Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rupp, ich muss zunächst einmal auf Sie eingehen. Sie haben drei Punkte genannt, denen ich entgegentreten möchte. Ich glaube, es gibt keine Verharmlosung der Lärmbelastung des Flughafens, das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist, es gibt auch keinen Vorrang der wirtschaftlichen Funktion des Flughafens, und der dritte Punkt ist, es auch nicht so, dass alles so geblieben ist, wie es immer war. Diesen drei Punkten möchte ich entgegentreten.

Der Flughafen erfüllt auf der einen Seite, wie Frau Motschmann ausgeführt hat, eine wichtige wirtschaftliche Funktion, auf der anderen Seite geht es um die Anwohnerinteressen. Schutz vor Lärm ist ein wesentliches, entscheidendes Ziel, und daran muss gearbeitet werden, aber wir müssen auch die Ausgangssituation im Blick behalten. Dafür sind vier Gesichtspunkte besonders wichtig.

Die Gesamtzahl der Nachtflüge – das sind Flüge zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr – ist deutlich gesunken. Wir haben im Jahr 2010 2 559 Nachtflüge gehabt, jetzt sind es noch 1 700 Nachtflüge. Die überwiegende Zahl der Nachtflüge findet im Zeitraum zwischen 22.00 Uhr und 22.30 Uhr statt, und es ist gut, dass sie nicht später stattfinden. Es ist auch in der ersten halben Stunde natürlich schon ein Problem, aber das erklärt im Grunde auch die Dichtigkeit. Man bemüht sich, die Grenze von 22.00 Uhr einzuhalten. Die meisten Nachflüge finden zwischen 22.00 Uhr und 22.30 Uhr statt, und da liegt das umfangreichste Aufkommen.

Ich will das anhand der Zahlen noch einmal deutlich machen! Im Jahr 2010 hatten wir 2 559 Nachtflüge, von denen 1 730 in der Zeit bis 22.30 Uhr stattfanden. Im Jahr 2012 hatten wir 1 700 Nachflüge, von denen 1 380 Flüge – jetzt hochgerechnet – in diesem Zeitraum gewesen sind. Das heißt, in dem Bereich liegt der deutliche Schwerpunkt. In der Zeit zwischen 24.00 Uhr und 6.00 Uhr fanden im Jahr 2010 47 Nachtflüge statt, und im vergangenen Jahr hatten wir eine Größenordnung von etwa 20 Nachtflügen.

Einen Punkt möchte ich noch ergänzen: Was ist eigentlich mit den Lärmwerten? Die Lärmwerte werden am Flughafen Bremen deutlich unterschritten, sie sind deutlich von den Grenzwerten entfernt. Das beruhigt uns nicht, denn es geht auch um Vorsorge, das ist ein ganz entscheidender Punkt. Man muss die Lärmbelastung im Ganzen niedrig halten.

Vierter Punkt: Vergleiche mit anderen Flughäfen! Bremen hat im Jahr 45 000 Flugbewegungen, davon

im Jahr 2010, wie gesagt, 2 559 und heute 1 700 Nachtflüge.

(Abg. R u p p [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage – Glocke)

Einen kleinen Moment bitte!

Der Flughafen Frankfurt hat 487 000 Flüge, davon 46 000 Nachflüge, also Frankfurt hat so viele Nachtflüge, wie Bremen im ganzen Jahr überhaupt an Flugbewegungen hat. Das muss man auch sehen. Es muss eine praktische Konkordanz zwischen der wirtschaftlichen Funktion des Flughafens und den sehr begründeten Interessen der Anwohner hergestellt werden. Natürlich muss erreicht werden, dass die Zahl insgesamt abnimmt, und ich sage gleich, mit welchem Konzept.

Herr Staatsrat, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Rupp?

Ja, bitte!

Bitte, Herr Rupp!

