Erstens: Aus welchen Gründen hat der Senat die CEON GmbH zum 30. Juni 2012 aufgelöst und die Mitgliedschaft im europäischen Netzwerk DORIS-Net gekündigt?
Zweitens: Durch wen und in welcher Form sollen nach Auffassung des Senats die bisher von der CEON GmbH wahrgenommenen Aufgaben fortgeführt werden, vor allem auf dem Gebiet der maritimen Sicherheit?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:
Zu Frage 1: Vor dem Hintergrund der wesentlichen Standortrelevanz von Raumfahrt und maritimer Wirtschaft sowie der beiden Raumfahrt-Leitvorhaben der EU – GMES und Galileo – wurde auf der Basis eines Wirtschaftsdeputationsbeschlusses vom Juni 2009 die CEON GmbH als landeseigene Institution mit einer auf drei Jahre befristeten landesseitigen Anschubfinanzierung gegründet. Der diesbezügliche Beschluss beinhaltete zwei zentrale Zielsetzungen. Einerseits sollte CEON sich nach Ablauf der drei Jahre vollständig aus eigenen Einnahmen finanzieren. Eine Förderung über drei Jahre hinaus wurde also ausgeschlossen. Andererseits sollte angestrebt werden, CEON nach der Aufbauphase in private Trägerschaft – namentlich die Bremer Raumfahrtindustrie – zu überführen. Aus Sicht dieser Unternehmen wird die Vermarktung der eigenen Kompetenzen und Technologien über das neu entstandene Bremer Netzwerk für maritime Sicherheit MARISSA als zielführender erachtet.
Dieses Szenario sowie vor allem die vorgesehene Einrichtung einer Forschungsgruppe „Maritime Sicherheit“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, DLR, in Bremen mit 90-prozentiger Bundesfinanzierung haben zu der Entscheidung geführt, die Aufgaben von CEON in diese neue Bremer Forschungsgruppe des DLR in Kooperation mit MARISSA zu überführen.
Der Senat hat die Mitgliedschaft im europäischen Netzwerk DORIS-Net nicht gekündigt. Derzeit wird über die Aufgabenverteilung im Netzwerk verhandelt.
Zu Frage 2: Der Aufbau einer DLR-Forschungsgruppe für maritime Sicherheit in Bremen bietet die Gelegenheit, die bereits seit sechs Jahren in der Hansestadt entfalteten satellitengestützten Aktivitäten zu integrieren und in einem institutionell bundesseitig abgesicherten Rahmen weiterzuführen. Gleichzeitig werden über das durch die Industrie getriebene Netzwerk MARISSA die Interessen der Bremer Wirtschaft in die weitere Entwicklung voll einbezogen. Mittels der grundsätzlichen Überführung der von CEON durchgeführten Aufgabenfelder in das DLR erhalten diese eine bessere Sichtbarkeit auf nationaler und internationaler Ebene. Zudem bieten die Strukturen des DLR eine bessere überregionale Abstimmung bei Forschung und Entwicklung. Dies wird perspektivisch zu einer Ausweitung des Aktionsradius der in MARISSA koordinierten Aktivitäten der Bremer Industrie führen. In diesem Kontext werden der Bremer Wirtschaft darüber hinaus neue Zugänge zu Märkten und Projekten erschlossen. – Soweit die Antwort des Senats!
Sie wissen aus eigener Erfahrung, Herr Staatsrat, dass CEON für Bremen in Brüssel eine sehr anerkannte und wesentliche Rolle im Netzwerk NEREUS – in dem die Regionen vertreten sind, die Raum- und Luftfahrt anwenden – und unter anderem als sogenannter LeadPartner in dem großen Projekt DORIS-Net gespielt hat. Glauben Sie, dass Bremen diese Rolle spielen kann und ganz konkret auch in dem Projekt?
Wir sind da sehr zuversichtlich. Bremen wird weiterhin eine führende Rolle in Netzwerken wie GMES und Galileo spielen. Wir hatten kürzlich den Raumfahrtdirektor der Europäischen Kommission, Herrn Weizenberg, hier in Bremen, der das ausdrücklich bestätigt hat. Wir sind sehr eng mit den zuständigen Institutionen der Europäischen Kommission vernetzt. Wir werden weiter daran arbeiten, und wir sind eher gestärkt, das möchte ich auch deutlich betonen, denn es kommen zusätzliche Mittel über die Aktivitäten des DLR nach Bremen, und es werden Bremer Aktivitäten sein. Ob der Name CEON dann verschwindet oder auch als Name im Bereich des DLR bleibt, ist noch überhaupt nicht entschieden. Wir wollen ganz eindeutig diese europäische Aufgabe weiter wahrnehmen. Ich glaube, wir – das heißt die politischen Gremien, die wissenschaftlichen Institutionen und die Wirtschaft – haben da große Kompetenzen, die in anderen Regionen so nicht vorhanden sind.
