Protokoll der Sitzung vom 23.02.2011

Wir haben gefordert, einen neuen Artikel aufzunehmen, nämlich analog zu Artikel 143 d Grundgesetz, der eine Sonderregelung bis zum Zeitpunkt 2019 darstellt. Diese beiden Punkte sind parallel auf der Bundesebene – ich mache das jetzt nicht juristisch – ähnlich so verabredet worden. Herr Kuhn, und auch an die Sozialdemokraten der Hinweis, auf der Bundesebene ist dieser Bereich nicht im einfachgesetzlichen Recht, sondern im Verfassungsrecht geregelt worden. Das heißt, diese Regelung ist im Bund quasi in der Verfassung geregelt. Der Bund hat dann gesagt, man kann das Verfahren den Ländern freistellen. Aber allein der Hinweis, dass der Bund es so gemacht hat, dass er beide Punkte in die Verfassung nimmt, macht doch das Signal deutlich. Das, Herr Kuhn, ist der entscheidende Punkt.

Das Signal, was Bremen aussendet, ist ein politisches Signal: Wir schaffen das mit der Schuldenbremse, wir stehen hinter der Schuldenbremse, und wir sind sofort bereit, dies umzusetzen. Das ist der entscheidende Teil,

(Beifall bei der CDU)

nicht eine Regelung, Herr Kuhn, wie Sie sie sich vorstellen, in der Haushaltsordnung!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ein Gesetz!)

Ja, Haushaltsgesetz! Sie können es jederzeit ändern. Das ist doch genau der Punkt. Sie wollen, wie Sie gesagt haben, von Beratung zur Beratung, und anstatt, Sie haben soeben auch gesagt, Ihren Teil dazu beizutragen, Sie tragen eben Ihren Teil nicht bei, sondern Sie wollen es nur immer schön häppchenweise nach dem Motto, schauen wir einmal, wie es morgen aussieht und wie es übermorgen aussieht. Bloß nicht in die Zukunft schauen und sich bloß nicht festlegen! Das ist, meine Damen und Herren, der falsche Weg.

Ein paar Sätze noch zum Notlagentarifvertrag! Wenn man über eine Milliarde Euro Personalkosten hat, und zwar deutlich, wenn man nicht die Kernhaushalte, sondern auch noch die anderen Haushalte dazu nimmt, muss man sich doch darüber Gedanken machen, wie man diese Ausgaben verändern will. Wer ernsthaft sparen will und nicht am Personal etwas ändert, der muss doch erkennen, dass das nicht funktioniert.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Tun wir doch!)

Man muss also etwas tun. Das kann man nur dadurch tun, indem man versucht, sich gemeinsam mit

den Notlageländern zu verbünden, um zu versuchen, etwas hinzubekommen. Es läuft aber nicht.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Säbelrasseln hilft auf jeden Fall nicht!)

Das heißt, es passiert nichts an der Stelle. Dann muss man irgendwann auch den Mut haben und sagen, wenn es dann mit den anderen nicht funktioniert, dann machen wir es allein, meine Damen und Herren! Im Übrigen, wenn man Berlin betrachtet: Berlin hat durch den Ausstieg viel Geld gespart. Das sind Millionenbeträge, die gespart worden sind. Der Weg, den Berlin jetzt geht, nämlich die abgesenkte Entlohnung in einem langsamen Weg nun wieder anzupassen, finde ich einen wirklich pfiffigen Weg.

Wenn man eine solche Maßnahme macht, muss man die Menschen mitnehmen. Man darf den Menschen nicht sagen, wir machen einen Tarifvertrag, ändern jetzt irgendetwas und dann schauen wir einmal. Nein, so wird es nicht gehen. Es wird nur so gehen, dass man sagt, es gibt für eine gewisse Zeit eine gewisse Regelung. Jeder kann sagen, das ist in drei Jahren oder in fünf Jahren vorbei oder in wie vielen Jahren auch immer. Nur so geht es, sonst bekommen Sie die Menschen nicht mit. Wir halten es für notwendig, einen solchen Sondertarif innerhalb der Notlageländer zu machen.

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Haben Sie das mit Herrn Göbel auch schon besprochen? – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ja, haben wir!)

