Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende letzten Jahres haben wir in der Bremischen Bürgerschaft gemeinsam den Antrag „Rechtsextremistischem Gedankengut gemeinsam mit aller Entschlossenheit entgegentreten“ anlässlich der grauenvollen Morde der Terrorgruppe NSU verabschiedet. Auf erschreckende Weise wurde durch diese Morde deutlich, welche verheerenden Folgen die Verharmlosung von rechtsextremistischen und rassistischen Ideologien haben kann.
Auch das zweite Ereignis im Jahr 2011 ist grausig. Im norwegischen Oslo läuft Anders Behring Breivik am 22. Juli Amok und ermordet 77 Menschen. Sein Motiv: nationalistischer Islamhass! Der Prozess gegen Breivik ist nun täglich Gegenstand in den internationalen Medien. Europa muss mit ansehen, wie der Massenmörder ungerührt den grausamen Ablauf seines Amoklaufs schildert, sich in Szene setzt und seine hasserfüllte menschenverachtende Ideologie der Öffentlichkeit präsentiert. Einfach abscheulich!
In Bremen standen die rechtsextremen Aktivitäten im Jahr 2011 im Zeichen der Bürgerschaftswahl, der Rechtsrock-Szene und eines Prozesses gegen rechtsextreme Hooligans. Bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft versuchte die NPD, mit ihren populistischen Sprüchen und der altbekannten Schulhof-CD vor allem bei jungen Menschen Wählerstimmen zu akquirieren. Auch wenn sie es glücklicherweise nicht in dieses Parlament geschafft hat, so ist sie doch in einigen Bremer Beiräten präsent und sucht so den Weg in die Öffentlichkeit.
Eines wird bei dieser Debatte aber häufig übersehen, und das ist mir ganz besonders wichtig: Rassismus ist kein Phänomen, das nur in rechtsextremen Zusammenhängen vorkommt. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind leider auch in der Mitte der Gesellschaft gegenwärtig. Ausländerfeindlichkeit ist in Deutschland weitgehend konsensfähig. Verschiedene Studien zeigen, dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, antimuslimischer Rassismus und menschenverachtendes Gedankengut erschreckend oft in unserer Gesellschaft vorkommen.
Wilhelm Heitmeyer hat hier in Bremen kürzlich Untersuchungen zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit angestellt. Je nach Ortsteil waren zwischen 22,8 und 45,6 Prozent der Befragten der Ansicht, dass zu viele Ausländer in Deutschland leben. Das ist ein Alarmsignal für die Politik und die Gesellschaft, und das ist ein Zustand, der so nicht zu akzeptieren ist.
Es geht darum, die Demokratie zu fördern und zu stärken. Unser Engagement muss sich gegen die Ursachen von Rassismus wenden, und das von Anfang an, in der Kindertagesstätte, in den Schulen, in den Jugendfreizeiteinrichtungen.
Viele Bremer Institutionen, Vereine, Schulen, Initiativen und Unternehmen stellen sich entschieden gegen rechte Gesinnungen und sind aktiv gegen Rechtsextremismus. Sie leisten eine hervorragende Arbeit, und dieses Engagement ist von enormer Bedeutung. An dieser Stelle möchte ich mich auch einfach einmal dafür bedanken!
Ob es nun um eine Demonstration gegen den NPDAufmarsch am 30. April 2011 des breit aufgestellten Bündnisses gegen Rechts oder um zivilgesellschaftliche Proteste gegen ein weiteres Konzert der Rechtsrockband „Kategorie C“ geht, die Bremerinnen und Bremer setzen ein Zeichen gegen Rechts.
Es gibt aber nicht nur den Protest gegen Rechts, sondern auch Organisationen, die sich für Zivilcourage, für mehr politische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger und für soziale Gerechtigkeit und Integration einsetzen. Genau das ist es, was wir brauchen!
Mit diesem Antrag bitten wir nun den Senat um einen Bericht, der die Bedeutung und das Engagement der Organisationen gegen Rechtsextremismus zusammenstellt und würdigt. Der Bericht soll außerdem rechtsextremistische Strukturen offenlegen, seien es parteilich organisierte oder aus der Mitte der Gesellschaft kommende. Auch das relativ neue Thema Frauen in der rechten Szene soll hierbei beachtet werden, da die Rolle der Frauen im rechten Milieu immer bedeutsamer wird und außerdem der Frauenanteil
in rechtsextremen Parteien stetig steigt. Auch die Verbreitung von Fremdenfeindlichkeit bei älteren Menschen soll Bestandteil des Berichts werden, eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt nämlich, dass ältere Menschen wesentlich häufiger rechtsextremen Aussagen zustimmen als junge.