Mich würde interessieren, ob der Senat vorab die Partner bei NEREUS und auch in dem Netzwerk DORIS-Net von der Entscheidung informiert und damit auch dafür gesorgt hat, dass es in dem Projekt einen Übergang gibt? Wer wird denn die Aufgaben von CEON jetzt übernehmen?
Der Senat hat sie sicherlich nicht informiert, aber wir sind im Netzwerk NEREUS ja sehr aktiv vertreten, nehmen dort über unseren Bremer Vertreter in Brüssel eine ganz aktive Rolle wahr, und der wird die Partner informiert haben, das hat er mir jedenfalls so gesagt. Wir werden Personen haben, die diese Aufgaben wahrnehmen. Es werden nicht die jetzigen Geschäftsführer sein, das ist richtig, sie werden aber nicht arbeitslos. Sie wollten diese Aufgabe im Rahmen des DLR nicht weiter wahrnehmen, also werden es neue Personen sein. Ich mache mir da aber keine großen Sorgen, weil die Kompetenzen hier in Bremen in diesem Feld doch sehr hoch
sind. Dies ist in ausgiebiger Abstimmung mit den beiden Unternehmen, insbesondere mit OHB, erfolgt. Ich glaube, dies ist dabei auch sehr wichtig zu wissen.
Wir haben für CEON vor einigen Jahren ja das Institut an der Hochschule Bremen geschlossen, um alles zusammenzuführen. CEON war als Zentrum für die fortlaufende Markterkundung, Markterschließung und für die Anwendung aus den beiden großen Projekten gedacht. Haben Sie etwas Verständnis für meine Skepsis, dass wir das im Rahmen von DLR und MARISSA, die den Fokus ja doch enger machen, auch wirklich werden weiterführen können, wie wir es eigentlich gewollt haben?
Ich habe Verständnis dafür, das einmal vorweg. Wir sind aber in einer Situation, in der die Deputation beschlossen hat, dass das Projekt definitiv am 30. Juni 2012 ausläuft. Wir wollten nicht wieder in die Deputation kommen und sagen, wir brauchen weitere Mittel, um CEON fortzuführen. Andererseits haben die beiden Bremer Raumfahrtunternehmen erklärt, sie sehen es für sich als nicht zielführend an, in die Gesellschafterrolle einzusteigen und die Finanzierung zu übernehmen. Im Übrigen hat sich aus unserer Sicht auch gezeigt, dass dies nicht ganz so glücklich ist, weil dann die Neutralität gegenüber wirtschaftlichen Interessen bei CEON auch nicht so gegeben wäre. Das Thema der Anwendung ist aber das zentrale Thema. Wir wollen nicht nur, dass Satelliten in die Luft geschossen werden, sondern wir wollen auch, dass dort dann vernünftige Anwendungen entwickelt werden, die wirtschaftlich tragfähig sind. Da habe ich die Erwartung, dass es im DLR-Verbund – und zwar hier in Bremen im DLR-Verbund, das ist auch klar – eigentlich sogar noch besser gehen dürfte, als es in der relativ kleinen Einheit des CEON gegangen ist. Das sind unsere Hoffnung und unsere Erwartung. Dass es bestimmte Irritationen gibt, kann ich nachvollziehen, weil damit ja auch Personen verbunden sind.
Herr Staatsrat, wie bewertet der Senat die Verwendung der GMES-Daten durch Frontex, nationale Militärs sowie der NATO vor dem Hintergrund, dass die Bremer Landesverfassung eine Wirtschaftsförderung vorschreibt, die einer friedlichen Entwicklung der Welt dient?
Ganz eindeutig und klar ist, dass unsere Förderung von GMES auf zivile Anwendungen ausgerichtet ist. Uns geht es um Themen wie Umweltschutz, maritime Sicherheit an der deutschen Küste, und das ist der Schwerpunkt von CEON, ganz eindeutig und klar. Ich will aber, wenn Sie die Frage Frontex und NATO ansprechen, Folgendes sagen: Natürlich wissen wir, dass all diese Tätigkeiten den Dual-Use-Charakter haben, auch anderweitig genutzt werden können. Das, was wir hier in Bremen machen, ist keine militärische Förderung.
Die folgende Frage zielt jetzt in eine andere Richtung, wobei ich auch noch einmal zu bedenken gebe, dass die SAR-Lupe, die hier entwickelt worden ist, bei Frontex eingesetzt wird und Teil von CEON war.
Ich sagte, die SAR-Lupe, die hier entwickelt worden ist, war auch Teil eines Projekts, das im Zusammenhang mit CEON entwickelt worden ist, und sie wird bei Frontex eingesetzt. Ich habe aber jetzt eine Frage hinsichtlich der Zielsetzung von MARISSA, denn MARISSA hat unter anderem auch das Aufgabenfeld mit dem Namen Protection of Resources, das heißt Protection against intruders, privacy and illegal fisheries. Dort ist Rheinmetall Defence Electronics GmbH führend, und es ist unter anderem ein Projekt, das auch für die Flüchtlingsabwehr entwickelt wird.
