In Bremen hat fast ein Drittel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Es handelt sich um eine große, wachsende und sehr heterogene gesellschaftliche Gruppe. Teilweise leben die Familien der ehemaligen Zuwanderer hier in der dritten oder vierten Generation, und viele von ihnen haben die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Es lassen sich persönliche Erfolgsgeschichten erzählen, genauso muss aber auch offen über Misserfolge gesprochen werden. Nach wie vor herrscht hier eine große Ungleichheit, die sich über alle gesellschaftlichen Bereiche erstreckt. Migrantinnen und Migranten sind zum Beispiel im öffentlichen Dienst, in Hochschulen, in Führungsetagen von Unternehmen unterrepräsentiert, aber sie sind bei den Schulabgängern ohne Schulabschluss überrepräsentiert.
Die Integrationspolitik ist eine Querschnittsaufgabe, der sich alle Ressorts stellen müssen. Insofern ist es richtig und wichtig, dass die Aufgabe der Integrationspolitik seit dieser Legislaturperiode in der Senatskanzlei an zentraler Stelle bearbeitet wird.
Der vorgelegte Entwicklungsplan, wie auch meine Vorrednerin Frau Dr. Mohammadzadeh gesagt hat, bildet dabei eine gute Grundlage. Er wurde unter breiter Beteiligung gemeinsam mit Migrantinnen und Migranten, aber auch mit dem Bremer Rat für Integration erarbeitet. Wichtige Bestandteile des Entwicklungsplans sind 14 Handlungsfelder. Positiv zu vermerken sind insbesondere die empfohlenen Ergänzungen neuer Handlungsfelder wie die Etablierung der Anerkennungs- und Willkommenskultur,
und die Aufnahme der Lebenssituation von Flüchtlingen. Langfristig müssen wir alle unsere Gesamtstrategien der Integrationsarbeit für und mit Menschen mit Migrationshintergrund neu überdenken. In Zukunft müssen auch die Chancen, die sich aus dieser Vielfalt ergeben, viel stärker betont werden und Schrit
Ich möchte an dieser Stelle ein kleines Beispiel bringen. Eine Migrantin hat einen Termin beim Amt für Soziale Dienste vereinbart, ruft die Sachbearbeiterin an und fragt, wie sie sie finden kann. Die Sachbearbeiterin antwortete, wenn Sie es aus Kasachstan nach Deutschland geschafft haben, finden Sie auch das Amt für Soziale Dienste. Das ist kein Einzelfall. Ich werde dies an dieser Stelle nicht kommentieren! Wir haben durchaus unterschiedliche Beispiele, aber ich glaube nicht, dass es zu unserer Willkommenskultur beiträgt.
Das Ziel der Integrationspolitik muss aber sein, dass irgendwann nicht mehr über Integrationspolitik gesprochen wird, sondern diese ganz alltäglich und unspektakulär im Alltag gelebt wird. Dabei soll es auch nicht darum gehen, den Leuten eine angebliche Leitkultur aufzudrängen, sondern unaufgeregt miteinander in der Schule, am Arbeitsplatz oder im Kleingarten zu leben und zu wirken. Ein schönes Beispiel ist der Sport. Niemand macht sich zum Beispiel noch Gedanken über den Migrationshintergrund der Spieler bei Werder Bremen und darüber, dass Spieler mit türkischer oder anderer Herkunft Tore schießen. Wenn wir auch in der Wirtschaft, in der Politik, in der Wissenschaft irgendwann einmal so weit sind, dann werden wir auch keine Integrationspläne mehr brauchen.
Bis es so weit ist, werden wir die Umsetzung des vorgelegten Entwicklungsplans aufmerksam und sehr kritisch begleiten. Vor allem wünschen wir uns am Ende des Zeitraums eine aussagekräftige Evaluation, damit Misserfolge deutlich, aber auch Fortschritte sichtbar werden. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor drei Wochen haben wir mit dem CDU-Ausschuss für Soziales einen Besuch bei der Frauengesundheit in Tenever gemacht. Dort konnten wir beispielhaft erleben, wie Integration in Bremen funktioniert. Frauen mit und ohne Migrationshintergrund kommen dort zusammen. Sie lernen mit- und voneinander, tauschen sich aus und gestalten auch ihre Freizeit zusammen. Ausflüge, Handarbeiten, Projekte mit Menschen mit Behinderung, Kurse, um Fahrradfahren zu lernen, Deutschkurse oder gemeinsames Kochen und Essen stehen auf dem Programm. Die Frauengesundheit in Tenever ist nur ein Beispiel dafür, dass das interkul––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Viele weitere große und kleine Initiativen, von denen manche in dem uns hier vorliegenden Entwicklungsplan Partizipation und Integration genannt werden, arbeiten im Land erfolgreich an der Integration. Da diese Gruppen aber fast alle durch finanzielle Enge und den daraus folgenden Existenzängsten mit Gegenwind arbeiten, kommen ihre Anstrengungen selten zur vollen Entfaltung.
