Der vorliegende Antrag richtet sein Augenmerk genau auf dieses Umfeld des Alltagsrassismus, indem er fordert, die Verbreitung der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus in der Mitte der Gesellschaft zu untersuchen. Was nützt es uns, wenn wir uns über die 4 000 Bremerinnen und Bremer freuen, die am 30. April 2011 auf die Straßen gegangen sind, wir aber gleichzeitig nicht wissen, wie viele von denen, die zu Hause geblieben sind, den Nazis ganz oder zumindest in Teilen zustimmen? Genauso wenig hilft es, wenn wir in unserem Kopf beim Thema Rechtsextremismus immer noch einen jungen Mann in Springerstiefeln sehen. Rechtsextremismus ist längst vielfältig, auch wenn dieser Begriff beim Thema Rechtsextremismus eigentlich ein Paradoxon ist und ich auch die Frage stelle, ob es jemals anders war.
Der alltägliche Rassismus kommt bieder daher und wird auch von älteren Menschen und Frauen vertreten, deshalb müssen wir unser Augenmerk auch auf diese Bevölkerungsgruppe richten, um wirksame Strategien zu entwickeln. Deswegen halten wir auch den Ergänzungsantrag der LINKEN für sehr sinnvoll.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg hat als Reaktion auf die schrecklichen Anschläge auf das Jugendlager der Arbeiterpartei in Norwegen gesagt, dass die norwegische Gesellschaft mit mehr Offenheit antworten wird. Ich denke, das ist auch für uns der richtige Weg bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus.
Wir brauchen die Offenheit, fremdenfeindliche Ressentiments in unserer Gesellschaft zu benennen, aber
wir brauchen auch den Mut, uns offen zu unserer multikulturellen Gesellschaft mit allen Schwierigkeiten, Chancen und Bereicherungen zu bekennen, die sie uns bringt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen ausdrücklich den Auftrag, den die Bürgerschaft hier formulieren wird. Einen Bericht über Rassismus und Rechtsextremismus, aber vor allem auch über antifaschistische Strategien und Ansätze brauchen wir dringend wieder. Der letzte Bericht dieser Art war aus dem Jahr 2008, und der davor sogar aus dem Jahr 2000. Frau Neddermann hat gesagt, welche Anlässe wir hatten, öffentlich darüber zu diskutieren, das ist ein bisschen das Bedrückende. Wir müssen diese Berichterstattung eigentlich kontinuierlich fortführen und nicht nur dann, wenn hier die NPD marschiert, denn der Antrag zielt auf die richtigen Dinge, er zielt auf Rechtspopulismus und Rassismus in der Mitte der Gesellschaft, was ein Phänomen ist, das stetig zunimmt. Frau Neddermann hat schon auf Herrn Heitmeyer hingewiesen, und das, was er in seiner letzten Studie festgestellt hat, geht ja noch weit über das hinaus, was er in seinen ersten Studien vor ein paar Jahren festgestellt hat. Antifaschistisches Engagement läuft auf vielen Ebenen kontinuierlich, deswegen halten wir diesen Antrag auch für wichtig, es hat nämlich immer Konjunktur. Es gibt viele Initiativen, viele Institutionen, Gruppierungen und Einzelpersonen, die sich immer engagieren, auch dann, wenn das Thema Antifaschismus nicht in den Medien ist, und ich glaube, auch für sie ist dieser Antrag ein wichtiges Zeichen. Wir sind davon überzeugt, dass das auch als Botschaft ankommt. Die Bürgerschaft steht in ihrer Mehrheit gegen Nazis, Rechtsextreme, Chauvinismus, Sozialdarwinismus, rechte Geschichtsverdrehungen und sogenannten Rechtspopulismus, der nichts anderes ist als eine schon lange existierende Strategie, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit außerhalb