Protokoll der Sitzung vom 13.09.2012

Es wird auch deutlich, dass es eben offensichtlich ausgesprochen schwer ist, zum Beispiel den Inhalt des gelben Sacks so zu trennen, dass man ihn besser verwerten kann. Wenn es ausgesprochen schwer ist, Elektrogeräte in anderer Weise zu verwenden, meine ich, ist die Herausforderung nicht nur auf der Seite derjenigen, die die Dinge benutzen, sondern auf der Seite derjenigen, die die Dinge erzeugen. Ich bin fest davon überzeugt, dass bei der Produktion von was auch immer ein Augenmerk auf die spätere Wiederverwertung zu legen – das wird meines Erachtens in der Automobilindustrie schon seit einigen Jahren etwas deutlicher praktiziert –, eine ausgesprochen lohnende Geschichte ist, und wir können dann auch die Wiederverwertungsraten deutlich erhöhen.

Ich habe noch einmal geschaut, was die Frage der Abfallvermeidung angeht. Um die Zahlen zu nennen: Im Jahr 1980 haben wir in Bremen ungefähr 375 Kilogramm Müll pro Einwohner erzeugt, davon wurden 20 Kilo wiederverwertet. Heute, 31 Jahre später, sind es 450 Kilogramm Müll pro Einwohner, und wir recyceln ungefähr 250 Kilo, also etwas mehr als die Hälfte. Muss uns das jetzt beruhigen, oder müssen wir uns darüber freuen? Natürlich müssen wir uns darüber freuen, dass es gelungen ist, viel von dem Müll wiederzuverwerten, aber dass wir heute mehr Müll produzieren als noch vor 30 Jahren, das sollte uns zu denken geben. Dann wird auch die Aufgabe klar, die nicht mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz zu lösen ist, da müssen andere Maßnahmen her.

Man kann sagen, dass der Peak, nicht der Peak Oil, sondern der Peak Müll in Bremen, der um die Jahrtausendwende 1998 bis 2001 bei über 500 Kilogramm Müll pro Einwohner lag, in den letzten zehn Jahren zumindest leicht zurückgegangen ist. Das ist doch ein bisschen ermutigend. Alles in allem, denke ich, hat diese Große Anfrage einige Informationen ergeben, die uns helfen, weiterhin auf diesem Gebiet gute Politik zu machen und Vorschläge zu entwickeln. Daher ist es gut, dass wir diese Anfrage haben. – Vielen Dank! (Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Dr. Lohse.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir diese Debatte heute führen. Ich freue mich auch über das eine oder andere positive Feedback, das von den Vorrednerinnen und Vorrednern auch geäußert worden ist für das, was hier in Bremen schon erreicht ist, denn es ist hier eine ganze Menge im Sinne einer ökologischen Stoffwirtschaft erreicht worden.

Ich möchte vorwegschicken, ich teile sehr vieles, was von den Vorrednerinnen und Vorrednern an Wünschen, Defiziten und dergleichen genannt worden ist. Ich möchte trotzdem ein bisschen auf die Schwierigkeiten oder auch auf die Überlegungen, die das Res

sort umtreiben, hinweisen, wenn wir schauen, wie wir solche Anregungen tatsächlich aufgreifen.

Dem Kreislaufwirtschaftsgesetz und auch der EURichtlinie liegt zunächst einmal eine logische Dialektik zugrunde, die noch nicht zur Sprache gekommen ist. Wir haben auf der einen Seite die abfallwirtschaftliche Zielhierarchie, auf die haben viele von ihnen Bezug genommen, das heißt, die Vermeidung steht vor der Verwertung, dort die stoffliche vor der energetischen, und ganz am Ende kommen wir dann zu den Entsorgungsverfahren wie der Verbrennung und der Deponierung.

Es gibt aber ein zweites Prinzip, das in der EUGesetzgebung zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, das möchte ich hier noch einmal nennen. Das ist das sogenannte Life Cycle Thinking, das ist das Denken in gesamten Lebenszyklen und das Denken in Ökobilanzen. Die Zielhierarchie kann, muss aber nicht zwingend zu den Antworten führen, die man beim Life Cycle Thinking dann als die beste Variante tatsächlich erkennt.

