Protokoll der Sitzung vom 06.04.2011

Außerdem bitten wir nach der ersten Lesung um Überweisung und Beratung im Haushalts- und Finanzausschuss, ich sagte es. Für den Entschließungsantrag der rot-grünen Fraktionen bitte ich jetzt schon um endgültige Zustimmung! – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren. Es ist eine ganz schöne Fügung, dass wir heute am Ende der Legislaturperiode mit unseren Beschlüssen den Schlusspunkt setzen werden unter eine zentrale politische Auseinandersetzung der vergangenen Wahlperiode, einen Schlusspunkt, der dann gleichzeitig Ausgangspunkt sein wird, und das hat sich in der Debatte auch schon gezeigt, für ein sehr spannendes und konfliktreiches Jahr in der Geschichte Bremens. Ein Teil dieser Konflikte stand ja gestern Mittag vor unserer Tür auf dem Marktplatz, und es wird mit Sicherheit nicht die letzte politische Auseinandersetzung sein über das, was wir heute beginnen. Es geht da auch wiederum um grundsätzliche Fragen, um die Schuldenbremse und den Weg dorthin unter den besonderen bremischen Verhältnissen bereits hoher Verschuldung. Deswegen will ich auch noch einmal grundsätzlich auf diese Fragen eingehen.

Die „taz“ hat vor einer Woche die Frage aufgeworfen, wie sich die Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung – also der beidseitigen Verpflichtungserklärung – vereinbaren lasse mit der Selbstständigkeit Bremens, ob wir sie dann nicht aufgeben würden. Wir haben als Grüne dazu eine klare Haltung: Jeder Euro mehr Schulden ist ein weiterer Schritt in die Unselbstständigkeit und Abhängigkeit. Jeder Euro weniger Schulden ist ein Schritt zugunsten von Selbstständigkeit und politischer Handlungsfähigkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Schulden sind, wie wir wissen, ein sehr süßes Gift. Es waren ja immer die schönen und guten Dinge, die sozialen Aufgaben, die großen Investitionen, mit denen jeweils ihre Notwendigkeit begründet wurde und auch heute noch begründet wird, aber sie sind ein Gift, das auf Dauer lähmt. Unsere Steuereinnahmen müssen nun eben zunehmend für Zinsen an die Banken und die Vermögenden ausgegeben werden, statt für Schulen, soziale Sicherung und andere öffentliche Güter verwendet werden zu können. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich werde es nie begreifen, wie Organisationen, und dazu rechne ich gegenwärtig leider auch Teile der Gewerkschaften, und Parteien, die angeblich das Soziale ganz groß schreiben, so hemmungslos weiter in die Verschuldung marschieren wollen, meine Damen und Herren! Das werde ich nie verstehen,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

denn Schulden bedeuten am Ende immer Abhängigkeit, diese bittere Erfahrung wird gerade europaweit gemacht. Sie können es täglich in der Zeitung lesen. Abhängigkeit von den Banken oder aber eben von den Bürgen. Unser Bürge ist die Gemeinschaft von Bund und Ländern, und zu Recht fordern wir ja von ihnen das bündische Prinzip ein, füreinander einzustehen. Niemand sollte aber doch glauben, dass dies ohne Hinsehen – diesmal in Gestalt des Stabilitätsrates – und bedingungslos geschehen kann und geschehen wird.

Wir haben unsere wohlbegründeten Ansprüche auf Hilfen immer auf die Tatsache der unverschuldeten extremen Haushaltsnotlage Bremens gestützt, unverschuldet insofern, als in den letzten Jahrzehnten eine grundlegende systematische Differenz klafft zwischen der föderalen Steuerverteilung und den Anforderungen an die staatlichen Leistungen Bremens, eine Differenz, die dann eben auf längere Sicht zu der schnelleren Verschuldung geführt hat. Diese grundsätzliche Analyse und unsere daraus folgende Erwartung bleiben bestehen, aber, das sage ich auch, unverschuldet bedeutet nicht ohne eigene Verantwortung. Auch eigene Verantwortung für Fehler, die unsere Situation verschärft haben!