Im Land Bremen leben ungefähr 176 000 Menschen mit Migrationshintergrund. Das ist fast ein Drittel der Bremer Bevölkerung. Menschen aus anderen Ländern und Kulturen sind uns herzlich willkommen. Wir gestalten Bremen gemeinsam. Mit manchen tun wir uns allerdings auch schwer und sie sich mit uns. Doch gerade ihre Integration und Teilhabe ist zu wichtig, um sie dem Zufall zu überlassen und sie nur gut zu wollen. Integration muss auch gut gemacht sein. Dafür brauchen wir einen gut durchdachten und tragfähigen Entwicklungsplan.
Es ist erfreulich, dass der Bremer Rat für Integration bei der Erstellung dieses Plans beratend gehört wurde, aber echte Mitarbeit sieht für mich dann doch noch etwas anders aus. Ziele und Maßnahmen von Anfang an mit den gesellschaftlich relevanten Akteuren zu erarbeiten, halte ich für wirkungsvoller als eine Abfrage auf Ressortebene. Ich möchte einen Entwicklungsplan, der die Aufgaben von politischen Akteuren und die Umsetzungszeiträume genau benennt; einen Plan, der für Bremen eine Gesamtstrategie aufzeigt, in der auch alle Projekte aus verfügbaren Bundes- und Europamitteln benannt und eingeplant werden; einen Plan, in dem nicht scheinbar willkürlich einige Projekte genannt werden, während andere nicht vorkommen; einen Plan, dessen Inhalt von Fachleuten, die sinnvollerweise extern zu suchen sind, evaluiert wird. Ich bin gespannt auf das von Ihnen angekündigte Evaluationskonzept. Wir werden die Entwicklung sehr aufmerksam verfolgen.
Der vorgelegte Entwicklungsplan scheint mir mit Blick auf die Erwartungen, die zumindest ich im Vorfeld an ihn hatte, nur halb fertig zu sein, denn viele Probleme dieser Stadt und Lösungsvorschläge dafür werden nicht benannt. Es wird eher propagiert, wir sind auf einem guten Weg, wir machen weiter so. Wobei ein „Weiter so“ schon allein aus finanziellen Gründen gar nicht möglich und an mancher Stelle auch einfach unklug ist. Es hat sich doch in den letzten Jahren längst gezeigt, dass mancher alter Weg, manche Initiative sich eben doch nicht bewährt hat. Die dort investierten Gelder könnten, würden sie an anderer Stelle eingesetzt, mehr Erfolg bringen.
Der Entwicklungsplan für die nächsten Jahre könnte sicherlich noch viel konkreter bisherige Probleme
benennen, und dann könnten Strategien entwickelt werden, die den Weg zum Ziel aufzeigen. Doch stattdessen steht dort an vielen Stellen sinngemäß, wir möchten gern, wir haben vor, wir planen in Zukunft,
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Für die Vergangenheit zu planen, ist ja auch eher schlecht!)
es sollte gemacht werden, oder auch, wir streben an. So ist Ihr Plan für mich kein wirklicher Plan, und er hat für mich eher Ähnlichkeit mit einer gut gemeinten Absichtserklärung. Dass ich mit dieser Erkenntnis nicht allein dastehe, zeigt mir letztendlich der Antrag der Koalitionsparteien. Darin werden einige Mängel des Entwicklungsplans schon einmal aufgegriffen, weshalb wir dem Antrag auch zustimmen werden. (Beifall bei der SPD)
Im Interesse aller Bremerinnen und Bremer mit und ohne Migrationshintergrund sollten wir dieses Papier als Diskussionsgrundlage für den weiteren Integrationsprozess in unserem Land nutzen. Wir sollten aber schon jetzt mit der Ausarbeitung des nächsten Plans beginnen. Denn eines hat dieser Entwicklungsplan im Überfluss: Entwicklungspotenzial. Entwickeln Sie das nächste Konzept so, dass es gezielt und sichtbar mit der Integration in Bremen vorangehen kann und dass die fortschreitende soziale Spaltung endlich aufgehalten wird!
Teilhabe und Integration sind – das möchte ich noch einmal betonen – zu wichtig, um sie nur gut zu wollen, es muss auch gut geplant sein. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Oktober letzten Jahres legte der Senat den Entwurf einer Konzeption zur Integration von Migrantinnen und Migranten vor. Schon knapp einen Monat später führte der Bremer Rat für Integration ein Experten-Hearing durch, in dem viele Änderungsvorschläge gemacht worden sind. Herausgekommen ist der vorliegende Entwicklungsplan Partizipation und Integration 2012 bis 2015. Er setzt auf 14 Handlungsfelder in verschiedenen Bereichen.
Erstens geht es um eine offene Kultur, das ist auch aus unserer Sicht die Grundvoraussetzung und hat ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
sich auch am geänderten Namen bemerkbar gemacht. Das Wort Integration unterscheidet zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Es geht nicht darum, dass sich die vermeintlich Fremden an die plötzlich einheitliche Mehrheitsgesellschaft anpassen. Das geht an der Realität vorbei. Es gibt weder eine einheitliche Mehrheitsgesellschaft, noch sind die 27 Prozent der Bevölkerung mit Migrationshintergrund homogen. Die heutige Gesellschaft ist vielfältig und komplex. Es ist daher nicht angemessen, dass die einen den anderen Bedingungen stellen. Was wir brauchen, sind Toleranz und entschiedener Antirassismus.