Wir haben es als Politik – und das ist jetzt mehr allgemein gesagt – immer geschafft, immer mehr Einnahmen zu versuchen zu generieren, durch Steuern, durch Abgaben, wie auch immer. Aber wir haben es als Politik nie geschafft, die Ausgaben entsprechend zur Deckung zu bringen. Dies ist für mich das beste Beispiel, dass man immer wieder klarmachen muss, dass man einen Haushalt nicht über die Einnahmesituation, sondern am Schluss konkret ausschließlich über eine Ausgabepolitik ändern kann. Wenn Sie einmal Bund, Länder und Gemeinden betrachten, da gibt es eine Berechnung der Stiftung Marktwirtschaft, sie kommen zu dem Ergebnis, dass alle Etats um 3,9 Prozent gesenkt werden müssten, um eine nachhaltige Finanzpolitik zu betreiben. Da Sie das in bestimmten Bereichen nicht können – zum Beispiel können Sie nämlich nicht Sozialversicherungen kürzen, und Sie können nicht die Zinsen einfach nicht bezahlen –, kommen Sie dann auf eine Absenkung von circa sechs Prozent.

Meine Damen und Herren, es geht einfach nicht anders, und auch Sie als Koalition werden diesen Weg gehen müssen. Sie müssen ihn gehen, jedenfalls noch bis zur Wahl, und dann gehen wir davon aus, dass sich das ändert. Sie müssen aber davon

ausgehen, dass die Ausgabesituation für alle im Mittelpunkt ihrer Betrachtung stehen wird. Das ist genau das für uns fatale Ergebnis dieses Ausschusses, dass Sie offensichtlich nicht bereit sind, diesen Weg mitzugehen, sondern dass Sie genauso weitermachen wollen wie in der Vergangenheit.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade auch der Beitrag von Herrn Dr. Schrörs hat mich noch einmal bestätigt, dass man noch einmal auf eine Kleinigkeit hinweisen sollte. Wenn man etwas in der Zukunft vorhat, lohnt es sich manchmal auch zu schauen, ob das in der Vergangenheit schon einmal funktioniert hat. Wenn ich die Unterlagen richtig studiere, betreibt Bremen seit 15 Jahren einen Sanierungskurs. Vor ungefähr 15 Jahren hat man erfolgreich geklagt oder schon ein paar Jahre früher und hat dann über einen ziemlich langen Zeitraum Bundesergänzungszuweisungen in der Größenordnung von einer Milliarde DM – 500 Millionen Euro – bekommen. In dieser Zeit gab es ein Prinzip, eine Hoffnung, ein Ansinnen, einen Plan: Man nimmt einen Großteil dieses Geldes und investiert es in die bremische Wirtschaft, dann wird Folgendes passieren, erstens, es werden jede Menge Arbeitsplätze entstehen, zweitens werden die öffentlichen Einnahmen sehr steil nach oben gehen.

Bei der Frage der Arbeitsplätze will ich mich jetzt nicht streiten. Eines hat aber auf jeden Fall nicht stattgefunden, nämlich dass die Einnahmen Bremens in diesem Zeitraum kontinuierlich gestiegen sind. Im Gegenteil, insbesondere in diesem Zeitraum sind sie nominell richtig gleich geblieben. Das heißt, das ist ein Indiz, dass das jetzige Vorhaben, nämlich weitere zehn Jahre Sanierungskurs zu fahren und zu versuchen, durch weitere Ausgabenkürzungen ein Sanierungsziel zu erreichen, möglicherweise unter diesen Bedingungen nicht funktioniert. In derselben Zeit sind die Ausgaben für das aktive Personal nicht gestiegen, sie sind also heute genauso hoch wie vor 15 Jahren. Das bedeutet, dort sind ungefähr 5 000 Stellen gestrichen worden, ein Teil ist ausgelagert worden, und ein Teil ist auch durch Reallohnverzicht der Beschäftigten erbracht worden.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Das heißt, ein weiteres Indiz dafür, dass das nicht funktionieren kann! ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Herr Abgeordneter Rupp, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Buhlert?

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Wenn mir das nicht von meiner Redezeit abgeht, selbst- verständlich gern!)

Das geht immer von der Redezeit ab!

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Trotzdem!)

