Deswegen muss man da auch noch einmal weiter nachdenken. Natürlich ist es so, dass dahinter auch steckt, dass das finanzielle Konsequenzen hat, das ist doch keine Frage. Aber das wirtschaftspolitische Problem ist entgegen Ihrer Ideologie nicht, dass die Löhne hier grundsätzlich zu hoch sind, sondern wir haben das bei der letzten Wirtschaftskrise gesehen, wenn man über solche Fragen nachdenken will, dann sollte man die Fragen stellen: Was ist der Grund für die starke Exportorientierung? Weswegen ist die Binnennachfrage in Deutschland im Grundsatz etwas zu gering? Wie kann man da herangehen? Da sind nicht, wenn man darauf kommt, die Lohnnebenkosten und die Lohnhöhe das Problem, sondern die Lohnhöhe zu erhöhen, ist ein Mittel zur Lösung unserer wirtschaftspolitischen Probleme, die wir mit verursachen.
Deswegen muss man da ansetzen. Da gibt es Parallelen zur gestrigen Debatte. Ich konnte es leider nicht mehr sagen, aber das passt genau in den gleichen Argumentationszusammenhang: Wenn Deutschland als Hochlohnland, das wir im weltweiten Maßstab sind, versucht, über möglichst billige Löhne Arbeitsplätze zu schaffen, dann hat man nicht begriffen, was internationaler Wettbewerb ist.
Auch der zweite Bezugspunkt, der hier richtigerweise angesprochen wird, ist wichtig. Der Bezug zu den Kosten der Unterkunft ist ja nicht der, dass wir jetzt irgendwie mehr Geld vom Bund haben wollen, sondern der Mechanismus, der dahintersteckt. Dass immer mehr Arbeitslose im SGB II und nicht mehr im SGB III sind, bedeutet eine Umverteilung von Kosten, und zwar auf die Kommunen, ohne dass die Kommunen gleichzeitig in die Lage versetzt werden, mehr Geld zu erhalten, Herr Nestler hat das ja auch angesprochen. Deswegen müssen wir in der Tat darüber nachdenken, das hat der Senat auch schon gemacht, wie man das beheben kann, nicht in dem Sinne, dass der Bund alle Kosten übernehmen solle, das ist überhaupt nicht die Sache, aber es muss eine faire Kostenteilung bleiben, und es ist so, dass bei allen Aufstockern, und um die geht es hier, vor allem die Kommune die weiteren Kosten zu tragen hat und der Bund sich völlig entlastet. Deswegen ist der Anreiz für den Bund, darüber nachzudenken, wie man mit dem umgeht, relativ gering. Um diese auch markt
und haushaltswirtschaftlichen Anreize zu stärken, haben wir als Senat auch auf Bundesebene gesagt, wir wollen, dass die Einkommensanrechnung, die bei Aufstockern stattfindet, gleichmäßig verteilt wird, anteilig auf die kommunalen Leistungen wie auf die Bundesleistungen. Damit hat keiner die Möglichkeit, sich den Kosten zu entziehen. Das ist der Kern dessen, worum es geht.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. D r. M ö l l e n s t ä d t [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)
Zum Ersten: Wenn Sie hier negieren, dass die Arbeitskosten auch maßgeblich für den Beschäftigungsstand sind, wie kann es dann sein, dass eine Koalitionsregierung, die ja auch in der letzten Wahlperiode von der SPD mitgetragen wurde, genau dies auch immer verfolgt hat und zumindest als Ziel formuliert hat? Ist das dann falsch gewesen? Auch das, was die vorherige Regierung und die davor amtierende Bundesregierung als Ziel ausgegeben hat?
Zum Zweiten: Können Sie sich erklären, warum die Dinge, die Sie hier in dem Antrag, über den wir diskutieren, ausführen, so in keiner Weise ausgeführt sind, gerade auch die Prioritätensetzung, die Sie hier in Ihrem Beitrag formuliert haben?
Wenn Sie den Antrag gelesen haben, finden Sie sehr wohl die Punkte darin, die sind ja alle angesprochen worden, vielleicht nicht mit einer umfassenden Erklärung, denn es ist die Frage, ob man das in solchen Papieren über eineinhalb Seiten ausführen muss.
Nein, die Regierungsfraktionen, aber der Abgeordnete Dr. Möllenstädt zielte ja auf die Rede zu dem Antrag! Aus meiner Sicht sind die Punkte genau in dem Antrag angesprochen,
das haben auch Frau Ziegert und Frau Schön in ihren Beiträgen deutlich gemacht, insofern sehe ich da keinen weiteren Kommentierungsbedarf.
Außerdem ist es ja für den Bremer Senat immer schwierig zu kommentieren, was andere Regierungen machen, auch wenn es parteipolitisch so ist, dass die Partei, der ich angehöre, in den vergangenen Regierungen auch mit dabei war. Deswegen würde ich einfach nur sagen, dass das meine persönliche Meinung dazu ist. Ich finde, dass die Höhe der Lohnnebenkosten in Deutschland – abgesehen davon, was Lohnnebenkosten überhaupt sind, für ein Unternehmen sind das Lohnkosten, aber darüber kann man auch noch einmal lange propagandistisch streiten – nicht das Problem der wirtschaftlichen Entwicklung ist,
sondern es eindeutig so ist, dass die volkswirtschaftlichen Parameter ausgehen, dass die gesamtwirtschaftliche Binnennachfrage in Deutschland ein erhebliches Problem ist und dies auch zu den weltwirtschaftlichen Verwerfungen führt, die maßgeblich zu diesem Finanzkrach mit beigetragen haben. Das haben inzwischen auch konservativere Wirtschaftsforschungsinstitute von sich gegeben, sodass bis hin zu Wirtschaftsberatern von Banken inzwischen gesagt wird: Ja, wir brauchen Lohnerhöhungen.
