Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 18/354 abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 18/354 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU und Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Modellprojekt Leichte Sprache starten

Antrag der Fraktion der CDU vom 22. Februar 2012 (Drucksache 18/275)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Stahmann.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach solch einem schweren Thema kommen wir nun zu einem ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ganz leichten, nämlich zur Leichten Sprache. Ich lese Ihnen gleich einmal einen Text vor, der in der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage vom 26. April 2005 steht, das ist auf den Tag genau sieben Jahre her. Der Text lautet:

„Partizipationsfähigkeit setzt das Verständnis von Behördenhandeln voraus. In der Vergangenheit hat die in Rechtsgrundlagen und amtlichen/behördlichen Texten verwendete Sprache eine erhebliche Barriere für Bürgerinnen und Bürgern gebildet, ihre Beteiligungsrechte wahrzunehmen oder überhaupt erst zu erkennen. Auch unter diesem Gesichtspunkt wird der Senat seine Entbürokratisierungsinitiative weiter betreiben. Ein Beispiel hierfür ist die Kampagne ‚Leichte Sprache’, mit der im Sozialressort Informationsmedien lesbarer und unmittelbar verständlicher gestaltet werden.“ Auch hier gilt: Nicht das Erzählte reicht, sondern nur das Erreichte zählt!

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es gruselig, diesen Text zu lesen, wobei ich nicht einmal genau beurteilen kann, was im Bereich Informationsmedien passiert ist. Das möchte ich jetzt nicht infrage stellen, denn dort hat sich ja vielleicht etwas getan. Trotzdem, wer von Leichter Sprache redet oder schreibt, sollte sie auch verwenden!

Warum brauchen wir Menschen wie Gerd Wenzel, der mit viel Aufwand Ratgeber zur Rente und anderen sozialrechtlichen Fragen in leicht verständlicher Sprache schreibt? Sind wir nicht in der Lage, solche Texte gleich von Anfang an für alle verständlich zu schreiben? Hier in Bremen hat es jedenfalls bislang nicht so richtig geklappt.

(Abg. S c h i l d t [SPD]: Ja, dann schauen Sie doch einmal in Ihr Wahlprogramm!)

Das habe ich nicht geschrieben!

Es gibt aber nach wie vor Menschen, die aus verschiedenen Gründen beim Lesen nur wenig verstehen. Für diese Menschen sind Texte in Leichter Sprache ein Geschenk. Sie fühlen sich geachtet und können endlich auch einmal ohne fremde Hilfe einen Text verstehen. Auf den Wunsch dieser Menschen, Texte auch allein lesen zu können, möchte ich mit diesem Antrag aufmerksam machen. Es können Menschen mit Lernschwierigkeiten, mit geistiger Behinderung, Menschen mit Leseschwäche, Ausländer, die noch nicht genug Deutsch können –

(Abg. Frau A y t a s [SPD]: Migranten!)

ja, Migranten! – oder auch sogenannte funktionale Analphabeten sein. Diese beherrschen die Schriftsprache nur sehr wenig und vermeiden meistens zu schreiben und zu lesen, damit es niemand merkt. Sie sind aber grundsätzlich in der Lage, Schreiben und Lesen zu lernen.

Unser Antrag zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention und auch dieser Antrag liegen bereits in Leichter Sprache vor. Ich bin der festen Überzeugung, dass uns allen Menschen mit Problemen beim Lesen und Schreiben nicht egal sind, und ich bin mir auch sicher, dass es eine gute Idee ist, wenigstens ab und an einmal einen Antrag in Leichte Sprache zu übersetzen. Damit würde das Parlament zum Vorbild für andere Institutionen werden. Das ist in meinen Augen eine wunderbare Aufgabe, auch für die Politik.

Natürlich ist der Vorschlag, erst einmal Initiativen aus dem Bereich Menschen mit Behinderung zu übersetzen, nur ein Anfang, aber es ist dafür ein machbarer Anfang, denn mit Herrn Dr. Steinbrück hätten wir einen guten Begleiter für das Modellprojekt. Auf Dauer erhoffe ich mir natürlich, dass wir wieder neu lernen, uns insgesamt so auszudrücken, dass es die meisten Menschen verstehen können, sei es mündlich oder auch schriftlich. Vielleicht würde es auch wieder mehr Zuhörer auf unsere Ränge locken.

Zumindest auf Bundesebene beschäftigt sich auch die SPD mit diesem Thema, wie man am Samstag im „Weser-Kurier“ lesen konnte. Dort hieß es: „Schnellstmöglich soll der Antrag dort auf die Ausschusstagesordnung, heißt es aus der SPD-Fraktion.“ Später will man den Bundestag dafür gewinnen, wichtige gedruckte Debatten in Leichter Sprache zu verfassen.

In Bremen ist es mir nicht gelungen, auf Anhieb alle von dieser Idee zu begeistern, der Antrag wird daher an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss überwiesen. Ich hoffe auf eine gute Weiterentwicklung des Antrags in den dort folgenden Beratungen, und vielleicht entstehen dann auch noch ganz neue Ideen, denen wir dann gern zustimmen. Mich würde es für die Menschen, die gern Leichte Sprache lesen, sehr freuen, und ich bin auf das Ergebnis gespannt. Somit sind wir auch als CDU mit der Überweisung einverstanden.

