Protokoll der Sitzung vom 26.04.2012

spreche heute zu dem Antrag der CDU zur Leichten Sprache, wie auch meine beiden Vorrednerinnen.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Frau Schmidtke hat über ihre SPD gespro- chen!)

Mit der Leichten Sprache ist es wie mit der klassischen Barrierefreiheit. Bei der Barrierefreiheit denken wir alle erst einmal an die klassischen Rollstuhlfahrer, die durch bauliche Mängel gehindert werden, am Leben teilzuhaben. Es ist aber auch in der Leichten Sprache wie in der Barrierefreiheit so: Wer hat denn außer den Rollstuhlfahrern noch Vorteile? Das sind beispielsweise ältere Menschen, die, wenn die Barrierefreiheit abgebaut wird, leichtere Zugänge haben, Mütter mit Kinderwagen, die sich auch über die Barrierefreiheit im baulichen Bereich freuen

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Väter auch!)

ich spreche jetzt nur von dem Vergleich –, und kleine Kinder, die beispielsweise keine großen Stufen steigen können.

Mit der Leichten Sprache ist es auch so, wir denken zuerst an lernbehinderte Menschen und Menschen mit geistiger Behinderung. Wer profitiert aber noch davon, wenn wir die Leichte Sprache hier einführen? Ich kann nur sagen, wir Grünen haben unser zweites Wahlprogramm schon in Leichter Sprache herausgegeben. Ich kann daher auch von Wahlkampfständen der Grünen berichten und Ihnen sagen, wer auch noch von der Leichten Sprache profitiert. Das sind Kinder und Jugendliche, die sich gar nichts oder kaum etwas unter einem Wahlprogramm vorstellen können, die sich aber trotzdem neben den Luftballons dann für Inhalte interessieren. Denen kann man anhand eines solchen Wahlprogramms sehr gut die Ziele erklären. Die Leichte Sprache schlägt sich bei uns auch in den Anträgen nieder.

Wer ist es noch? Es sind teilweise ältere Menschen, die keinen Zugang mehr zu dieser Sprache finden, die jetzt größtenteils im Wahlprogramm steht. Sehr wichtig sind auch Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, Menschen mit Migrationshintergrund, oder auch, wie es mir in Bremen-Nord passiert ist, Studenten der Jacobs University, die sich für Politik interessieren und denen man ein Wahlprogramm, das in Leichter Sprache formuliert ist und das wir auch verteilt haben, ganz einfach und leicht übersetzen kann. Sie sind dafür dankbar, dass sie das bekommen.

Jetzt konkret zu dem Antrag der CDU! Warum wird er überwiesen? Das ist eine berechtigte Frage. In dem Antrag, beispielsweise unter Punkt 2, weisen Sie dem Landesbehindertenbeauftragten zu, dass er die Auswahl treffen oder Vorschläge – wie Sie es auch ausgeführt haben – nur für den Bereich sozialer

Themen oder Themen, die direkt mit Behinderung oder Behinderung im weiteren Sinn zu tun haben, machen soll. Das finden wir irgendwie nicht angemessen, sondern uns fehlen hier ganz klar die Betroffenen.

Frau Schmidtke hat es schon angesprochen, wir möchten beispielsweise auch – das können wir uns ganz gut vorstellen und haben es auch schon mit Herrn Dr. Steinbrück abgesprochen –, dass der Werkstattsrat, wie Sie es gesagt haben, daran beteiligt wird, zusammen mit dem Landesbehindertenbeauftragten die Tagesordnung durchzugehen und zu fragen: Was ist uns wichtig? Was interessiert uns denn hier? Was möchten wir übersetzt haben? Das muss nicht unbedingt ein soziales Thema sein.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es kann auch die Fußgänger in der Obernstraße betreffen oder irgendein anderes Thema sein; deswegen diese Überweisung.

Ich glaube, dass der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss der richtige Ausschuss ist, dass von dort konstruktive Vorschläge kommen, sodass wir zum Schluss einen gemeinsamen abgesicherten Antrag vorliegen haben, mit dem wir dieses Modellprojekt auf die Schiene setzen können. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe zunächst einmal auch ein Beispiel mitgebracht, das ich sehr beeindruckend finde, das möchte ich zu Beginn meiner Rede zitieren. Dort hat der Paritätische Wohlfahrtsverband versucht, in einer Broschüre den Begriff Zuwendung zu erklären. Es heißt dort:

„Zuwendungen sind Geldleistungen der öffentlichen Hand ohne Gegenleistungen aufgrund freiwilliger Verpflichtung an Stellen außerhalb des Zuwendungsgebers zur Erfüllung bestimmter Zwecke, wenn der Zuwendungsgeber an der Erfüllung durch solche Stellen ein erhebliches Interesse hat, dass ohne die Zuwendung nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann.“

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Super! – Abg. T s c h ö p e [SPD]: Ist das leicht? – Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Leicht daneben!)

