Protokoll der Sitzung vom 11.07.2012

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ähnlich wie der Kollege Dr. Schlenker finde ich auch, dass DIE LINKE einmal einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung der Bremischen Bürgerschaft stellen soll, und zwar in die Richtung, dass es nicht nur Kleine und Große, sondern künftig auch noch riesengroße Anfragen geben soll. Ich finde, es ist bei Licht betrachtet eine ziemliche Zumutung, und ich habe an dieser Stelle ein bisschen mehr Kritik als Herr Dr. Schlenker, weil ich meine, dass man mit dieser Art von Fragen eine Verwaltung auch lahmlegen kann. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist, um es zusammengefasst zu sagen, auch nicht zielführend in dem Sinne, dass man bessere politische Erkenntnisse daraus gewinnt. Vieles von dem, was hier gefragt wird, wurde schon längst in anderen Anträgen und Zusammenhängen im Laufe der letzten Jahre oder des letzten Jahres beantwortet. Man kann also sagen, vielleicht wollte DIE LINKE ihre Datenbanken ein bisschen mit neueren Informationen aus dem Ressort auffrischen, aber ich finde es, ehrlich gesagt, reichlich überzogen, damit das Haus zu behelligen.

Wir haben gestern schon über die Fragen, die aktuell anstehen, ziemlich lange ziemlich deutlich diskutiert, ich weiß eigentlich gar nicht so richtig, was wir hier Neues diskutieren sollen. Ich muss gestehen, ich bin ja nun lange in diesem Hause, und ich bin zum ersten Mal einigermaßen sprachlos angesichts der Fülle der Antworten und der Fragen, die ihnen vorangegangen sind. Ich kann es von gestern im Prinzip wiederholen: Wir haben ein paar Probleme vor uns, über die nachgedacht werden muss.

Wir können es ja aufteilen: Es geht um die Kinder, um die Eltern und um die Beschäftigten in den Einrichtungen. Für die Kinder ist es wichtig, qualitativ hohe Standards in der Betreuung aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei der SPD)

Für die Eltern ist es zentral wichtig, eine Verlässlichkeit und auch die Betreuung entsprechend Ihrer Wünsche zu bekommen, heutzutage in der Regel eher acht Stunden als weniger. Für die Eltern aus schwierigen Stadtteilen, das habe ich hier im Haus immer gesagt, ist jede Stunde Betreuung mehr ein großer Segen.

(Beifall bei der SPD)

Für die Beschäftigten, und da wird es problematischer, ist natürlich die Frage der Bezahlung auch außerordentlich wichtig, und dort haben wir eine sehr differenzierte Beschäftigungslandschaft. Wir haben ausgebildete Sozialpädagogen, ausgebildete Erzieherinnen, Pflegerinnen und teilweise sozusagen umgeschulte, angelernte Kräfte, bei denen man natürlich von einer einheitlichen Bezahlung so ohne Weiteres auch nicht ausgehen kann. Deswegen wird man in den Bereichen sehr sorgfältig differenzieren müssen.

Wenn aus Berlin nun die These kommt, den Fachkräftemangel, der sich in dem Bereich deutlich am Horizont abzeichnet, dadurch beheben zu wollen, indem man alle diejenigen, die keine Arbeit haben, umschult, und zwar in einem Kurzverfahren – –. Ich will einmal sagen, ich würde jedem die Chance ge

ben, aber der Beruf der Erzieherin und des Erziehers bedarf schon außerordentlich hoher Empathieanteile, die schwerlich einfach nur durch Umschulungen zu erreichen sind. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die diese Arbeit aufnehmen wollen, dies auch wirklich nur auf freiwilliger Basis machen sollen. So gesehen halte ich den Vorschlag aus Berlin für, ich will nicht sagen zynisch, aber für zumindest nicht einfach nachvollziehbar.

(Beifall bei der SPD)

Meiner Auffassung nach müssen wir alles daransetzen – das habe ich gestern auch schon gesagt –, dass wir die Zielzahlen erreichen. Ich weiß nicht, woher DIE LINKE ihre Zahlen hat, ich weiß auch nicht, wie sie sie sich aus dem Antworttext zusammengebastelt hat. Wir haben andere Zahlen, ich habe andere Zahlen, und ich hätte mir gewünscht, die Senatorin hätte von ihrem Recht Gebrauch gemacht, die Antwort auf die Anfrage noch einmal vorzulesen. –

(Heiterkeit)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Motschmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat, diese Große Anfrage ist preisverdächtigt: Sie ist die längste meiner gesamten parlamentarischen Laufbahn. Mir wäre lieber gewesen, die Zeit, die die Verwaltung für die Beantwortung der Fragen gebraucht hat, wäre in die Planung und den Ausbau weiterer Kita-Plätze hineingesteckt worden.

