Erstens: Wie gedenkt der Senat, die noch freien Mittel aus dem Europäischen Fischereifonds, EFF, bis 2013 zu verpflichten?
Zweitens: Wofür sollen die ursprünglich für den Neubau der „Fischkaihalle“ im Fischereihafen eingeplanten EFF-Mittel eingesetzt werden?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: Die Mittel nach dem Europäischen Fischereifonds, EFF, stehen in jährlichen Tranchen zur Verfügung, wobei diese Tranchen innerhalb von zwei Jahren nach Bereitstellung für tatsächlich angefallene Ausgaben abgefordert werden müssen, „n+2“Regelung. Nicht abgeforderte Mittel verfallen nach dem Termin. Für das Land Bremen beträgt die jährliche Tranche bis zum Jahr 2013 jeweils circa 1,5 Millionen Euro. Daraus können Projekte nach den fünf Prioritätsachsen des EFF gefördert werden.
Eine direkte Beeinflussung des Mittelabflusses durch den Senat ist nur bei Eigenprojekten möglich. In allen anderen Fällen sind Bewilligung und Mittelabfluss in der Regel von privaten Investitionen und Initiativen abhängig. Insofern werden vom Senat erhebliche Anstrengungen unternommen, um passende Projekte zu akquirieren. Im Rahmen der Prioritätsachse 4, Maßnahmen in Fischwirtschaftsgebieten, ist es ferner möglich, Infrastrukturprojekte durchzuführen, an denen ein hohes kollektives Interesse besteht. In diesen Fällen ist keine private Beteiligung notwendig. Beschlossen werden solche Maßnahmen durch ein positives Votum einer regionalen Gruppe, Betroffene des Fischwirtschaftsgebietes. Diese nach dem EFF vorgeschriebene Gruppe tagt in Bremerhaven unter dem Vorsitz der FBG als „Örtliche Gruppe für den Fischereihafen Bremerhaven“. Sie beschließt die Maßnahmen und ist insofern verantwortlich für den Mittelabfluss in dieser Prioritätsachse. Der Senat hat also kein direktes Verfügungsrecht über die freien Mittel des Europäischen Fischereifonds.
Zu Frage 2: Der Neubau der „Fischkaihalle“ sollte als Infrastrukturmaßnahme nach der Prioritätsachse 4 gefördert werden. Wegen des hohen Eigeninteresses der Betreiber war es gelungen, die Betreiber an den hohen Projektkosten zu beteiligen. Ohne eine solche Beteiligung wäre die Projektdurchführung nicht möglich gewesen. Bedauerlicherweise musste dieses Projekt aufgrund eines Unglücksfalls, bei dem einer der privaten Investoren ausfiel, in die nächste Förderperiode verschoben werden. Zurzeit wird zusammen mit der „Örtlichen Gruppe für den Fischereihafen Bremerhaven“ an einem Konzept zur Attraktivierung des Forums Fischbahnhof gearbeitet. Es ist geplant, die noch verfügbaren EFF-Mittel der „Fischkaihalle“ für diesen Zweck zu nutzen. – Soweit die Antwort des Senats!
Die dritte Anfrage trägt den Titel „Beweissicherungsverfahren bei Ermittlungen wegen Vergewaltigung“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frehe, Frau Hoch, Dr. Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Erstens: Welche Möglichkeiten sieht der Senat, durch eine verbesserte Beweissicherung den Nachweis einer Vergewaltigung vor Gericht zu verbessern?
Zweitens: Wie beurteilt der Senat die Tatsache, dass möglicherweise durch eine überlange Verfahrensdauer Zeugenaussagen nicht mehr so authentisch und widerspruchsfrei gemacht werden können?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: Bei dem in der Anfrage angesprochenen Delikt der Vergewaltigung handelt es sich um ein Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung, das mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren bestraft werden kann. Die Opfer leiden häufig gravierend an den Folgen der Tat. Nicht selten ist eine langfristige Psychotherapie erforderlich, um das Geschehene zu verarbeiten. Gerade bei dieser schweren Straftat kommt einer effektiven Beweissicherung besonders große Bedeutung zu.
Bei einer Anzeige obliegen der Polizei die ersten Ermittlungen, bei denen die Beweissicherung hohe Priorität hat. Hierzu gehört zunächst die ausführliche Zeugenbefragung des Opfers. Sofern das Opfer Verletzungen davongetragen hat beziehungsweise relevante Spuren vorhanden sein könnten, veranlasst die Polizei die Untersuchung des Opfers durch den Ärztlichen Beweissicherungsdienst. Dieser füllt einen speziell entwickelten Untersuchungsbogen für Opfer von Sexualstraftaten aus, in dem mögliche Untersuchungs- und Spurensicherungsmaßnahmen und Verletzungsmuster aufgelistet sind. Dadurch ist dafür Sorge getragen, dass sämtliche für die Strafverfolgung relevanten Fragen beantwortet werden.