der rechtsextremen Szene populär, gesellschafts- und mehrheitsfähig zu machen. Die Bürgerschaft ist gegen alles das und nicht nur, wenn gerade die schlimmsten Ereignisse das Thema aktuell machen und öffentlich wirksam darüber gesprochen wird. Das sollten wir hier festhalten, denn sonst erwecken wir hier einen falschen Eindruck. Wir wollen, dass diese Problematik immer und kontinuierlich erfasst wird und dass wir das immer im Blick haben, denn es stimmt: Bremen ist mehrheitlich weltoffen, tolerant und von Vielfalt geprägt, wie es in dem ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Antrag heißt, aber Bremen ist deswegen leider sicher nicht frei von Spielarten menschenverachtender Ideologien und Fremdenfeindlichkeit. Es gibt offen auftretende Neonazis, meine beiden Vorrednerinnen haben schon auf die Vorfälle im letzten Jahr hingewiesen, deswegen werde ich das jetzt nicht wiederholen. Ich will aber noch einmal sagen, die NPD hat sich in Bremerhaven aufgrund der dortigen sozialen und wirtschaftlichen Situation große Chancen ausgerechnet und wichtige Kader aus Sachsen nach Bremen in den Wahlkampf geschickt. Diese Szene hat beste Kontakte zur militanten Szene und auch zum damaligen „Thüringer Heimatschutz“, aus der, wie wir jetzt wissen, der NSU hervorging. Das belegt, wie eng die Verbindungen innerhalb der Naziszene sind, und das zeigt auch, dass wir Bremen nicht herausnehmen dürfen, nur weil die Nazis hier schwächer sind als in anderen Städten oder Bundesländern. DIE LINKE fordert wissenschaftlich arbeitende zivilgesellschaftliche Zentren zur Beobachtung von Rechtsextremismus und Rassismus, denn Erkenntnisse über Nazis sind längst vorhanden. Meistens waren antifaschistische Institutionen schon Jahre vor entstehenden Nazistrukturen und Veränderungen vorhanden, lange bevor sie bei den Behörden ankommen. Der Antrag – und deswegen finden wir ihn gut – geht ein Stück weit in diese Richtung. Die Bedeutung und das Engagement nicht staatlicher Organisationen soll zusammengestellt und gewürdigt werden, ja, unbedingt, das finden wir auch! Besser wäre es natürlich, nicht nur zu würdigen, sondern antifaschistisches Engagement praktisch anzuerkennen und, wo es geht, zu unterstützen. Auch dafür werbe ich hier noch einmal. Uns interessiert an diesem Antrag etwas, was wir hier vielleicht auch noch einmal diskutieren müssten, nämlich die schulische und außerschulische Jugendbildungsarbeit. Wir haben leider die Befürchtung, dass es Exkursionen zu den Gedenkstätten und Besuche der Gedenkstätten heute viel seltener gibt als noch vor zehn oder 20 Jahren. Wir denken, dass man auch in Zeiten knapper Kassen dringend gegensteuern muss. Eine Befragung des Forsa-Instituts hat vor Kurzem herausgearbeitet, dass 21 Prozent der Befragten zwischen 18 und 30 Jahren nicht wussten, dass Auschwitz ein Vernichtungslager der Nazis war. Ich finde, hier besteht dringender Handlungsbedarf, und das müssen wir gemeinsam mit den Beteiligten angehen.
Wir finden den Antrag aus den genannten Gründen gut und werden ihm zustimmen. Die Grünen und die SPD haben schon signalisiert, dass sie unseren Punkt, der die sogenannten Mischszenen zwischen Nazis, Hooligans und Rockern betrifft, mit aufnehmen, denn auch diese Sache müssen wir natürlich beobachten. Ich sage einfach, wir brauchen einen solchen Bericht im Grunde kontinuierlich jedes Jahr,
denn wir müssen den Kampf gegen Rassismus und Nazis aufnehmen und kontinuierlich weiterführen. – Ich danke Ihnen!
