Protokoll der Sitzung vom 17.10.2012

Herr Hinners, Sie haben jetzt in der politischen Auseinandersetzung angeführt, dass der Senator sich um den Rechtextremismus und um den Bereich religiöser Fanatismus kümmert, aber nicht um den Linksextremismus. Wenn Sie gerade in der Innendeputation aufmerksam zugehört haben, dann ist Ihnen aufgefallen, dass der Senator selbst in enger Abstimmung mit der Polizeiführung am Wochenende agiert hat. Ich glaube, er hat sehr deutlich gemacht, dass das Brechen von Gesetzen in dieser Stadt nicht toleriert wird, und zwar unabhängig von Personen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema extremistische Straftaten ist ein Lieblingsthema der CDU und von Herrn Hinners. Ich möchte Ihnen gleich zu Beginn sagen, mein Lieblingsthema ist es nicht. Trotzdem möchte ich mich meinen Vorrednern insofern anschließen, dass ich sage, wir brauchen hier wirklich auch Augenmaß und Ausgewogenheit.

Ich habe es ja an dieser Stelle schon einmal erwähnt, ich bin in einem sehr konservativen CSU-regierten Bayern groß geworden, und insofern bin ich auch durchaus ein gebranntes Kind, wenn es heißt, auf die linke Ecke zu schauen und die rechte zu übersehen. Das waren immerhin alles in allem 30 Jahre, und ich habe dort durchaus Kontakt und Auseinandersetzungen unserer Staatsgewalt gehabt. Ich möchte auch, dass wir immer wieder mit einbeziehen, dass uns die Differenziertheit hier weiterbringt, und nicht, dass wir sagen, auf dem rechten oder linken Auge sind wir blind.

(Beifall bei der LINKEN und bei der SPD)

Um noch einmal zur Großen Anfrage zu kommen, Salafisten sind extrem strenggläubige Muslime mit einem reaktionären, wie ich auch finde, frauenverachtenden, patriarchalischen und demokratiefeindlichen Weltbild, und das ist nichts, was wir in irgend––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

einer Weise unterstützen oder gutheißen können! Sie unterhalten gute Kontakte zu den Wahhabiten in Saudi-Arabien und halten sich für die wahren Vertreter des Islams. Sie sind sozusagen die Vorahnen, die wirklich dabei gewesen sind und die genau eins zu eins in der Lage sind, die Traditionen weiterzutragen. Sie sind aber – und da muss ich sagen glücklicherweise – eine randständige Minderheit innerhalb der Muslime. Es ist auch dort sehr differenziert darauf zu schauen, inwieweit sie sich tatsächlich miteinander auseinandersetzen und auch unterstützen, was die Salafisten tun. Es gibt in Bremen zwei Vereine, die mit dieser kleinen Strömung in Verbindung gebracht werden. Der Verfassungsschutz beobachtet ihre Aktivitäten und schätzt rund 350 Salafisten in Bremen, das lesen wir ja auch in der Antwort auf Ihre Große Anfrage.

Wenn wir uns daran erinnern, heißt der Titel aber „Extremistische Straftaten in Bremen“, und wir lesen nun, dass es keine einzige den Salafisten eindeutig zugeordnete Straftat gibt, die der Senat in den vergangenen drei Jahren hätte aufzählen können. Keine einzige! Das ändert nichts daran, dass wir alle den Salafismus ablehnen, aber eine konkrete, aktuell strafbare Handlung, die für einen Strafprozess reichen würde, liegt nicht vor. Vielleicht sind sie also radikal, vermutlich sind sie es, sie stehen mit ziemlicher Sicherheit gegen die Gleichheitsgebote des Grundgesetzes und unserer Demokratie. Sind sie aber deswegen aktuell bei uns kriminelle Straftäter? Diese Frage können wir nicht eins zu eins beantworten, wir wissen es nicht. Der Senat weiß es auch nicht, und letztendlich weiß es auch die CDU nicht.

Tatsächlich gab es im Jahr 2011 eine große Hausdurchsuchung in einem salafistischen Zentrum. Es wurden Computer beschlagnahmt und Dokumente mitgenommen, aber es gab daraufhin keine Anklage. Offenbar befanden sich die erhofften Beweise nicht dort. Ich möchte davor warnen, und auch in dem Zusammenhang, wie das hier auch von Herrn Hinners vorgetragen worden ist, dass wir wieder Ängste an der Stelle schüren, wo das vielleicht doch ein wenig übertrieben ist, wenn wir das Ganze ins Verhältnis setzen.

Ich möchte rückwirkend sagen – das haben meine Vorredner hier auch glücklicherweise schon erwähnt –, vor dem Hintergrund der NSU-Morde haben wir überhaupt keinen Grund zu sagen, jetzt würden wir mit besonderem Augenmerk auf den Linksextremismus schauen müssen. Ich finde es wirklich extrem wichtig, und meinetwegen wiederhole ich mich auch an der Stelle, diesen differenzierten Blick beizubehalten. Ich muss auch sagen, aufgrund meiner biografischen Erfahrungen wäre dies durchaus angesagt. Ich fand es immer einen echten Vorteil von Bremen und in den Auseinandersetzungen hier, dass es hier anders läuft, und dies möchte ich auch lobend betonen.

Der Senat weist dankenswerterweise in seiner Antwort darauf hin, dass man genau diese Straftaten in

ein Verhältnis setzen muss und dass es nicht in die linke Richtung verzerrt werden sollte. Das Abknicken von rassistischen Pappschildern, das theoretisch eine Sachbeschädigung ist, sollte man zum Beispiel nicht ins Verhältnis setzen mit einer von den Nazis eingeworfenen Scheibe beim Lidice-Haus.

Neofaschistische Wurzeln und Auseinandersetzungen beziehungsweise Diskreditierungen, die gegen die Menschwürde sind und mit Ausländerhass et cetera zusammenhängen, sind, finde ich, wirklich ein beunruhigender Zusammenhang. Ich kann jetzt nichts Näheres dazu sagen, was am letzten Freitag passiert ist. Ich gebe zu, ich war in meiner Jugend durchaus auch an Hausbesetzungen beteiligt – das ist eine Weile her –, insofern habe ich durchaus Verständnis für eine gewisse Tradition. In großen Teilen finde ich es sogar schade, dass sie weitgehend zum Erliegen gekommen sind.

(Abg. Frau N e u m e y e r [CDU]: Steine auf Polizisten sind nicht strafbar? – Abg. K n ä p p e r [CDU]: Wie kann man so et- was sagen? Wir leben hier in einem Rechts- staat!)

Ich möchte noch einmal ganz explizit sagen, dass ich Verständnis für die Hausbesetzerszene habe. Politisch motivierte Gewalttaten, Steine werfen et cetera, habe ich persönlich nicht gemacht und heiße ich auch nicht für gut.

Ich war aber zum Beispiel dabei, das ist jetzt schon 15 oder annährend 20 Jahre her, als in der Kornstraße das Frauenzentrum abgerissen worden ist. Ich weiß nicht, ob sich manch eine oder einer hier im Saal noch daran erinnern kann. Ehrlich gesagt, ich stand damals vor diesem Schutthaufen und fand es unendlich traurig, weil dahinter eine Geschichte und eine Bewegung gestanden haben, und das hat nichts damit zu tun, dass ich Gewaltauseinandersetzungen befürworte, wirklich nicht. Ich finde, das muss man auch auseinanderhalten. Selbstverständlich gibt es Situationen, da bekommt man tatsächlich aggressive Anwandlungen, wenn man dem Staat im Zuge einer Auseinandersetzung gegenübersteht, wenn man in der Leopoldstraße in München eingekesselt ist und man diesen vermummten Gestalten gegenübersteht.

(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Was wollen Sie uns eigentlich sagen?)