Wenn ich zurückdenke, diese Koalition war in den vergangenen Jahren ja auch damit beschäftigt, die Folgen solcher Fehler zu beseitigen, wobei ich heute von der CDU eine neue Definition von „unverschuldet“ gelernt habe. Sie hat mich überrascht, aber dann im Lichte ihrer Klage dann ja auch nicht! Sie sagen, unverschuldet war es bis 2007, solange Sie als CDU dabei waren, und verschuldet ist es ab 2007! Das glaubt Ihnen doch keiner im Ernst, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Eigene Verantwortung bezieht sich ja auch auf den Weg aus unserer schwierigen Lage. Das ist auch der eine zentrale Leitsatz, den das Bundesverfassungsgericht dem Land Berlin auf dessen Klage hin aufgeschrieben hat: Eigene Verantwortung!

Der zweite Leitsatz war, dass die politische Klärung gegenwärtig absolute Priorität vor gerichtlichen Auseinandersetzungen hat. Der Versuch dieser politischen Klärung war die Föderalismuskommission II. Die FDP wollte damals diese Kommission, um einen scharfen Wettbewerb unter den Ländern einzuleiten und zu erreichen. Bremen wollte die Kommission nutzen, um unsere gut begründeten Forderungen für eine Neuordnung der föderalen Finanzlage auf die Tagesordnung zu bringen, einschließlich der Altschuldenproblematik, darauf hat der Bürgermeister auch hingewiesen. Aus beidem ist so nichts geworden. Herausgekommen ist etwas Drittes, nämlich die Schuldenbremse und auch der durch eine exzellente und beinharte Analyse und Beweisführung – ich nenne das Stichwort Haushaltsanalyse – anerkannte Anspruch Bremens und anderer Länder auf Hilfen, weil wir wegen unserer Haushaltsnotlage sonst nicht in der Lage sind, das Ziel bis zum Jahr 2020 zu erreichen.

Ich stimme dem Bürgermeister voll und ganz zu. Realistisch betrachtet, auch wenn man die gegenwärtigen Diskussionen in den sogenannten Geberländern verfolgt, war dieses Ergebnis ein großer Erfolg. Ich kann nur sagen: Von wegen „Linsengericht“! Ich will an dieser Stelle auch etwas zu den alten Herren – ich darf das sagen – von B+B sagen, die uns erzählen, wenn wir stattdessen klagen würden, würden wir glatt 800 Millionen Euro jährlich einstreichen können. Das ist wirklich noch absurder als der berüchtigte Kanzlerbrief. Ich will Ihnen sagen, die Großmannssucht dieser Herren hat uns schon sehr viel Geld gekostet, als sie noch politisch Einfluss hier in der Stadt hatten, und jetzt machen sie auf diese Weise unverfroren weiter, als sei nichts geschehen. Das ist schon ein Gipfel von Unverantwortlichkeit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Für uns ist völlig klar: Klage statt politischer Verantwortung von Hilfe und Eigenanstrengung hat null Komma null Chancen. Allerdings – und das ist auch schon gesagt worden – ist es wichtig: Wir müssen uns grundsätzlich eine Klage vorbehalten, falls die Grundlagen der heutigen Vereinbarung eindeutig verlassen würden. Die Eigenanstrengungen sind aber politisch die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass wir erfolgreich für unsere berechtigte Forderung nach einer Altschuldenregelung dann auch in die Verhandlungen ziehen können. Bei wem wollen wir denn für diese Forderung antreten, wenn wir uns selbst nicht angestrengt haben?

Meine Damen und Herren, früher einmal waren auch die CDU und die FDP mit uns der Meinung, dass Bremen sich in einer im Grundsatz unverschuldeten Haushaltsnotlage befindet. Diesen Konsens, der ja auch wichtig ist, wenn wir draußen in der Republik auftreten, haben die beiden Fraktionen, die beiden Parteien jetzt verlassen mit der angekündigten Klage vor dem Staatsgerichtshof. Sie haben die Zeitung gelesen über die Klage in Düsseldorf und klagen nun darauf, dass der Bremer Haushalt 2011 mehr Schuldenaufnahme vorsieht als Investitionen, und dies sei nicht ausreichend begründet.