Bitte, Herr Dr. Buhlert!

Herr Rupp, stimmen Sie mit mir überein, dass in dem Sanierungszeitraum zwar die Ausgabenvorgaben beachtet werden, aber das aufgrund wegbrechender Einnahmen, die nicht beachtet wurden und zu geringeren Ausgaben führten, die Verschuldung Bremens erst überhaupt so ansteigen konnte?

Ja und nein! Man hätte sich bei der Frage, was man mit den Bundesergänzungszuweisungen macht, auch entscheiden können, einen Teil der Schulden abzubauen, und dann wären die Schulden, die heute auftauchen, nicht so hoch. Man hat sich damals anders entschieden, im Wesentlichen weil man gesagt hat, wir müssen es in die Wirtschaft geben, damit Arbeitsplätze entstehen und Einnahmen generiert werden. Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Dingen liegt im Wesentlichen daran, dass Kohl, Schröder und Fischer in einer Weise Steuerpolitik gemacht haben, dass die FDP vor Neid blass werden könnte, dass also deswegen bundesweit die öffentlichen Einnahmen zusammengebrochen sind und dass das eine wesentliche Ursache dafür ist, dass die Einnahmen nicht da sind.

Aber beides, die Bundesergänzungszuweisungen so einzusetzen, ist ein Hinweis darauf, dass wir es bei der Sanierung nicht über die Ausgabenkürzung hinbekommen können, sondern ausschließlich über Einnahmesteigerung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Beantwortung der Frage hat schon einiges von dem vorweggenommen, was ich sagen will. Wir haben eine Situation in der Vergangenheit, wo das, was man für die nächsten zehn Jahre plant, nicht funktioniert hat, im Wesentlichen deswegen, weil die geplanten Einnahmeerhöhungen nicht stattgefunden haben, weil man auf Bundesebene sie immer verschenkt hat. Ich bin relativ sicher, wenn in den nächsten zwei, drei Jahren tatsächlich die Einnahmen so steigen, wie man es erwartet, wird es insbesondere, wenn es eine schwarz-gelbe Regierung gibt, wieder genug Leute geben, die das Geld verschenken. Das ist eine wichtige Aufgabe, deswegen sage ich, zum Dilemma

zwischen Anhäufung von finanziellen und sozialen Schulden, bei dieser Alternative kommt man nicht heraus ohne gerechte Steuern auf Bundesebene.

Es gab in dem nichtständigen Ausschuss zur Umsetzung der Föderalismusreform II ein ganz wichtiges Indiz, wir haben es zu tun mit einer deutlichen Steigerung der Sozialausgaben im Bereich Familie und Jugendhilfe. Ich sage, das sind mangelnde soziale Investitionen der letzten 5 bis 15 Jahre, möglicherweise ist es ein Effekt, der durch Personalkürzungen und durch mangelnde Ausgaben in Bildung entstanden ist. Jetzt kann man möglicherweise zynisch sagen, diese Steigerung ist deutlich geringer als das, was wir für Lehrerinnen und Lehrer, für Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Kindertagesstätten hätten ausgeben müssen. Diese Form von Zynismus, glaube ich, soweit sind wir noch nicht angelangt, aber es ist ein Indiz dafür, dass die These, dass die Alternative soziale Schulden oder finanzielle Schulden keine Alternative ist.

Wir können uns soziale Schulden in diesem Land nicht leisten, weil sie langfristig auch finanziell uns wieder einholen und gesellschaftlich sowieso. Deswegen sage ich, mit diesem Sanierungskurs verordnen Sie einem sehr stark ausgehungerten Stadtstaat, in den letzten 5 bis 15 Jahren chronisch unternährt, eine Hungerkur, und das kann keine Lösung sein für die Stadt und für dieses Land. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Vier Milliarden Euro jedes Jahr!)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kummer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte kurz auf drei Dinge eingehen, die meine Vorredner hier dargestellt haben, die ich so nicht stehen lassen will. Erstens die Frage der Einbeziehung der Schuldenbremse in die Bremer Verfassung! Herr Dr. Schrörs, Sie haben sehr viel von Symbolen und Signalen gesprochen, die wir ausgeben sollten. Ich finde, eine Verfassung taugt nicht wirklich zu Symbolpolitik.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist nicht Sinn einer Verfassung. Sie stellen das so dar, als wenn Bremen irgendwie das einzige Bundesland wäre, das es so macht, wie wir es im Ausschuss empfohlen haben und hier der Bürgerschaft empfehlen. Thüringen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen haben das eben––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