Ja, wunderbar! Ich meine aber, ich stehe ja hier jetzt als Abgeordnete und letztendlich als demokratischverfassungsrechtlich gebundener Mensch, und da sage ich ihnen ganz ehrlich, ich bin nicht für Gewaltauseinandersetzungen. Das würde ich hier auch nicht unterstellen.

Ich komme aber auch gern wieder zu meinem Anfang zurück. Ich muss sagen, ich finde diese Ausgewogenheit wichtig. Ich bin eigentlich für die Antwort

des Senats dankbar, dass er es weiterhin aufmerksam beobachten will, und genauso ist diese Antwort auf die Große Anfrage auch ausgefallen. Ich kann das nur insofern unterstützen und finde es richtig, dass wir auch auf dem Auge schauen und auf beiden Augen gleich intensiv schauen, das kann ich nur sagen. Insofern kann ich mich für die Antwort des Senats nur bedanken. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gehört mit zur Tradition der Bremischen Bürgerschaft, dass wir uns mindestens dreimal, wenn nicht sogar viermal im Jahr mit diesem Thema befassen. Ich glaube, von der LINKEN ist gerade wieder eine Anfrage bei uns eingegangen zur Entwicklung der Straftaten im Bereich Rechtsextremismus. Sie haben es gesagt, Herr Hinners hat sein Steckenpferd im Bereich Linksextremismus.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Nein! – Zuruf des Abg. K n ä p p e r [CDU] – Abg. T s c h ö - p e [SPD]: Wir nehmen dann die Salafis- ten!)

Alle, ja gut!

Egal, welche Fragen Sie stellen, ob von links oder von rechts, ja, die Antwort steht immer zu Beginn fest, einmal bin ich auf dem linken Auge blind, einmal bin ich auf dem rechten Auge blind. Ich bitte dann darum, mir zukünftig einen Blindenhund zur Verfügung zu stellen.

Kommen wir einmal zu den Fakten, die einfach ganz anders aussehen. Sie, Herr Hinners, stellen fest, ja, es gab einen Anstieg im Bereich Linksextremismus. Ja, mein Gott, das ist genauso, als wenn Sie die Frage stellen, wie sich die Temperaturen im Juli entwickeln. Natürlich ansteigend gegenüber dem Juni und dem Winter!

Es sind natürlich die klassischen Delikte, mit denen wir es hier bei dem Wahlkampf zu tun haben. Da werden natürlich auch Plakate in größerer Zahl zerstört, das ist nichts Neues. Je mehr Plakate, desto mehr Sachbeschädigungen! Es kommt dann zu Auseinandersetzungen, wenn die NPD wie im Jahr 2011 hier Stände aufbaut, dann sind körperliche Auseinandersetzungen und vieles andere, wie natürlich auch Anschläge auf Pkw, angesagt. Das alles sind Dinge, die wir überhaupt nicht beschönigen und wogegen wir konsequent vorgehen. Es ist aber keine bremische Entwicklung, es ist kein dramatischer Anstieg, sondern schlichtweg dem Umstand geschuldet, dass wir hier einen sehr exponierten Wahlkampf der Rech

ten hatten, der zu dieser Entwicklung geführt hat. Wenn wir uns die Zahlen aus dem Jahr 2012 anschauen, werden sie genauso wieder heruntergehen, wie sie vorher angestiegen sind.

Was den Bereich Islamismus angeht! Alles das, was wir hier aufgeschrieben haben, hatten wir vor wenigen Wochen in über 100 Seiten sehr ausführlich in dem Jahresbericht des Landesamtes für den Verfassungsschutz begründet und vorgestellt. Offensichtlich war dies völlig vergebliche Liebesmüh, es liest niemand. Wir müssen es dann hier noch einmal abdrucken. Ich richte meinen Blick nach rechts zu denjenigen, die erneut nachgefragt haben – ich sehe gerade ein Exemplar –: keinerlei neue Erkenntnisse! Es ist so gewesen, wie wir es aufgeschrieben haben, und wir haben das heute wiederholt.

