Protokoll der Sitzung vom 12.05.2011

Wir verbinden hiermit:

Bürokratieabbau ernst nehmen – Befristung von Gesetzen beibehalten – Genehmigungsfiktion einführen!

Antrag der Fraktion der CDU vom 29. März 2011 (Drucksache 17/1710)

u n d

Fünftes Gesetz zur Bereinigung des bremischen Rechts

Mitteilung des Senats vom 29. März 2011 (Drucksache 17/1712) 1. Lesung 2. Lesung

s o w i e

Bremen als Modellregion „Bürokratieabbau“ profilieren

Antrag der Gruppe der FDP vom 5. April 2011 (Drucksache 17/1737)

d e s W e i t e r e n

Beschleunigung von Verwaltungsverfahren durch Genehmigungsfiktion prüfen

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 10. Mai 2011 (Drucksache 17/1773)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Prof. Stauch.

Wir kommen zur ersten Lesung der Gesetzesvorlage.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Winther.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalition legt uns heute ein Gesetz vor, mit dem sie die im Jahr 2004 beschlossene Befristung von Gesetzen durch das Mittelstandsfördergesetz im Grundsatz wieder aufheben will. Sie tun das, weil Sie in den vergangenen vier Jahren kein effizientes System gefunden haben, um Gesetze und Verordnungen kritisch zu überprüfen, abzubauen und Deregulierung voranzubringen. Wir haben daher, wie schon im Jahr 2008, in unserem Antrag Wege aufgezeigt, um die Wirtschaft aber ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

auch die Verwaltung von einer Gesetzesflut zu entlasten. Die Rolle rückwärts, die Sie jetzt mit der Aufhebung machen, können wir aber nicht mittragen.

(Beifall bei der CDU)

Mit dieser grundsätzlichen Entfristung, sehr geehrte Regierungskoalition, verabschieden Sie sich von einem ganz wichtigen Baustein des Mittelstandsfördergesetzes.

Wenn ich einmal frage, welche anderen Bausteine der Deregulierung Sie in den vergangenen vier Jahren umgesetzt haben, sieht das Bild leider sehr düster aus. Aus der geplanten Pilotregion Bremen und Bremerhaven ist nichts geworden. Das einstige Vorzeigemodell „Kfz-Zulassung online“ macht jetzt Hamburg, die Selbstverpflichtung der Großen Koalition, Baugenehmigungen in acht Wochen zu bescheiden, wurde zu den Akten gelegt, die Umweltzone ist ein Dauerärgernis bei Handwerkern und anderen und ein enormer Kostenfaktor für die Wirtschaft, Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge sind zu kompliziert, man braucht eine Fachausbildung, um Anträge zu bearbeiten, und das macht ganz besonders dem Handwerk Probleme.

Auch die Verfahren, die die Arbeitskraft der Verwaltung binden und den Steuerzahler viel Geld kosten, wurden aber vom Senat bis heute nicht wirklich hinterfragt. Ich will nur beispielhaft schildern, was der Bausenator gefordert hat, um 20 Marktstände neu aufzustellen: einen Pflasterplan, ein Gutachten eines Landschaftsgärtners und ein Gutachten der DEKRA wegen irgendwelcher Lüftungsschächte.

(Beifall bei der CDU)

Oder ein anderes Beispiel: Die Beschäftigungsträger werden nach wie vor mit Dokumentationspflichten belegt, die doppelt und so nicht nötig sind. So sehen also die schlanken und effizienten Verfahren von RotGrün aus, meine Damen und Herren! Sie bauen Hürden auf, aber sie bauen leider keine ab. Nun schaffen Sie auch noch die Befristung von Gesetzen im Grundsatz ab und wollen ein Evaluierungssystem einführen, das kaum mehr zu durchschauen und zu verstehen ist. So kann Bürokratieabbau nicht aussehen!

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion unterbreitet dem Parlament vor allem zwei Vorschläge: Erstens, die Verlängerung von Gesetzen und Verordnungen darf kein Automatismus sein. Die bisherige Evaluierungspraxis leidet darunter, dass jedes Ressort die Rechtsnorm in seinem Bereich prüfen soll. Eine kritische Überprüfung ist so kaum möglich. Die CDU-Fraktion fordert daher, dass die Befristung im Grundsatz beibehalten wird und eine externe und neutrale Kontrollstelle sich um den Abbau kümmert. Das wäre auch kostenneutral zu bewerk

stelligen. Zweitens fordern wir, die gewerblichen Baugenehmigungen wieder in einer Frist von acht Wochen zu bescheiden. Wenn bis dahin kein Bescheid ergangen ist, sprechen wir uns für eine Genehmigungsfiktion aus.

