Protokoll der Sitzung vom 18.10.2012

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit der Gesundheitsreform im Jahr 2004 – das wurde gesagt – übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen pro Ehepaar nur noch 50 Prozent der Kosten bei bis zu drei Versuchen der künstlichen Befruchtung bei Kinderlosigkeit, vorher waren es 100 Prozent bei vier Versuchen. Das hatte zur Folge – auch das wurde schon erwähnt –, dass wir uns als Länder seit dem Jahr 2008 in verschiedenen Varianten dafür einsetzen, dass die Kassen wieder die Kosten übernehmen, weil wir natürlich der Auffassung sind, dass die Eltern auch einkommensunabhängig entlastet werden sollen, daher fordern wir immer wieder einen Zuschuss aus Steuergeldern. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Auch Bremen hat sich in diesem Zusammenhang immer mit eingebracht.

Allerdings – auch das wurde gesagt, aber ich will es auch noch einmal betonen – stellt die künstliche Befruchtung sowohl im medizinischen Bereich als auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext ein durchaus problematisches Feld dar. Die Hormonbehandlung bei der assistierten Reproduktion kann in ihrer Folge für die Frauen auch gesundheitlich problematisch sein und zum Beispiel zum vermehrten Auftreten von Mehrlingsschwangerschaften führen. Diese Probleme werden in Kauf genommen bei einer nach wie vor sehr geringen „Erfolgsrate“, dass also wirklich eine künstliche Befruchtung gelingt. Das heißt – das wurde auch schon gesagt –, Paare, die sich dazu entschließen, begeben sich in eine sehr problematische Lebensphase, weil es in der Tat extrem belastend und auch mit extremen körperlichen Belastungen für die Frau verbunden ist.

Trotzdem halten wir es für sinnvoll, dass das von den Kassen übernommen wird. Der Bund hat die Vorschläge der Länder, die vor allem zu einer Entlastung der einkommensschwachen Paare führen würden, bislang konsequent abgelehnt. Der Bund ist im Übrigen der Gesetzgeber, der den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung und das, was von ihr finanziert werden muss, mitbestimmt. Die im vorliegenden Antrag der CDU erwähnten zusätzlichen neuen und somit freiwilligen Mittel des Bundes gehen zurück auf eine in diesem Jahr aufgelegte Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Gesundheit über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Maßnahmen der assistierten Reproduktion.

Der Bund wird nach den geltenden Richtlinien allerdings nur dort Mittel zur Verfügung stellen, wo sich die Länder – das wurde gesagt – mit einem eigenen Anteil in mindestens gleicher Höhe beteiligen. Die finanzielle Unterstützung – das ist uns wichtig – soll Teil einer umfassenden Gesamtkonzeption mit weiteren Handlungsbereichen sein. Hierzu gehören eine bessere Aufklärung über die Ursachen und die Folgen ungewollter Kinderlosigkeit, eine Verbesserung im Bereich der psychosozialen Beratung sowie die Überprüfung der geltenden Adoptionsregelungen. Diesem Anliegen der Initiative der Bundesregierung stimmen wir ausdrücklich zu. Allerdings lehnen wir die Verknüpfung einer staatlichen Förderung durch den Bund mit einer finanziellen Kofinanzierung durch die Länder explizit ab, weil es aus unserer Sicht eindeutig die Aufgabe der Krankenversicherungen ist, in diesem Bereich aktiv zu werden.

Ich halte es im medizinischen Bereich durchaus für sinnvoll, auch darauf zu beharren, dass es eine bestimmte Trennung zwischen den verschiedenen Aufgaben geben muss. Man kann nicht sagen, weil jemand seine Aufgaben nicht erfüllt, gehen wir in die Ersatzvornahme. Deswegen haben die Länder auch gesagt – die Saarbrücker Erklärung wurde schon er

wähnt –, dass sie sich dafür einsetzen, wenn die Krankenkassen bereit sind, mehr in dieser Hinsicht zu zahlen, was die Krankenkassen rechtlich seit dem 1. Januar 2012 können, dies als Länderanteil anzuerkennen, sodass da auch entsprechend die Bundesgelder in diesem Sinne, wenn der Bund der Meinung ist, er muss das über diesen Weg machen, mit angerechnet werden und auch fließen können. Wir warten bisher noch auf eine Reaktion des zuständigen Bundesfamilienministeriums, wir warten nach wie vor ab. Die Konferenz war im Juni, bisher haben wir darauf noch keine Antworten erhalten. Wir halten es allerdings schon für sehr wichtig, weil es auch eine wichtige Frage der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen ist.