Die Polizei bindet die Staatsanwaltschaft frühzeitig in die Ermittlungen ein. Häufig beantragt die Staatsanwaltschaft bereits zu Beginn der Ermittlungen richterliche Beschlüsse, welche etwa die Durchsuchung von Wohnungen und Personen, die Untersuchung von DNA-Spuren oder den Erlass eines Haftbefehls zum Gegenstand haben.
Die Zusammenarbeit zwischen der Staatsanwaltschaft und der Polizei funktioniert in Bremen und Bremerhaven nach Einschätzung aller Beteiligten gut, sodass ein Verbesserungsbedarf insoweit nicht besteht. Bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei gibt es Sonderzuständigkeiten, um Sexualstraftaten effektiv zu verfolgen. Die Einführung einer anonymisierten Spurensicherung außerhalb des Strafverfahrens wird zurzeit geprüft. Das noch nicht zu einer Strafanzeige entschlossene Opfer einer Sexualstraftat hätte hierdurch die Möglichkeit, Spuren der Tat in einem Krankenhaus sichern zu lassen, die gegebenenfalls später in einem Strafverfahren genutzt werden könn
Die frühe richterliche Vernehmung des Opfers wird in der Regel bei zeugnisverweigerungsberechtigten Personen durchgeführt. Sollten diese später vor Gericht die Aussage verweigern, kann die frühe richterliche Vernehmung zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden. Polizeiliche Videovernehmungen werden im Wesentlichen bei kindlichen Zeugen durchgeführt. Ob es sinnvoll ist, Videovernehmungen verstärkt einzusetzen, wird zurzeit noch geprüft.
Zu Frage 2: Das strafprozessuale Beschleunigungsgebot spielt gerade im Bereich der Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung eine große Rolle. Alle beteiligten staatlichen Stellen sind sich dessen bewusst und handeln entsprechend. Gleichwohl kann es aus unterschiedlichen Gründen zu Verzögerungen kommen, welche weder beabsichtigt noch wünschenswert sind. Dies birgt die Gefahr, dass das Erinnerungsvermögen der Zeuginnen und Zeugen zwischen dem Zeitpunkt der Tat und dem der strafrechtlichen Hauptverhandlung vor Gericht nachlässt. Umso mehr kommt es darauf an, die entsprechenden Ermittlungs- und Strafverfahren unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes zu führen. – Soweit die Antwort des Senats!
Herr Staatsrat, ich gehe davon aus, dass die Optimierung des Beweissicherungsverfahrens in der nächsten Legislaturperiode noch einmal Thema sein wird, auch vor dem Hintergrund, dass Sie gesagt haben, dass der verstärkte Einsatz von Videovernehmungen und die Einführung einer anonymisierten Spurensicherung geprüft werden soll. Ist das richtig?
Wir haben im Moment ein Gesetzgebungsverfahren im Bund laufen, in dem es um die Änderung des Paragrafen 58 a der Strafprozessordnung geht, und darin ist die Videovernehmung geregelt. Bisher ist es so, dass die Videovernehmung erfolgt, wenn es geboten ist. Jetzt soll das insoweit geändert werden, als die Videovernehmung bereits erfolgen kann, wenn es zu einer Verbesserung des Verfahrens führen kann. Dabei muss man allerdings immer abwägen zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Opfers, das auch berührt ist, und dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung im Strafverfahren.
Ich will noch kurz etwas zu dem Persönlichkeitsrecht des Opfers sagen! Bei der Videovernehmung wird die Frau oder der Mann direkt mit allen persönlichen Regungen aufgezeichnet, das wird dann später auch in die Hauptverhandlung eingeführt, das
kann das Persönlichkeitsrecht berühren. Der zweite Gesichtspunkt ist, dass es dann auch gegen den Willen des Betreffenden eingeführt werden kann. Das ist auch ein Punkt! Wenn man dieses Erkenntnismittel einmal hat, dann wird es auch möglicherweise gegen den Willen eines Opfers in einer Hauptverhandlung vorgespielt, das zeigt also, dass das Persönlichkeitsrecht erheblich berührt ist, und man muss das vorsichtig abwägen. Das läuft im Moment im Gesetzgebungsverfahren des Bundes. Wir unterstützen die Erleichterung der Videovernehmung.
Der zweite Gesichtspunkt ist die Unmittelbarkeit der Beweiserhebung im Strafverfahren. Das ist auch ein ganz wesentlicher Grundsatz, dass normalerweise alles im Verfahren selbst und in der mündlichen Verhandlung stattfindet. Das sind die zwei Gesichtspunkte, die abgewogen werden müssen. Natürlich wollen wir, dass effektiv verfolgt wird, das ist ganz klar, und alle Mittel sollen erleichtert werden, aber es gibt eben verschiedene Gesichtspunkte, die man berücksichtigen muss.
Herr Staatsrat, ich will noch einmal auf den Hinweis eingehen, den Sie hinsichtlich der anonymen Spurensuche gegeben haben, dass Sie das prüfen wollen! Das finden wir ausgesprochen richtig und gut. Halten Sie es aber für sinnvoll, dass das in Krankenhäusern vorgenommen wird und nicht beim Ärztlichen Beweissicherungsdienst, weil da eigentlich die entsprechende Aus- und Fortbildung vorhanden ist?
