Protokoll der Sitzung vom 12.07.2012

Jetzt lasse ich über die Wahlvorschläge für diesen soeben eingesetzten Ausschuss abstimmen.

Die Wahlvorschläge liegen Ihnen schriftlich vor.

Wer den Wahlvorschlägen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) wählt entsprechend.

(Einstimmig)

Ich bitte den Abgeordneten Tschöpe, zur konstituierenden Sitzung dieses Ausschusses einzuladen.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte es sofort tun! Der Ausschuss trifft sich zur kon- stituierenden Sitzung im Anschluss an die- se Sitzung heute um 13.00 Uhr im Raum 401!)

Nunmehr lasse ich über die Überweisung der Gesetzesanträge an diesen Ausschuss abstimmen.

Wer der Überweisung der Gesetzesanträge, Gesetz zur Erleichterung von Volksentscheiden und Volksbegehren, Drucksache 18/516, Neufassung der Drucksache 18/445, Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen und des Gesetzes über das Verfahren beim Bürgerantrag, Drucksache 18/476, Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, Keine Privatisierung ohne Volksentscheid, Drucksache 18/506, Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen, Drucksache 18/444, Gesetz zur Änderung der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen – Schuldenbremse einführen,

Drucksache 18/523, zur Beratung und Berichterstattung an den nicht ständigen Ausschuss gemäß Artikel 125 der Landesverfassung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) überweist entsprechend.

(Einstimmig)

Gesetz zur Änderung der Bremischen Landeswahlordnung – Schutz von Wahlgeheimnis und Wahlfreiheit

Antrag des Abgeordneten Timke (BIW) vom 30. April 2012 Drucksache 18/386 1. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Münch.

Wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses Haus hat sich heute Morgen bereits mehrfach mit der Landesverfassung befasst, und deshalb passt es ganz gut, dass ich zu Beginn meiner Rede an den Artikel 75 der Landesverfassung erinnern möchte, der festschreibt, dass die Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft durch die Bürgerinnen und Bürger in allgemeiner, unmittelbarer, gleicher, freier und geheimer Wahl bestimmt werden. Wenn man sich diese fünf Wahlgrundsätze vor Augen führt und einmal die letzten Bürgerschaftswahlen Revue passieren lässt, dann kann man schon den Eindruck gewinnen, dass diese Wahlgrundsätze nicht immer eingehalten wurden.

Nun will ich gar nicht auf die ominösen Vorgänge der Bürgerschaftswahl im Jahr 2007 eingehen, die bis heute nicht vollständig geklärt sind, denn das ist Geschichte. Allerdings hatte ich gehofft, dass nach den Ereignissen des Jahres 2007 die Wahlbehörden im Land Bremen etwas sensibler sind und deshalb auch genauer darauf achten, dass Wahlfehler bei nachfolgenden Wahlen nicht mehr passieren. Dem war aber nicht so, denn bei der letzten Bürgerschaftswahl, die gerade einmal ein Jahr zurückliegt, gab es Wahlbezirke, die während der Wahlhandlung kameraüberwacht wurden. In mindestens vier Wahllokalen im Wahlbezirk Bremerhaven waren Kameras installiert, die während der Wahlhandlung weder verdeckt noch ausgeschaltet waren. Drei dieser Wahllokale waren in Räumlichkeiten der städtischen Sparkasse und ein Wahllokal in einem mittelständischen Betrieb untergebracht.

Überwachungskameras, die für die Dauer der Wahlhandlung nicht außer Betrieb genommen oder zumindest verhüllt werden, stellen einerseits die Geheimhaltung der Wahl infrage, da oftmals nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Kameras auch in die Wahlkabinen filmen können. Überwachungskameras in Wahllokalen stellen aber auch den Wahlrechtsgrundsatz der freien Wahl infrage, weil ihre Existenz die Entscheidungsfreiheit der Wählerinnen und Wähler beeinflussen kann.

