Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

Ich muss ehrlich sagen, Frau Ahrens, ich war mir am Anfang des Schuljahrs nicht sicher,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Humboldt- schule in Bremerhaven! Drei Klassen kein Englischunterricht!)

ob es so sein wird, das will ich einmal in aller Ehrlichkeit hier sagen, weil die Zeit, die wir dafür hatten, sehr knapp war. Ich war mir nicht sicher, aber Sie können sich sicher sein, dass dort Menschen sitzen, die garantiert jede Schule aufgespürt hätten, die ein ernsthaftes Problem hat, und Sie können sich auch sicher sein, dass wir dann wieder Proteste auf dem Marktplatz oder vor meiner Behörde gehabt hätten.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Achte Klasse kein Englischunterricht!)

Es war nicht der Fall, und dann haben Sie sich überlegt, dass Sie diese merkwürdige Hitliste machen, bei der jeder, wie er möchte, eintragen kann, wo überall Unterrichtsausfall stattfindet.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Herr Dr. Güldner hat richtigerweise gesagt, dass der Unterrichtsausfall ein Thema ist, das man bearbeiten muss, das bestreiten wir auch gar nicht, und ich will auch sagen, dass unsere zentrale Reserve knapp und ausgeschöpft ist. Die Schulen haben durchaus eine Vertretungsreserve von drei Prozent und fünf Prozent – in den Grundschulen sind es fünf Prozent – der Stunden. Das, was in der Pressekonferenz der CDU gesagt worden ist, dass eine Mutter, die übrigens CDU-Sprecherin im Bildungsausschuss in Oberneuland ist, in Rockwinkel ihr Kind abmeldet, weil die Vertretungsreserve nicht vorhanden ist, ist schlichtweg falsch. Die Schulleiterin sagt, die Vertretungsreserve habe sie in Stunden ausgedruckt bekommen, und diese Mutter habe danach gar nicht gefragt.

Das heißt, hier werden Popanze aufgebaut,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: In der Tat!)

um etwas zu skandalisieren. Wo waren denn bitte Ihre Erkenntnisse zum Haushalt aus den Parlamentsberatungen im letzten Herbst? Wo waren denn da Ihre Erkenntnisse? Es hat sich nicht erst jetzt ergeben, das hat sich hier in der Debatte doch gezeigt. Haushaltsanträge von Ihnen habe ich damals nicht feststellen können.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Jetzt zu den Kosten des Schulentwicklungsplans! Ja, wir haben ihn mit einem großen Verfahren und vielen Beschlüssen im Jahr 2009 begonnen. Die demografische Rendite reicht, und sie ist auch kein Popanz, sondern die Schülerzahlen sind real gefallen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, das ist irre!)

Ich habe einmal die Jahre 2009 bis 2012 betrachtet. Es sind 265 Stellen, die in meinem Haushalt umgeschichtet worden sind. Das ist kein zusätzliches Geld, sondern es wurde für Maßnahmen umgeschichtet. Erwirtschaftung nennt man das Ganze. 265 Stellen sind nicht wenig, in diesem Jahr waren es enorm viele, deshalb ist dieser Effekt auch nur durch die fünf Millionen Euro, die abgezogen worden sind, zu erklären. Wir haben 80 Stellen demografische Rendite in diesem Jahr gehabt.

Die Kosten des Schulentwicklungsplans, das heißt, der Aufbau der Oberschulen, die Sprachförderung, die Einrichtung der Werkschulen aufwachsend, sind durch die demografische Rendite finanziert. Wir haben aber ein strukturelles Problem – das habe ich auch nicht verschwiegen, das ist auch in jeder Deputationssitzung dargestellt worden – in der Inklusion. Dies hat sich jetzt durch die Maßnahme, 110 Stellen abzufinanzieren, und den Einsparbeitrag, der im letzten Jahr beschlossen worden ist, die 1,2 Prozent PEPQuote, verschärft. Dadurch haben wir eine Verschärfung beim Aufwuchs.

Jetzt will ich auch das Geheimnis lüften. Es ist in der Tat so, dass uns die Inklusion ziemlich viel Geld kostet, und wir haben das hohe Niveau der vollständigen Ausstattung noch nicht erreicht. Wir sind im Augenblick, wenn man die Regionalen Beratungsund Unterstützungszentren und die Weiterbildungsmaßnahme, die wir verschoben haben, mitrechnet, bei einem Aufwuchs von zusätzlich 175 Stellen bis zum Jahr 2015. Wenn man diese in einer Verordnung oder wo auch immer festschreiben will – diese Debatte findet gerade parallel zu dieser hier statt –,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Hören Sie zu, Herr Dr. Güldner!)

hat man ein strukturelles Defizit. Das ist so, wenn man alle Standards, die es jetzt gibt, fortschreibt, das set

ze ich dabei voraus. Wenn man bei den Standards noch erhöhen will, was ich auch gelesen habe,

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Wie die Grü- nen zum Beispiel!)

dann kostet es natürlich noch einmal deutlich mehr. Woran liegt das? Wir haben in der Inklusion etwa 7,5 Millionen Euro für Lehrerstellen und ebenfalls 7,5 Millionen Euro für Assistenzkräfte. Das sind große Beträge, die wir für diesen Bereich ausgeben. Ich denke, so hart es auch ist, wir sollten uns dem in nächster Zeit sehr genau widmen, weil diese kumulierenden Effekte jetzt vorhanden sind. Dieses strukturelle Defizit muss bearbeitet werden, und ich denke, das wird der Senat auch tun. Wir haben sicherlich eine harte Haushaltsrunde vor uns, die Finanzsenatorin wird dazu noch einiges sagen, und wir haben natürlich Verpflichtungen, was den Konsolidierungskurs an dieser Stelle angeht.