Ich möchte aber nicht, dass wieder sieben Jahre vergehen, bis das Thema erneut aufgegriffen wird, daher bitte ich darum, dass der Bürgerschaft in der ersten Sitzung nach den Sommerferien die Entscheidung zum Modellprojekt Leichte Sprache vorgestellt wird. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schmidtke.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler! Ich habe einen Versuch gemacht, ich habe meinem geistig behinderten Sohn diese Rede, die ich hier gleich halten werde, vorgetragen. Er hat das ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Meiste verstanden, deswegen habe ich Mut, hier so zu sprechen.

Unser Bremer Behindertenparlament tagt jedes Jahr in diesem Hause. Jedes Jahr werden Anträge auch an diese Bürgerschaft gestellt. Die Abgeordneten des Behindertenparlaments fordern, dass wir ihnen helfen, und ihre Anträge sagen uns auch, wie wir ihnen helfen können. Sie fordern Barrierefreiheit, behindertengerechte Wohnungen, Ampelanlagen mit Signal oder auch – und das schon sehr häufig –, dass wir in Leichter Sprache sprechen und schreiben. Wenn wir nachdenken, wozu Sprache wichtig ist, dann erkennen wir, die Abgeordneten des Behindertenparlaments haben recht.

Uns als SPD-Bürgerschaftsfraktion ist es wichtig, dass alle Menschen uns verstehen,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

vor allem auch die Menschen, für die Sprechen und auch Verstehen schwieriger ist, denn Sprache verbindet. Darum bieten wir Menschen, die eine andere Sprache sprechen, an, die deutsche Sprache zu erlernen. Darum üben wir schon mit kleinen Kindern im Kindergarten das Sprechen und helfen ihnen, wenn sie Probleme dabei haben, dann können sie nämlich in der Schule auch besser lernen. Sprache kann also helfen, und dann fühlt jeder, dass er dazugehört. Sprache kann aber auch trennen. Besonders gut kann man hierfür Fremdwörter, ganz lange Wörter und noch längere Sätze gebrauchen, sie helfen auch dabei, und ganz besonders wirken hier Abkürzungen, die nur Menschen verstehen, die immer so sprechen oder sie erfunden haben.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Das Fürchterliche dabei ist, dass sich diese Menschen dann oft auch noch besonders schlau vorkommen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Das kann eigentlich keiner verstehen, der möchte, dass Sprache verbindet.

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion und ich – ich gehöre dazu – halten es allerdings für viel klüger, wenn alle Menschen, ob mit Behinderung oder ohne Behinderung, verstehen können, was gesagt wird und was wir beschließen. Wir müssen aber noch üben, weil die Leichte Sprache für uns eigentlich eine schwere Sprache ist. Weil wir verstehen, dass Menschen, die Probleme mit der Konzentration oder dem Hören und Verstehen haben, das Recht haben teilzunehmen und dazuzugehören, sich einzumischen und uns auch zu beraten, ist uns Ihr Antrag auf Leichte Sprache wichtig.

Den Antrag der CDU, Modellprojekt Leichte Sprache starten, möchten wir in den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss weiterleiten, der für solche Aufgaben zuständig ist. Dort soll dieser Antrag zusammen mit ähnlichen Anträgen so beraten und verbessert werden, dass wir wieder einen großen Schritt in Richtung Inklusion vorankommen können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Jetzt noch etwas in meiner gewohnten Sprache, und ich bitte um Entschuldigung, aber manchmal muss es sein. Mich freut es, dass wir nicht die Einzigen sind, die über die Leichte Sprache nachdenken.

Ganz aktuell: Im Januar dieses Jahres hat im Bundestag die Sprecherin der Begleitgruppe der SPD zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskommission, Silvia Schmidt, und die für Kultur und Medien zuständige Berichterstatterin, Ulla Schmidt, die Bundesregierung aufgefordert, die UN-Behindertenrechtskonvention zügig umzusetzen und sich nicht länger auf unbestimmte Absichtserklärungen zu beschränken. Der Antrag der SPD-Bundestagsfraktion legt dazu klare und verbindliche Forderungen vor. Beide Politikerinnen brachten die Übersetzung ihres Antrags in Leichter Sprache als Pilotprojekt und würden sich freuen, wenn sich der Deutsche Bundestag fraktionsübergreifend darauf einigt, in Zukunft barrierefreie Zugänge zu den wesentlichen Entscheidungen und Debatten des Deutschen Bundestages bereitzustellen.

Wir als SPD-Bürgerschaftsfraktion möchten den Antrag an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss überweisen, um für mögliche Konkretisierungen offen zu sein und zu erfahren, wie dieser Antrag in bisherige Bemühungen zum barrierenfreien Zugang zu Aktivitäten der Bremischen Bürgerschaft passt.

Vielleicht noch als Anhang! Von uns wurde der Werkstattsrat der Bremer Werkstatt eingeladen. Er wird bei passender Tagesordnung die Einladung annehmen hierherzukommen, und ich hoffe dann sehr darauf, dass wir spätestens dann, Frau Grönert, zumindest einen Beitrag in Leichter Sprache halten. Ich werde daran arbeiten, und ich hoffe auf die Unterstützung des Hauses. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Schmidtmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

spreche heute zu dem Antrag der CDU zur Leichten Sprache, wie auch meine beiden Vorrednerinnen.