Ich komme nun zu dem Antrag der Koalition! Eine Minute vor zwölf sind Sie nun auch noch auf den Zug aufgesprungen mit dem Antrag, den wir gestern vorfanden, nachdem das Thema bereits seit Februar, glaube ich, auf der Tagesordnung ist. Es ist okay, wenn Sie eine Genehmigungsfiktion prüfen wollen. Eine Fiktion nützt aber nur dann, wenn es eine Bearbeitungsfrist gibt. Diese gibt es bei gewerblichen Baugenehmigungen aber gerade nicht. Beschließen Sie doch erst einmal diese Frist! Das könnten Sie heute tun, Sie könnten mindestens einen Teil unseres Antrags einmal mitmachen, dann hätten wir dieses Problem schon einmal erledigt. Ich fürchte aber, soweit wird es heute leider wieder nicht kommen. Das ist hier also weiße Wahlkampfsalbe, die Sie hier verteilen. Das ist nicht falsch, deswegen machen wir das auch mit, aber es ist nicht das, was wir von Ihnen erwartet haben und was dem Thema Deregulierung angemessen wäre. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Bürokratieabbau ist aus meiner Sicht eine der größten Dauerbaustellen der rot-grünen Koalition in dieser Wahlperiode geblieben. Die Kollegin Frau Winther hat eben ausgeführt, dass Sie das, was hier hastig als Antrag nachgeschoben worden ist, vielleicht über den Wahltag rettet, aber natürlich eine substanzielle ernsthafte Beschäftigung mit dem Thema Bürokratieabbau, die in den letzten vier Jahren nötig gewesen wäre, hier kaum zu ersetzen vermag.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich vielleicht einmal einige Punkte, einige Beispiele sind hier auch genannt worden, noch einmal deutlich machen! Bremen wollte vor einigen Jahren aufbrechen – und das bietet sich nun einmal in einem kleinen Bundesland geradezu an –, um mit dem Bürokratieabbau wirklich ernst zu machen. Auch gerade die Verzahnung von Stadt- und Landesebene bietet da vielfältige Möglichkeiten. Mir ist eigentlich nie klar geworden, warum Sie sich als rot-grüne Koalition so dagegen sperren. Dies wäre doch eine Chance gewesen, um gerade vielen Unternehmen und vielen Bürgerinnen und Bürgern auch Erleichterung zu verschaffen und gleichzeitig auch die Verwaltung ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

von unnötigen Kosten zu entlasten. Stattdessen haben Sie in den vergangenen Jahren mehr als einhundert zusätzliche Rechtsvorschriften geschaffen. Zwischendurch hatte es auch den Eindruck, die Befristung von Gesetzen wäre nicht mehr auf der Agenda des Senats, das sei alles irgendwie nicht mehr gewollt.

(Zuruf des Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Ich glaube, lieber Herr Dr. Kuhn, wenn Sie sich einmal die einzelnen Gesetzgebungsvorhaben anschauen, es ist ja oft argumentiert worden, man würde dann innerhalb der bestehenden Gesetze Vereinfachungen schaffen, das Gegenteil ist der Fall!

Wir haben vor einigen Wochen hier über das Krankenhausgesetz gesprochen. Es gibt kaum ein solch redundantes und überflüssiges Regelwerk in irgendeinem anderen Bundesland, was so länglich und ausgedehnt ist wie ausgerechnet hier in Bremen. Müsste das eigentlich nicht der Maßstab sein, kann ich hier nur fragen?

Ich will Ihnen auch versichern, wir als Liberale haben die Modellregion Bürokratieabbau noch nicht aufgegeben. Wir wollen ernst machen, wir teilen viele richtige Anliegen, die auch im Antrag der Kollegen der CDU-Fraktion aufgenommen worden sind. In einem Punkt sehen wir das ein wenig anders. Wir glauben, eine zusätzliche Stelle, die das macht, ist vielleicht gar nicht unbedingt notwendig. Wir haben das Haus des Senators für Justiz und Verfassung, den ich eigentlich zunächst auch im Senat in der Verantwortung sehen würde, sich mit der Pflege des bremischen Rechts zu beschäftigen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ja gar nicht wahr!)

Ich will allerdings auch deutlich sagen, Frau Winther, auch wir haben den Eindruck, dass der Senat völlig die Übersicht verloren hat, was an enormen Beständen in den einzelnen Häusern vorhanden ist. Das ist auch bei mehreren Anfragen, die wir in diesem Haus in dieser Legislaturperiode gestellt haben, sehr deutlich zum Ausdruck gekommen, weil man nämlich schlicht gar nicht benennen konnte, wie viele Rechtsnormen sich gegenwärtig eigentlich in Kraft befinden. Dementsprechend, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind auch wir der Meinung, dass natürlich beim Bürokratieabbau mutiger und entschlossener vorangegangen werden soll.

