Protokoll der Sitzung vom 06.04.2011

Stimmenthaltungen?

(FDP)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Zum Schluss lasse ich über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU abstimmen.

Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 17/1740 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU, Abg. T i m k e [BIW] und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und Abg. M ü l l e r [parteilos])

Stimmenthaltungen?

(FDP)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Transport von Kernbrennstoffen über das Land Bremen verhindern

Mitteilung des Senats vom 22. Februar 2011 (Drucksache 17/1666)

Wir verbinden hiermit:

Gesetz zur Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 17. März 2011 (Drucksache 17/1696) 1. Lesung

s o w i e

Bremische Häfen so bald wie möglich für Kernbrennstoffe sperren

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 5. April 2011 (Drucksache 17/1730)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Heseler.

Wir kommen zur ersten Lesung der Gesetzesvorlage.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben über die Frage der Atomtransporte über bremische Häfen und durch das Land Bremen hier schon mehrfach diskutiert. Die Anfrage, die wir vor geraumer Zeit gestellt haben, hat gezeigt, Bremen ist Drehscheibe von internationalen Atomtransporten. Über bremische Häfen gehen Atomtransporte in alle Länder der Welt. Aus fast allen Länder der Welt kommt Uranhexafluorid hierher, wird über Bremen nach Gronau transportiert, dort werden Brennelemente hergestellt. Die Brennelemente werden von hier aus, durch bremisches Gebiet oder durch hamburgische oder bremische Häfen in alle Welt verschickt. Das angereicherte ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Uranhexafluorid ist auch über bremisches Gebiet nach Russland transportiert worden und liegt dort in Größenordnungen von etlichen Tausend Tonnen unter freiem Himmel.

Wir haben diskutiert, dass von diesen Transporten einerseits eine unmittelbare Gefährdung für die Bevölkerung ausgeht für den Fall, dass ein solcher Lastwagen – in aller Regel werden sie dann auf Lastwagen über Bremen transportiert – einen Unfall hat, dass dann in Größenordnungen eine Gefährdung eintritt, je nachdem, wo es passiert, im Umkreis von 500 bis 1 000 Metern lebensgefährliche Verletzungen durch Fluorwasserstoff erzeugt werden. Wir haben andererseits auch festgestellt, dass das Risiko eines Unfalls nicht besonders klein ist, vor allen Dingen deswegen, weil vor einem Jahr auf der bremischen Autobahn ein solcher Transport von der Polizei dankenswerterweise aus dem Verkehr gezogen worden ist, weil der Rahmen, in dem der Behälter, in dem Uranhexafluorid war, durchgerostet war. Das gab deutlich Anlass, darüber zu diskutieren, ob wir solche Transporte über Bremen überhaupt wollen.

Der zweite Aspekt ist: Kann man es als Bundesland richtig finden, dass man ein Teil von internationaler Atomlogistik ist? Das Ziel, nämlich Gronau, hat Kapazitäten für die Herstellung von Brennelementen, die weit über den Bedarf von deutschen Atomkraftwerken hinausgehen, und es kommt zwangsläufig, erstens, zu mehr Transporten. Zweitens wäre Deutschland, auch wenn Atomkraftwerke abgeschaltet worden wären, immer noch Teil der Atomindustrie, und das ist etwas, das zumindest drei Fraktionen in diesem Haus nicht richtig finden.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt, wir haben uns mit der Frage auseinandergesetzt: Was kann man in Bremen eigentlich tun, um Atomtransporte zu unterbinden? Es sind mehrfach durch diese Bürgerschaft Beschlüsse gefasst worden, die im Wesentlichen deutlich machen, wir wollen diese Atomtransporte nicht, und wir werden jetzt schauen, was wir dagegen tun können.

Es liegt jetzt ein Bericht des Senats vor, der mehrere Fragen behandelt, unter anderem die Frage: Welchen Einfluss hat Bremen eigentlich auf die bremeneigenen Unternehmen? Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass es formal nicht leicht sein wird, dort entsprechende Unternehmensbeschlüsse zu fassen, weil die entsprechenden Mehrheiten es nicht hergeben, dass aber eine große Bereitschaft dieser Unternehmen zu spüren ist, sich gemeinsam dieser Aufgabe zu widmen und entsprechende Unternehmenspolitik zu formulieren, die Atomtransporte zu verhindern. Das finde ich gut, das ist richtig. Entsprechende tatsächliche Beschlüsse stehen meines Erachtens aber noch aus.

Wir haben uns weiterhin mit der Frage beschäftigt: Was kann man eigentlich formalrechtlich, gesetzlich unternehmen, um Atomtransporte über bremische Häfen und das Land Bremen einzuschränken? Da kam lange Zeit nichts. Wir haben uns als Fraktion dann entschlossen, ein Rechtsgutachten in Auftrag zu geben, das diese Frage einmal klärt: Kann man zum Beispiel das Bremische Hafenbetriebsgesetz entsprechend ändern, um solche Transporte über bremische Häfen nicht mehr zu gestatten? Das hat eine sehr interessante juristische Debatte auch mit den beauftragten Rechtsanwälten ausgelöst, und zunächst sah es so aus, als wäre das nicht möglich. In einer ersten Einschätzung waren die Rechtsanwälte zu dem Schluss gekommen, dass es rechtlich eher nicht möglich ist, so etwas zu tun.