Es geht aber nicht –, und deshalb appelliere ich jetzt auch an die Bildungspolitiker, die hier sitzen –, dass wir in Deputationen, in der Öffentlichkeit oder bei Veranstaltungen signalisieren, wir legen noch darauf oder schreiben fest, und zugleich haben wir hier, wenn Haushaltsberatungen sind, ein Problem, nämlich ein strukturelles Defizit. Das geht nicht!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Herr Dr. Güldner kann sich die Zahlen ja noch aufschreiben!)

Lassen Sie mich noch ein Wort zum ganztägigen Lernen sagen! Wir haben einen Koalitionsbeschluss vom letzten Jahr, die Elternwahl für offene Ganztagsschulen freizugeben. Das hat einen gewaltigen Erfolg gebracht. Wir haben auf einmal 939 Plätze mehr geschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben über 1 000 Plätze in dieser Regierungsperiode neu geschaffen. Das heißt aber, für die nächste Anmelderunde müssen wir überlegen, ob wir nun bei den 939 Plätzen bleiben oder ob wir noch darauflegen. Das ist auch eine Frage dazu, wie viel Geld im Haushalt und wie viel wünschenswert ist. Ich glaube, hier werden wir koalitionär sehr schnell einen Beschluss fassen müssen. Wir haben uns verständigt, dass wir wegen der Verlässlichkeit und Planbarkeit jetzt im Herbst auch entsprechende Aussagen treffen müssen. Die rot-grüne Koalition hat vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2012 zusätzlich über sechs Millionen Euro für ganztägiges Lernen in den Bildungshaushalt eingestellt, auch das stelle ich gern dar, und natürlich auch noch investive Mittel in großer Zahl zur Verfügung gestellt.

Ich denke, für diese wichtigen bildungspolitischen Reformen benötigen wir – und ich glaube, wir, also

Rot-Grün, stellen das auch sicher – Kontinuität und Verlässlichkeit. Das haben wir übrigens auch in einem Konsens gemeinsam festgestellt, dass wir das für diese Schulreform benötigen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Mit Zustim- mung der Grünen übrigens!)

Deshalb ist es notwendig, dass wir Wünschenswertes und finanziell Machbares zusammenbringen. Da habe ich keine leichte Rolle, aber die Rolle der Finanzsenatorin ist mindestens genauso schwer. Ich denke, dass sie dazu auch noch etwas sagen möchte. Wir haben diese schwierige Aufgabe gemeinsam zu schultern, und ich glaube, das schaffen wir auch. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Bürgermeisterin Linnert.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Senat, diese Regierung hat den Bildungsbereich zu einem absoluten Schwerpunkt erklärt. Das kann man an den Haushaltszahlen, an der Programmatik und an den großen Anstrengungen, die wir unternommen haben, sehen und nachweisen.

Seit dem Jahr 2006 wird im Haushalt die Zahl der bezahlten Lehrerinnen und Lehrer stabil gehalten. Wenn Sie bei Darstellungen der Finanzreihen Schwankungen sehen, dann hängt das damit zusammen – die Kollegin Frau Jürgens-Pieper hatte es schon erwähnt –, dass sich dort unterschiedliche Altersstrukturen niederschlagen und sich deshalb Zuweisungen für die Stellen verändern, aber die Zahl der zugewiesenen Lehrerinnen und Lehrer ist seit dem Jahr 2006 stabil. Das ist in den Zeiten, in denen wir es mit sinkenden Personalhaushalten für das aktive Personal zu tun haben, weil wir die Pensionslasten im Personalhaushalt finanzieren müssen, eine riesige Kraftanstrengung eines Bundeslandes, das unter sehr schwierigen finanziellen Bedingungen arbeiten muss.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich bin auch fest davon überzeugt, dass diese absolute Sonderstellung des Bildungsbereiches richtig ist. Ich werde auch weiter alles tun, was ich als Finanzsenatorin tun kann, um diesem Bereich die Sonderstellung zu erhalten, sie zu stabilisieren und weiter auszubauen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Gleichzeitig haben wir uns politisch entschieden – das ist hier auch mehrfach besprochen worden –, dass die sogenannte demografische Rendite, die jedenfalls in den letzten Jahren nachweisbar war, seit dem Jahre 2006 8,9 Prozent beträgt. Wie es in der Zukunft weitergeht, darauf hat Frau Vogt schon hingewiesen, muss man sehen, möglicherweise müssen wir uns das neu anschauen, weil erfreulicherweise die Anzahl der sechsjährigen Kinder, die jetzt eingeschult wurden, ein bisschen angestiegen ist, was für Bremen zwar nicht finanzpolitisch, aber sonst für uns alle eine ganz gute Nachricht ist. Das heißt, 8,9 Prozent weniger Schülerinnen und Schüler sind in unseren Schulen, und wir haben es dort, weil die Anzahl der bezahlten Lehrerinnen und Lehrer, wie gesagt, stabil gehalten wurde, mit einem Verbesserungseffekt der Ausstattung in dieser Größenordnung zu tun. Es gibt 8,9 Prozent mehr Lehrerinnen und Lehrer für die Kinder.

