Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

(DIE LINKE)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt den restlichen Ziffern des Antrags zu. Damit ist der gesamte Antrag angenommen.

Öffnung der Stadtbibliotheken an Sonntagen ermöglichen Antrag der Fraktion der CDU vom 29. November 2011 (Drucksache 18/142)

Wir verbinden hiermit:

Sonntagsöffnung der Bibliotheken ermöglichen Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 13. Dezember 2011 (Drucksache 18/164)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Staatsrätin Emigholz.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohr-Lüllmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, muss man ja sagen, ist ein Dauerbrenner in diesem Haus. Warum ist das ein Dauerbrenner? Weil wir es mit großer Leidenschaft schon viele Jahre hier in Anträgen und Debatten vorbringen! Die CDU setzt sich wirklich immer wieder für die Öffnung von Bibliotheken an Sonntagen ein. Befürworter sind unter anderem die Stadtbibliothek selbst, Bürger, Familien, Kinder und auch die Grünen. Wir haben uns alle lange von dem Nutzen überzeugt.

(Beifall bei der CDU)

Wie es aber so bei Ihnen mit vielen Dingen ist, immer wenn die CDU einen Antrag stellt, müssen Sie ja leider reflexartig ablehnen. Umso mehr finden wir es natürlich erfreulich, dass sich die Koalition nun schließlich doch unserer Meinung anschließt und eine Änderung des Bundesarbeitszeitgesetzes mittragen will. (Beifall bei der CDU)

Man muss ja sagen, die Diskussion hat in den letzten Jahren wirklich groteske Züge angenommen. Ich konnte es auch nicht vermeiden, ich musste noch einmal in die alten Plenarprotokolle schauen, und dort steht dann beispielsweise: Die SPD ist gegen eine Aufweichung des Sonntags als arbeitsfreier Ruhetag, verbunden mit der Feststellung, dass egal, wie oft wir, die CDU, diesen Tagesordnungspunkt noch aufrufen werden, Sie Ihre Haltung nicht ändern werden, Herr Senkal! (Beifall bei der CDU)

Sie wollen in Bremen nicht diejenigen sein, die den Stein ins Rollen bringen, und heute lese ich dann Ihre Begründung in Ihrem Antrag, das finde ich wunderbar: Bibliotheken gehören zu den wichtigsten Kul

tur- und Bildungseinrichtungen, dabei garantieren sie einen ungehinderten Zugang für jedermann, ich will es gar nicht ausdehnen! Ehrlich gesagt, habe ich gedacht, Sie haben es bei uns abgeschrieben,

(Beifall bei der CDU)

aber Sie haben es bei der Bundesratsinitiative von Berlin bei einer damals rot-roten Regierung abgeschrieben, die nun diese Bundesratsinitiative glücklicherweise startet und von der Sie sich eher überzeugen lassen als von unseren Anträgen hier im Landtag. Weiter sagt übrigens Herr Wowereit, finde ich auch sehr schön: „Nimmt man die gesellschaftliche Aufgabe der Bibliotheken ernst, muss eine Anpassung der Öffnungszeiten an veränderte Lebensumstände im Kontext von Arbeitswelt, Studium und Familie erfolgen.“ Wie recht er doch hat, der Herr Wowereit, für sein Berlin!

(Beifall bei der CDU – Vizepräsidentin S c h ö n übernimmt den Vorsitz.)

Er hat nämlich, das muss man ja wegen der Pressemitteilungen sagen, tatsächlich Gestaltungswillen, und er spielt als Bürgermeister nicht die Verhinderungsrolle, die in Wahrheit unser Bürgermeister hier in den letzten Jahren gespielt hat.

(Beifall bei der CDU)

Die Stadtbibliothek, das sagte ich schon, befürwortet die Möglichkeit der Sonntagsöffnung, die Nutzer, insbesondere natürlich die Familien und Kinder, sie alle wollen die Sonntagsöffnung, und die Kirchen sind auch nicht dagegen. Was für eine komfortable Voraussetzung!

Es muss aber doch noch einmal deutlich gesagt werden, gestatten Sie mir das heute, gebremst haben die SPD und unser Bürgermeister selbst! Für uns ist das vollkommen unverständlich. Die Gründe, warum solch eine Öffnung sinnvoll und zeitgemäß ist, haben wir nun wirklich unter unterschiedlichsten Aspekten wie Chancengerechtigkeit, Teilhabe- und Bildungsmöglichkeiten hinreichend ausgetauscht. Deshalb appelliere ich auch heute ganz deutlich und persönlich an den Bürgermeister, Sie können es ihm, dem Kultursenator, vielleicht ausrichten, Frau Emigholz: Sagen Sie dem Bürgermeister, er möge bitte seine Blockadehaltung aufgeben!