Wir begrüßen – das ist, glaube ich, deutlich geworden – den Antrag, sind auch schon in den entsprechenden Schritten dabei und werden schauen, welche Punkte wir weiterentwickeln können. Die Intention ist bedeutsam, die Arbeitslosenversicherung als den Kernbereich der Absicherung des Risikos von Arbeitslosigkeit in einer solidarischen Form zu stärken. – Vielen Dank!
Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1435 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dagegen CDU, FDP, Abg. T i m k e [BIW], Abg. T i t t m a n n [parteilos] und Abg. W o l t e m a t h [parteilos])
Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu. Ich lasse nun über den Antrag der Abgeordneten Dr. Buhlert (FDP) und Dr. Möllenstädt (FDP) abstimmen. Wer dem Antrag der Abgeordneten Dr. Buhlert (FDP) und Dr. Möllenstädt (FDP) mit der Drucksachen-Nummer 17/1571 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, DIE LINKE, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])
Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Schuster. Die gemeinsame Beratung ist eröffnet. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Frehe.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat hat aufgrund des Beschlusses der Bremischen Bürger––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
schaft vom 17. Dezember 2009 geprüft, welche Möglichkeiten bestehen, noch mehr behinderte Menschen durch Maßnahmen über das Budget für arbeitsunterstützende Beschäftigung oder das Jobbudget in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Das Ergebnis dieser Prüfung liegt jetzt als Mitteilung des Senats vor. Noch einmal zum Hintergrund: Bundesweit arbeiten über 260 000 Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen, im Land Bremen sind es über 2 000 behinderte Menschen, weil man der Auffassung ist, dass sie nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in der Lage sind, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die Anforderungen zu erfüllen. In diesen Werkstätten sollen sie gefördert und unterstützt werden, ihre Arbeitsfähigkeit zu entwickeln und sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Leider liegen die Übergangsquoten von Werkstätten für behinderte Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt deutlich unter einem Prozent, sodass die Rehabilitationsfunktion der Werkstätten für behinderte Menschen infrage steht. Faktisch sind die Werkstätten für behinderte Menschen zu einem dritten Arbeitsmarkt geworden, und das meine ich sehr wohl auch als analytische Kategorie, weil eben viele Rechte, die in dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt noch zur Verfügung stehen, hier nicht zur Verfügung stehen, zum Beispiel eine angemessene Entlohnung. Insofern ist es ein dritter Arbeitsmarkt. Faktisch ist die Werkstatt für behinderte Menschen zu diesem dritten Arbeitsmarkt geworden, der keine den Lebensunterhalt deckende Entlohnung ermöglicht und auch keine arbeitsrechtlichen Sicherungen beinhaltet. Auch die UN-Behindertenrechtskonvention fordert die Staaten auf, behinderten Menschen einen besseren Zugang zu dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verschaffen. Angesichts dieser Situation wurden von Behindertenverbänden, Elternorganisationen, Ländern und dem Bund zahlreiche Konzepte entwickelt, neben der Werkstatt für behinderte Menschen, der ich die Existenzberechtigung in keiner Weise absprechen möchte, auch einen besseren Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu eröffnen. Im Sozialgesetzbuch IX wurde nach langen Diskussionen die Vorschrift über unterstützte Beschäftigung aufgenommen, ein Kapital über Integrationsprojekte eingefügt und das Modellprojekt Jobbudget von der Bundesregierung initiiert, mit dem Module entwickelt werden sollen, die Unterstützung behinderter Menschen beim Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt leisten. Dieses Modellprojekt ist in Bremen von dem Integrationsfachdienst und der Werkstatt Bremen aufgegriffen worden, und sie beteiligen sich daran. Neun Personen werden so regelmäßig dabei unterstützt, diesen Sprung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen. Beim Budget für Arbeit war Rheinland-Pfalz Vorreiter und hat einfach die Sozialleistungen für diese Menschen in einem Arbeitgeberzuschuss gebündelt,
sodass dann solche Arbeitgeber auch bei leistungsgeminderten Beschäftigten einen normalen tarifvertraglichen Lohn zahlen konnten. Circa 2 000 Menschen sind dort in den Genuss dieser Leistung gekommen. Niedersachsen ist dann diesem Beispiel gefolgt, da sind es noch ganz wenige, mit einem etwas veränderten Modell, aber auch Niedersachsen geht diesen Weg. Der Senat kann sich aus rechtlichen Gründen nicht entschließen, diesem Beispiel zu folgen, wie wir der Mitteilung des Senats entnehmen können.
Entscheidend ist aber die Frage der Höhe der Erwerbsfähigkeit. Leuten in der Werkstatt wird grundsätzlich unterstellt, dass sie nicht erwerbsfähig seien, sondern voll erwerbsgemindert, obwohl sie als Beschäftigte sechs Stunden arbeiten, häufig mehr als sechs Stunden arbeiten, es wird aber gesagt, nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts. Das könnte man hier gerade mit dem Jobbudget ausgleichen. Allerdings will der Senat das Modellprojekt Jobbudget weiterführen und ausweiten. Bei der unterstützenden Beschäftigung sieht er die vorrangige Verantwortung bei der Bundesagentur für Arbeit als Rehabilitationsträger und möchte dort mit einem eigenen Programm nicht tätig werden.