Wir wollen die Modellregion Bürokratieabbau, wir wollen sie auch in den nächsten Jahren mit Leben füllen. Das muss eigentlich auch der Auftrag sein, egal, wer den Senat stellt, aus verschiedenen Gesichtspunkten, unter haushalterischen Gesichtspunkten, aber auch aus Gründen der Bürger- und der Unternehmensorientierung der Verwaltung. Wir wollen natürlich überdies auch, dass bei jedem neuen Gesetz nach

einer bestimmten konkreten Frist genau hingeschaut wird: Hat sich das bewährt, braucht man diese neue Rechtsnorm oder ist es etwas, was sich vielleicht nicht bewährt hat? Ich glaube, das sind wir als Parlamentarier den Bürgerinnen und Bürgern auch schuldig, dass wir so genau arbeiten.

Zur Genehmigungsfiktion vielleicht noch zum Schluss! Das ist etwas, was wir natürlich teilen. Das ist auch Bestandteil unserer Wahlaussagen, dass wir dies natürlich voranbringen wollen. Auch hier ist im Grunde nicht verständlich, warum Rot-Grün hinter den Status quo zurückfallen will. Sie wollen heute hier einen Prüfauftrag beschließen – ja, meine Güte, das können Sie gern machen! –, aber es ist aus unserer Sicht schon klar, dass es so etwas geben muss. Es war auch schon einmal so, und Frau Winther hat das angesprochen, dass in diesem Haus schon einmal mehr Einigkeit darüber bestand, dass es bestimmte Fristen geben soll und auch welche Tatbestände da erfasst sein sollen.

Ich kann eigentlich nicht verstehen, warum Sie nicht zumindest bei diesen Punkten heute sagen können: Das wollen wir weiterhin machen, dazu bekennen wir uns. Dann kann man ja immer noch prüfen, ob es weitere Möglichkeiten gibt, dafür wäre ich sehr offen. So macht es den Anschein, dass Sie sich heute über den Wahltag retten wollen, um dieses Thema nicht zu groß werden zu lassen. Ich will aber auch sehr deutlich sagen, Rot-Grün hat da in den letzten vier Jahren nichts erreicht. Im Gegenteil, Bremen ist zurückgefallen, und das können wir uns nicht weiter leisten. Wir glauben, dass Bremen auch in diesem Punkt nach vorn kommen muss. – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner erhält das Wort der Abgeordnete Frehe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben einen sehr vernünftigen Bericht des Senats über die Befristung und die Evaluation des bremischen Rechts vorliegen. Der Senat empfiehlt in diesem Bericht nicht pauschal, Befristungen vorzunehmen und Evaluierungen zu machen, sondern im Einzelfall, wo sich das anbietet. Er orientiert sich damit auch an den Ergebnissen des nationalen Normenkontrollrates. Der hat Befristungen nämlich nach folgenden Kriterien vorgeschlagen: einmal dort, wo sich eine zeitlich begrenzte Regelungsnotwendigkeit ergibt, vorsorglich Regelungen getroffen werden, unsichere Wirkungen zu erwarten sind, ein rascher technologischer Wandel stattfindet, Reaktionen auf Krisen und Katastrophen sein sollen und dort, wo sich einfach Evaluierungsnotwendigkeiten aus dem Inhalt der Normen ergeben. Das sind die Kriterien. Das heißt also, in diesem Gutachten zur besseren Rechtssetzung durch Befristung und Evaluation, das Bund und Länder in Auftrag gegeben ha

ben, wird davon abgeraten, eine generelle Befristung und eine generelle Evaluation zu machen. Das soweit zu Ihren Vorschlägen!

Der Senat hat ferner ein Gesetz vorgelegt, in dem er genau das umsetzt, wo er im Grunde genommen noch einmal prüft, welche Normen befristet werden sollen und welche tatsächlich entfristet werden können. Er kommt überein, vier Gesetze zu verlängern und die Befristung von fünf Gesetzen aufzuheben. Das ist sachlich geboten. Er richtet sich dabei nach den Überlegungen, dann zu befristen, wenn ein Außerkrafttreten ohne eine weitere Prüfung möglich ist, eine Entscheidung über die Verlängerung zu treffen, wenn eine Evaluation erfolgt ist und auch bei bestimmten Gesetzen, die unbefristet in Kraft treten, eine weitere Evaluation vorzunehmen. Das erscheint mir sinnvoll, also nehmen wir einmal das Beispiel, das wir hier in diesem Gesetzentwurf haben. Da geht es unter anderem um die Frage des Grundbetrags beim Fahrdienst für Behinderte. Diese Erhöhung soll noch einmal evaluiert werden, deswegen ist das befristet worden. Entfristet wird zum Beispiel eine Regelung über die Zuständigkeit von örtlichen und überörtlichen Trägern. Da macht es einfach nur zusätzliche Bürokratie, wenn wir da weiter generell auf eine Befristung bestehen. Das ist unsinnig!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Zu Ihren Anträgen! Zum CDU-Antrag: Ich finde, es ist schon eine Aktion der Bürger von Schilda, dass man fordert, eine bürokratische Stelle einzurichten, um zu entbürokratisieren. Diesen Vorschlag finde ich pikant.