(Beifall bei der CDU – Senatorin S t a h - m a n n : Das stimmt!)

Herr Möhle, Sie haben gesagt, wir haben da noch ein paar Probleme. Das, finde ich, ist eine Untertreibung dessen, was hier vorliegt, und das will ich dann auch versuchen darzulegen, sachlich, fachlich, wie Sie es gestern eingefordert haben, und polemikfrei.

Eltern, die im Bundesland Bremen einen U3-Betreuungsplatz für ihre Kinder wünschen oder brauchen, haben nachweislich ganz schlechte Karten. Gestern, Frau Senatorin, haben Sie von 129 Kindern gesprochen, die in diesem Jahr noch keinen Platz haben. Das ist erst einmal eine Zahl, auf die wir bauen können. In dieser Großen Anfrage wird auf den Seiten 18 und 19 der Planungsbedarf von 704 Plätzen genannt. Das kann man natürlich so machen, wenn man – und das finde ich eben nicht seriös, um

es freundlich ausdrücken – das Platzangebot an sozialpädagogischen Spielkreisen abzieht.

Frau Senatorin, ich sage Ihnen ja nichts Neues, ein sozialpädagogischer Spielkreis ist etwas ganz anderes als ein U3-Betreuungsplatz. Es ist zeitlich etwas anderes, und die Betreuungsqualität ist eine andere, wobei ich sie nicht schlechtmachen will, nur ist es unseriös, wenn man sie abzieht. In Wahrheit liegt der Bedarf bei zwischen 5 000 und 6 000 Plätzen, und die Kinder, die anderweitig untergebracht sind, können wir nicht einfach außen vor lassen.

Der Bedarf in Bremen, die augenblickliche Zahl liegt bei 24,6 Prozent, man hat aber errechnet, dass in Großstädten etwa 60 Prozent der Eltern einen solchen Betreuungsplatz nachfragen. Kaum ein anderes Bundesland übrigens, und erst recht keine vergleichbar große Stadt, hat eine so niedrige Versorgungsquote wie Bremen, selbst in Bayern liegt sie höher als in Bremen.

Seit dem Jahr 2008 wurde dieses Thema sträflich vom Bremer Senat vernachlässigt. Seit dem Jahr 2008 hat die Bundesregierung 16,81 Millionen Euro für den U3-Ausbau im Land Bremen bereitgestellt, Bremen hat 2,2 Millionen Euro Landesmittel und 4,81 Millionen Euro Eigenmittel der Stadtgemeinde Bremen beigesteuert. Diese Bilanz ist aber nicht gut, wenn man bedenkt, dass es um unsere Kinder geht und um das Wohl dieser Kinder. Dies kommt mir viel zu wenig in allen Reden vor. Wir reden hier über Zahlen, aber es geht um die Betreuung, nicht um die Aufbewahrung von Kindern, und es geht um das Wohl dieser Kinder. Das ist doch angeblich Schwerpunkt Ihrer Politik, Frau Stahmann, sollte es auch sein, denn nichts ist wertvoller und kostbarer als unsere Kinder.

Das Problem war spätestens seit 2007/2008 klar erkennbar. Hätte man es damals tatkräftig angepackt, stünden wir heute besser dar. Seit einem Jahr nun verantwortet Frau Stahmann das Desaster im U3-Bereich – anders kann ich es nicht bezeichnen –, und ich finde es schon peinlich, Frau Senatorin, dass Ihr Koalitionspartner, die SPD, ein Sofortprogramm und einen Aktionsplan fordert, um Klagen der Eltern abzuwenden. Ich finde, Sie, Frau Senatorin, sind groß in Ankündigungen und Versprechungen, aber Ihre Taten sind klein.

(Beifall bei der CDU)

Die Eltern wollen übrigens keine Absenkung der Qualitätsstandards. Sie wollen keine Vergrößerung der Gruppen, keine Verschiebung der Altersgrenzen oder Verkleinerung von Raumgrößen. Wenn Sie das jetzt alles machen, um die Betreuungsquote zu verbessern, dann ist das aus meiner Sicht, aus der Sicht der CDU-Fraktion, eine Mogelpackung, die nicht akzeptabel ist. In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie vereinbart, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet sein soll, das ist ein wichtiges Ziel; ein Ziel, das übrigens auch nicht neu ist, aber davon

können die Eltern in Bremen nur träumen. Politischer Anspruch der rot-grünen Regierung und Wirklichkeit klaffen in der U3-Betreuung himmelweit auseinander. Die CDU-Fraktion kann diesen Missstand, der ja bekanntlich nicht der einzige in Ihrer Koalition ist, nur bedauern. Die Bundesministerin Frau Dr. Schröder hat ihren Teil beigetragen.