Ich werde Ihnen das gleich an einigen Beispielen zeigen. Ich nehme einmal ein Beispiel, es ist die Demontage und verwertungsfreundliche Konstruktion von Produkten angesprochen worden, um Verwertungsquoten erfüllen zu können. Das ist ein Wunsch der Abfallwirtschaft. Hier gibt es Zielkonflikte. Ich selbst habe viele Jahre auch mit solchen Themen gearbeitet, deshalb kenne ich mich da ganz gut aus.

Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel. Beim Automobil wissen wir, dass ein großer Teil der Umweltlasten auf die Kraftstoffverbräuche und die Treibhausgasemissionen während der Nutzung zurückzuführen ist. Um das zu minimieren, geht man immer mehr zum Leichtbau über, sodass man möglichst viel Material einsparen kann.

Jetzt muss man aber bestimmte Stabilitäten der Fahrzeuge sicherstellen, auch wenn man weniger Kilogramm Stahl oder Kunststoff oder was auch immer aufwendet. Das macht man beispielsweise, indem man Windschutzscheiben mit der Karosserie verklebt, das ergibt ein starres Element, was das Auto insgesamt, auch die Unfallsicherheit, die Aufprallsicherheit und all diese Dinge mit unterstützt. Dieses Verkleben der Scheibe mit der Karosserie macht aber die Trennung schwerer. Da muss man sich jetzt entscheiden, ob wir nur abfallwirtschaftliche Ziele oder insgesamt ökobilanzielle Ziele verfolgen. Es kann dann sein, dass man zu dem Ergebnis kommt, dass wir verkleben, weil das Ziel der Kraftstoffersparnis über eine Produktlebensdauer von 12 oder 15 Jahren ökobilanziell unter dem Strich besser ist, als nur die abfallwirtschaftlichen Ziele im Auge zu behalten. Das ist nur ein Beispiel gewesen, wie komplex die Überlegungen sind, die diesen Dingen zugrunde liegen.

Es gibt ein weiteres Problem mit der Zielhierarchie, und das ist die oberste Stufe. Ich teile vollkommen,

dass die Vermeidung von Abfällen die beste Form ist, Abfälle gar nicht erst entstehen zu lassen. Es gibt hier eine Schwierigkeit, und über die habe ich in den letzten 25 Jahren Vorträge gehalten: Vermeidung kann man nicht messen. Man kann etwas, was nicht da ist, nicht messen. Darüber kann man beliebig viele Überlegungen anstellen. Ich kann auch Beispiele geben, wo man am Ende verwirrt ist, ob hier eigentlich etwas vermieden worden ist oder ob etwas zusätzlich entstanden ist, je nachdem, wie herum ich es betrachte. Was man nicht messen kann, ist zwar schön als oberstes Prinzip sozusagen dessen, wie man die Welt geordnet haben möchte, immer wieder zu betonen, aber man kann den Nachweis nicht erbringen. Wir können messen, ob Abfallmengen zunehmen oder abnehmen, aber wir können nicht unbedingt sagen, ob sie vermieden worden sind.

Wir haben auch immer das Thema überflüssige Verpackungen, um nur ein Beispiel zu nennen. Natürlich kann man versuchen, möglichst viel Verpackung zu vermeiden im Lebensmittelbereich, aber spätestens wenn Sie die Weintrauben vom Bioladen ohne Verpackung in Ihre Fahrradtasche stecken, kommen Sie zu der Überlegung, ob die Verpackung vielleicht doch einen Nutzen hat, weil sonst das Lebensmittel selbst sinnlos hergestellt worden ist und dann größere Umweltlasten hervorruft. Das sind ernsthafte Überlegungen. Das heißt, viele Verpackungen haben auch einen Nutzen, um andere Schäden nicht entstehen zu lassen. Trotzdem stimme ich natürlich völlig damit überein, dass wir viel zu viele Verpackungen haben und sie an vielen Stellen auch vermeiden können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wie gesagt, immer ein bisschen die Komplexität der Dinge im Auge behalten!