Man kann nicht bestreiten, dass es zu Ärger gekommen ist und dass es für Ärger gesorgt hat, dass wir die Erwartungen und den Bedarf, der von einigen Schulen – nicht durchgängig von allen, darauf will ich gleich noch einmal hinweisen – gesehen wurde, so nicht erfüllen konnten. Es ist völlig klar, dass wir uns der Sache widmen müssen. Wir haben eine Übergangslösung geschaffen, die ist hier thematisiert worden und zum Teil auch kritisiert worden. Aber ich glaube auch, dass wir uns die Frage stellen müssen, ob diese demografische Rendite, die wir im Bildungssystem behalten haben, ausreicht, um die großen Vorhaben Inklusion, Ganztagsschulen und die Schulreform dauerhaft zu finanzieren. Wir müssen uns mit dieser Frage neu auseinandersetzen, das ist völlig unbestreitbar.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Da ich gleichzeitig weiß, dass es zu einigen Schulen, vor allem in den neu geschaffenen Oberschulen, zu sehr kleinen Klassen kommt, würde ich mich hier heute vielleicht trauen zu sagen, es weist darauf hin, dass wir im Bildungsbereich mit dem Phänomen zu tun haben, dem wir jetzt ganz oft im gesamten öffentlichen Dienst begegnen, wenn wir versuchen, Dinge zu verändern und umzubauen, nämlich dass wir vielleicht nicht ausreichend einschätzen können, wie sich die Übergangsprobleme darstellen. Ich will gleich noch einmal etwas zu den UVI-Mitteln sagen, die hier immer Hohn und Spott bei der Opposition, vor allem bei der CDU hervorrufen. Gerade das ist aber ein Programm, das dieser Tatsache Rechnung trägt.

Wenn man einen Istzustand hat und ihn in der Zukunft verändern will, nämlich mit mehr Ganztagsschulen, Inklusion und dem Aufbau der Oberschulen, dann ist der Weg dahin nicht so linear, wie man sich das wünscht, sondern man hat es mit Problemen des Übergangs zu tun. Das sieht man, wenn man apostrophiert, dass es nicht gelingt, gleichzeitig Einrich

tungen für behinderte Schülerinnen und Schüler zu schließen, wenn sie denn inklusiv geschult werden.

Man sieht es aber möglicherweise auch an sehr kleinen Klassen der Oberschule, und man sieht es vor allem auch da, wo wir Ganztagsschulen ausgebaut haben, dass es gar nicht in gleichem Maß gelingt, gleichzeitig auch die Hauptversorgung herunterzufahren. Das ist, glaube ich, auch nichts Mystisches oder Böses, sondern man muss dem wahrscheinlich in anderer Art und Weise Rechnung tragen. Wir brauchen dafür eine Planung, die diesen Abbauprozess mit einbezieht und akzeptiert – das sage ich auch an meine Adresse –, sodass es möglicherweise eine Notwendigkeit für Übergangsfinanzierungen gibt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das ist jetzt für 2012/2013 auch erfolgt, und jetzt haben wir etwas Zeit, das auszuwerten und uns genaueren Planungen widmen. Auf jeden Fall ist eines völlig klar, es ist fachlich, aber auch finanzpolitisch nicht sinnvoll, über längere Zeiten mehrere Systeme nebeneinander zu finanzieren. Ich glaube, das will auch niemand.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Für die LINKEN sind die Probleme wieder einmal ein Anlass, das zu machen, was sie hier eigentlich ständig machen, nämlich etwas gegen die verhasste Schuldenbremse zu sagen. Es bleibt dabei.

(Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])

Nein, es ist Ihnen einfach egal, woher das Geld kommt! Das hat mit Verantwortung nichts zu tun, sondern wir müssen einen Weg finden, der in der Tat alles, was fachlich notwendig ist, so kostengünstig und verantwortlich wie möglich macht. Das ist doch klar. Das macht übrigens auch der linke Finanzminister Herr Markov, mit dem ich einen ganz guten Kontakt in der Finanzministerkonferenz pflege, dass man dort schaut, wie man mit den bestehen Ressourcen ein möglichst gutes Angebot hinbekommt. Umgekehrt geht es nicht. Es gibt kein Wunschkonzert, und dann ist es egal, woher wir das Geld holen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Glocke)