Ich erinnere Sie daran, bei den Haushaltberatungen haben diese Begründungen vorgelegen. Dafür gibt es dicke Unterlagen. Während der Beratungen ist Ihnen nichts aufgefallen. Ich habe kein Wort von Ihnen dazu gehört, nichts! Es ist Ihnen überhaupt in den letzten Jahrzehnten nichts aufgefallen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, schon gar nicht, als Sie selbst für den Haushalt verantwortlich waren. Jetzt kommen Sie aus der Ecke, und der einzige Grund ist, dass Sie sich davonmachen und behaupten wollen, jetzt sei Bremen nicht mehr unverschuldet in der extremen Haushaltsnotlage, früher vielleicht, jetzt aber nicht. Sie verlassen den Konsens, und das ist für Bremen, für unsere Verhandlungsposition gefährlich, und ich bitte Sie ganz herzlich, davon wieder zurückzukommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Gefährlich ist, viele neue Schulden zu ma- chen! 3,3 Milliarden in den letzten drei Jah- ren, das ist gefährlich!)

Die Sache ist in unseren Augen ziemlich einfach und klar. Die Einigung der Föderalismuskommission, die nun im Grundgesetz steht, beruht auf der Anerkennung der Haushaltsnotlage Bremens und damit auch auf der Anerkennung der Tatsache, dass unser Haushalt aus dem Gleichgewicht ist. Das Grundgesetz gilt unmittelbar, auch in Bremen. Vielleicht muss man einige auch daran erinnern. Unsere Verschuldungsgrenze sind in den nächsten zehn Jahren die in der Vereinbarung festgelegten Schritte. Ich meine, ernsthaft ist Ihre Klage ja ohnehin nicht, insofern

können wir uns auch zurücklehnen. Sie wollen ja gar kein Ergebnis haben, das noch Auswirkungen haben würde. Sie wollen jetzt vor der Wahl nur ein wenig Wind machen. Wenn ich mich in der Stadt aber umschaue und umhöre: Einen Hauch davon, von diesem Wind, spüre ich hier jedenfalls nicht.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das haben die Nordrhein-Westfalen auch gedacht!)

Meine Damen und Herren, die Grünen und die SPD fordern den Senat auf, die ausgehandelte Verwaltungsvereinbarung nun auch zu unterschreiben, einschließlich dieser schönen und geheimnisvollen mathematischen Formeln, die aber wichtig sind. Wie angekündigt übernehmen wir die Regelung der Verwaltungsvereinbarungen in unsere Haushaltsgesetze. Das, Frau Kollegin Mohr-Lüllmann, ist keine Verordnung oder Absichtserklärung, sondern es handelt sich um ein Gesetz, auch wenn es Landeshaushaltsordnung heißt. Wir übernehmen das als Übergangsregelungen für die Zeit des Konsolidierungswegs. Da es die Übergangszeit ist, wollen wir das nicht im Detail in die Landesverfassung schreiben. Ich denke, dass vermutlich die 19. Bürgerschaft dann eine dauerhafte Regelung für die Jahre nach 2020 für die Landesverfassung formuliert, auch – das ist gar nicht unwichtig – im Lichte der bis dahin gemachten Erfahrungen. Wenn wir in unserem Antrag auf die Rahmenbedingungen hinweisen, auf die unser Unternehmen angewiesen sein wird, dann nicht als Ausflucht, so wie Sie das immer behaupten, sondern aus schmerzlicher Erfahrung der letzten Jahre verantwortungsloser Steuerpolitik im Bund. Wir formulieren damit auch unser politisches Programm, dass Bremen weiterhin auf allen Ebenen dafür eintreten wird, dass die Einnahmebasis von Bund, Ländern und Kommunen gesichert wird. Ich komme zum Ende auf die Eingangsfrage der „taz“ zurück: Führt die Unterzeichnung der Verwaltungsvereinbarung in die Unselbstständigkeit, oder eröffnet sie den Weg zur Erhaltung der Selbstständigkeit Bremens? Die Antwort der Grünen ist klar: Der Weg, den wir heute bekräftigen, wird eine große Herausforderung werden, voller Konflikte, das ist völlig klar, aber er ist richtig, um für die Selbstständigkeit Bremens und für die Fähigkeit unserer Städte im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu handeln, und das nicht nur heute, sondern auch noch in 10 und 20 Jahren. Wir Grünen werden uns mit der gleichen Beharrlichkeit und mit langem Atem für die Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik einsetzen, wie wir dies mit Erfolg für die Nachhaltigkeit in der Umwelt- und Energiepolitik getan haben, dafür stehen wir auch in den kommenden Jahren. Heute bitten wir Sie hier im Haus um die Unterstützung unseres Gesetzentwurfs und unseres Antrags! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal stimmt es, manchmal träume ich, und manchmal tanze ich auch, aber ein Traumtänzer, der die Realität nicht sieht, ist ein Vorwurf, der wahltaktisch begründet, jedoch an dieser Stelle vollständig fehl am Platz ist. Ich will versuchen, auf ein paar Dinge einzugehen, die die Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt haben.