Ich denke, das ist ein Beispiel dafür, dass wir in der Tat ein Problem haben, wie wir als Politiker, Behör––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

den und Gesetzgeber Sachverhalte formulieren. Texte sind einfach zu kompliziert und unverständlich. Ich glaube, das kann man einfacher formulieren. Das ist das eine.

Lassen Sie mich vorwegnehmen, dass wir der Überweisung dieses Antrags der CDU zustimmen werden! Wir sehen allerdings auch eine Menge Probleme dabei. Die Probleme beziehen sich beispielsweise darauf, dass ich einmal sagen möchte, Leichte Sprache läuft auch Gefahr, dass man bei den Phänomenen eigentlich nur an der Oberfläche herumkratzt. Was steckt denn sehr oft dahinter? Meine Vorredner haben teilweise schon darauf hingewiesen, Sprache ist sehr oft auch ein Herrschaftsinstrument. Das heißt, es geht nicht nur darum, ob Texte einfach nur in komplizierter Art und Weise geschrieben werden, weil Menschen zu unachtsam sind oder sich nicht genügend Gedanken machen, sondern manchmal stecken auch bestimmte Interessen und Absichten dahinter.

Sprache ist also ein Herrschaftsinstrument und manchmal auch dadurch, dass man nicht nur eine komplizierte Sprache, sondern eine andere Sprache verwendet. Das bekannteste Beispiel, es wurde gerade in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit diskutiert, ist die berühmte Bibel. Zuerst war sie nur auf Latein geschrieben, und das hatte natürlich einen Herrschaftsaspekt, da die normalen Menschen nicht verstehen sollten, was in der Bibel stand. Dann kam Martin Luther, er hat eine Bibel in Leichter Sprache geschrieben und auf einmal konnten die Menschen verstehen, was in der Bibel steht. Das sind auch Aspekte, die man einfach berücksichtigen muss.

Wir kennen es auch aus verschiedenen Wissenschaften. Man muss feststellen, dass dort Sachverhalte möglicherweise auch vorsätzlich kompliziert beschrieben werden, damit es nur innerhalb einer bestimmten Klasse überhaupt verstanden werden kann.

Wir müssen feststellen, auch das hier noch einmal, dass wir heute diese Situation haben. Dieses Phänomen muss man ernst nehmen, und daran muss man arbeiten. Deshalb sagen wir ja auch als LINKE, die Leichte Sprache ist sicherlich momentan ein notwendiges Instrument, weil viele Menschen in unserem Land nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen, um alle Texte, die es gibt, wirklich verstehen zu können. Das bedeutet aber natürlich, man muss, und das meinte ich vorhin mit der Ebene des Phänomens, mehr tun, als nur an der Oberfläche zu kratzen.

Man muss sehr vorsichtig sein, dass man bei der Diskussion über die Leichte Sprache nicht vergisst – ich will nicht gleich sagen, dass man sich aus der Verantwortung stiehlt –, dass das Hauptproblem natürlich ist, dass wir ein Schul- und Bildungssystem haben müssen, das garantiert, dass eigentlich alle Menschen, die in diesem Land leben, die in dieses Land kommen, in der Lage sind, diese Sprache und

durchaus auch komplizierte Texte zu verstehen. Dazu bedarf es der entsprechenden Bildung und Ausbildung. Ich glaube, das ist die gesellschaftliche Aufgabe, die wir dabei haben, und dabei kann jetzt die Leichte Sprache helfen. Ist das Kind an bestimmten Stellen schon in den Brunnen gefallen, muss man helfen, dass Menschen Dinge verstehen können. Das eigentliche Ziel muss doch aber sein, dass wir unseren Bildungsstandard für alle Menschen in diesem Land wesentlich erhöhen, damit sie in Zukunft in dieser Sprache auch komplizierte Dinge verstehen können. Eines lassen Sie mich zum Abschluss auch noch sagen! Es gibt ja solch eine – da habe ich auch gedacht, wie drücke ich das jetzt in Leichter Sprache aus, normalerweise würde ich jetzt sagen, es gibt eine Dialektik –, Beziehung, eine Dialektik von Form und Inhalt, von der man einfach sagen muss, ja, sicher, Sprache ist manchmal kompliziert, weil sie komplizierte Tatbestände umschreibt. Umgekehrt, schwierige Tatbestände kann man manchmal auch durchaus nur mit schwieriger Sprache umschreiben. Das ist so!

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Beispielsweise Dialektik!)