so in ihren Landeshaushaltsordnungen verankert, wie wir das jetzt vorschlagen. Berlin, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Saarland haben parlamentarisch noch gar nicht darüber nachgedacht, wie sie das machen. Wir stehen da keineswegs allein. Es gibt sicher Länder, die das gemacht haben, aber es geht quer durch alle Farben und durch die gesamte Bundesrepublik, wie die anderen Länder mit der Schuldenbremse in den Landesverfassungen oder in einfach gesetzlichen Regelungen umgehen. Auf keinen Fall ist es ein bloßes Signal oder ein Symbol, dafür taugt, wie ich es schon sagte, die Verfassung überhaupt nicht.

Zweitens zu den Fragen des Personals, zum Vorwurf, wir würden so weitermachen wie bisher! Erst einmal bedeuten, die 950 Stellen, die wir bisher vorhaben einzusparen, bis 2014 nicht so weiter wie bisher, denn das sind weitere Stellenkürzungen, und ansonsten beschränke ich mich darauf, an der Stelle die Ausschussempfehlungen zu den Fragen der TdL zu zitieren: „Der Ausschuss empfiehlt, innerhalb der TdL gemeinsam mit den anderen Konsolidierungsländern zu tarifvertraglichen Vereinbarungen zu gelangen, die bei Beibehaltung der Tarifbindung und des Ziels, eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse so weit wie möglich zu erhalten, die besonderen Sparanstrengungen der Konsolidierungsländer berücksichtigen.“ Das ist das, was Sie gefordert haben, und das empfiehlt der Ausschuss, und das würde ich auch der Bürgerschaft empfehlen zu übernehmen. Das ist unsere Empfehlung. Ja, ich empfehle, habe ich gesagt. Ich empfehle!

(Abg. D r. S c h r ö r s [CDU]: Ihre mehr- heitliche Empfehlung!)

Ja, mehrheitlich! Das steht doch so darin.

Drittens, was Herr Röwekamp zwischendurch einwarf, die Fragen der Pensionsversorgungslasten und Rentenregelungen. Auch hier empfiehlt der Ausschuss – mehrheitlich, richtig! – diesen Weg, den der Senat vorschlägt, einzuschlagen und dabei den Anstieg der Versorgungsbezüge nicht als unabwendbar hinzunehmen, sondern die Beamtenversorgung an die Entwicklung der Rentenversicherungen anzugleichen. Das werden wir dann auch gemeinsam mit den anderen deutschen Ländern sehen, wie wir an der Stelle vorankommen, aber im Alleingang macht das, glaube ich, keinen Sinn, solche Wege als Insel dann vorwegzunehmen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Warum macht das keinen Sinn? – Abg. D r. S c h r ö r s [CDU]: Bloß nicht angehen!)

Wir sind keine Insel, Bremen ist keine Insel. Wir haben über Berlin diskutiert, dort wurden Lehrer nicht mehr verbeamtet, sondern als Angestellte eingestellt; sie haben einfach keine Leute mehr gefunden, weil

diese nach Brandenburg ausgewandert sind, das ist doch dann auch Unsinn, das macht doch überhaupt keinen Sinn.

(Beifall bei der SPD)

Einen grundsätzlichen Unterschied, Herr Dr. Schrörs, haben wir in der Tat, da werden wir in den restlichen paar Monaten, die wir hier sind, auch nicht mehr zueinander kommen. Haushalt besteht für mich nicht nur aus Ausgabenpolitik. Sie sagen, Bremen möge sich nur auf die Ausgaben konzentrieren. Haushalt besteht auch aus Einnahmen, und es geht darum, das Defizit abzubauen, und das nicht nur auf der Ausgabenseite, sondern auch auf der Einnahmenseite, insofern verstehen wir die Schuldenbremse nicht nur als Schuldenbremse bei den Ausgaben, sondern auch als Steuersenkungsbremse im übergeordneten Maßstab. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!