Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

Da muss man nachbessern. Kommen wir jetzt einmal zu der Flächenpolitik im landwirtschaftlichen Bereich! Dazu muss man erst einmal wissen, dass die meisten Bremer Landwirte ihren Schwerpunkt in der Grünlandbewirtschaftung beziehungsweise der Milchproduktion haben. Ich möchte Ihnen erst einmal erzählen, womit diese Landwirte zu kämpfen haben. Der Verdrängungswettbewerb, der durch Biogasanlagen in anderen Bundesländern stark herrscht, betrifft die Bremer Landwirte nur zum Teil, weil das Dauergrünland in Bremen nicht ackerfähig ist und sie nur auf bewirtschafteten Flächen im Bremer Umland in diesem Fall davon betroffen wären. Der Flächenverbrauch durch das Wachsen der Stadt konnte durch die Erlöse beziehungsweise den darauffolgenden Neuerwerb von Flächen kompensiert werden. Was nicht kompensiert werden kann oder womit die Landwirte Probleme haben, ist der Flächenanspruch der Stadt für Kompensationsmaßnahmen oder für die Natura-2000-Gebiete. Zum einen ist es eine kalte Enteignung, die dazu führt, dass den Landwirten bei größeren Investitionen die Liquidität vor den Banken fehlt, und zum anderen sind es die oft nicht abgestimmten Bewirtschaftungsauflagen, die die Betriebe so stark einschränken, dass sie einen echten Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren Kollegen haben.

Das heißt jetzt nicht, dass ich gegen Naturschutz bin. Doch man muss, wie immer im Leben, auch dort einen vernünftigen Mittelweg finden. Jeder Betrieb kann Naturschutzflächen bewirtschaften, doch immer nur bis zu einem gewissen Prozentsatz, sonst kann die Produktion nicht aufrechterhalten werden, oder sie muss ganz umgestellt werden, und das ist nicht immer möglich. Deswegen taugt auch die Antwort des Senats nicht, dass Kompensationsflächen ja weiter landwirtschaftlich bewirtschaftet werden könnten. Der Teufel steckt auch hier, wie so oft, im Detail.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch drei Dinge auf den Punkt bringen!

Erstens: Ich finde es schon traurig, dass diese Anfrage mit neun Fragen zweimal eine Fristverlängerung brauchte, um dann in dieser dürftigen Form zu erscheinen.

Zweitens: Betreiben Sie eine Bau- und Industriepolitik, die die Baulücken und Industriebrachen mit berücksichtigt!

Drittens: Machen Sie eine Flächenpolitik, mit der die Landwirte und der Naturschutz gemeinsam leben können! Dann haben Sie uns an Ihrer Seite. – Vielen Dank! (Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Saffe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler! Lieber Herr Imhoff, ich freue mich über die erstaunlich progressive Anfrage der CDU zum Schutz von landwirtschaftlichen Nutzflächen in Bremen. interjection: (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Seien Sie beruhigt, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, wir teilen Ihre neuen Sorgen um die Landwirtschaft komplett und freuen uns, dass Sie sich auch nun endlich Gedanken machen über die Folgen des maßlosen Flächenfraßes, den Sie gemeinsam in der Großen Koalition damals mit auf den Weg gebracht haben! Das war ungefähr vor zwölf Jahren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

All die Großangriffe auf wunderbare Naturgebiete wie die Arberger Marsch, die Mahndorfer Marsch oder das ehemalige Landschaftsschutzgebiet in Oberneuland/Neue Vahr, wo jetzt der sogenannte Büropark Oberneuland mit vielen Leerständen steht, wurden damals eingeleitet. Die Osterholzer Feldmark und das Hollerland wollten Sie auch bebauen. Das konnte glücklicherweise, vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, verhindert werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dafür bin ich jetzt immer noch dankbar, dass das verhindert werden konnte. Nach der Antwort des Senats ist in den letzten Jahren eine aus unserer Sicht erfreuliche Tendenz der Rückläufigkeit beim Flächenverbrauch wie auch gleichzeitig der zunehmenden Nutzung von Brachflächen zu beobachten, die ich, anders als Sie, Herr Imhoff, zum Beispiel auf dem Vulkangelände oder in den Hafengebieten Überseestadt sehe. Auch die Neuansiedlung von Gewerbe und Wohnen im Bestand begrüßen wir, da hier große Flächeneinsparpotenziale vorhanden sind.