Weiterhin ist mir wichtig: Es gibt eine ungeheure technologische Dynamik, was die Trenn- und Sortierverfahren angeht! Das heißt, manche Dinge, die vor 10 oder 20 Jahren völlig richtig waren, müssen heute nicht mehr richtig sein. Müllverbrennungsanlagen sind inzwischen sehr gut in der Lage, Metalle zurückzugewinnen, und zwar vor und nach der Verbrennung; die haben Magnetabscheider vorn und hinten noch Klaubverfahren. Es kann sein, dass da, wo es leicht zugänglich ist, natürlich vieles für eine mechanische Zerlegung oder Handzerlegung im Vorfeld spricht – dagegen will ich gar nicht reden –, aber es heißt nicht zwingend, dass Müllverbrennung immer schlecht ist, auch was die stoffliche Wiederverwertung bestimmter Komponenten betrifft.

Ich möchte auf einige Punkte eingehen, die konkret angesprochen worden sind. Frau Dr. Schaefer, Sie haben auf die Rauchgasreinigungsrückstände hingewiesen. Das ist ein Thema, bei dem mir auch nicht immer so ganz wohl ist, wenn ich sehe, welche Verwertungs- oder Beseitigungswege sie gehen. Die

Frage ist: Welche Einwirkmöglichkeiten haben wir, wenn wir ein privates Unternehmen haben, das sich natürlich aus wirtschaftlichen Überlegungen Entsorgungswege sucht? Wir haben diese Deponieeinbauklassen, die Ablagerungskriterien, die beschreiben, was zulässig ist und was nicht, und all diese Dinge. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, das Unternehmen diesen Weg geht und nachgewiesen wird, dass es ordnungsgemäß erfolgt, dann hat man zunächst einmal keine Handhabe, auch wenn man sich etwas anderes wünscht. Man kann dann natürlich langfristig nachdenken, wie man da weiterkommt, aber es ist unter Umständen auch nicht so einfach.

Die Biotonne, beispielsweise in Bremerhaven, ist ein Thema. Ich habe die Biotonne in vielen Städten auch selbst diskutiert. Es hängt immer sehr stark von der Siedlungsstruktur, der Struktur der Wohngebäude und auch von der Bewohnerstruktur ab, ob man mit der Biotonne wirklich etwas Positives erzielen kann. Es hängt auch davon ab, welche Verwertungsverfahren ich hinterher verfolge. Ich nenne nur ein Thema: Da, wo man damit rechnen muss, dass Bioabfälle vernässen, also quasi in der Biotonne oder in der Sammlung zu faulen anfangen, weil die Bewohner sie nicht regelmäßig ausleeren, sie nicht belüften, oder was auch immer die Punkte sind, entsteht in einer Konzentration Methan, die von der Treibhausgaswirkung das 17- oder 18-fache des Kohlendioxids hat. Dann haben wir unter Klimagesichtspunkten nichts geschafft.

Es gibt bestimmte Erfahrungen von Kommunen, in welchem Umfeld das leichter zum gewünschten Erfolg führt und in welchem Umfeld es schwieriger ist. Auf jeden Fall muss man die Biotonne mit Maßnahmen begleiten, um die Menschen zu trainieren, daran zu gewöhnen, sie richtig zu benutzen. Es gibt natürlich auch Hilfestellungen und Hilfsmittel. All das unterstütze ich auch aus vollem Herzen. Es ist nur eben nicht damit getan, einfach zu sagen, wir stellen in jeden Haushalt noch so eine Tonne, und dann wird das schon alles von allein funktionieren. Trotzdem sollten wir natürlich versuchen, mit der Getrenntsammlung auch in Bremerhaven voranzukommen.