Können Sie sich vorstellen, dass wenigstens die planmäßigen Flüge, die nach 22.00 Uhr in Bremen ankommen – der eine kommt um 22.15 Uhr, der andere um 22.20 Uhr aus Frankfurt und München –, so organisiert werden, dass sie nicht planmäßig das Nachtflugverbot berühren?

Natürlich muss man die Zahl der Flüge nach 22.00 Uhr deutlich begrenzen. Das gilt auch für die Flüge, die planmäßig stattfinden. Das muss man natürlich beachten, das ist klar. Ich kann jetzt nichts zu den Einzelheiten des Flugplans sagen, das würde mich überfordern, aber natürlich geht es darum. In dem Ziel sind wir uns völlig einig, die Zahl der Nachtflüge, die wir haben – 1 700 –, muss weiter gesenkt werden.

Ich möchte jetzt etwas dazu sagen, mit welchen Mitteln dies geschehen soll. Ob das mit der Gebühr geht, das müssen wir genau beobachten. Das ist ganz klar. Die Gebühr soll zeitlich gestaffelt sein, sie soll lärmabhängig, und sie soll schadstoffabhängig sein. Das sind drei wesentliche Gesichtspunkte, die auch für die Lenkungsfunktion wichtig sind. Bei der Lenkungsfunktion muss man natürlich sehen, ob man die Ziele tatsächlich erreicht. Das ist auch ein wesentlicher Punkt. So kann man mit einer Gebühr auch lenken. Das ist legitim, und das ist völlig richtig.

Ausnahmegenehmigungen für Nachtflüge stehen unter strikten Voraussetzungen: erstens, Vermeidung erheblicher Störungen des Verkehrs, zweitens, öffentliches Interesse! Die allgemeinen Kriterien sind also eng begrenzt. Man muss auch da an der Schraube drehen und die Anforderungen nach Möglichkeit hoch ansetzen.

Dann: Haben wir Transparenz? Eine Dokumentation ist auf der Webseite einstellt, sodass wir völlige Klarheit schaffen. Ein wesentlicher Punkt ist die enge Zusammenarbeit mit der Fluglärmkommission, dort müssen die näheren Interessen genau aufgenommen werden. Es ist auch eine mögliche Begrenzung militärischer Flüge angesprochen worden. Das ist auch in diesen Zeiträumen problematisch. Es gibt einen engen Kontakt mit dem Amt für Flugsicherung der Bundeswehr in Köln. Man hat versucht, dass diese Flüge, die gar nicht zu einer Landung führen, nach Möglichkeit reduziert werden. Es ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen eingeleitet worden, um die wirtschaftliche Funktion des Flughafens möglichst anwohnerfreundlich zu gestalten. Ich glaube, das ist das, was durch den Senat angestrebt wird, und es ist auch für den Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, für den ich jetzt hier spreche, ein wichtiges Ziel. Den Weg müssen wir weitergehen. Ein Verbot im Ganzen ist eine sehr radikale Maßnahme, und sie ist in hohem Maße schädlich. Wir müssen in dem vorhandenen Rahmen zwischen diesen beiden Funktionen sehen, dass uns ein möglichst guter Ausgleich gelingt. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 18/672, Neufassung der Drucksache 18/461, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen? Ich stelle feste, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab. Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Mitteilung der staatlichen Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Drucksache 18/618, und dem Bericht der staatlichen Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Drucksache 18/619, Kenntnis.