Wir sind aber der Frage dann weiter nachgegangen und sind im Kern zu folgendem Schluss gekommen: Erstens, man kann das Bremische Hafenbetriebsgesetz wirksam ändern, und zweitens, auch der Bund und auch das Bundesamt für Strahlenschutz können sich einer solchen Entwidmung nicht entziehen und müssen andere Routen wählen. Wir haben also als Land Bremen das Recht, unsere Hafenbetriebsordnung so zu ändern, dass bestimmte Güter nicht transportiert werden dürfen.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss! Das Gutachten sagt auch aus, dass wir uns, wenn wir das tun, mit dem europäischen Recht auf Dienstleistungsfreiheit und Warentransportfreiheit anlegen müssen und die Frage geklärt werden muss, was Priorität hat, die Gesundheit und das Wohl der Menschen oder diese Freiheit. Ich komme dann vielleicht noch einmal argumentativ in einer zweiten Runde darauf zurück. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schildt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Rupp hat schon eingangs auf die verschiedenen Papierlagen hingewiesen. Lassen Sie mich eingangs sagen: Mit unserem vorgelegten Antrag der Fraktionen der SPD und der Grünen sollen Umschlag und Transport von Brennelementen über die bremischen Häfen unterbunden werden, weil sie eine unmittelbare Gefährdung der Bürgerinnen und Bürger in Bremen und Bremerhaven bedeuten. Das wird nicht noch viel klarer, als eben in der Debatte von Japan zu sehen, dass wir sehr weite Diskussionen führen, aber sehr mittelbar auch Entscheidungen hier in Bremen vornehmen können. Deswegen bringt unser Antrag zum Ausdruck, wie schon die Debatte im Oktober letzten Jahres, als die Ant––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wort des Senats im Februar entsprechend gebracht wurde: Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, rechtliche Möglichkeiten und die Beteiligungsmöglichkeiten, die Sie, Herr Kollege Rupp, angesprochen haben, um über die bremischen Häfen den Transport von Kernbrennstoffen zu verhindern. Klare Botschaft hier im Parlament!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Es geht in dem Zusammenhang nicht nur um die befürchteten Störungen, die durch Kernbrennstoffelementtransporte entstehen können, aber natürlich, auch viel wichtiger, um die Gesundheitsgefährdung in und um die Häfen. Wir nehmen gerade wahr, dass nach Japan auch bremische Häfen sich darauf vorbereiten müssen, was passiert, wenn Ladung angelandet wird, wie weit kann da schon eine entsprechende Kontaminierung vorhanden sein. Das heißt, viele Debatten sind weit weg und mittelbar bei uns, und deswegen haben wir eine Verantwortung, für die Beschäftigten auch in den bremischen Häfen sicherzustellen, dass keine Kernbrennstoffelemente über Bremen und Bremerhaven verschifft werden. Ich sehe auch keine Gefahr, dass der Universalhafen gefährdet ist, im Gegenteil, ich finde, dass es ein klares Bekenntnis dazu geben muss – auch von den Unternehmen –, diese Elemente werden über bremische Häfen nicht verschifft. Damit kann man auch ein positives Signal geben, ohne die Universalhäfen Bremen und Bremerhaven zu gefährden.

Sie haben dann, Herr Kollege Rupp, für die Fraktion DIE LINKE einen entsprechenden Antrag in Gesetzesform vorgelegt. Zu Ihrem Gutachten ist auf der Internetseite dann an einer Stelle mit der Überschrift „Zwischenergebnis“ zu lesen: „Wegen der europarechtlichen Vorgaben kommt daher die Teilentwidmung der Bremer Häfen nicht ohne Weiteres als Mittel in Betracht, Atomtransporte in und durch Bremen vollumfänglich rechtlich zu verhindern.“ Der Gutachter kommt in dem Gutachten selbst dazu, dass es europarechtlich durchaus schwierig ist, ob wir das machen können.

In Anbetracht des baldigen Endes der Legislaturperiode halten wir es für nicht zielführend, bei diesem wichtigen und einschneidenden Thema einer Veränderung unserer Hafenstrukturen mit der Herausnahme von Kernbrennelementen herbeizuführen, weil wir es nicht mehr schaffen, in dieser Legislaturperiode das Thema in zwei Lesungen sachlich und fachlich aufzuarbeiten. Wir werden deswegen Ihren Antrag aus dieser Begründung heraus ablehnen und mit unserem Antrag das klare politische Bekenntnis Ihres Gutachtens aufnehmen, das der Senat auch schon attestiert hat, dies mit einfließen zu lassen in die Senatsbegutachtung der Frage: Wie weit können hafenrechtliche Dinge vorgenommen werden, um Kernbrennelemente nicht mehr über bremische Häfen durchführen zu können?