Es gibt viele, auch rechtliche Hürden zu einer gleichberechtigten Teilhabe der Menschen, die selbst eingewandert oder Angehörige von Zuwanderern sind. In Bremen sind das, wie auch meine Vorrednerinnen erwähnt haben, immerhin über 170 000 Menschen. Die wirtschaftliche Teilhabe ist durch die Benachteiligung im Bildungs- und Ausbildungssystems und auch auf dem Arbeitsmarkt erschwert. Die politische Teilhabe ist durch das Staatsangehörigkeitsrecht, das Wahlrecht und das Grundgesetz erschwert. Ein Ausschuss arbeitet ja gerade für ein bisschen mehr Wahlrecht.
Der Staat kann eine offene Kultur fördern und die Bedingungen verbessern, um gleiche Chancen und Teilhabe für alle zu schaffen. Der Senat macht da einige gute Vorschläge, zum Beispiel möchte er mehr Menschen mit Migrationshintergrund einstellen. Dafür gibt es auch dringenden Handlungsbedarf. Eine Anfrage meiner Fraktion aus dem Jahr 2008 ergab, dass damals nur 2,1 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst einen Migrationshintergrund hatten, in der Kernverwaltung sogar nur ein Prozent. Das Problem ist, dass der Senat kaum neu einstellt. Aus diesem Grund wird sich auch nur sehr langsam etwas ändern. Mit der aktuellen Personalpolitik wird es Jahrzehnte dauern, bis die Verwaltung ein Spiegelbild der Gesellschaft darstellt, so wie es der Senat anstrebt.
Bremen möchte zwar mehr Auszubildende mit Migrationshintergrund. Es wäre aber schade, wenn sie hinterher arbeitslos blieben. Auch im Bereich von Diskriminierung hat der Senat gute Ideen, an der Umsetzung hapert es aber. Er spricht richtigerweise von der Ausweitung rassistischer Vorurteile in Deutschland auch außerhalb des rechten Randes. Als Konsequenz bietet er das Netzwerk der Antidiskriminierungsberatung in Bremen an. Nur leider ist dieses Netzwerk dem Senat keinen einzigen Euro wert. Die ZGF macht die Koordinierung zusätzlich, ohne mehr dafür zu bekommen. Die Beratungsstellen sollen sich vernetzen, ohne den Mehraufwand entschädigt zu be
kommen. Wir haben deshalb im Haushalt eine halbe Stelle zur Vernetzungsarbeit und eine Beratungsstelle beantragt. Das haben Sie alle aber abgelehnt mit der Begründung, dass dafür kein Geld vorhanden ist.
Bremen hat im März die Offensive für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft unterschrieben. Darin wird auch das Ziel genannt, lokale Anlaufstellen einzurichten. Auch der Bremer Rat für Integration hat diese Forderung gestellt, SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sie leider ignoriert. Auch andere Forderungen des Bremer Rats für Integration wurden nicht aufgenommen, zum Beispiel die Forderung mehrerer Expertinnen und Experten aus dem Flüchtlingsbereich. Sie verlangen vom Senat, dass er sich für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes einsetzt. Dieses Gesetz legt Sozialleistungen für Asylbewerber und Geduldete fest, die weit unterhalb des Existenzminimums, bis zu 40 Prozent unter dem Niveau von Hartz IV liegen. Es ist menschenunwürdig und daher verfassungswidrig.
Eine Erhöhung steht schon seit dem Jahr 1993 aus. Spätestens seit dem Jahr 2010 war klar, dass es geändert werden muss. Auch wir sind für die Abschaffung dieses rassistischen Gesetzes. Es würde natürlich mehr kosten, aber Menschenwürde ist keine Verhandlungssache.
Insgesamt beinhaltet der Entwicklungsplan einige gute Ansätze und Vorschläge, andere wurden ausgelassen. Der Name Entwicklungsplan ist aber auch Programm, denn es gibt noch einiges zu entwickeln, zum Beispiel Kriterien, anhand derer der Erfolg oder die Entwicklungen in den einzelnen Bereichen gemessen werden können, konkrete Maßnahmen zum Erreichen der Ziele und Geld zur Förderung der Ziele. Am politischen Willen fehlt es an einigen Stellen auch noch, aber wir haben ja noch drei Jahre zusammen.
Den Antrag der Koalition werden wir unterstützen, aber es wäre auch einmal gut, nicht nur zu evaluieren, sondern konkret Geld in die Hand zu nehmen. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns in dieser Debatte mit der notwendigen Frage, wie es ge
lingen kann, alle Menschen, gleich welcher Herkunft, welcher kulturellen oder religiösen Überzeugung, in ein gemeinsames Gestalten unseres Lebens in den Quartieren, in den Stadtteilen in Bremen und Bremerhaven einzubeziehen.