Bei den Biogasanlagen geht es, so wie ich es verstanden habe, im Wesentlichen um die technische Entwicklung der Kompostierung, wie wir sie hier auch in Bremen haben, also eine anaerobe Vergärung in der einen oder anderen Form vorzuschalten. In dieser anaeroben Vergärung entsteht dann Biogas. Das ist ein sinnvolles Vorgehen, das unterstütze ich. Ich habe zu einem Strategiegespräch des Ressorts eingeladen, damit wir uns erst einmal hausintern eine einheitliche Meinung bilden, auch mit den zwei Unternehmen, die hier Ideen entwickelt haben. Ich schaue es mir in den nächsten Tagen persönlich an, und ich werde persönlich auch da die Richtung mitdiskutieren, wie wir das weiterbewegen, sodass wir

nach Möglichkeit Synergien schaffen zwischen den entwickelten Ansätzen.

Schließlich zum Thema Klärschlamm! Das ist auch noch einmal ein Thema, bei dem ich auf das zurückkomme, was ich eingangs sagte, die Zielkonflikte, die auch in der Zielhierarchie sind. Viele Jahre hat man gesagt, Klärschlamm bitte nicht verbrennen, sondern verwerten! Das heißt, mit der Ausbringung in der Landwirtschaft hat man lange Zeit eigentlich genau das gemacht, was die abfallwirtschaftliche Zielhierarchie sagt. Wenn wir jetzt über andere Verfahren nachdenken, sozusagen die stoffliche Verwertung in der unveränderten Form – also natürlich schon in der Kläranlage behandelt –, die wenig weiteren Aufbereitungsaufwand erfordert: Die Klärschlammverordnung, die wir haben, regelt natürlich auch, was saubere Klärschlämme sind, die landwirtschaftlich verwertet werden können. Sie enthält für eine lange Stoffliste von Parametern die Grenzwerte, die man den Böden maximal zumuten kann. Das hat man schon versucht sehr gut zu regeln. Trotzdem sind darin auch Stoffe, die man sich nicht wünscht, die nicht geregelt sind – das können Arzneimittel, Hormone oder andere Dinge sein –, und da müssen wir uns Gedanken machen.

Wir müssen dann aber auch darüber nachdenken, ob wir Klärschlämme in dem Fall eben doch auch energetisch verwerten. Manche Städte sind dazu übergegangen. Da steigen wir also aus der abfallwirtschaftlichen Zielhierarchie aus und machen etwas anderes. Wir müssen uns dann aber auch Gedanken über die Phosphatstoffströme machen. Phosphat ist einer der Stoffströme, bei denen wir am stärksten an die Grenzen stoßen, wie wir künftig unseren Phosphatdünger bekommen. Man ist in der Forschung und Entwicklung erst am Anfang, Phosphatrückgewinnungsverfahren einzusetzen, bevor man den Klärschlamm dann verbrennt. Hier besteht also auch noch Entwicklungsaufwand.

Ich möchte jetzt nicht auf alle Punkte, aber vielleicht noch kurz auf den Elektro- und Elektronikschrott eingehen. Da ist es gut, sich die Sammelerfolge anzuschauen, auch gerade im Vergleich mit anderen, und zu schauen, woran es liegt, wenn man die Sammelerfolge, die andere schaffen, nicht erreicht. Wir wissen seit vielen Jahren, dass Deutschland die Hälfte dessen zusammenbringt, was die skandinavischen Länder schaffen, obwohl der Lebensstandard in Skandinavien wahrscheinlich nicht so ist, dass man dort doppelt so viel Elektronikschrott erzeugt. Es lohnt sich hinzuschauen, ob es dort Plünderungen im Sperrmüll oder Exporte gibt, wobei wir da wieder die Grauzone zwischen Abfall und Gebrauchtgeräten haben. Das heißt, möglicherweise dient der Export gerade dazu, eine hohe Wiederverwertung zu gewährleisten. Die Schwierigkeiten sind mir klar, aber das sind eben Dinge, die nicht so einfach in den Griff zu bekommen sind.