Hilfesystem für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und Kinder überprüfen

Mitteilung des Senats vom 3. Juli 2012 (Drucksache 18/489)

Wir verbinden hiermit:

Hilfesystem für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und Kinder überprüfen

Bericht und Antrag des Ausschusses für die Gleichstellung der Frau vom 15. November 2012 (Neufassung der Drucksache 18/652 vom 14. November 2012) (Drucksache 18/658)

Meine Damen und Herren, die Mitteilung des Senats „Hilfesystem für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und Kinder überprüfen“ vom 3. Juli 2012, Drucksache 18/489, ist von der Bürgerschaft (Land- tag) in ihrer 23. Sitzung am 11. Juli 2012 zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für die Gleichstellung der Frau überwiesen worden. Dieser Ausschuss legt mit der Drucksachen-Nummer 18/658, Neufassung der Drucksache 18/652, seinen Bericht und Antrag dazu vor.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als Berichterstatterin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hoch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Ausschuss für die Gleichberechtigung der Frau hat den Bericht in seiner Sitzung am 20. September 2012 beraten. Der Ausschuss begrüßt ausdrücklich, dass ein Bericht – und somit ein Überblick über die Versorgungslage – vorgelegt worden ist. Grundlage des Berichts ist unter anderem eine Befragung von Einrichtungen, die Beratung und Unterstützung für diejenigen anbieten, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Es liegen Rückmeldungen aus 41 Einrichtungen vor.

Sachstand zu den Einrichtungen! Zunächst geht der Bericht auf die Situation der vorhandenen Fachstellen ein. Hier ist positiv zu vermerken, dass für den Verein Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen e. V. die Mittel um 40 000 Euro aufgestockt worden sind, ähnlich wie bei dem Verein Neue Wege e. V., hier wurden die Mittel um 30 000 Euro aufgestockt, und dem Frauengesundheitstreff Tenever, der 10 000 Euro erhält. Hier ist allerdings festzuhalten, dass auch die Frauenhäuser Frauen beraten und dass diese Arbeit nicht finanziert wird. Gerade über den Frauenhausaufenthalt hinaus ist weitere Unterstützung notwendig, die aktuell nicht geleistet werden kann.

Grundsätzlich ist die Finanzierung der Frauenhäuser defizitär und in ihrer Gesamtstruktur dringend zu verändern. Diese Thematik ist wiederholt durch entsprechende Anfragen und Anträge in der Bürgerschaft vorgetragen worden und wird auch bundesweit diskutiert. Lösungen stehen immer noch aus, eine Evaluation wird vorbereitet. Das Kernproblem ist, dass für Frauen, die keinen Anspruch auf SGB II oder SGB XII ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

haben, wie Studentinnen, EU-Bürgerinnen und Frauen ohne eigenen Aufenthaltsstatus, die Finanzierung über das Frauenhaus nicht sichergestellt werden kann. Diese Frauen müssen den Aufenthalt selbst finanzieren, und das ist für einige nicht machbar.

Jetzt komme ich zu dem Themenkomplex Fortbildung! Die meisten Einrichtungen bieten keine konkrete Beratung und Unterstützung an, sondern sind eher Vermittlungsstellen, sie haben aber ständig mit den Betroffenen von häuslicher Gewalt zu tun. Dafür braucht man eine entsprechende Aus- oder Vorbildung beziehungsweise eine Fortbildung der Beraterinnen, für die leider kaum Kapazitäten zur Verfügung stehen. Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass nur sieben Einrichtungen angeben, einen frauen- beziehungsweise geschlechtsspezifischen Arbeitseinsatz zu praktizieren.

Die entsprechende Qualifizierung ist nach wie vor unzureichend. Der Bedarf ist hier unbestritten, egal ob es sich um die Aneignung von Fachwissen oder den Austausch untereinander handelt. Die direkte Beratung und Hilfe stehen bei den meisten Einrichtungen nicht im Vordergrund, sondern die Weitervermittlung an entsprechende Stellen. Hier werden am meisten die Frauenhäuser, die Polizei, der Verein Schattenriss, das Amt für Soziale Dienste, der Notruf, Psychotherapeuten und andere genannt.