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich auf der Besuchertribüne Herrn Bürgermeister Teiser aus Bremerhaven, der wahrscheinlich im Rahmen des Girls’ Day das Haus besucht. – Seien Sie herzlich willkommen!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rassismus und extremistische Strukturen sind eine große Gefahr für unsere gesellschaftliche Grundordnung und innere Sicherheit, das ist uns, glaube ich, allen klar. Die Mordtaten und Raubüberfälle auf Banken der NSU-Gruppe zeigen überdeutlich, wie gefährlich und menschenverachtend der Rechtsextremismus ist. Eine vergleichbare Gefahr hat es in Deutschland in den letzten Jahrzehnten nur durch die RAF und deren Nachfolgerorganisationen aus dem Linksextremismus gegeben.
Die CDU-Fraktion spricht sich deshalb eindeutig gegen jede Form der politisch motivierten rechten oder linken Gewalt und natürlich auch gegen den religiös begründeten Fanatismus aus.
Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass wir hier heute in der Bürgerschaft viele Schülerinnen und Schüler haben, ist es, glaube ich, wichtig, dass wir uns nicht nur auf die rechte Gewalt und auf die rechten Gefahren beschränken, sondern wirklich mit einbeziehen, was auch aus dem Linksextremismus oder aus dem religiös bedingten Fanatismus herrühren kann.
Der vorliegende Antrag der Koalition beschränkt sich auf die Weiterführung der Berichterstattung zur Auseinandersetzung zu Rassismus und Rechtsextremismus. Ich hatte schon darauf hingewiesen und Frau Neddermann auch, nach den unmenschlichen Taten des NSU über einen Zeitraum von immerhin zehn Jahren ist es sicherlich ein berechtigtes und auch notwendiges Anliegen. Auch der Überfall im Ostkurvensaal des Weserstations durch rechtsradikale Hooligans im Jahr 2007 sowie der Angriff auf die Jugend––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
bildungsstätte Lidice-Haus im Jahr 2008 lassen erkennen, dass rechtsextremistisches Gedankengut sowie eine entsprechende Gewaltbereitschaft in Bremen verbreitet sind. Wir dürfen bei diesen Taten aus dem Rechtsextremismus jedoch nicht übersehen, dass auch aus dem linksextremistischen Bereich Gefahren für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung drohen.
Wer den gestern veröffentlichten Verfassungsschutzbericht aus Niedersachsen schon studieren konnte, wird wissen, dass gerade in dem Bereich auch umfangreich auf Gefahren hingewiesen wird. Sowohl die polizeiliche Kriminalstatistik als auch diverse Verfassungsschutzberichte weisen in den letzten Jahren eine zunehmende Kriminalität linksextremistischer Delikte aus.
Dabei ist insbesondere eine zunehmende Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte in diesem Bereich festzustellen.
Im Antrag der Koalition wird darauf hingewiesen, dass rassistisches Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft Wurzeln hat, Frau Neddermann hat auf eine Studie von Herrn Heitmeyer hingewiesen. Herr Professor Dr. Stöss von der Universität Berlin hat in einer Veröffentlichung dargestellt, dass seiner Einschätzung nach circa 20 Prozent aller Deutschen empfänglich sind für extremistische Aktionen. Weiterhin führt er aus, dass sowohl Rechts- als auch Linksextremisten ihre Parolen bei sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen einbringen und dort ein hohes Gewaltpotenzial in beide Richtungen entfaltet wird.
Auch die Gefahren, die von religiös begründetem Fanatismus ausgehen, sind nach Ansicht der CDUFraktion – ich hatte schon darauf hingewiesen – nicht zu unterschätzen. Auch hier verweise ich wieder auf den gestern veröffentlichten Verfassungsschutzbericht aus Niedersachsen, in dem die Salafisten als nicht zu unterschätzende Gefahr dargestellt werden. Mehrere Terroranschläge aus diesem Kreis, wie Sie sicherlich wissen, konnten nur in letzter Minute verhindert werden, und – wie Sie sicher auch wissen – die Morde an zwei amerikanischen Soldaten am Frankfurter Flughafen vor einem Jahr waren religiös motiviert.