Wir benötigen auch nicht eine lange Diskussion, denn wir waren im Oktober in der ersten Debatte, im Februar legte der Senat eine Antwort vor, in der sehr detailliert über die Beteiligungen Auskunft gegeben wurde. Da sind wir abhängig von Dritten, die mitentscheiden müssen. Viel wichtiger ist, dass der Senat ganz klar zu seiner Beurteilung kommt, um die Verhinderung des Transports von Brennelementen über Bremerhaven vollziehen zu können. Dazu sind juristische Überlegungen anzustreben, die nicht ganz einfach sind, und er hat deswegen im Rahmen der Senatsbefassung einen Gutachter über eine Senatsgruppe damit beauftragt herauszufinden, welche rechtlichen Möglichkeiten wir haben. Dieses vom Senat in Auftrag gegebene Gutachten muss in Ihre Begutachtung einfließen, die Sie schon vorweggenommen haben, beides zusammen, und der Senat hat signalisiert, dies auch zu tun.

Unser Antrag formuliert Ihren Antrag entsprechend mit als Gutachten, und diese beiden zusammenhängenden Punkte sollen dann zu einer endgültigen Bewertung kommen, welche Möglichkeiten wir in Bremen haben, um Transport von Kernbrennelementen nicht mehr über bremische Häfen durchführen zu können oder um welche Differenzierung es noch von weiteren Stoffen im Bereich der Brennelemente geht.

Also, lassen Sie mich für die Fraktion der SPD ein klares Bekenntnis ausgeben: Wir möchten über die bremischen Häfen alle rechtlichen Notwendigkeiten ausschöpfen, damit es nicht mehr zur Verschiffung von Kernbrennelementen kommt, halten Ihr Gutachten – so, wie es mein Fraktionsvorsitzender auch gesagt hat – für durchaus dienlich, nach vorn entwickelt, sich darüber mit auseinanderzusetzen. Dann wollen wir in der nächsten Legislaturperiode mit dem dann vorliegenden Gutachten des Senats zu einer Beurteilung kommen, um dann den europarechtlich fundierten, aber auch anspruchsmäßigen Forderungen, die im Raum stehen, so begegnen zu können, dass über Bremen und Bremerhaven keine Kernbrennelemente mehr verschifft werden. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schaefer.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben vorhin über die Risiken von Atomkraftwerken debattiert, und zum Betreiben der AKWs ist radioaktives Material, also Kernbrennstoffe, notwendig. Der Transport dieser Kernbrennstoffe ist gleichsam risikobehaftet. Sowohl der Transport in die AKWs als auch von und zu den Wiederaufbereitungsanlagen beziehungsweise am Ende der Lebensdauer eines Kernbrennelementes hin zu einem Zwischenlager oder, falls es das jemals geben sollte, einem Endlager, erfolgt per Bahn, Lkw oder auch per Schiff.

Die Antwort des Senats auf Kleine Anfragen zum Thema Atomtransporte macht deutlich, dass mehrmals wöchentlich Atomtransporte durch das Land Bremen rollen. Dass diese Transporte nicht zwangsläufig den hohen Sicherheitsansprüchen genügen, die man eigentlich daran stellen müsste und würde, zeigte sich – und das hat Herr Rupp ja auch schon hervorgehoben – besonders deutlich, als letztes Jahr im März auf der A 1 ein mit radioaktivem Uranhexafluorid beladener Lkw gestoppt wurde, der an den tragenden Teilen stark verrostet war.

Ich denke, uns eint das gemeinsame Ziel, die Gefahren dieser Atomtransporte für die Bevölkerung im Land Bremen, aber auch für die Mitarbeiter der Häfen und der Umschlagsbetriebe und der Logistikbetriebe abzuwehren, und unser Ziel ist es, dementsprechend alles Mögliche zu versuchen, diese Atomtransporte zu verhindern oder sogar zu stoppen. Aus diesem Grund hat Rot-Grün am 10. November 2010 einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, der auch beschlossen wurde und der genau dies zum Ziel hatte. Die Bürgerschaft forderte den Senat darin auf, alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Transporte von Kernbrennstoffen und deren Abfallstoffe durch Bremens Häfen und an Land zu verhindern und somit alle rechtlichen Schritte einzuleiten.

Zudem wurde in dem Antrag gefordert, bei den von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen im Hafenbereich darauf hinzuwirken, dass diese nicht an Transporten und Umschlägen beteiligt sind. Wir müssen einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht in einem Raum „Wünsch-Dir-Was“ leben, sondern in einem Rechtsstaat, dass die meisten Transporte gerade per Lkw auf der Straße vom Bundesamt für Strahlenschutz genehmigt werden und Bremen hier einfach keinen Einfluss hat.