Der Bayerische Landtag hat in diesem Zusammenhang einmal ausgeführt, dass das Vorhandensein von Kameras in einem Wahlraum geeignet ist, psychologischen Druck auf Wähler auszuüben, um sie in ihrer Wahlentscheidung zu beeinflussen. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Gerichtsurteile, die bescheinigen, dass sich das Verhalten von Menschen unter Videobeobachtung verändert, sie also beeinflusst werden. Nicht nur das, die Videoüberwachung hat auch eine abschreckende Wirkung. Deshalb ist zum Beispiel die durchgängige Videoüberwachung von Gerichtssälen von der Rechtsprechung mittlerweile auch als unzulässig erkannt worden, weil dadurch interessierte Personen von einer Teilnahme an Verhandlungen abgehalten werden können. Diese Rechtsprechung ist auch analog auf Überwachungskameras in Wahllokalen anwendbar, denn Videoüberwachung kann auch Wähler von der Teilnahme an der Urnenwahl abschrecken.

Des Weiteren können optisch-elektronische Einrichtungen in einem Wahlraum auch mögliche Beobachter von einem Besuch des Wahllokals abhalten, was die gesetzlich garantierte Öffentlichkeit der Wahl unzulässig einschränkt. Die Videoüberwachung von Wahllokalen war deshalb auch Gegenstand eines BIW-Einspruchs gegen die Gültigkeit der letzten Wahl in Bremerhaven, der vor Kurzem mit einem Vergleich vor dem Verwaltungsgericht in Bremen endete. Nach diesem Vergleich verpflichtet sich die Wahlbehörde Bremerhaven, zukünftig keine Wahllokale mehr in Städtischen Sparkassen einzurichten. Das ist zwar ein richtiger und wichtiger Schritt in die richtige Richtung, allerdings längst nicht ausreichend, um die Grundsätze der geheimen und freien Wahl auch zukünftig zu schützen, denn dieser Vergleich umfasst lediglich die in Rede stehenden drei Wahllokale der Städtischen Sparkasse. Er erstreckt sich nicht auf andere Wahllokale bei zukünftigen Wahlen, die möglicherweise in Räumen eingerichtet werden, die ebenfalls videoüberwacht werden.

Daher ist nicht ausgeschlossen, dass es zukünftig auch hier wieder Klagen geben wird und Wahllokale zukünftig wieder kameraüberwacht werden. Die Frage, ob Wahllokale zulässigerweise auch in Räumen mit optisch-elektronischen Überwachungssystemen eingerichtet werden dürfen, ist weder in der Bremischen Landswahlordnung noch im Landeswahlgesetz geregelt. Es besteht also eine Gesetzeslücke, die im Interesse der Rechtssicherheit sowohl für die Wahlbehörde als auch für den Wähler geschlossen

werden muss, um auch hier zukünftig demokratische Wahlen zu gewährleisten und möglichen Klagen vorzubeugen.

Deshalb stellen wir Bürger in Wut heute den Antrag, die Landeswahlordnung dahingehend zu ändern, dass zukünftig eine Videoüberwachung von Wahlräumen eindeutig ausgeschlossen werden kann. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie wir gehört haben, beantragt der Abgeordnete Timke eine Änderung des Bremischen Wahlgesetzes. Aus der Begründung von Herrn Timke geht hervor, dass optisch-elektronische Überwachungseinrichtungen, Videokameras, in Räumlichkeiten, die als Wahllokale genutzt werden, eine Einschränkung der Wahlfreiheit bedeuten könnten. Er begründet hier heute, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich einzelne Wähler in ihrer freien Wahlentscheidung beeinflusst sehen könnten. Hintergrund, auch das hat Herr Timke ausgeführt, des Antrags von Herrn Timke ist, dass bei der Bürgerschaftswahl im Jahr 2011 in Bremerhaven in Wahlräumen, insbesondere in Geschäftsstellen der Sparkasse, Videokameras installiert waren.