Auffällig ist an dieser Stelle übrigens, das habe ich der Senatsantwort entnommen, der deutliche Rückgang des Flächenverbrauchs, seitdem Rot-Grün regiert. Wurden von 1997 bis zum Jahr 2006 996 Hektar in Anspruch genommen, so waren es danach bisher nur 178 Hektar. Ich muss konzedieren, die Jahre 2010/2011 sind nicht aufgeführt, aber die Tendenz ist deutlich, und es ist auch zeitbereinigt nicht einmal ein Viertel dessen, was Sie so versiegelt haben.

Leider liegen andere Vorhaben, wie die Bebauung der Arberger und der Mahndorfer Marschen noch vor uns. Ich hoffe, dass das nicht passiert. Deshalb meine Bitte an Sie, Herr Imhoff: Wenn Sie es ernst meinen mit Ihrer Sorge um die Flächen in Bremen, setzen Sie sich an die Spitze einer Bewegung zur Rettung der Arberger Marsch.

Welche fatalen Folgen überbordende Versiegelung hat, wissen wir nicht erst seit den Starkregenereignissen vom August. Seit dem Regierungsantritt 2007 beschäftigt uns die Frage, wie ein vernünftiges Entsiegelungskonzept aussehen könnte, das die Sünden der Vergangenheit wenn schon nicht zurücknimmt, so doch mindestens korrigiert und abmildert. Die bisher eingeleiteten Maßnahmen, wie gesplittete Abwassergebühr oder das Förderprogramm Ökologische Regenwasserbewirtschaftung, sind wichtige Schritte, dürfen aber nicht das Ende der Fahnenstange sein. Deshalb haben wir auch darüber hinausgehende Ideen, die wir hier beizeiten genauer präsentieren werden. Wir können uns eine Flächenkonversion in größerem Stil vorstellen. Brachen, Autoparkplätze, Garagenhöfe und andere große versiegelte Flächen werden entsiegelt und für sogenanntes urbanes Farming, also urbane Landwirtschaft, genutzt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zum einen würde so großflächig entsiegelt, zum anderen würde, in der Stadt wohlgemerkt, natürlich nach einer gewissen Umstellungszeit der Rekultivierung Boden für die Landwirtschaft gewonnen. Eigentlich nichts Neues, meine Damen und Herren, Gemüseanbau und Obstanbau waren früher Brauch mitten in den Städten, gerade für Leute, die sich nicht so viel leisten konnten. Es wäre aus meiner Sicht eine Win-Win-Win-Win-Angelegenheit:

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen)

Entsiegelung, Gewinn von landwirtschaftlichen Flächen in der Stadt, Zurückdrängen des Autoverkehrs und weitere Abflussmöglichkeiten für die nächsten Starkregenereignisse. Die werden kommen wie das Amen in der Kirche.

Die Frage der versiegelten Flächen ist ein Problem. Ein anderes ist die Nutzungsverschiebung der vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen von Nahrungsmittelproduktion zur Energiepflanzenproduktion. Die Grünen sehen die Nutzung von Biomasse als einen wichtigen Baustein der Energiewende für die Strom- und Wärmeerzeugung, aber das darf nicht auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion gehen. Die derzeitig zu hohe Förderung über das ErneuerbareEnergien-Gesetz, EEG, setzt falsche Signale und muss dringend reformiert werden. Es ist ja in vielen Fällen sogar so, dass die Nutzung herkömmlichen fossilen Erdgases klima- und umweltfreundlicher ist als das vermeintlich ökologische Biogas. Eine Konkurrenz Teller gegen Tank darf es nicht geben beziehungsweise muss gestoppt werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Angesichts des Hungers in der Welt ist es eine Schande, wenn wir hier für die Stromerzeugung oder für Autofahren oder für Flugverkehr Nahrungsmittel nutzen. Abschließend noch ein direktes Wort an Sie, Herr Imhoff, um Ihren Ängsten vor Bio zu begegnen. Das habe ich eben noch einmal herausgehört.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Nein!)