Übrigens haben Sie ja gestern, Frau Stahmann, heftige Angriffe auf Frau Dr. Schröder gestartet,

(Senatorin S t a h m a n n : Zu Recht!)

gleichzeitig aber beklagt, dass wir Frau Rosenkötter angegriffen haben, weil sie nicht tatkräftig mitgeholfen hat, und Sie haben das damit begründet, sie könnte sich ja hier nicht selbst verteidigen. Da kann ich nur sagen, Frau Dr. Schröder kann sich hier auch nicht selbst verteidigen, das muss sie auch nicht, denn erstens gehört die Betreuung von Kindern originär in die Länderzuständigkeit, und zweitens hat Frau Dr. Schröder nun an diesem Punkt ihre Schularbeiten gemacht, Sie aber hier in Bremen eindeutig nicht. Wenn der Rechtsanspruch in einem Jahr gilt, sage ich Ihnen voraus –, und da braucht man keine prophetischen Gaben – dass es massiv Klagen geben wird.

(Senatorin S t a h m a n n : Nein!)

Wie kann man das nun ändern? Herr Möhle, Ihnen passt es ja nicht, wenn wir sagen, man könnte zum Beispiel aus dem UVI-Paket etwas in den Ausbau der Kinderkrippen hineinsteuern. Wenn Sie einen besseren Vorschlag haben –

(Glocke)

ich bin sofort fertig! –, dann sind wir dafür offen. In einem Haushalt, der immerhin 800 bis 900 Millionen Euro konsumtive Ausgaben umfasst, findet man ja vielleicht auch noch für den Schwerpunkt Kinder genügend Geld, um diese Betreuung zu gewährleisten.

Abschließend kann ich nur sagen, die Betreuungsqualität lässt zu wünschen übrig, die Quote lässt zu wünschen übrig, die Anzahl der Plätze lässt zu wünschen übrig. Machen Sie Ihre Schularbeiten, damit Eltern in diesem Land nicht mehr von Vereinbarkeit von Familie und Beruf träumen müssen, sondern sie realisieren können! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Werte Frau Motschmann, es geht ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ja tatsächlich einigermaßen ohne Probleme. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der SPD)

Es ist übrigens in der Frage auch nicht angemessen, das behaupte ich schon länger, an der Stelle polemisch zu agieren. Wenn Sie aber sagen, dass die Bundesministerin Frau Dr. Schröder ihre Aufgaben ordentlich erfüllt, dann muss ich sagen, das sehe ich deutlich anders. Ihr Zehn-Punkte-Programm hilft Bremen ausgesprochen wenig.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zu sagen, Bremen oder die Länder sollten KfW-Kredite aufnehmen, dies einem Haushaltsnotlageland zu empfehlen ist schon grenzwertig.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auch gar nicht auf das Zehn-Punkte-Programm von Frau Dr. Schröder eingehen. Ich will vielmehr darauf hinweisen, dass das Aktionsprogramm der SPD darauf ausgerichtet ist zu sagen, wie sich die sozialdemokratische Partei vorstellt, in welche Richtung wir vorangehen können und an bestimmten Stellen auch müssen. Das als Angriff auf das grüne Ressort zu begreifen, verstehe ich beileibe nicht, denn wenn Sie den Aktionsplan der SPD einmal ganz genau lesen, dann stellen Sie auch fest, dass die SPD einige ihrer jahrelangen und lieb gewordenen Positionen ein Stück weit aufgegeben hat angesichts der Situation, vor der wir stehen. Wir hätten immer noch inhaltlich gesagt, dass uns in allererster Linie natürlich der kommunale Träger wichtig ist, weil er eben für alle Kinder da ist, weil er keine Selektion betreibt. Inzwischen zu sagen, wir sind aber auch bereit, diese Kindergruppen und Ähnliches mehr zu unterstützen, damit sie mithelfen, das Problem zu lösen, dies ist durchaus auch der aktuellen Situation geschuldet. Ich finde, auch das ist im Aktionsplan der SPD deutlich nachlesbar gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Hören Sie also auf, so zu tun, als würde innerhalb der SPD nicht auch über solche Fragen neu und anders nachgedacht!