Die Ergänzungen der LINKEN halten wir übrigens für sehr sinnvoll, und deswegen stimmen wir Ihrem Antrag zu.
Schließlich soll der Bericht eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus darlegen, damit wir in der Zukunft politisch genau dort ansetzen können, denn Fremdenfeindlichkeit, rechtsextremistisches Gedankengut und Rassismus haben in unserer Gesellschaft absolut nichts zu suchen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bremen ist ein tolerantes und weltoffenes Bundesland, in dem Menschen unterschiedlicher Kultur und Herkunft leben. Die meisten Bremerinnen und Bremer empfinden diese Vielfalt als Bereicherung, wie unter anderem die Beteiligungen an der Anti-Nazi-Demo am 30. April des vergangenen Jahres und die vielen Initiativen gegen Rechts zeigen, die es in Bremen gibt. Wer sich darüber einen größeren Überblick verschaffen möchte, dem sei der letzte Bericht zur Verbreitung von Rassismus und Rechtsextremismus in Bremen empfohlen, in dem das sehr eindrucksvoll aufgelistet ist.
Trotzdem ist aber auch in Bremen die Welt nicht in Ordnung. Die im Antrag genannten Übergriffe auf den Ostkurvensaal im Weserstadion im Jahr 2007 und das Lidice-Haus im Jahr 2008 sind nur die Spitze des Eisbergs gewesen, denn auch bei uns gibt es Alltagsrassismus und werden Menschen wegen ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder aufgrund ihrer Lebensweise diskriminiert.
Auf Schulhöfen und auch am Arbeitsplatz sind Sprüche wie „du schwule Sau“ oder „du blöder Türke“ Alltag und erzeugen ein Klima der Unsicherheit bei den Betroffenen.
Leider ist auch in unseren Reihen hier in der Bürgerschaft Rechtsextremismus weiterhin ein großes Problem,
denn seit den Bürgerschaftswahlen im Jahr 1991 hat es mit Ausnahme von 1995 bei jeder Wahl eine Partei des rechten Spektrums in die Bürgerschaft geschafft. Das ist nicht hinzunehmen!
Für mich, und ich denke, für die meisten in diesem Raum, ist es dabei auch zweitrangig, ob es sich dabei um eine rechtsextremistische Partei wie die DVU oder die NPD handelt oder um sogenannte rechtspopulistische Parteien wie die Bürger in Wut von Herrn Timke.
All diesen Parteien ist eines gemein: Sie gehen von einem homogenen und statischen Kulturbegriff aus, der unsere Gesellschaft zwangsläufig in ein „wir“ mit der deutschen Leitkultur und in ein „die“ unterteilt.
(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN – Abg. T i m - k e [BIW]: Sie müssen einmal das Programm lesen!)
Das habe ich gemacht! Dazu komme ich gleich auch noch! All diese Parteien lehnen den Begriff des Multikulturalismus ab, für sie ist er gar ein Schimpfwort. Für mich, und ich hoffe, für die meisten ist es das auch nicht. Ich sage, wir haben heute mehr Multikulturalität in diesem Land als je zuvor, und ich sage auch, das ist gut so!
Ich mache auch deshalb keinen Unterschied, weil sowohl Rechtsextreme als auch Rechtspopulisten mit den Ängsten der Menschen vor Neuem und dem vermeintlich Fremden spielen, um mit diesen Ängsten gern Wahlkampf zu machen. Sie nehmen dabei bewusst in Kauf, dass damit ein Klima geschaffen wird, in dem rechte Gewalttaten erst ermöglicht werden, denn solche Taten kommen nicht aus dem Nichts, sondern bedürfen eines entsprechenden gesellschaftli
chen Umfelds. Der Rechtsextremismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft, wie die Kollegin Neddermann schon gesagt hat, was die Partei von Herrn Timke – das kann man gern auf der Internetseite nachlesen – als These rundweg ablehnt.
An dieser Stelle kann ich mir leider auch einen kleinen Seitenhieb auf die Kolleginnen und Kollegen der CDU nicht verkneifen. Ich finde es erschreckend, dass Sie sich die Partei
Bürger in Wut als Mehrheitsbeschaffer für Ihren Antrag für den Untersuchungsausschuss an die Seite geholt haben.