(Beifall bei der CDU)

Die Sonntagsöffnung von Bibliotheken hat nichts mit Ladenöffnungszeiten, nichts mit verkaufsoffenen Sonntagen und auch nichts mit regionalen Stadtteilfesten zu tun. Die CDU steht als Partei mit einem christlich geprägten Fundament nach wie vor zum Sonntagsschutz. Er ist nach wie vor unser Anliegen,

und deshalb sind wird auch immer für die Öffnung erst ab zwölf Uhr gewesen. Nun, sehr geehrte Frau Emigholz, lese ich eine Presseerklärung des Bürgermeisters! Wenn es nicht so traurig wäre, würde ich sagen, es ist ein Witz. Erst erklären Sie, dass Sie die Bundesratsinitiative von Berlin mittragen, Sie wollen zustimmen, und dann sagen Sie: Wenn wir die Rechtsgrundlage geschaffen haben, soll die Stadtbibliothek davon aber keinen Gebrauch machen. Das ist nicht nur widersprüchlich, sondern, wie ich finde, ein ganz fauler Koalitionskompromiss. Die einen wollen es, die anderen nicht. Dann machen wir ein Gesetz, aber wir setzen es nicht um. Das ist wirklich nicht in unserem Sinne. Ich habe es gesagt, wir haben uns lange genug ausgetauscht. Aus unserer Sicht hätte es längst losgehen können. Zu den Grünen: Sie schlagen Modellversuche, Sonderregelungen und Evaluationen vor! Ich kann nur sagen, es ist alles über Jahre gesagt. Sie belobigen es ja selbst in Ihrer Begründung, und wir meinen, die Stadtbibliothek Bremen weiß selbst am besten, wie sie ihre Öffnungszeiten gegebenenfalls unter der Woche kompensieren kann und wie sie die benutzerschwachen Zeiten erkennt. Herr Bürgermeister, bitte erkennen Sie die Bedarfslage und die Rolle der Bibliotheken als Bildungseinrichtungen an! Ich kann es nicht lassen und möchte noch hinzufügen: Holen Sie sich heute bitte keinen Applaus für ein Vorhaben ab, das Sie über Jahre immer verhindert haben! Am Ende sehe ich jetzt schon, dass Sie durch die Hintertür wieder als Bedenkenträger mehr in den Rückspiegel schauen als nach vorn. Schaffen Sie also jetzt bitte die Grundlage, indem Sie im Bundesrat zustimmen, und überlassen Sie es den Bibliotheken selbst, wie sie dann mit den neuen Möglichkeiten umgehen! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Auch wenn wir das Modell und die ganzen Evaluation nicht mehr für nötig halten, würden wir, damit es überhaupt weitergeht, Ihrem Antrag am Ende doch noch zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Werner.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Was für ein Luxus, als Kind überhaupt lesen zu dürfen!“ Dieses Zitat aus der „Neuen Zürcher Zeitung“ des Kairoer Verlegers und Journalisten Mohamed Hashem anlässlich der Verleihung des deutschen PEN-Preises an ihn ist mir bei der Vorbereitung auf diese Rede zugeflogen. In einem Portrait erinnert er sich neben Hans Christian Andersen vor allem an die Namen der Aufseher in seiner Schulbibliothek und wie sein Interesse für Po

litik, das neben Sex und Religion lange eines der drei großen Tabus in der ägyptischen Öffentlichkeit war, in dieser Schulbibliothek entstanden ist. Heute ist er Besitzer und Chef-Lektor des Buchverlags, der als intellektueller Nährboden der arabischen Erneuerungsbewegung gilt.

Verglichen mit der Situation in Ägypten diskutieren wir hier mit dem Thema Sonntagsöffnung von Bibliotheken natürlich ein Luxusproblem, aber wir tun, glaube ich, gut daran, den Wert und die Wirkungsmacht des geschriebenen Wortes nicht zu unterschätzen, und wir tun gut daran, dies der jungen Generation praktisch weiterzugeben und praktisch zu vermitteln.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich denke, dass dies sonntags mit mehr Muße als an anderen Tagen geht, und bin Frau Dr. Mohr-Lüllmann dankbar dafür, dass sie die Plagiatserklärung, wer bei wem abgeschrieben hat, schon aufgelöst hat, denn das hätte ich sonst gesagt, aber das haben Sie ja ausführlich erläutert.

Um die Sonntagsöffnung der Büchereien in Bremen zu ermöglichen, bitten wir den Senat, einer Berliner Bundesratsinitiative zur Änderung des Bundesarbeitszeitgesetzes, die Sie auch zitiert haben, bei den abschließenden Beratungen im Bundesrat zuzustimmen. Damit würden die Publikumsbibliotheken übrigens allen anderen öffentlichen und privaten Kultureinrichtungen endlich gleichgestellt werden. Es gilt für alle anderen Kultureinrichtungen und für die wissenschaftlichen Bibliotheken sowieso schon.