Ein letztes Wort noch zum Gewerbeabfall! Da gibt es Grenzen der Statistik, da gibt es Grenzen der Berichtspflichten der Betriebe, was sie berichten müssen. Bei Dingen, über die Betriebe nicht berichten müssen und für die wir keine Rechtsgrundlage haben, haben wir es dann auch sehr schwer, detailliertere Daten zu bekommen. Da muss man sich wirklich überlegen, was mit vertretbarem Aufwand machbar ist. Trotzdem – und damit schließe ich – behalten wir diese Dinge natürlich im Auge. Wir glauben, wir stehen gut da, und wir schauen auch wirklich, bei welchen Stoffströmen wir noch weiter vorankommen können auf dem Weg, die Ziele dieser Abfallrahmenrichtlinie und des Kreislaufwirtschaftsgesetzes möglichst gut zu erfüllen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/456, auf die Große Anfrage der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD Kenntnis.

Mobilitätsberatung für Neubürgerinnen und Neubürger

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 15. Mai 2012 (Drucksache 18/419)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse. Die Beratung ist eröffnet. Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Saxe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein Thema, das mir persönlich sehr viel Spaß macht, weil es nicht um irgendwelche Sanktionierungen in der Verkehrspolitik geht, sondern es ist ein Stück weit Pädagogik und Anreize schaffen, um ein positives Verkehrsverhalten anzuregen und das Verkehrsverhalten zu verändern. Moderne Verkehrspolitik sollte sich nicht nur der Erweiterung und Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur widmen. Neben der großen Bedeutung des Erhalts und der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur kommt dem Bereich Mobilitätsmanagement zunehmend größere Bedeutung zu. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Organisatorische Maßnahmen und Ansätze zur Gestaltung des Verkehrsgeschehens werden an Gewicht zunehmen. Ziel ist eine Stärkung der Nachfrage nach ökologisch und ökonomisch sinnvollen Mobilitätsdienstleistungen. Mobilitätsberatung und Informationskampagnen, wie zum Beispiel die vorgeschlagene Neubürgerinnen- und Neubürgerberatung, können bei einer Umsteuerung der Mobilitätsgewohnheiten, einer verstärkten Nutzung des Umweltverbundes, der Ausweitung des Carsharings, der Förderung von Fahrgemeinschaften und des Jobtickets helfen. Solche Maßnahmen des Mobilitätsmanagements können relativ kostengünstig und flexibel angeboten werden und wirken unmittelbar bei den Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern.

Steigende Energiepreise und die Notwendigkeit des Erreichens der Klimaschutzziele machen ein derartiges Mobilitätsmanagement unentbehrlich. Unsere vorgeschlagene Mobilitätsberatung für Neubürgerinnen und Neubürger setzt hier an. Gerade an einem neuen Wohnstandort setzt eine Neuorientierung der Mobilitätsbedürfnisse und der Mobilitätsnutzung ein. Diese Neuorientierung kann durch bedarfsgerechte und nutzerorientierte Informationen und Angebote unterstützt werden. Das Potenzial ist enorm, rund 60 000 Menschen ziehen jährlich von außerhalb nach Bremen oder innerhalb Bremens um, in Bremerhaven sind es rund 15 000 Menschen.

Es gibt dafür ein gutes Best-Practice-Modell, und das ist München. Dort wurde so eine Mobilitätsberatung für Neubürgerinnen und Neubürger eingeführt, die sehr positive Auswirkungen in München gehabt hat. Es kann auch ruhig einmal heißen: Von München lernen! Dort wurde das eingeführt, und es hatte sehr positive Auswirkungen vor allem auf den ÖPNV, weil es sich vor allem darauf fokussierte. Das Potenzial, das man in Fachkreisen schätzt, ist etwa, dass etwa 20 Prozent Umsteuerungsmöglichkeiten vorhanden sind. Das ist schon eine gute Sache. Ein Manko in München war allerdings, dass man sich wirklich nur auf den ÖPNV fokussiert hat. Es ist natürlich noch etwas anderes denkbar, was wir hier in Bremen auch fördern wollen. Ich nenne nur einmal Carsharing oder auch Rad- oder Fußverkehr. Da kann man bestimmt noch ein bisschen mehr machen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wie kann man sich so ein Angebot nun vorstellen? Erst einmal ist es, glaube ich, nicht wahnwitzig teuer. Wie hat Herr Kollege Hamann gesagt? Es ist irgendwie ein bisschen ein Orchideenprojekt, das aber eine sehr gute Wirkung haben kann. Man kann Angebote der verschiedenen Betreiber des Umweltverbundes dort zusammenfassen. Vom ADFC ist beispielsweise denkbar, dass man da Fahrradstadtpläne

hat. Es hat in München ein kostenloses Wochenticket für diese Neubürgerinnen und Neubürger gegeben. Man muss zu unserer Variante sagen, auch diejenigen, die umziehen, sind natürlich damit gemeint. Da ist eine ganze Menge zu bedenken.