Auch wenn der Antrag der Koalition sich ausschließlich auf die Untersuchung des Rechtsextremismus in unserem Land beschränkt, stimmen wir diesem zu. Wir hätten uns aber gewünscht – und das ist, glaube ich, aus meinem Beitrag deutlich geworden –, dass die Koalition auch die vorhandenen Gefahren aus dem Linksextremismus und dem religiösen Fanatismus mit einbezogen hätte.
Noch ein Wort zu Frau Ryglewski! Sie haben uns den Vorwurf gemacht, wir hätten mit Herrn Timke sozusagen gemeinsame Sache gemacht, weil wir mit ihm zusammen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragt haben. Ich verstehe Ihr Demokratieverständnis an dieser Stelle nicht so ganz: Wenn es nur über ein bestimmtes Quorum möglich ist, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen,
(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Sie hät- ten uns ja einmal fragen können! – Abg. T s c h ö p e [SPD]: Alle anderen waren ja bereit mitzumachen!)
dann sollten Sie sich vielleicht noch einmal Gedanken darüber machen, was Sie hier einfach so in den Raum werfen!
Zum Änderungsantrag der LINKEN! Sie sprechen davon, dass Hooligans in Bremen häufig für gewaltsame Auseinandersetzungen mitverantwortlich sind, zum Beispiel am Rande von Fußballspielen. Frau Vogt, offensichtlich ist Ihnen der tatsächliche Hintergrund nicht bekannt! Wenn Sie sich mit der Szene auskennen würden, wüssten Sie, dass dort die Ultras in der Regel für diese Gewalttaten verantwortlich sind. Die Ultras sind, das ist, glaube ich, auch kein Geheimnis, und das sollten Sie wissen, in Bremen eher dem linken Spektrum zuzurechnen, in anderen Bundesländern im Übrigen auch.
Wir werden uns bei dem Antrag der LINKEN enthalten und dem Antrag der Koalition zustimmen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal lassen Sie mich sagen, dass ich mich sehr darüber freue, dass alle Fraktionen unserem Antrag zustimmen. Ich denke, dass es genau das richtige Zeichen ist, das wir hier damit setzen.
Allerdings habe ich den Eindruck, dass man keine Debatte über Rechtsextremismus führen kann, ohne dass dabei der Begriff Linksextremismus fällt.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. S e n k a l [SPD]: Und auch nicht mehr hören!)
Lassen Sie mich bei dieser Debatte vorweg sagen, dass wir Grüne jede Form von politischer Gewalt ablehnen und dass das Gewaltpotenzial bestimmter links stehender Gruppierungen sicherlich nicht zu verharmlosen, sondern klar abzulehnen ist! Trotzdem sind bei dieser Debatte zwei qualitative Aspekte zu beachten. Wie ich eben schon in meinem ersten Redebeitrag betont habe, sind rechtsextremistische Ideologien in Teilen der Gesellschaft anschlussfähig, sie haben eine bestimmte Strahlkraft, die unsere Demokratie gefährden.
Rechtsextremistische Gewalt ist in ihrer äußersten Form massiv vorhanden. Menschen werden wegen ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung, auch wegen ihrer politischen Einstellung oder ihres Kleidungsstils zu Opfern rechtsextremistischer Gewalt. Oftmals ist es aber auch einfach nur reine Willkür, warum Menschen von Nazis angegriffen werden. Es gibt nicht nur Hetzjagden, Angriffe auf Geschäfte und Schlägereien, sondern auch rechtsextrem motivierte Morde. Seit dem Jahr 1990 gibt es in Deutschland mindestens 180 Menschen, die von Nazis umgebracht wurden. Das spricht auch für die Notwendigkeit unseres Antrags,
und es spricht auf jeden Fall dafür, dass wir das Thema Rechtsextremismus hier besonders anschauen wollen. Es ist Zeit, die unsäglichen Ismus-Gleichsetzungen endlich zu beenden, die nur von der eigentlichen Aufgabe ablenken, nämlich dem Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus.