländern haben, die diese Qualifikationen besitzen und sie dann bei Aldi an der Kasse oder hinter einem Taxisteuer „verwenden“.

Ich habe auch bereits 2008, das ist nun schon drei Jahre her, darauf hingewiesen, dass ich es auch für notwendig halte, dass die Agenturen für Arbeit gezielte Qualifikationen anbieten, die an die Fähigkeiten dieser Menschen anknüpfen und vielleicht eine Teilqualifikation zum Ausgangspunkt nehmen, um zusätzliche Kurse für eine volle Qualifikation und entsprechend berufsbezogene Sprachkurse anzubieten. Ich glaube, dass da vieles zu machen ist. Ich habe gestern übrigens auch in unserer Diskussion über Langzeitarbeitslosigkeit darauf hingewiesen, dass wir viel mehr schauen müssen, wie wir die Menschen, die hier Arbeit suchen und Arbeit wollen, unterstützen, qualifizierte Arbeit nachzufragen und dann auch in qualifizierte Beschäftigung zu kommen. Ich kann zum Schluss noch einmal sagen, die Anerkennung für sich ist zunächst einmal auch keine Garantie, in eine entsprechend qualifizierte Beschäftigung zu kommen, und ich glaube, das ist das, was im Augenblick nottut. Wenn ich darauf hingewiesen habe, dass wir 2008 schon darüber debattiert haben und heute eigentlich noch nicht sehr viel weitergekommen sind, obwohl ich darauf hinweisen möchte, dass wir entsprechende Programme in der Arbeitsmarktpolitik haben – –.

(Glocke)

Ich komme gleich zum Schluss! Ich denke an das Bremer Netzwerk Nachqualifizierung oder an das Projekt Arbeit in Vielfalt in der Fachkräfteinitiative, das sind aber immer bloß Pilotprojekte, die natürlich nicht solch eine Breitenwirkung haben. Dass wir in stärkerem Maße unser Augenmerk darauf richten müssen, wie wir jetzt auch ganz praktisch das Problem voranbringen können hier in Bremen, dass die ausländischen Mitbürger, die hier ihre Qualifikation mitbringen, diese auch wirklich einbringen können, ich glaube, das ist wichtiger beziehungsweise das ist der einzig gangbare Weg. Daher lehnen wir Ihren Antrag ab, Frau Nitz, weil er versucht, ein richtiges Anliegen mit einem falschen oder unbrauchbaren Mittel zu erreichen. In der Sache sind wir uns aber alle einig, so wie ich das mitbekommen habe, dass wir hier vorankommen wollen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist viel Richtiges zu dem Thema gesagt worden. Kein Land, das in einer Lage ist wie wir und von dem Wissen und Können der Menschen lebt, kann es sich leisten, auf qualifizierte Menschen zu verzichten. Dieses Wissen und Können der Menschen, die hier leben und leben wollen, gilt es zu nutzen.

Es wäre auch den Menschen gegenüber nicht gerecht, denn sie haben ein Recht darauf, dass ihre Qualifikation und ihr Können in der Gesellschaft anerkannt werden. Anerkennung erfolgt auch darüber, dass das Wissen und Können an den verschiedensten Stellen eingesetzt wird. Es ist sicherlich so, dass einige freiwillig Wege wählen, wo sie ihre Qualifikation nicht nutzen können. Niemand sollte aber gezwungen sein, auf eine Qualifikation, die er einmal erworben hat, verzichten zu müssen, nur weil sie nicht anerkannt wird!

Wir Deutschen haben da ja eine besondere Tradition, bei uns sind Scheine, Zertifikate und Urkunden besonders wertvoll, da sie immer Eintrittskarten für gewisse Tätigkeiten sind. In anderen Ländern kommt es häufiger vor, dass einfach an ganz vielen Stellen im Berufsleben geschaut wird, ob das jemand kann. Da hat sich die Kultur hier noch nicht so weit verändert. Da das noch nicht so ist, müssen die Abschlüsse anerkannt werden, muss es Stellen geben, die diese Abschlüsse anerkennen, und es muss einen Rahmen dafür geben. Der Europäische Qualifizierungsrahmen, ein etwas starres Gebäude, der versucht, sehr unterschiedliche Dinge zueinander zu bringen und einander anzugleichen, ist ein Teil davon. Diese Möglichkeiten muss es geben.

Dass es dafür aber eine Zentralstelle mit all der Bürokratie, die dieses Wort schon ausstrahlt, geben muss, bezweifeln wir Liberalen nun wirklich. Deswegen sind wir der Meinung, es muss mehr Anerkennungen geben, es muss dafür die richtigen Wege geben, und es muss schneller gehen, und es muss dafür auch gesetzliche Rahmenbedingungen geben. Das Richtige aber zu wollen, wie es DIE LINKE will, ist das eine, das Richtige zu tun, das andere. Wir lehnen Ihren Antrag ab. (Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Staatsrat Dr. Schuster.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit und nach einem Blick in die Gesichter der Parlamentarier habe ich mir jetzt vorgenommen, noch eine Grundsatzrede zu dem Thema Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu halten. interjection: (Unruhe)

Nein, die meisten Sachen sind genauso gesagt worden, wie auch wir denken. Deswegen möchte ich mich nur ganz kurz auf die Grundsätze beschränken. Wir halten es, gerade um Fachkräftebedarfe zu decken, für extrem wichtig, vor allem auf die Potenziale zurückzugreifen, die Beschäftigte schon haben, die schon hier in Deutschland sind. Dazu zählen Mi––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

granten in besonderem Maße, weil dort viel unausgenutztes Potenzial im Sinn von Fachkräftebedarfen vorhanden ist. Deswegen ist das Thema Anerkennung ausländischer Abschlüsse sicherlich ein ganz zentrales Thema. Allerdings sehen wir auch, dass eine so zentrale Anerkennungsstelle nur realisierbar wäre mit dem Aufbau einer neuen gigantischen Bürokratie, denn man muss ja registrieren, dass in Deutschland die Anerkennung von Berufsabschlüssen und Qualifikationen sehr differenziert ist, vom Hochschulbereich über bestimmte Fachschulgänge, die in entsprechenden Ressortverantwortlichkeiten der Länder sind, bis hin zu den dualen Abschlüssen, die duale Berufausbildung, die eine gute Tradition in Deutschland ist, die andere Länder häufig überhaupt nicht kennen, die den Wirtschaftskammern und Gewerkschaften zum Teil mit übertragen worden sind, sodass dort sehr viel dezentrales Know-how ist. Wenn man das in einer Stelle bündeln wollte, müsste man sie richtig groß gestalten oder man müsste gleichzeitig wieder auf diese Stellen verweisen. Dann ist aber die zentrale Anerkennungsstelle nichts weiter als ein Wegweiser im System. Deswegen halten wir das nicht für zielführend, wohl allerdings, dass man Verbesserungen bringen muss, damit die entsprechenden Hilfesuchenden möglichst rasch an die Stellen verwiesen werden können, die dann auch wirklich eine Anerkennung gewährleisten können. Der nächste Aspekt, den ich noch einmal unterstreichen möchte, weil wir das auch genauso sehen: Ein Hauptproblem besteht darin, dass wir nicht einheitlich geregelt haben, nach welchen Bewertungsverfahren Berufe eigentlich bewertet werden und wie vor allen Dingen auch mit der Differenziertheit umgegangen wird. Wie bewerten wir eigentlich einen Berufsabschluss, der vor zehn Jahren gemacht wurde, wenn seit zehn Jahren nicht mehr in dem Beruf gearbeitet wurde? Das sind alles schwierige Fragen, die man stellen muss. Wie kann man Teilqualifikationen aus unseren Berufsabschlüssen einbauen, jetzt ohne Wertung, ob das besser oder schlechter ist? Dafür bräuchten wir ein einheitliches Bewertungsverfahren. Dazu gibt es Anstrengungen auf Bundesebene, nicht nur auf der Gesetzgebungsebene, sondern auch der Kammern selbst, die für die dualen Abschlüsse zuständig sind. Das muss man möglichst rasch weiter vorantreiben, weil ich glaube, es ist einer der ganz entscheidenden Punkte, Verbesserungen zu schaffen, sowohl im Sinne der Menschen mit Migrationshintergrund, die hier sind, wie auch im Sinne der positiven Regelung der Deckung des Fachkräftebedarfs.

(Abg. R u p p [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)