In der „taz“ vom 18. September dieses Jahres klagen Sie, dass Landwirtschaft ohne Kunstdünger und konventionelle Pflanzenschutzmittel sich für Sie nicht rechnen würde, dass Sie dann mit weniger Gras eine geringere Milchleistung erzielen. Ich möchte Sie an dieser Stelle ermutigen, den Schritt zu wagen und auf ökologische Landwirtschaft umzustellen.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Ich habe schon alle Beratungen gehabt!)

Es stimmt nämlich nicht, wie Sie in der „taz“ behaupten, dass das nicht geht, sich nicht rechnet. Es gibt in Bremen immer mehr Landwirte, vor allem im Blockland, und einige davon mit gleichfarbigem Par-teibuch wie Sie, Herr Imhoff, die den Schritt der Umstellung gewagt haben und heute glücklich sind, Biobauern zu sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. I m h o f f [CDU]: Das können nicht alle!)

Die sitzen zum Beispiel im Beirat Bockland für die CDU. Ich nehme an, dass Sie die Leute kennen. Sie bekommen statt früher 34 Cent für den Liter Milch

heute 42 Cent als Untergrenze, je nach Eiweißdichte und Proteindichte sogar noch mehr. Abnehmer ist die Molkerei Dehlweg.

(Zuruf des Abg. I m h o f f [CDU])

Lassen Sie mich bitte ausreden, Herr Imhoff! Die verkauft die Milch als „bio aus der Region“. Falls Sie im Übrigen Angst haben, die Milch nicht loszuwerden; ich bin ja auch noch tätig in der Bremer Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft in Bremen.

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir betreiben einen Bioladen, und ich kann Ihnen hier zusichern: Wir nehmen Ihnen einen Teil Ihrer Biomilch ab, falls Sie den Schritt wagen sollten. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau G a r l i n g [SPD]: Das war ein An- gebot!)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jägers.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Wenn ich mir den CDU-Antrag grob vereinfacht vornehme, dann ist die Botschaft identisch mit der der Bauernverbände seit ganz vielen Jahren: Die Landwirtschaft sichert die Nahrungsgrundlage, deswegen ist die Landwirtschaft besonders und gesondert zu betrachten. Aus diesem Grund müssen wir alle Flächen erhalten, deswegen muss alles bebaut werden. Ich sage ja, das ist sehr holzschnittartig. Meine Damen und Herren, ich will das aber differenzierter betrachten, weil das Holzschnittartige uns nicht immer nach vorn bringt.

Sich für die Landwirtschaft einzusetzen, ist äußerst ehrbar, und das finde ich richtig, das tun wir, und das tue ich ja auch. Der Bauernverband hat in seiner Zeitschrift „Land und Forst“ Nummer 48 vom 1. Dezember unter dem Titel „Stopp Landfraß“ eine Unterschriftensammlung angekündigt, um gegen den aus der Sicht des Verbandes überbordenden Landfraß vorzugehen, mit dem Ziel, Überbauung von landwirtschaftlichen Nutzflächen zu verhindern, aber auch Ausgleichsflächen zu reduzieren. Das heißt, was wir machen müssen, wenn wir zum Beispiel in Wilhelmshaven den JadeWeserPort bauen, dann kommen die Ausgleichsflächen aus der Wesermarsch, das wissen wir alle. Das ist dann unser Hafen, den wir da betreiben wollen, unser gemeinsamer Hafen in Niedersachsen. Da ist auch die Rede davon, die Zahlen haben Sie genannt, dass laut Ministerin Aigner 80 Hektar pro Tag in Deutschland umgewandelt werden. In Nie––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

dersachsen sind es 16 Hektar. Interessant in dem Artikel ist auch, Herr Strohmann, dass sich der Bauernverband beschwert, dass da entlang der A 2 LkwParkplätze gebaut werden müssen, die dann den Landfraß beschleunigen. Wer Gigaliner sät, wird Landfraß ernten.