Des Weiteren sind Defizite in folgenden Punkten hervorzuheben: Eine explizite Unterversorgung besteht bei zugewanderten Frauen, ob bei Migrantinnen im Allgemeinen oder Frauen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus. Diese Gruppe braucht Anlaufstellen. Bis auf den Fachdienst Migration und Integration der AWO, der ein mehrsprachiges Angebot vorhält, besteht hier Handlungsbedarf zum Beispiel bei Dolmetscherdiensten. Für Frauen mit geistiger Einschränkung beziehungsweise Behinderung gibt es keine adäquaten Hilfsangebote, das haben wir hier auch schon einmal in einem anderen Zusammenhang debattiert. Bei den genannten Gruppen besteht ein Unterbringungsbedarf wie Schutzräume für Migrantinnen, junge Frauen und Frauen mit Behinderung.

Die Notwendigkeit, Täterarbeit zu leisten, wird genannt und das Fehlen von kostenfreien Angeboten für Männer bemängelt. In diesem Zusammenhang ist auch die unzureichende Unterstützung des Bremer JungenBüros zu nennen, da Jungen oft als Opfer zu wenig wahrgenommen werden; hier ist auch der Verein Männer gegen Männergewalt zu nennen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Perspektivisch rückt hier die Einrichtung des Bundeshilfetelefons in den Mittelpunkt, das es ab Ende 2012 als erste Anlaufstelle geben soll. Das Land Bremen steht hier in der konkreten Verantwortung, nicht nur Weitervermittlungsinstitutionen zu benennen, sondern ausreichende Beratungs- und Unterstützungs

angebote für alle Frauen zur Verfügung zu stellen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. Dabei ist es wichtig, immer wieder zu betonen, dass häusliche Beziehungsgewalt in allen sozialen Schichten anzutreffen ist und die Dunkelziffer trotz der zunehmenden öffentlichen Thematisierung immer noch sehr hoch ist.

Wesentlich ist und bleibt selbstverständlich die Prävention und immer wieder die Präventionsarbeit. Um der häuslichen Gewalt auf allen Ebenen begegnen zu können, sind die Vernetzungsarbeit und die Fortbildung die Grundlage, um Bedarfe zu erkennen und auf sie eingehen zu können. Dafür brauchen wir eine ausreichende Basisfinanzierung, damit sich eine Struktur herausbilden kann, die breit aufgestellt ist, damit die jeweilige Notsituation dann aufgefangen werden kann.

Der Ausschuss sieht in diesem Bericht einen kenntnisreichen Beitrag, um die Lücken und Handlungsfelder zu definieren, er muss in seinen Feststellungen ernst genommen werden und in eine praktische Umsetzung münden. Als stellvertretende Ausschussvorsitzende bitte ich Sie deshalb, unserem Antrag und den Empfehlungen beizutreten. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Böschen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Häusliche Gewalt ist ein gravierendes Problem in unserer Gesellschaft, an dessen Folgen die Betroffenen oft ein Leben lang schwer tragen. Deshalb müssen sowohl medizinische Behandlungen als auch Beratungsangebote oder Therapieplätze schnell und einfach erreichbar sein, und zwar für möglichst alle, die davon betroffen sind. Darüber hat bereits im letzten Jahr hier im Hause große Einigkeit geherrscht, als wir den Antrag eingebracht haben, einmal darzustellen, wie sich die Versorgungssituation in Bremen darstellt. Der nun hier zu debattierende Bericht ist keine wissenschaftliche Evaluation, aber er gibt einen guten Überblick über die Versorgungssituation in Bremen und Bremerhaven.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Befragt wurden Einrichtungen, die Beratung und Unterstützung für diejenigen anbieten, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, und zwar sowohl die allgemeinen Beratungsstellen als auch die spezialisierten Fachberatungsstellen. Der Bericht zeigt sowohl das Vorhandene auf als auch den Handlungsbedarf, den es darüber hinaus noch gibt. Dabei wird deutlich, dass das Hilfeangebot in Bremen umfangreich ist, während es in Bremerhaven allerdings keine

Fachstelle für vergewaltigte Frauen gibt. Aus meiner Sicht ist hier Abhilfe zu schaffen.