Da Sie SAR-Lupe angesprochen haben, möchte ich darauf erst einmal eingehen. Erstens, SAR-Lupe und CEON haben nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun. Das muss man ganz deutlich sagen, weil SAR-Lupe in der Tat ein militärisches Objekt ist, und es ist überhaupt nicht zulässig – ich hätte auch gern einmal Bilder gesehen –, und Sie wissen, dass dort eine ganz klare Trennlinie gezogen worden ist. CEON hat nichts mit SAR-Lupe zu tun. Allerdings sage ich Ihnen auch ganz eindeutig, SAR-Lupe ist ein außerordentlich erfolgreiches Projekt der Bremer Firma OHB, auf das wir stolz sind.
Es ist ein Projekt der Hochtechnologie. Die USA sind inzwischen daran interessiert, es zu übernehmen, und wir müssen daran interessiert sein, dass solche Hochtechnologien in Bremen entwickelt werden. Aber ganz deutlich: Dafür gibt es keine Förderung aus Bremen, und CEON hat damit nichts zu tun.
Ich kann nur noch einmal unsere Absicht und unsere Zielsetzung mit CEON und MARISSA, deswegen unterstützen wir sie, betonen. Wir haben hier in Bremen viele Firmen, die in der Sicherheitstechnik national und international eine führende Rolle spielen. Das sind sowohl die Firmen der Raumfahrtindustrie als auch die Firmen der maritimen Wirtschaft. Dazu gehören Firmen wie RDE, Signalis und andere. Das sind sehr viele Arbeitsplätze im Hochtechnologiebereich. In diesen Bereichen wird auch militärische Aufklärung betrieben, das ist richtig, es gibt den DualUse-Charakter. Ich kann es aber nicht ignorieren, denn es ist ein wichtiger Standortfaktor, es sind viele Arbeitsplätze hier in Bremen. Wir fördern mit den Mitteln der Bremer Wirtschaftsförderung keine militärischen Projekte, das ist ganz klar.
Ich ziele noch einmal darauf ab, dass MARISSA nun einmal das Aufgabenfeld Protection of Resources hat, und nach der Aufgabenbeschreibung von MARISSA selbst beinhaltet dies auch Forschung und Entwicklung von Möglichkeiten der Flüchtlingsabwehr.
Jetzt kommen wir in so eine Dialogsituation hinein, Herr Staatsrat und liebe Frau Vogt! Dies war jetzt keine klare Fragestellung.
Ich bewerte MARISSA ganz eindeutig positiv. Wir haben im nationalen Masterplan „Maritime Technologien“ mit dem Projekt MARISSA inzwischen bundesweit die Führungsfunktion, und dies ist im Wesentlichen ein ziviles Projekt. Ich habe Ihnen aber deutlich gesagt, dass es auf der Firmenebene natürlich Grenzsituationen gibt und auch militärische Projekte in Bremen durchgeführt werden. Wir als Bremer Senat, als Senator für Wirtschaft und Häfen fördern keine militärischen Projekte.
Herr Staatsrat, nur noch eine Frage, um den Weg der Struktur zu verstehen! Bisher war Bremen ja das Koordinierungsbüro für die GMES-Aktivitäten, das hat uns hier im Landtag ja auch häufiger beschäftigt. Meine Frage: Wie wird weiterhin diese Koordinierungsstelle wahrgenommen, wenn der Overhead jetzt ein ganz anderer ist, oder hat es dort Verschiebungen gegeben?
Wenn man sich die Historie ansieht, hatten wir zunächst das GMES Office Bremen, GOB, damit waren wir europaweit die Ersten, die ein solches GMES Office hatten. Wir haben es dann in CEON überführt, und wir überführen jetzt CEON in eine Forschungs- und Anwendungsgruppe innerhalb des DLR. Unsere Erwartung, das darf man ja noch einmal klar sagen, dass wir irgendwann diese öffentliche Finanzierung in eine private Finanzierung überführen können, ist nicht in Erfüllung gegangen. Dies gilt nicht nur in Bremen, das ist europaweit so. Private Träger für solche doch quasi auch öffentlichen Aufgaben zu finden, ist sehr schwierig. Deswegen ist es aber meines Erachtens jetzt der richtige Weg, in das DLR hier in Bremen zu gehen, dort zusätzliche Stellen zu schaffen, 90 Prozent bundesfinanziert. Wir werden uns mit 10 Prozent an den Kosten beteiligen müssen, damit werden wir noch in die Deputation gehen. Dies ist eigentlich der richtige Weg und garantiert, dass das, was wir vor sechs Jahren begonnen haben, auch langfristig erfolgreich hier in Bremen stabilisiert werden kann.
Meine Damen und Herren, für die Aktuelle Stunde ist von den Abgeordneten Kastendiek, Strohmann, Röwekamp und Fraktion der CDU folgendes Thema beantragt worden:
„Chaos-Baustelle JadeWeserPort: Löchrige Kaje überfordert Staatsrat – Senator Günthner, übernehmen Sie!“
Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner. Die Beratung ist eröffnet. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek.