Protokoll der Sitzung vom 06.06.2012

lingen kann, alle Menschen, gleich welcher Herkunft, welcher kulturellen oder religiösen Überzeugung, in ein gemeinsames Gestalten unseres Lebens in den Quartieren, in den Stadtteilen in Bremen und Bremerhaven einzubeziehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Entscheidend ist dabei die Frage, wie es noch besser möglich werden kann, voneinander zu lernen und gegenseitig zu profitieren, ganz im Sinne eines erweiterten Integrationsgedankens, nämlich dessen, was wir Inklusion nennen. Es geht um die Haltung, einander in aller Vertrautheit und aller Fremdheit ernst zu nehmen und sich gegenseitig an dieser Vielfältigkeit zu bereichern, alle Bevölkerungsgruppen gegenseitig in der Vielfältigkeit ihrer Biografien, ihres Alltags, ihrer kulturellen Überzeugung und Gewohnheiten und auch ihrer religiösen Überzeugung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir alle wissen, gerade wenn es um die unterschiedlichen religiösen Überzeugungen und Gewohnheiten geht, wird es teilweise auch in unserem schönen weltoffenen Bundesland Bremen schwierig. Es kann schwierig werden mit dem gegenseitigen Respekt und Verständnis, zum Glück nicht immer und überall. Wir alle wissen aber, dass es Situationen gibt, in denen irrationale Ängste keimen, die häufig zu diffuser Ablehnung des Fremden auf allen Seiten führen. Dabei kommt es vor, dass nicht religiöse Menschen religiöse Menschen nicht verstehen, Menschen christlichen, muslimischen oder jüdischen Glaubens sich häufig gar nicht oder auch Menschen formal gleichen Glaubens, aber unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften sich gegenseitig auch nicht verstehen und mit Misstrauen begegnen. Was für ein Gewimmel von potenziellen Missverständnissen und Ressentiments! Aus diesem Grund schlagen wir einen gemeinsamen Religionsunterricht in den Bremer Schulen für alle Schülerinnen und Schüler vor. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben wir bereits als Ziel formuliert, dass in unseren Schulen ein Unterrichtsfach Religion angeboten werden soll, in dem alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam Kenntnisse über die verschiedenen Religionen, deren Ausübung, deren Geschichte und deren Kritik wertfrei vermittelt bekommen sollen. Uns ist besonders wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler miteinander ins Gespräch kommen über ihre Überzeugungen, ihre Erfahrungen, ihre Rituale und darüber, wie sich ihre Religionen auf ihren Alltag auswirken. (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Dieser Unterricht muss freiwillig bleiben, so ist es durch unsere Verfassung vorgegeben. Wir hoffen aber,

dass es gelingen wird, diesen Unterricht für alle so attraktiv zu machen, dass er von Kindern und Jugendlichen mit christlichen, muslimischen, jüdischen oder anderen religiösen Hintergründen und auch von Schülerinnen und Schülern aus nicht religiösen Elternhäusern besucht werden wird. Die ernsthaften und konstruktiven Gespräche mit dem Bürgermeister, mit der Bildungssenatorin, mit den Kirchen und anderen Glaubensgemeinschaften stimmen mich vorsichtig optimistisch, dass wir da auf einem guten Weg sind. Wir sind davon überzeugt, dass das Wissen über die eigene und fremde Religion ein notwendiger Bildungsinhalt ist, der erheblich zum Verständnis unserer und anderer Kulturen und zum gegenseitigen Verständnis beiträgt. Wir sind davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, diesen Unterricht gemeinsam durchzuführen, sodass gegenseitig nachgefragt und diskutiert werden und so auch in diesem Bereich das gegenseitige Verständnis füreinander wachsen kann. Wenn wir einander besser verstehen, werden wir uns auch im Alltag besser aufeinander beziehen und miteinander unser Leben und unser Bundesland gestalten können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Natürlich, und das ist völlig klar, kann ein Unterrichtsfach nicht alle Integrations- und Partizipationsaufgaben lösen, aber wir gehen davon aus, dass ein solcher Unterricht einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, religiöse Vielfalt zu leben und anzuerkennen, gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung zu entwickeln und so auch Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung zu verhindern, ganz so wie es im Entwicklungsplan Partizipation und Integration gefordert wird. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohammadzadeh.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst dafür bedanken, dass unser Antrag hier eine so breite Zustimmung gefunden hat, denn mit diesem Antrag, meine ich, heben wir die zentralen Bereiche der Integration, Bildung und Beschäftigung hervor. Wir wissen auch, dass es eine Herausforderung ist, aber wir wollen damit zeigen, dass wir die Ansätze des Entwicklungsplans unterstützen und diese Themenbereiche ressortübergreifend sind. Es ist nicht nur die Aufgabe des Bereichs Integration, sondern sie ist viel breiter, und das wollen wir mit diesem Antrag zum Ausdruck bringen.

Ich möchte gern etwas in die Richtung der CDU sagen. Frau Grönert, herzlichen Dank, dass Sie unserem Antrag zustimmen, aber es hilft uns nicht weiter, wenn Sie die Stellungnahme des Rats für Integration, seine Kritik bezüglich des Entwicklungsplans, die wir ja auch für unsere zukünftige Integrationspolitik zur Kenntnis nehmen und aufgreifen, hier einfach vortragen. Es wäre gut, wenn Sie sich selbst mit dem Entwicklungsplan auseinandersetzen würden.

Führen Sie sich die Geschichte dieses Integrationskonzepts beziehungsweise des heutigen Entwicklungsplans einmal vor Augen! Seit dem Jahr 1999 setzen wir uns mit diesem Thema auseinander, und zum ersten Mal in der Geschichte Bremens, aber auch, wie ich meine, der Bundesrepublik haben wir es geschafft, solch ein Hearing, solch ein Beteiligungsverfahren für ein Integrationskonzept und eine Integrationspolitik vorzuschalten, bevor dieser Plan umgesetzt wird. Das ist einmalig, das muss man anerkennen. Ich finde, dass auch die Kritikpunkte, die bei diesem Hearing angesprochen worden sind, im Großen und Ganzen in vielen Handlungsfeldern aufgenommen worden sind. Dafür bedanke ich mich herzlich!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich möchte es nicht behaupten, aber ich meine, sagen zu können, weil ich mich schon seit vielen Jahren in dieser Szene bewege, so weit waren wir in der Integrationspolitik in Bremen noch nie, insofern ist auch das anerkennungswürdig.

In die Richtung der LINKEN! Herr Tuncel, ich kann Ihnen nur eines sagen: Ich lade Sie ein, mit mir an den Diskussionen mit dem Rat für Integration teilzunehmen, denn Sie haben überhaupt nicht über das Thema gesprochen. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich über die überwiegend freundliche Aufnahme dieses Entwicklungsplans und nehme es auch als Kompliment für den Prozess, der zur Erarbeitung dieses Plans geführt hat.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dieser Prozess drückt etwas aus. Wir machen keine Politik für Migrantinnen und Migranten, sondern wir machen Politik im Dialog mit Migrantinnen und Migranten.

Dieser Plan ist auf folgende Weise entstanden: Er ist natürlich eine Vorlage, die durch die Abfrage in den Senatsressorts entstanden ist. Er ist aber als Ent

wurf an den Rat für Integration gegangen und durch ein Hearing begleitet worden. Dann ist er noch einmal in den Ressorts aufgenommen worden und danach in den Parlamentsausschuss gegangen. Mit den dort gemachten Anmerkungen ist er wieder zurück an den Senat gegangen, und dann haben wir daraus ein Ganzes gemacht, das wir Ihnen vorgelegt haben. Ich glaube, das ist ein beispielhafter Prozess, der übrigens mit dem Entstehen des Entwicklungsplans nicht zu Ende sein soll, sondern er soll uns in den nächsten Jahren begleiten.

