Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

Haushalts- und Finanzausschuss am letzten Freitag auch schon beschlossen. Daher bedarf es dieses Beschlusses auch nicht mehr.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen Sie mich persönlich eines noch sagen! Ich gestehe Ihnen freimütig, dies ist eine der Debatten – Herr Dr. vom Bruch hat sie so benannt –, die man unerfreulicherweise nicht so gern führt. Das gilt für mich persönlich besonders, weil ich die Bildungspolitik als zentralen Baustein begreife und immer begriffen habe und sie für mich in der Tat ein Abwägungsprozess ist. Es ist der Abwägungsprozess, ob man innerhalb der bestehenden Mittel, die man hat, eine Finanzierung findet, die übergangsweise eine Lösung bringt, oder ob man einen anderen Weg einer weiteren Verschuldung geht. Ich komme in der Abwägung zu dem Ergebnis, dass der Weg über die vorhandenen Mittel zunächst gegangen werden muss.

Meine Damen und Herren, wir werden die beiden vorliegenden Anträge ablehnen, weil wir den eingeschlagenen Weg der Refinanzierung der unabwendbaren Mehrausgaben im Bildungsbereich für gangbar halten. Gleichzeitig legen wir Wert darauf, dass die weiteren Teile der Beschlüsse des Senats und des Haushalts- und Finanzausschusses, wonach die Bedarfe ermittelt und auch in die Controllingberichte mit aufgenommen werden, auch umgesetzt werden. Ich schließe nicht aus, dass wir die heutige Debatte zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufnehmen müssen, wenn sich erweisen sollte, dass die Finanzierung nicht solide genug ist.

Daher lehnen wir Ihre Anträge ab. Wir glauben, dass wir im Bildungsbereich gut aufgestellt sind, und wir wissen, dass wir den schwierigeren Weg gehen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns weiter – wie von meinen drei Vorrednerinnen und Vorrednern praktiziert – um diese schwierige Sache streiten. Das möchte ich in der Tat an dieser Stelle jetzt noch einmal tun.

Im Antrag der LINKEN wird zusammenfassend am Ende gesagt: Wir haben es in Bremen mit einer unterfinanzierten Mängelschule zu tun, und die Koalition sichert den Schulbetrieb nur notdürftig. In einem Kommentar im „Bremer Anzeiger“ vom 15. Juli dieses Jahres wird gesagt, es wäre sinnvoll, das Bildungs––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

ressort vom gnadenlosen Spardiktat zu befreien. In einer Pressemitteilung des Zentralen Elternbeirats Bremen wird gesagt: Die Bremer Bildungsreform, das ganze Bildungssystem, wird komplett frontal an die Wand gefahren. Statt eines weiteren Ausbaus wird alles auf ein Minimum eingedampft.

Ich glaube, dass die Menschen draußen – und vor allen Dingen diejenigen mit Kindern in der Schule wie ich –, die Kinder selbst, sofern sie schon in einem Alter sind, in dem sie sich mit diesen Dingen beschäftigen, die Lehrerinnen und Lehrer, viele um das Schulwesen herum, das sind ja sehr viele Menschen, in der Tat ein großes Problem haben, in dieser Diskussion festzustellen, was von den Fakten her eigentlich wirklich der Fall ist und was nur behauptet wird. Lassen Sie uns also zunächst einmal um die Fakten streiten!

Sehr verehrte Frau Vogt und sehr verehrter Herr vom Bruch!

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Mein Sohn hat das Schuljahr begonnen mit zwei Tagen Unterrichtsausfall!)

Das ist schon der erste Fehler, den Sie machen: Ein Unterrichtsausfall wegen Krankheit – wir haben manchmal auch Grippewellen, und wir haben dieses und jenes –, ein struktureller Mangel und eine strukturelle Unterfinanzierung sind zwei völlig verschiedene Dinge, die Sie in einen Topf werfen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Da fängt das Problem schon einmal an, das sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Vielleicht weil die Unterrichtsreserve nicht reicht!)

Entweder behaupten Sie, das System sei von den Notwendigkeiten her, die Klassen mit Lehrerinnen und Lehrern zu bestücken, strukturell unterfinanziert – ein Faktum, das wir überprüfen müssen –, oder Sie beklagen den Unterrichtsausfall, den es in jedem System immer dann gibt, wenn die Anzahl der erkrankten oder sonst freigestellten Lehrerinnen und Lehrer unsere Reservemöglichkeiten übersteigt.