Erstens ist es natürlich eine wahlkampftaktische Unterstellung, dass wir LINKEN für hemmungslose Schulden sind. Wir haben immer gesagt: Bei der Abwägung, Geld für Dinge auszugeben, die in Bremen dringend notwendig sind, damit wir die sozialen Schulden nicht anhäufen gegenüber fiskalischen Schulden, haben wir immer dafür gesorgt, solange die Einnahmesituation so ist, wie sie ist, dass man für bestimmte Dinge in Bremen notfalls Schulden machen kann, bis die Einnahmesituation geklärt ist. Das ist unser Argument, das kann man falsch finden, man kann andere Prioritäten setzen, aber das ist alles andere, als hemmungslos Schulden zu machen.

Im Übrigen vermindert man das Anwachsen von privatem Reichtum in erster Line dadurch, dass man privaten Reichtum, hohe Einkommen, hohe Vermögen gerecht besteuert und nicht dadurch, dass man ein Land und eine Stadt wie Bremen durch immer weniger Ausgaben kaputtkürzt. Es ist richtig, DIE LINKE ist und war gegen die Einführung der Schuldenbremse in das Grundgesetz aus einem vergleichsweise einfachen Grund: Wenn Länder nicht in der Lage sind, sich frei zu entscheiden, Zukunftsinvestitionen auch per Kredit zu finanzieren, ist das eine Einschränkung ihrer Haushaltsautonomie und gesellschaftspolitisch ein großer Fehler. Deswegen waren wir gegen die Einführung der sogenannten Schuldenbremse ins Grundgesetz, nicht etwa, weil wir hemmungslos Schulden machen wollen.

Herr Bürgermeister Böhrnsen hat noch einmal den Sanierungspfad zwischen 1992 und 2004 auf die Tagesordnung gerufen. Es gibt zu dieser Zeit und zu der wirtschaftlichen Entwicklung, zu der Einnahmeentwicklung und zu der Ausgabeentwicklung sehr interessante Zahlen. Richtig ist erstens: Die Haushaltssanierung hat in dieser Zeit nicht geklappt. Zweitens ist richtig: Die bremische Wirtschaft, das bremische Bruttoinlandsprodukt ist in dieser Zeit stetig gestiegen.

Seit dem Jahr 1992, nämlich genau seit Beginn des Sanierungspfads, sind die Einnahmen Bremens quasi gleichgeblieben. Inflationsbereinigt liegen sie heute auf einem Stand von vor 10 bis 15 Jahren. Das heißt, man darf bei der Betrachtung des Sanierungspfads nicht ausblenden, dass sich die Einnahmen der öf––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

fentlichen Hand, insbesondere in Bremen, von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt haben. Wer das ausblendet, kommt natürlich zu dem Schluss, das ist irgendwie gottgegeben oder ein Naturereignis. Nein, das ist es nicht, weil dieselben Parteien, denen Herr Bürgermeister Böhrnsen und auch Herr Dr. Kuhn angehören, im Wesentlichen verantwortlich dafür sind, dass diese Einnahmeverluste aufgetreten sind. Man kann die Daten richtig nachsehen, wann die Senkung der Körperschaftssteuer, die Senkung des Spitzensteuersatzes, die Steuerbeschlüsse der rot-grünen Bundesregierung für Einnahmeverluste in Bremen gesorgt haben. Das sind die Investitionen, die in der Tat in dieser Zeit mit Krediten finanziert worden sind und von denen man auch eine ganze Reihe wirklich infrage stellen kann. Das ist aber der Grund, warum Bremen ein Einnahmeproblem hat, warum Bremen nicht mehr genug Einnahmen hat und warum wir jetzt so viele Schulden haben, nicht etwa Ausgaben!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben heute intensiv über Grundgesetz und Landesverfassung diskutiert. Ich habe mir bei dieser Frage noch einmal das Grundgesetz und die Landesverfassung vorgenommen. Ich möchte zitieren, Artikel 1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“ Eine Zunahme von Armut in diesem Land und in der Bundesrepublik verletzt in hohem Maße Menschenwürde. Wenn ein Land wie Bremen nicht mehr in der Lage ist, mit Ausgaben dieser Entwicklung entgegenzuwirken, verletzt Bremen die Verfassung.