Auf der linken Seite, auch da hätte man vielleicht lesen können, gibt es in der Tat auch Straftaten, die verfolgt werden. Vielleicht ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, dass einer der führenden Köpfe aus dem Kultur- und Familienverein e. V., KuF, vom Oberlandesgericht München zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Das ist keine geheime Information, sondern das konnte man auch im „Weser-Kurier“ nachlesen. Das zu diesem Thema!

Wie gesagt, Ihr Fazit ist immer das gleiche. Ich glaube, wer auch nur halbwegs fair die Dinge anschaut, weiß genau, dass wir konsequent vorgehen. Wir haben eine Menge in dem Bereich Rechtsradikalismus unternommen und Initiativen in der Innenministerkonferenz ergriffen. Wir haben gerade vor einer Woche auf der Norddeutschen Innenministerkonferenz auch noch einmal das Thema angesprochen, wie wir gegen rechtsradikale Musikbands besser und koordinierter im norddeutschen Raum vorgehen. Da waren wir Vorreiter gewesen, was die Verbote angeht und vieles andere mehr. Ich will das nicht alles wiederholen.

Zum Thema „links“ haben wir eigentlich auch schon genug gesagt. Für mich war der Einsatz der Polizei am 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit beispielhaft gewesen, wo Tausend Autonome sich in dieser Stadt versammelt hatten, um einen großen Scherbenhaufen zu hinterlassen, und sie sind nach acht Stunden Fußwanderung durch die Innenstadt in enger Begleitung frustriert wieder abgereist. Das zeigt, wie wir mit solchen umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Noch ein letztes Wort zum Thema „Freitag“: Es war ja keine Häuserbesetzung, es war ein Fabrikgelände. Auch da muss ich sagen, man sollte ein bisschen aus der Vergangenheit lernen. Bremen hat eine eigene Geschichte, wenn es darum geht, Häuser und andere Einrichtungen zu besetzen. Das war in den Siebziger- und Achtzigerjahren durchaus eine Sache, die die Polizei sehr massiv bewegt hat.

Wenn ich einmal die damalige Situation mit der heutigen vergleiche – wir bereiten das gerade auch für unsere nächste Polizeiausstellung auf –, ist diese Hilflosigkeit, diese Überforderung der Polizei mit Protest, mit studentischem Protest, oder überhaupt mit Bürgerinitiativen umzugehen, die eine Seite. Heute haben wir eine Polizei, die eine andere Ausbildung hat, die qualifiziert ist und natürlich auch in erster Linie deeskalierend wirkt. Sie hat einen Blick dafür, wo man einschreiten muss und wo man sich einfach auch wieder zurücknimmt.

Gerade dieser Bericht von unserem Polizeivizepräsidenten Herrn Fasse hat sehr deutlich gezeigt, als nur drei Beamte vor Ort waren, haben sie nicht die Knüppel herausgenommen und sich eine Schlacht geliefert, die man nicht gewinnen konnte, sondern sie haben klug gesagt, wir ziehen uns zurück, wir sammeln erst einmal die Kräfte und dann beenden wir diese Besetzung. Genauso ist es passiert. Das heißt, kluges, überlegtes Vorgehen kennzeichnet eigentlich die Polizeiarbeit, und darauf sollten wir durchaus etwas stolz sein.

Ich glaube, Bremen muss nicht befürchten, weder von links noch von rechts in die Krise getrieben zu werden. Deswegen, wie gesagt, bringt diese Antwort auf die Große Anfrage nichts Neues. Es ist eigentlich der Wein in den alten Schläuchen, den wir hier ständig wiederaufbereiten. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/510, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Vermieterinnen und Vermieter an Maklerprovision beteiligen

Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/ Die Grünen vom 20. Juni 2012 (Drucksache 18/464)

D a z u

Änderungsantrag des Abgeordneten Timke (BIW) vom 27. Juni 2012

(Drucksache 18/479)

u n d

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vom 11. September 2012

(Drucksache 18/563)