Sehr geehrte Frau Vogt, dann lassen Sie uns doch einmal schauen, zu wie viel Prozent die Lehrerzuweisung an den verschiedenen Schulformen im Schuljahr 2012/2013 sichergestellt ist. Sie sagen, es handele sich um ein an die Wand gefahrenes Mängelsystem kurz vor dem Ruin. Wir haben Zahlen, die Grundschulen mit 100,3 Prozent, die Oberschulen mit 99,2 Prozent, die Gymnasien mit 100,8 Prozent, die Förderzentren mit 98,1 Prozent und so weiter! Wir haben eine Gesamtzahl – Herr Liess hat es dankens

werterweise auch schon gesagt –, dass wir den von den Schulen selbst für einen ordentlichen, den Bestimmungen gemäßen Unterricht eingeforderten Bedarf von Lehrerinnen und Lehrern in der Tat zu 99,7 Prozent abgedeckt haben. Ich finde, ein Schulsystem vor dem Ruin, das nur aus Mängelverwaltung besteht, würde anders aussehen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Lassen Sie uns weiter um die Fakten streiten! Das Bildungsbudget sei in den letzten Jahren immer weiter durch Kürzungen zusammengestrichen worden. Ich habe es so oft gehört, und ich habe mich so oft darüber aufgeregt, weil, glaube ich, sich niemand die Mühe gemacht hat, sich wirklich die Fakten anzuschauen. Wir haben einen Anschlag für das Lehrerbudget im Jahr 2010 von 235,149 Millionen Euro, im Jahr 2011 von 247,640 Millionen Euro und für das Jahr 2013, also für das nächste Jahr, haben wir einen Anschlag von 250,474 Millionen Euro. Das ist ein Mehr von 15 Millionen Euro, das bei Ihnen, Frau Vogt, eine drastische Kürzung des Budgets für Lehrer ausmacht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Haben Sie die Inflation eingerechnet?)

Das muss man dann aber vorrechnen und nachrechnen, und man muss sich um die Fakten streiten. Ja, das können wir auch, weil es um die Sache geht und weil dann am Ende des Tages draußen die Menschen einfach beurteilen wollen, ob es richtig ist, dass wir hier Jahr für Jahr in den Haushaltsberatungen den Bildungshaushalt gekürzt haben oder ob das einfach frei erfunden ist, weil diese Koalition ihn nämlich erhöht und als Schwerpunkt ausgewiesen hat

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

mit mehreren Schwerpunktmitteln, die noch hinzukommen: Schulenentwicklungsmittel, schulstrukturelle Mehrbedarfe, UVI-Programm, das Konjunkturprogramm II für die Investitionen, ganztägiges Lernen und so weiter. Es ist über diesen Haushalt, den ich zitiert habe, hinaus noch eine enorm aufstockende Wirkung dieser Zusatztöpfe und Zusatzmittel eingetreten. Ich komme gleich darauf zurück, dass wir in der Tat feststellen müssen, ob das ausreicht oder nicht. Dass es aber stattgefunden hat, das müssen wir erst einmal feststellen, bevor wir hier über etwas reden, das es gar nicht gibt.

Dann kommen wir zu einem Phänomen, zu einem Mysterium, das diese Stadt immer wieder bewegt – ich bin mir nicht ganz sicher, ob alle immer genau wissen, worüber wir reden –, nämlich diese sogenann

te demografische Rendite, die einfach sagt, wir haben im nächsten Jahr weniger Schüler als im Jahr davor. Das ist die demografische Rendite, die Schülerzahlen gehen zurück. Jetzt wird gesagt – ich glaube, es waren Sie, Frau Vogt –, das stimmt gar nicht, wir haben stattdessen steigende Schülerzahlen zumindest für die Vergangenheit und bis heute.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Ich habe gesagt, dass der Rückgang zurückgeht!)

Der Rückgang geht zurück, Sie haben es anders gesagt!

Wir hatten im Schuljahr 2008/2009, sehr geehrte Frau Vogt, 72 167 Schülerinnen und Schüler, im Schuljahr 2009/2010 hatten wir nur noch 71 310 Schülerinnen und Schüler, im Schuljahr 2010/2011 hatten wir noch 70 185 Schülerinnen und Schüler. Das kann man alles belegen, denn diese Schüler haben gelebt, sie sind in die Schule gegangen und wurden registriert. Ich glaube, diese Zahlen sind nicht anzuzweifeln. Im Schuljahr 2011/2012 hatten wir noch 69 258 Schülerinnen und Schüler – wir waren im Jahr 2009 noch bei 72 000 Schülerinnen und Schülern –, wir haben im jetzigen Schuljahr 67 826 Kinder, wir haben im nächsten Schuljahr 67 143 Kinder, dann haben wir noch 66 000, 65 000, 63 000, 62 000 Schülerinnen und Schüler und immer so weiter.