Der Antrag von Herrn Timke muss schon aus formalen Gründen abgelehnt werden. Im Titel seines Antrags heißt es zwar Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes, tatsächlich geht es jedoch lediglich um eine Änderung der Bremischen Landeswahlordnung. Diese Rechtsverordnung, das wird uns vermutlich gleich der Herr Staatsrat bestätigen, erlässt gemäß Paragraf 58 des Bremischen Wahlgesetzes der Senator für Inneres und Sport, und der ist grundsätzlich wiederum auch für Änderungen der Verordnung zuständig.

Die vorgeschlagene Ergänzung der Bremischen Landeswahlordnung ist darüber hinaus auch nicht erforderlich, denn entgegen dem, was Herr Timke hier soeben vorgetragen hat, sieht das Bremische Wahlgesetz schon heute Vorgaben zum Schutz des Wahlgeheimnisses bei der Stimmabgabe vor. Nach Paragraf 26 Absatz 2 des Bremischen Wahlgesetzes sind nämlich Vorkehrungen dafür zu treffen, dass der Wähler den Stimmzettel unbeobachtet kennzeichnen und falten kann. Eine von Herrn Timke behauptete Gesetzeslücke existiert demnach also nicht.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Danach ist es bereits nach geltendem Recht unzulässig, eine Kamera so in einem Wahlraum zu platzieren, dass sie die Kennzeichnung des Stimmzettels erfassen kann. Zu Ihrer Information: Aus der Antwort

der Bundesregierung vom 23. Oktober 2010 auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE geht hervor, dass eine Wahl, wenn die erforderlichen Vorkehrungen, so heißt es dort in der Antwort, zum Schutz des Wahlgeheimnisses getroffen werden, in verfassungsund gesetzeskonformer Weise auch in Wahllokalen durchführbar ist, in denen Videokameras angebracht sind. Das ist, wie gesagt, die Antwort der Bundesregierung.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, Herr Timke hat soeben darauf hingewiesen, hat das Gericht zu einem Vergleich geraten. Die Sparkassenfilialen sollen als Wahllokale nicht mehr genommen werden, so hat es Bremerhaven zugesagt, und Herr Timke hat – er hat es zwar nicht gesagt – offensichtlich die Klage damit zurückgenommen.

Gegen die Änderung der Bremischen Wahlordnung spricht ferner, dass diese nur für die Bürgerschaftsund Kommunalwahl und nicht für die Bundestagsoder Europawahl gilt, und ich glaube, wir sind alle der Meinung, dass es eine größtmögliche Übereinstimmung der verschiedenen Wahlen geben sollte. Aus den genannten Gründen ist der Antrag des Abgeordneten Timke abzulehnen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Timke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe nur zwei Anmerkungen dazu.

Erstens, Herr Hinners, es gab bei der letzten Wahl Wähler, die aufgrund unserer Klage auf uns zugekommen sind und genau aus dem Grund nicht zur Wahl gegangen sind, weil sie gesagt haben, ich gehe nicht in ein Wahllokal wählen, in dem eine Kameraüberwachung stattfindet.

Zweitens, wie soll denn ein Wähler bei einer Rundkamera, die an der Decke hängt, erkennen, in welche Richtung die Kamera schaut? Das ist doch gar nicht erkennbar. Deswegen ist es auch nicht möglich, hier sicherzustellen, dass der Wähler weiß, dass er nicht videoüberwacht wird. Sie sind in Ihren Ausführungen nur auf die Geheimheit der Wahl eingegangen, mit keinem Wort haben Sie die Wahlfreiheit thematisiert, und das ist auch ein Thema, das ich angesprochen habe. – Vielen Dank!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz zur Änderung der Bremischen Landeswahlordnung – Schutz von Wahlgeheimnis und Wahlfreiheit, Drucksache 18/386, in erster Lesung

beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!