Frau Grönert, Sie haben etwas völlig missverstanden! Ich hatte den Eindruck, wenn Sie über den Plan reden, meinen Sie einen aus der realsozialistischen Fünfjahresplanwelt. Nein, so ist es nicht gemeint!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dieser Plan ist eine Einladung zum Mitmachen und nicht dazu gedacht, dass Sie nach drei Jahren noch einmal hineinschauen und fragen: Was stand eigentlich darin, und ist daraus überhaupt etwas geworden? So funktioniert Integrationspolitik heute nicht mehr.

Integrationspolitik ist doch nicht mehr das, was sie vor 20 Jahren einmal war, als das Verständnis vorherrschte, es kommen Menschen in eine homogene gesellschaftliche Wirklichkeit, und wir erwarten von ihnen, dass sie sich in irgendeiner Weise anpassen und einbeziehen. Das ist es nicht. 176 000 Menschen – die Zahl ist hier schon genannt worden – im Land Bremen haben einen Migrationshintergrund, das sind 27 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Die Vielfalt, die Heterogenität ist in unseren Stadtteilen, Schulen, Kindertagesstätten oder Betrieben mit Händen zu greifen, und deswegen geht es um etwas anderes. Mir fällt das Wort Querschnittsaufgabe immer so schwer, weil es eigentlich darum geht, dass es ein Feld der Politik ist, das uns alle angeht, jeden von uns, nicht nur die, die sagen, ich bin einer derjenigen, die von dieser Politik betroffen sind. Es ist ein Kernbestandteil von sozialem Zusammenleben in einer Stadt, und deswegen ist es wichtig, dass wir uns damit beschäftigen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Den Dank an Frau Staatsrätin Professorin Dr. Quante-Brandt, dafür dass sie den Prozess moderiert hat, nehme ich gern mit und übermittle ihn. Ich möchte diesen Dank auf alle erweitern, die sich an diesem Prozess beteiligt haben. Ich darf an dieser Stelle erwähnen, dass wir im Laufe dieses Prozesses auch einen Wechsel im Amt des Bremer Integrationsbeauftragten hatten. Es war bisher über viele Jahre Herr Heintze, dem ich an dieser Stelle danken möchte, und ich weiß, dass die neue Bremer Integrationsbeauf

tragte Frau Harth mit großem Einsatz ans Werk gegangen ist. Ich wünsche ihr von hier aus viel Erfolg!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Noch einmal der Hinweis: Dieser Entwicklungsplan geht von einem besonderen Ansatz aus! Er umfasst 14 Handlungsfelder, und nicht umsonst steht am Anfang das Handlungsfeld Vielfalt, Anerkennungsund Willkommenskultur, denn es beschreibt das Klima, in dem wir miteinander umgehen und auch über diesen wichtigen Politikbereich sprechen wollen. Wir wollen nicht übereinander sprechen und keine Politik für Menschen machen, sondern mit ihnen gemeinsam.

Die zweite Besonderheit ist, dass wir in den 14 Handlungsfeldern von Lebenslagen ausgehen. Wir beschreiben, wie es ist, wir sagen, wohin wir wollen, und wir nehmen uns vor, zu prüfen, festzustellen und uns immer wieder zu fragen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und was wir erreicht haben. Das Ganze soll so konkret wie möglich geschehen. Gut beschriebenes Papier erfreut uns vielleicht ein paar Stunden lang, aber die entscheidende Frage ist, ob etwas daraus geworden ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Deswegen lassen Sie es uns als Auftakt betrachten, zum Beispiel für die Frage, ob wir die Teilhabemöglichkeit bei Bildung und Ausbildung verbessern, ob wir uns mit der viel größeren Zahl von Schulabbrechern und Ausbildungsabbrechern unter den Migrantinnen und Migranten und mit der zu geringen Zahl von Migrantinnen und Migranten mit höheren Schulabschlüssen und so weiter abfinden wollen. Ich unterstelle einmal, dass wir es nicht wollen. Die Schritte aber, die wir tun wollen und müssen, um es zu verändern, müssen wir immer wieder auf ihre Wirksamkeit hin diskutieren, ob sie das bringen, was wir erwarten. Das Gleiche gilt für die wichtige Frage – heute ist ja hier das Betreuungsgeld diskutiert worden – der Beteiligung von Eltern und Kindern mit Migrationshintergrund in der frühkindlichen Bildung. Das Gleiche gilt auch für die Teilhabe am Erwerbsleben. Auch dabei kommt es auf sehr wichtige Schritte an.