Abschließend noch einmal: Dem Bremer Senat ist es gemeinsam mit der Bundesregierung in der Tat ein wichtiges Anliegen, die Situation von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch in unserer Gesellschaft deutlich sichtbar zu machen, das Thema künstliche Befruchtung zu enttabuisieren und zu einer Akzeptanz und Entstigmatisierung kinderloser Frauen und Paare beizutragen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der CDU mit der DrucksachenNummer 18/483 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Sicherheit, Wirksamkeit und gesundheitlichen Nutzen von Medizinprodukten besser gewährleisten

Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und der SPD vom 27. Juni 2012 (Drucksache 18/478)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Schuster.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Kappert-Gonther.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In unserem Antrag geht es darum, die Sicherheit, die Wirksamkeit und den gesundheitlichen Nutzen von Medizinprodukten zu verbessern und abzusichern. Es geht um Produkte, die Menschen aus medizinischen Gründen eingesetzt werden, beispielsweise künstliche Hüften, künstliche Knie, Brustimplantate oder auch sogenannte Stents, also kleine Röhrchen, die die Arterien am Herz oder im Kopf offenhalten und stützen sollen.

Ziel einer jeden medizinischen Maßnahme muss nach dem Erkennen der Erkrankung ihre Heilung oder Linderung sein und die Vermeidung von Folgekomplikationen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

So müssen sich Patienten und Patientinnen und Ärzte und Ärztinnen so sicher wie möglich sein können, dass die zu medizinischen Maßnahmen verwendeten Produkte sicher, wirksam und von gesundheitlichem Nutzen sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das sollte natürlich genau wie für Medikamente auch für Medizinprodukte gelten. Genau wie Arzneimittel können Hochrisikomedizinprodukte, die nach Implantationen mit dem Blut- und Nervensystem Kontakt haben, logischerweise Risiken mit sich bringen. Aktuelle Aufmerksamkeit haben, wie Sie alle wissen, in jüngster Zeit die schadhaften Brustimplantate hervorgerufen, die Frauen, denen diese implantiert wurden, erheblichen Schaden zugefügt haben. Ein etwas unbekannteres, aber sehr dramatisches Beispiel sind diese kleinen Röhrchen, die ich gerade schon erwähnt habe, die Stents, die Menschen zur Vorbeugung eines Schlaganfalls ins Gehirn eingesetzt wurden und tragischerweise – wie sich aber erst später in Langzeitstudien herausstellte – zu einer Erhöhung des Schlaganfallrisikos geführt haben, also das, was sie eigentlich verhindern sollten, hervorgerufen haben. Der Grund war, dass bei der Markteinführung lediglich eine Fallserie vorlag, die sich schließlich als nicht ausreichend aussagefähig erwiesen hat. So etwas darf künftig nicht mehr passieren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die nationale CE-Kennzeichnung sagt bisher zu wenig – fast gar nichts – über den medizinischen Nutzen eines Produktes aus und erfordert eben bisher keine vergleichenden klinischen Studien zur Zulassung. Ob ein Medizinprodukt nutzt oder schadet, kann aber nur durch klinische Studien gezeigt werden. Diese werden für Arzneimittel auch standardmäßig gefordert und für Medizinprodukte eben bislang nicht.

Betrachten wir einen weiteren Aspekt! Bisher ist weder die Rückverfolgbarkeit von medizinischen Implantaten ausreichend geregelt, noch erhalten die Patientinnen und Patienten regelhaft einen Implantatpass, wie er sich beispielsweise bei Herzschrittmachern sehr bewährt hat. Viele Fachleute sind der Auffassung, dass die Aushändigung eines solches Passes mit genauer Produktkennzeichnung, Datum, Klinik des Eingriffs und so weiter ein leichtes, kostengünstiges und höchst effektives Mittel wäre, Patienten und Patientinnen und Ärzten und Ärztinnen den sofortigen Zugang zu notwendigen Informationen über das Implantat im Notfall, oder wann immer diese Informationen gebraucht werden, zur Verfügung zu stellen. Wir schlagen deshalb in unserem Antrag vor, die Erstellung eines solchen Ausweises gesetzlich abzusichern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Im Zuge des Skandals um die Brustimplantate haben wir auch gelernt, und das war wirklich überraschend und schlimm, dass die bisherigen Haftungsregelungen im Falle schadhafter Implantate ebenfalls nicht ausreichen. Es war ja zunächst völlig unklar, ob die gesetzlichen und privaten Kassen die erforderlichen Operationen zur Schadensbegrenzung übernehmen müssen oder ob womöglich die Patientinnen selbst auf den Kosten sitzen bleiben würden. Wir fordern, dass alle Aspekte der Medizinprodukthaftung beim Verursacher verbleiben müssen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Derzeit wird auf EU-Ebene die Neuausgestaltung der Medizinprodukterichtlinie vorbereitet, das ist gut und wichtig. Auf Bundesebene muss unserer Meinung nach das Medizinproduktegesetz sowie das Patientenrechtegesetz entsprechend verbessert werden. Wir bitten mit unserem Antrag nun den Senat, sich dafür einzusetzen, dass eine Novellierung dieser Gesetze erfolgt und so ein wichtiger Beitrag zu mehr Sicherheit und gesundheitlichem Nutzen bei Implantaten für Patientinnen und Patienten geleistet wird. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Brumma.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Heute beraten wir eine Initiative, die wir bereits im Juni eingebracht haben. Sie war eine Reaktion auf den Brustimplantateskandal. Aufgrund dieser Erfahrung wollen wir auch den Patientenschutz verbessern. Gleichzeitig hat die SPD-Fraktion im Bun