Das sind Zahlen, die mich stutzen lassen. Wie kommen Sie darauf, dass ein – bezeichnen wir es einmal mit diesem einfacheren deutschen Begriff, den man draußen auch versteht – Rückgang der Schülerzahlen nicht stattgefunden hat? Wir hatten zudem in diesem Jahr noch einen Doppeljahrgang, nämlich die 12. und 13. Klasse, die gleichzeitig aus der Schule gegangen sind, die aus dem Schulsystem ausgeschieden sind.

Lassen Sie uns erst einmal über diese Fakten reden, bevor wir hier Behauptungen aufstellen, wie sie vorhin in den Reden der Opposition gefallen sind!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich gestehe ein, dass das, was ich jetzt mache, anstrengender und schwieriger ist, als einen Nachtragshaushalt zu fordern und zu sagen, egal wie das ist, egal was er da sagt, die Fakten interessieren mich gar nicht, ich will jetzt 20, 30 oder 50 Millionen Euro zusätzlich, der Rest interessiert mich nicht. Dies ist zwar populärer und eingängiger und kann leichter verstanden werden, aber es ist falsch, und deswegen gehen wir den anstrengenden Weg, es festzustellen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Selbstverständlich müssen wir schauen – und jetzt komme ich zu dem Punkt, an dem wir vielleicht auch

wieder ein Stück näher beieinander sind als bei Ihrer Darstellung der Fakten –, ob, und das ist die zentrale Aufgabe, die bildungspolitisch beschlossenen, das haben Sie meines Erachtens, Herr Kollege vom Bruch, richtig auf den Punkt gebracht, Maßnahmen durch die haushalts- und finanzpolitisch beschlossenen Entscheidungen gedeckt sind oder ob es hier eine Schere gibt, die auseinanderklafft. Selbstverständlich muss man das feststellen, denn wenn es so wäre, müssten wir entweder die bildungspolitischen Entscheidungen ändern oder finanzpolitisch nachsteuern. Was machen wir? Wir sind dabei, genau diese Frage festzustellen.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Das hätte man früher machen müssen!)

Da ist es, finde ich, auch sehr vorschnell zu sagen, dass das unbedingt so sei. Es ist natürlich relativ einfach zu sagen, da gab es eine Schulreform, da gab es Oberschulen, da gibt es Ganztagsschulen, und es gibt eine Inklusion, und wenn ich das alles zusammennehme, kann es ja gar nicht sein, dass das durch die vorhandenen Finanzmittel und Lehrerstellen tatsächlich auskömmlich finanziert werden kann.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das hätte man ja schon einmal umlegen können!)

Man muss es aber natürlich im Einzelnen nachweisen. Es ist ja nicht so, zum Beispiel bei der Inklusion, dass die Kinder mit Förderbedarf in der Vergangenheit etwa zuhause gesessen haben und nun in die Regelschule kommen und plötzlich Kosten verursachen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Gehen Sie doch einmal in die Förderzentren hinein, das waren hervorragende Einrichtungen, die aber auch investiv aufwendig gewesen sind, weil es teilweise große Einrichtungen waren! Die waren auch personalintensiv, weil man dort auch eine gute Arbeit für Kinder mit Förderbedarf gemacht hat, aber die sind doch nicht umsonst gewesen. Wenn es denn so wäre, dass jetzt die Inklusion im Regelschulsystem in der Tat so viele Mehrkosten verursacht, dann würde das im Rückschluss heißen, dass das Förderschulsystem eine Art Megasparkonzept gewesen ist. Das hat aber nie einer behauptet, und das war auch nicht so. Es stimmt auch nicht, dass es ein reines Sparkonzept gewesen sein soll, das war es in der Tat nicht.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Aber günstiger gegenüber der Inklusion ist es doch schon!)

Das sagen Sie jetzt so!

Dann würde ich Sie oder Ihren Kollegen bitten, hier vorn einmal vorzurechnen, wie Sie begründen, dass Sie diese Aussage treffen. Wir geben uns dabei intensive Mühe – der Senat ist in vielen Arbeitsgruppen, die auf hochrangiger Ebene tagen –, diese Dinge zu klären. Die Fraktionen der SPD und der Grünen warten auf den Nachweis, der sowohl rechnerisch als auch von der Logik her eindeutig ist, dass es diese Lücke zwischen den bildungs- und finanzpolitischen Entscheidungen gibt. Diesen Nachweis haben Sie weder in Ihrem Antrag noch in der Rede, noch in sonst irgendeiner Veröffentlichung bisher erbracht.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Die Sena- torin hat es doch beziffert, sie braucht 150 Stellen!)

Ja, in diesem Jahr, um die Lehrerabdeckung für das Schuljahr 2012/2013 herzustellen,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Dass die In- klusion 150 Stellen braucht, hat sie berech- net!)

aber das ist doch nicht der langfristige strukturelle Fehlbedarf, den wir durch Inklusion oder andere Dinge haben!