(Beifall bei der SPD)

Da haben Sie jetzt wunderbar den Zielkonflikt in Ihrer Fraktion, ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Auflösen. Das ist manchmal so, deswegen muss man Sachen differenziert betrachten, weil es eben differenzierte Probleme gibt.

Meine Damen und Herren, es geht in der Landwirtschaft nicht mehr um den Sämann, der mit seiner Schürze über den Acker läuft und die Krume bearbeitet und Körnchen für Körnchen einsät.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Das war noch in Ihrer Jugend!)

Das war in meiner Jugend, ja, ja! Es geht um industrielle Massenproduktion in der Landwirtschaft. Darum geht es. Dafür werden die Flächen gebraucht, und es geht um knallharte Wirtschaftsinteressen. Ich verrate einmal ein Betriebsgeheimnis: Die Bauernverbände schieben die kleinen Landwirte, die am Existenzminimum sind, immer vor, weil diese im Jammern trainiert sind, und sie erzählen uns dann: Wir produzieren doch Nahrungsmittel, darum sind wir so wichtig. In Wirklichkeit stecken knallharte Interessen, auch Exportinteressen, dahinter. Der Großteil unserer landwirtschaftlichen Produkte wird exportiert bis nach Afrika. Ob wir der afrikanischen Wirtschaft damit einen Gefallen tun, das sei dahingestellt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was ist denn wertvoller Boden? Der saure Acker, auf dem der genmanipulierte Mais gerade noch so wächst, behandelt mit einem Unkrautvernichtungsmittel, das so eingestellt ist, dass es die genmanipulierte Pflanze nicht zerstört? Monokulturen für Biogasanlagen? Übrigens: Grünschnitt eignet sich auch für Biogasanlagen, der erste und der dritte Schnitt sind sowieso übrig, der könnte da hinein. Auch das muss man differenziert betrachten.

Ausgleichsmaßnahmen für Hafenbauten, das habe ich vorhin schon gesagt, sind wichtig. Dort gibt es die Möglichkeit und die Notwendigkeit, landwirtschaftliche Nutzflächen der Landwirtschaft zu entziehen, jedoch nicht in Wirklichkeit zu entziehen. Das ist der Kern, das ist der Unterschied. Wenn wir eine Ausgleichsmaßnahme durchführen und sagen, da muss jetzt eine Bewirtschaftung unter Auflagen erfolgen, dann werden sie der extensiv produzierenden Landwirtschaft, der Industrieproduktion entzogen, das

stimmt. Aber sie werden dann für Biobetriebe interessant, weil die mit den Auflagen leben können und auch produzieren können. Das heißt also nicht, dass eine Ausgleichsfläche für die Landwirtschaft gar nicht mehr zur Verfügung steht, sondern sie kann zum Beispiel für Biobetriebe oder auch für die Naherholung interessant werden. Sie wissen, Herr Imhoff, es hat ganz viele Flächenstilllegungsprogramme gegeben, mit denen auch bewusst Flächen stillgelegt worden sind, deswegen kann man jetzt nicht sagen, hier ist der Landfraß unterwegs.

Meine Damen und Herren, die Wirtschaft ist für die Menschen da, und zwar für alle. Deswegen brauchen wir eine Landwirtschaft, die ebenfalls für alle da ist. Wenn man zum Beispiel landwirtschaftliche Flächen nutzt, um Hecken oder Haine anzupflanzen, damit der Wind nicht den Acker über die Autobahn weht und damit verlustig gehen lässt, kostet das Fläche, ist aber auch gleichzeitig Schutz der Fläche. Wir brauchen auch Flächen zum Wohnen, auch das ist nötig. Wir müssen, und das ist eben schon gesagt worden, entsiegeln, wo es geht.

Wir brauchen unsere Landwirtschaft. Sie schafft Nahrung und auch viel Arbeit, das wird oft vergessen: In der Landwirtschaft gibt es viele Arbeitsplätze. Wir brauchen keine pauschalen Bewertungen, wir streiten für Nachhaltigkeit, auch auf unseren landwirtschaftlichen Flächen. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)