Beispielsweise Dialektik, aber das kann man sicherlich noch besser, als ich es gerade versucht habe! Ich glaube aber schon, das wird ja auch angesprochen, gerade die juristische Sprache ist sicherlich völlig kompliziert, aber sie versucht natürlich auch, komplizierte Zusammenhänge zu erfassen. Wenn beispielsweise drei Nebensätze formuliert werden, um einen Haupttatbestand zu erläutern, dann wird das so gemacht, weil man ihn genau eingrenzen will. Das wird man, glaube ich, auch in einfacher Sprache möglicherweise nicht viel besser können. Um einiges besser, davon bin ich auch überzeugt, aber nicht viel besser! Als Fazit! Ich glaube, man muss darauf achten, dass man mit der Leichten Sprache nicht das Kind mit dem Bade ausschüttet. Wir sollten darauf achten, dass das eigentliche Ziel immer sein muss, dass alle Menschen, die in diesem Land leben, eine ausreichende Ausbildung und ein ausreichendes Sprachvermögen haben, um auch komplizierte Texte verstehen zu können. Wenn es aber tatsächlich nötig erscheint, dann sollte man sich Mühe geben, dass entweder Institutionen Texte tatsächlich leichter formulieren, dass man aber auch versucht, Menschen dadurch zu helfen, dass man in bestimmten Bereichen Texte in Leichter Sprache abfasst. Wir haben nun aber die Situation, dass manche Menschen dazu nicht in der Lage sind. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Bevor ich Frau Senatorin Stahmann das Wort erteile, begrüße ich auf der Besucher

tribüne drei Klassen, zum einen den Politikkurs der elften Klasse des Ökumenischen Gymnasiums und zum anderen die Klassen 9 s und 9 t der Oberschule Lerchenstraße. Seien Sie alle ganz herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Den Antrag der CDU-Fraktion für ein Modellprojekt Leichte Sprache finde ich gut. Ich finde es auch gut, dass die Bürgerschaft diesen Antrag im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss debattiert und selbst nach einem Ort und nach Vorhaben sucht, die sich dafür eignen. Ich finde auch die Aufforderung an die Bremische Bürgerschaft gut, alle Drucksachen, alle Papiere, die die Belange von Behinderten betreffen, in Leichter Sprache zu veröffentlichen. Wir werden als Bundesland Bremen jetzt auch die Internetauftritte aller Ressorts überarbeiten, und es gibt eine neue Rechtsverordnung, die uns auffordert, Videoclips in Gebärdensprache auf den Internetseiten einzustellen und auch die Inhalte der öffentlichen Seiten nicht nur barrierefrei, wie Herr Schmidtmann das gerade vorgestellt hat, sondern auch in Leichter Sprache darzustellen, was der jeweilige Senator macht, was in dem Ressort passiert und wo bestimmte Informationen zu finden sind. Deshalb bedanke ich mich bei der CDU für den wirklich sehr guten Antrag, und ich finde es auch schön, dass wir hier heute einmal dazu einen passenden Antrag in Leichter Sprache vorliegen haben, der zeigt, wie es geht.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Ich glaube, es gibt auch keinen Streit über den Antrag, es ist ja, wie gesagt, schon lange Jahre ein Wunsch des Behindertenparlaments – Frau Schmidtke hat es richtig gesagt –, das immer wieder eingefordert hat, dass Politiker einfacher sprechen, dass sie deutlicher sagen, was sie eigentlich wollen, und dass wir uns nicht in ganz komplizierten Wortkonstruktionen ergehen. Aus Spaß, Herr Erlanson, haben wir gerade ein bisschen gegoogelt. Die Homepage der LINKEN ist auch kein Hort der Leichten Sprache. Ich war schon fast versucht, ein iPad mit nach vorn zu bringen und ein bisschen aus Produktivitätstheorien zu zitieren, aber Karl Marx und Friedrich Engels waren auch keine Meister der Leichten Sprache, sie konnten das auch hervorragend kompliziert ausdrücken.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. (A) (C)

Ich fand das Beispiel, das Sie zum Thema Zuwendungen und Geld gebracht haben, auch schon deutlich passend. Ich glaube, jeder im Haus kann sich an seine eigene Nase fassen. Manchmal drücken wir uns einfach viel zu kompliziert aus, auch bei sehr einfachen Sachverhalten. Ich schaue einmal in die Richtung von Herrn Dr. Schlenker, der Arzt ist: Auch Ärzte neigen dazu, oft einfache Sachverhalte kompliziert zu schildern, ich glaube, das geht eigentlich in jeder Berufssparte. Man kann Sachverhalte kompliziert darstellen, man kann sich aber auch bemühen, sie für die Allgemeinheit einfach darzustellen. Das ist eine wichtige Aufforderung an uns!

Ich freue mich, wenn wir in diesem Jahr noch ein konkretes Modellprojekt starten können. Die Lebenshilfe hat jetzt, das will ich hier noch einmal kurz vorstellen, einen Erziehungsratgeber in Leichter Sprache herausgegeben, das finde ich ganz hervorragend. Ich durfte das Vorwort in verständlicher Sprache schreiben, ich beherrsche die Leichte Sprache also nicht aus dem Effeff. Wie gesagt, es ist eine Aufforderung an uns alle, so zu sprechen, dass die Menschen uns auch verstehen. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Hier ist die Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss beantragt.

Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/275 zur Beratung und Berichterstattung an den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.

(Einstimmig)

Berichterstattung zur Auseinandersetzung zu Rassismus und Rechtsextremismus im Lande Bremen weiterführen

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 23. Februar 2012 (Drucksache 18/277)