Das Problem ist, wenn man solche Spuren polizeinah oder nah an der Staatsanwaltschaft sichert, dann muss die Staatsanwaltschaft verfolgen. Das sind Taten, da gilt das Legalitätsprinzip, da hängt es nicht von der Strafanzeige ab. Deshalb ist es vernünftig, die anonymisierte Spurensicherung mit einem gewissem Abstand zur Polizei und der Staatsanwaltschaft zu institutionalisieren, weil letztlich das Opfer wirklich entscheiden soll, ob das Verfahren durchgeführt wird, und wenn ja, dann soll dafür auf die Spuren zugegriffen werden können. Deshalb ist es, glaube ich, vernünftig, das im Rahmen der Krankenhäuser zu tun.
Sie wissen aus der jüngsten Vergangenheit, dass es zumindest in einem Fall das Problem gegeben hat, dass etwaige Drogen, die dem Opfer zwangsweise oder durch Täuschung verabreicht worden sind, in diesem Fall vielleicht K.o.-Trop
fen, nicht in der Beweiserhebung nachgewiesen wurden. Wollen Sie die Analyse dieser Substanzen in Ihr Programm einer zunächst anonymisierten Spurensuche, aber auch in die Spurensuche des Ärztlichen Beweissicherungsdienstes nun als Standardmaßnahme übernehmen?
Ich kenne den Fall, den Sie ansprechen sehr genau. Da ist am dritten oder vierten Tag Anzeige erstattet worden. K.o.-Tropfen kann man nur bis zu 24 Stunden nachweisen. In dem Fall war es also von vornherein ausgeschlossen. Es gehört zum Standardprogramm, dass auch die K.o.Tropfen geprüft werden, aber das muss dann wirklich innerhalb von 24 Stunden erfolgen, weil man sonst keine Spuren mehr findet.
Bei diesem Fall sind ja viele Unsäglichkeiten zusammengekommen, die dann zu diesem aus meiner Sicht sehr unglücklichen Ausgang des Verfahrens geführt haben. Ich möchte noch einmal nachhaken zur Dauer des Verfahrens: Sie haben ausgeführt, welche Bedeutung im Prinzip eine kurze Dauer hat und wie auch das Bemühen ist, dem nachzukommen. Trotzdem frage ich mich, ob Sie genau wie ich die Notwendigkeit sehen, anhand dieses Beispiels jetzt auch noch einmal gerichtsintern zu schauen, wie bei solch einer hohen Opferbetroffenheit eine kurze Dauer des Verfahrens doch stärker gewährleistet werden kann, als es in diesem Fall gewesen ist.
Ich bedauere die lange Verfahrensdauer, das muss ich ganz deutlich sagen. Aber wir haben das Landgericht, das für diese Verfahren zuständig ist und hier agiert hat, um ehemals sechs Richterstellen, jetzt fünf Richterstellen im Strafrechtsbereich verstärkt, und wir achten sehr genau auf die Entwicklung der Verfahrensdauer und den Abbau von Altbeständen beim Landgericht. Wir haben da eine deutliche Verstärkung und sind im ständigen Gespräch. Alle drei Monate berichtet uns das Gericht, wie sich die Verfahrensdauer weiterentwickelt. Da sind wir nah daran. Ob es in diesem Fall etwas geändert hätte, ist sehr fraglich, weil da ganz besondere Umstände vorlagen. Ich habe mir den Fall sehr genau angesehen, und es ist sehr fraglich, ob eine kürzere Verfahrensdauer zu irgendetwas anderem geführt hätte.
In Deutschland ist es ja so, dass von einer Vergewaltigung nur dann gesprochen wird, wenn Widerstand überwunden wurde. Nun haben wir hier aber einen Fall, in dem Widerstand vielleicht auch gar nicht möglich ist. Wir können uns viele Situationen vorstellen, in denen genau das der Fall ist, nämlich dass das Opfer vergewaltigt wird, ohne dass es aber tatsächlich tatkräftigen Widerstand geleistet hat. Das ist in Skandinavien anders, und meine Frage ist: Inwieweit hat das Bedeutung für die Verurteilung von Tätern in diesem Fall, in solch einer Situation?
Das hat eine ganz zentrale Bedeutung, weil es natürlich am strafrechtlichen Gewaltbegriff hängt, das muss man sehen. Diese Begriffsdefinition ist Teil des Strafgesetzbuchs. Es gibt eine umfangreiche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, und da wird fein ziseliert abgegrenzt, welche Schwelle überschritten werden muss. In dem ganz konkreten Fall ging es darum, ob es überhaupt Anzeichen dafür gab, dass Einverständnis bestanden hat. Diese Schwelle zu senken ist sehr schwierig, und wenn, müsste man das im Bereich der Bundesgesetzgebung tun.
Die vierte Anfrage betrifft das Thema „Genitalverstümmelungen“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Arnold-Cramer, Tschöpe und Fraktion der SPD.