Seit dem 1. April gilt ein wichtiges Gesetz mit einem komplizierten Namen, das wir aber Anerkennungsgesetz nennen, in dem geht es um etwas sehr Konkretes, nämlich darum, ob Menschen mit Migrationshintergrund die in ihrer früheren Heimat erworbenen Qualifikationen in den 450 Berufsbildern – das sind die Berufe, die bundesrechtlich bestimmt sind – in einer vergleichbaren Weise in Deutschland einsetzen können. Dies ist für diejenigen, um die es geht, ungemein wichtig für ihre ganz individuelle Entwicklung. Es ist aber auch für die Gesellschaft ins

gesamt notwenig, weil wir – Stichwort Fachkräftebedarf – überhaupt nicht darauf verzichten können, diese wichtigen Potenziale auch zu nutzen.

Dabei kommt es darauf an, nicht nur ein Gesetz zu haben, sondern es auch konkret zu machen. Ich finde es ungemein positiv, dass sich zwei wichtige Kammern in Bremen, nämlich die Handelskammer und die Arbeitnehmerkammer, in diesem Feld zusammengetan haben. Sie haben es nicht nur mit der Anerkennung von Berufsbildern verbunden, sondern machen gleichzeitig eine Beratung für Weiterbildung. Es ist niemandem damit gedient zu hören, dass in seiner früheren Heimat erworbene Qualifikationen hier nicht anerkannt werden, viel wichtiger ist zu erfahren, was ich tun muss, damit ich diese Anerkennung dennoch bekomme.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das sind die konkreten Dinge, um die es geht. Daran müssen wir weiter arbeiten. Dazu gibt jetzt eine Stelle bei der Arbeitnehmerkammer und eine bei der Handelskammer. Dort können sich die Betreffenden um Weiterbildung bemühen und eine Lotsenfunktion für ihren Weg durch die Anerkennung in Anspruch nehmen. Wir in Bremen werden dieses Anerkennungsgesetz entsprechend ergänzen.

Ich will dies nur als Beispiel verstanden wissen, denn es gibt ja eine Fülle von Anregungen und Maßnahmen, die wir uns vorgenommen haben. Ich wiederhole es noch einmal: Es ist eine Einladung an uns alle. Es gibt – jetzt komme ich zu einem Werbeblock – eine wunderbare Integrationswoche, die wir wieder vom 23. bis zum 29. September veranstalten. Ich hoffe, ich habe die Daten jetzt richtig genannt.

(Abg. T u n c e l [DIE LINKE]: Das ist richtig!)

Diese Integrationswoche ist ein Markt der Möglichkeiten, der Begegnung, des Ideenaustauschs, auch um neugierig zu sein und sich kennenzulernen. Sie ist nicht nur eine Veranstaltung, auf der sich Institutionen und Organisationen von Migrantinnen und Migranten, religiöse Gemeinschaften und so weiter präsentieren, sondern bei der wir zeigen, dass das, was wir so gern sagen und ich vorhin auch gesagt habe, Wirklichkeit ist, nämlich dass wir uns gemeinsam um neue Ideen und Projekte bemühen.

Die Integrationswoche ist übrigens ähnlich wie der Entwicklungsplan. Sie wird auch, man kann fast sagen, von vielen hundert Menschen in Bremen vorbereitet. Ich lade Sie deswegen an dieser Stelle ein.

Noch einmal herzlichen Dank an alle, die an diesem Entwicklungsplan gearbeitet haben! Lassen Sie ihn uns gemeinsam weiter konkretisieren und vor

allem dafür sorgen, dass er im Leben unserer beiden Städte eine wichtige Rolle spielt! – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.