Das Schöne daran ist, dass eine Neubürgerin oder ein Neubürger, wenn sie oder er dann ins BürgerServiceCenter kommt und da manchmal sehr lange gewartet hat, dann ganz überrascht von Bremen und von einer Willkommenskultur Kenntnis nehmen wird, die es sonst nur in München gibt. Sie oder er bekommt nämlich ein Paket und kann dann seinen Fahrradstadtplan und eine Wochenkarte mitnehmen. Das ist, finde ich, eine sehr schöne Geste und eine Willkommenskultur, die ich mir auch in anderen Bereichen wünsche.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das kann ein erster Schritt sein. Es sind auch Angebote dieser Art denkbar für Kinder und Jugendliche, für ältere Menschen, Migrantinnen und Migranten, Touristen oder Firmen, da ist also eine ganze Menge möglich. Machen wir aber erst einmal die Erfahrung mit den Neubürgerinnen und Neubürgern und den Umzieherinnen und Umziehern, und dann schauen wir einmal weiter, was man da noch machen kann!

Es wird wichtig sein, dass man alle, die hier im Verkehrsverbund tätig sind, ins Boot holt. Das ist schon passiert, habe ich festgestellt. Dieser Antrag ist schon etwas länger, seit drei Monaten etwa auf der Tagesordnung der Bremischen Bürgerschaft. Ich habe einige Vorlagen gelesen, zum Beispiel zum Fahrradtourismus, worin schon ganz selbstverständlich steht, dass man da solche Pläne machen muss. Ich habe auch andere Vorlagen gelesen. Ich finde es schön, dass sich die Verwaltung schon vorauseilend darüber Gedanken gemacht hat, wie man diesen schönen Ansatz dann auch mit Leben füllen kann.

Ich muss die Sache mit den drei Monaten einschränken. Es steht im Antrag: „Der Senat wird gebeten, der Deputation für Umwelt, Bau, Verkehr, Stadtentwicklung und Energie bis zum dritten Quartal 2012 Bericht zu erstatten.“ Weil alle schon kräftig dabei sind zu planen, ist das vielleicht möglich. Ich glaube, niemand in diesem Hohen Haus ist böse, wenn es dann das vierte Quartal sein wird, da werden wir nicht so streng sein. Es ist gut, dass das jetzt auf den Weg, auf die Schiene gebracht wird. Die Chance für ein nachhaltiges Management unserer Mobilität sollten wir also gemeinsam, entschlossen und kreativ nutzen. Vielleicht fallen uns noch viele andere schöne Dinge ein, die nicht sanktionieren, sondern Anreize bilden und dann dazu führen, dass wir unsere Ziele, nämlich den Umweltverbund zu stärken, erreichen und es alle gern tun. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jägers.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Mein Vorredner hat schon auf viele Vorzüge hingewiesen, die wir erzielen wollen, indem wir den Antrag eingebracht haben. Der Antrag fußt auf dem Koalitionsvertrag, wir setzen wieder ein Stück des Koalitionsvertrags in reales Handeln um. Das ist schön, wenn man das so Stück für Stück abarbeitet.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Sehr schön!)

Der Antrag sagt aus, dass Mobilität organisiert werden muss. Wir wissen, dass sie organisiert werden muss, aber wir wissen auch, dass jedermann sie sich leisten können muss, sie muss bezahlbar sein und bleiben. Daher ist es gut, wenn man als Neubürger hierherzieht, dass man frühzeitig erfahren kann, wie man die Wege, die man zurücklegen will und muss, zurücklegen kann.