destag einen Vorschlag eingebracht, der in die gleiche Richtung geht. Nach ihrer Forderung soll europaweit ein Zulassungsverfahren etabliert werden. Das Ziel muss dabei sein, dass eben nur die Medizinprodukte zugelassen werden, für die der Patientennutzen im Verhältnis zu den Risiken nachgewiesen und auch vertretbar ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ganz wichtig ist auch für uns, dass es eine Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung gibt, sodass die betroffenen Personen im Schadensfall auch entschädigt werden und sich nicht mit langen Prozessen und so weiter herumschlagen müssen. Gleichzeitig soll aber auch bei den Produkten, die jetzt schon auf dem Markt sind, die Sicherheit erhöht werden. Das kann durch Kontrollbesuche erfolgen, Stichproben bei den Medizinprodukten und anderen Kontrollmaßnahmen. Was also bei den Arzneimitteln inzwischen durch klinische Studien bis zu ihrer Zulassung vorgesehen ist, muss auch bei den Medizinprodukten endlich eintreffen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Inzwischen hat auch die EU reagiert und einen Vorschlag für zwei EU-Verordnungen zur kompletten Neuregelung des Medizinprodukterechts gemacht. Hierbei soll die Sicherheit für jeden Mitgliedsstaat erhöht werden, es sollen sich also alle Staaten daran halten. Auch hier wurden die Pflichten für die Hersteller erweitert und präzisiert, und auch bei den Herstellern sollen verantwortliche Personen für die Sicherheit und Zuständigkeit genannt werden.

Insgesamt ist eine Debatte im Fluss. Wir sind der Meinung, dass wir das genau beobachten und initiativ bleiben sollten, sodass hier am Ende gute Ergebnisse erzielt werden, die Sicherheit der Medizinprodukte gewährleistet wird und auch die Betroffenen nicht im Regen stehen gelassen werden, wenn ihnen etwas geschieht. In diesem Sinne werden wir, glaube ich, das ganze Projekt weiterverfolgen und hoffen, dass es zu einem guten Abschluss kommt. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bensch.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Skandale mit Medizinprodukten rütteln uns auf, das ist von meinen Vor––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

rednern schon gesagt worden, und dann ist die Politik immer ganz schnell dabei und will neue Regulierungen schaffen. Jetzt kommt Rot-Grün und sagt, hier muss etwas auf Bundesebene geschehen. Es ist doch schon längst etwas geschehen. Es ist auf EU-Ebene, und das ist genau der richtige Ort, nachgebessert worden. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen, meine Damen und Herren!

Auf EU-Ebene ist Folgendes reguliert worden, das halten wir für völlig richtig: eine bessere Überwachung der benannten Stellen durch die nationalen Behörden, Produkttests durch die benannten Stellen bei Hochrisikomedizinprodukten auch noch nach Einbringung in den Markt sollen künftig verpflichtend sein. Ebenso begrüßen wir als CDU die Verpflichtung zu unangekündigten Inspektionen beim Hersteller durch die benannten Stellen sowie Stichproben und Tests. Auch das Implantatregister, das vorgesehen ist, befürworten wir. Wir begrüßen auch ausdrücklich, dass die benannten Stellen vor der Vergabe des sogenannten CE-Kennzeichens ein Expertenkomitee einberufen sollen, das innerhalb von 19 Tagen eine Stellungnahme abzugeben hat.

Meine Damen und Herren, inhaltlich sind wir ganz nah bei Ihnen, aber vom Weg her sagen wir, wir müssen nicht noch zusätzlich kontrollieren, sondern wir haben da wirklich Experten – auch politische Experten – auf EU-Ebene. Wenn so etwas wieder einmal passieren sollte und die bisherigen Nachjustierungen nicht ausreichen sollten, dann wären wir gern bereit, vielleicht auch hier in der Bürgerschaft Ihre Initiative zu unterstützen. Diese ist aber jetzt nicht mehr so aktuell, dass man deswegen einen Antrag in Richtung Berlin schicken muss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!