Zugleich möchten wir prüfen lassen, wie die Sonntagsöffnung bereits im Rahmen der jetzt geltenden Gesetze als Modellprojekt oder in Verbindung mit kulturellen Veranstaltungen umgesetzt werden kann, gerade nicht um eine Hintertür zu haben, sondern weil wir es möglichst schnell, gut und schön umsetzen und nicht vielleicht noch jahrelang auf eine Gesetzesänderung warten wollen. Es ist ja noch nicht durch den Bundesrat und den Bundestag gegangen, obwohl es viele Fraktionen aus vielen Parteien in vielen Ländern und im Bund inzwischen wollen.

Die Sonntagsöffnung der wichtigsten Literatureinrichtungen kommt Eltern mit Kindern und stark beanspruchten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sehr entgegen, die werktags keine oder kaum Zeit für einen Besuch haben. Sie wünschen sich die Sonntagsöffnung. Das wissen wir nicht nur aus Umfragen, sondern auch aus den Testläufen in Bremen. In vielen anderen europäischen Ländern ist es schon so.

Öffentliche Büchereien sind für das lebenslange Lernen, für Informationen und Literatur neben dem Elternhaus und der Schule ein oder vielleicht sogar der entscheidende Bildungsort. In den vergangenen Jahren ist aus ihnen immer mehr ein Ort geworden, an dem Literatur nicht nur ausgeliehen und zurückgegeben wird, sondern an dem sie künstlerisch und

kulturell direkt vor Ort erlebt werden kann. Dies muss allen Bürgerinnen und Bürgern möglich sein und stärkt aus unserer Sicht auch die Rolle des Sonntags als generell arbeitsfreiem Tag, der dem Familien- und Kulturleben zugutekommt.

Um nach der Kirche oder dem Sonntagsspaziergang ein gutes Buch lesen zu können, muss man erst einmal ein Buch haben. In dieser Haltung unterstützen uns, auch das haben Sie schon zitiert, die Kirchen und die Bibliotheksverbände. Der Freundeskreis der Stadtbibliothek Bremen fordert die Sonntagsöffnung seit fünf Jahren. Literatur am Sonntag für alle zugänglich zu machen, kann, glaube ich, auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Freude machen. Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter haben mir freudig und fröhlich vom besonders entspannten und freundlichen Sonntagspublikum in den Bibliotheken erzählt.

Ich selbst habe es als ebenso leidenschaftlicher Wochenendarbeiter wie leidenschaftlicher Vater auch erlebt: Es gibt Menschen, die arbeiten gern am Wochenende mit entschleunigten Kunden statt Werktagsstress. Bisher konnte ich mir mit einer Sonntagsschicht auch die Möglichkeit erarbeiten, an einem Werktag in die Bibliothek zu gehen. Die Arbeitswelt ist heute, glaube ich, ein Stück weit bunter, vielfältiger und individueller, als manche es sich oft vorstellen.

Ich habe es ausprobiert, und es hat mir und meiner Familie ganz gut getan. Es gibt auch viele sehr gute Gründe, den Sonntag arbeitsfrei zu halten, das sehe ich auch so, aber ich glaube, dass man es heute nicht mehr für jede Lebenslage und jeden Lebensstil verallgemeinern kann, und man muss das auch nicht schematisch vorschreiben. Ich hoffe und glaube, dass sich unter den 150 Beschäftigten der Bremer Stadtbibliotheken fünf bis sechs Menschen finden, die die Arbeit, von der wir sprechen, an einem halben Tag am Sonntag auch gern verrichten, die sonntags einen halben Tag arbeiten statt an einem anderen Tag.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Insgesamt – dies zur Einordnung der Zahlen – sind in den letzten zehn Jahren die Öffnungszeiten der Bibliotheken bei etwa gleichbleibender Mitarbeiterzahl von 25 000 Stunden auf 15 000 Stunden gesunken, die Ausleihe von Büchern und Medien ist in derselben Zeit von 2,5 auf 3,5 Millionen gestiegen. Dies zeigt, wie viel die Technik beim reinen Ausleihvorgang hilft. Ich denke auch, dass man im Gegenzug sagen kann, dass die Bibliotheken an einem anderen halben Wochentag, vielleicht am Anfang der Woche, durchaus ihre Öffnungszeiten verkürzen, also früher schließen oder später öffnen könnten.

Ich finde außerdem, dass man die Sonntagsöffnungen nicht über das ganze Jahr hinweg veranstalten muss. Vielleicht reicht es, dies in der dunkleren Jahreszeit von Oktober bis Mai zu tun, während die Schwimmbäder in Bremen geschlossen sind. Die Kinos

sind noch einen Schritt weiter und haben sehr flexible wetter- und nachfrageabhängige Lösungen für ihre Öffnungen und Bespielungen.

Wir reden ja sehr viel von kultureller Bildung und vom mündigen Verbraucher! Auch dabei finde ich wichtig, wie Menschen den Sonntag erleben. Was kann man am Sonntag tun? Wir wollen sonntags und auch montags Zeitung lesen, wir essen sonntags frische Brötchen! Sämtliche Medien- und Konsumkompetenz beginnt aber beim Lesen, beim Verstehen, beim Deuten und Interpretieren von Texten und Bildern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)