Artikel 3: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Mit welchem Geld wollen Sie denn in Zukunft dafür sorgen, dass es hier gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt und dass die Benachteiligung von Frauen aufgehoben wird? Wir haben dieses Geld in der Zukunft nicht mehr.

(Beifall bei der LINKEN)

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre werden in zunehmendem Maße abhängig von Drittmitteln und sind nicht frei und werden zu Verwertungsinteressen an die Industrie angebunden und sind keineswegs mehr frei.

Artikel 6 Grundgesetz: „Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.“ Ein Blick in den Lebenslagenbericht zeigt, ein hoher Anteil an ALG-II-Empfängerinnen in Bremen sind alleinerziehende Mütter mit zwei Kindern. Mit welchem Geld wollen Sie diesen Zustand aufheben?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich könnte jetzt aus der Bremer Landesverfassung noch weiter zitieren: „Jeder Mensch hat nach Maßgabe seiner Begabung das gleiche Recht auf Bildung.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Dies Recht wird durch öffentliche Einrichtungen gesichert.“ In Schwachhausen machen 55 Prozent der Kinder Abitur, in anderen Stadtteilen sind es nur 15 Prozent. Mit welchem Geld und welchen Maßnahmen wollen Sie eigentlich diese Ungleichbehandlung aufheben? Ich stelle diese Frage deswegen, weil sich bei Betrachtung von Verfassung und Grundgesetz herausstellt, dass es durchaus sein kann, dass erstens die Realität der Einführung der sogenannten Schuldenbremse im Widerspruch zu einer ganzen Reihe von anderen wichtigen Passagen in Grundgesetz und Landesverfassung steht. Wenn jemand das kritisiert und aufzeigt, ist das weit entfernt von Traumtänzerei, weil nämlich genau das die Realität in Bremen

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Dann geht das Geld in die Zinsen! Das ist das Problem!)

in den letzten 20 Jahren war und in der Zukunft eine andere sein wird.

Sie erzählen den Menschen in dieser Stadt, es kann klappen, und es ist eine Herausforderung, eine Chance für den Erhalt der Eigenständigkeit für Bremen, wenn man die Ausgaben die nächsten zehn Jahre einfriert. Sie erzählen den Menschen, das klappt dann wunderbar, weil die Einnahmen in den nächsten zehn Jahren zwischen 2,8 und 3,5 Prozent jährlich steigen. Diese Einnahmesteigerung hat es in den letzten 20 Jahren über einen solchen Zeitraum in Bremen überhaupt nicht gegeben, und es gibt keinen Anlass zur Hoffnung, dass diese Einnahmesteigerung eintritt. Sie sagen, wir frieren die Ausgaben ein und tun so, als gäbe es keine Kürzungen. Das ist auch falsch. Insbesondere die Zinsen werden steigen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Warum? Warum steigen die Zin- sen dann?)

Das heißt, bestimmte Teile des Haushalts werden gekürzt werden müssen. Wenn Sie in zehn Jahren die Inflation berücksichtigen,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Warum steigen dann die Zinsen?)

kürzen Sie die realen Ausgaben, das reale Geld kaufkraftbereinigt in den nächsten zehn Jahren zwischen 20 und 25 Prozent.

Ich frage an dieser Stelle ganz deutlich: Kann man überhaupt irgendeine der verfassungsmäßig gebo

tenen Pflichten, die ich genannt habe, einhalten, wenn man eine Milliarde Euro aus einem Haushalt von vier Milliarden Euro kürzt? Ich sage, das geht nicht! Deswegen kritisieren wir diesen Kurs, und deswegen sagen wir, das ist der falsche Weg. Dieser Weg macht aus Bremen eine Art Lehen und keine Freie Hansestadt. Wir werden den Zehnten jedes Jahr abgeben müssen.