Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

Wir können nur sehr begrenzt, nämlich mit dem gesetzlichen Mindestlohn, darauf Einfluss ausüben, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

wobei ich an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen will, der Mindestlohn ist eben wirklich nur ein Mindestlohn, es ist nicht so, dass man mit dem Mindestlohn sehr große Sprünge machen könnte. Deswegen glaube ich, dass wir im Grunde genommen in Bremen eigentlich eine Situation haben, in der deutlich mehr bei den Armen ankommen müsste, und dass es der Wirtschaft gut geht. Ich sage das auch deshalb, weil ich glaube, dass das auch im Interesse der Wirtschaft ist, weil es nämlich ein Standortvorteil ist, wenn es einer Stadt gut geht, und es ist ein Standortnachteil, wenn man Verarmung in einigen Teilen dieser Stadt zulässt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte mich trotzdem bei der LINKEN für die Große Anfrage bedanken, weil sie den Senat dazu aufgefordert hat, das zu beschreiben, was er getan hat. Ich habe mir die Antwort sehr genau angeschaut. Ich war, ehrlich gesagt, selbst ein bisschen überrascht, wie viele Maßnahmen es eigentlich in dieser Stadt gibt, obwohl ich nun auch schon seit Längerem mit diesen Fragen zu tun habe. Ein paar Maßnahmen hat Herr Erlanson schon aufgezählt. Ich kann hier genauso wenig alle Maßnahmen in einer Debatte mit fünf Minuten Redezeit aufzählen, aber es sind, glaube ich, wirklich sehr viele Ansätze dabei: „Wohnen in Nachbarschaften“ ist zum Beispiel ein hervorragendes Projekt. Wir sollten aber trotzdem immer wieder auf die Wirksamkeit der Maßnahmen innerhalb dieser Projekte schauen, das gilt, glaube ich, im Übrigen auch für das Projekt „Soziale Stadt Bremen“ und für alle anderen Hilfsmaßnahmen.

Die Schuldnerberatungsstelle ist schon erwähnt worden. Ich finde, es ist eine außerordentliche Leistung, dass wir das in dem Rahmen ermöglicht haben. Ich glaube aber, dass man aufhören muss, Armut ausschließlich so zu definieren, dass man wenig oder sehr wenig Geld hat. Der Bericht des Senats stellt dar, dass es eben trotz Armut auch darum geht, Teilhabe zu organisieren, und dort gibt es sehr viele Projekte, die genau das versuchen zu gewährleisten.

Wir versuchen, die ärmeren Menschen in dieser Stadt eben nicht von der Teilhabe auszuschließen, das beginnt beim Theater und geht bis hin zu Kinobesuchen und betrifft alles, was Teilhabe eben so bedeutet. Es gibt sehr viele Maßnahmen und Projekte, die es eigentlich alle wert sind, einzeln aufgezählt zu werden, aber es ist wirklich eine so große Anzahl, dass man das in dieser Debatte so nicht machen kann.

Ich selbst denke, ehrlich gesagt, schon länger über die Frage nach, wie es sein kann, dass wir so viele gute Maßnahmen haben, die versuchen, das Problem aufzulösen, dass aber festgestellt werden muss, dass die Zahlen tatsächlich besorgniserregend sind, insbesondere im Bereich der Bedrohung der Jugend durch

Armut, und nicht besser werden. Manchmal stelle ich mir die Frage: Was wäre, wenn wir gar nichts täten? Dann wären die Zahlen wahrscheinlich noch weitaus schlimmer! Deswegen ist es erst einmal gut, dass wir das, was wir machen, tatsächlich an der Stelle machen. Den durchschlagenden Erfolg jedoch, sodass man letztlich sagen könnte, wir haben keine Armutsprobleme mehr, erkenne ich noch nicht, um es einmal ganz klar zu sagen. Ich bin aber der felsenfesten Überzeugung, dass wir in dem Bereich nicht nachlassen dürfen, nach Lösungen zu suchen.

Wir haben in einigen Bereichen Hilfsangebote gefunden, die sehr passgenau und nützlich sind, die den Menschen auch real helfen, aber ich will nicht verhehlen, dass ich bei einigen Projekten gelegentlich auch das Gefühl habe, dass sie nicht so gut helfen. Ich will das jetzt nicht weiter vertiefen, aber ich bin auch ganz entschieden dafür, in den Bereichen der Sozialhilfe über eine Wirkungsanalyse nachzudenken. Wenn eine Maßnahme durchgeführt wird, dann will ich ganz deutlich, dass es den Menschen nach der Maßnahme besser geht als vorher.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Das zu überprüfen – da macht man sich nicht immer in allen Bereichen beliebt – ist, glaube ich, notwendig.

Ich will an dieser Stelle noch ganz kurz die Gelegenheit nutzen zu sagen, dass wir dem Antrag der LINKEN deswegen nicht zustimmen, weil wir glauben, dass wir die Situation im Rahmen der in den Haushaltsberatungen diskutieren müssen. Ich bin überhaupt nicht dafür, in dieser Situation, zu diesem Zeitpunkt haushaltsrelevante Festlegungen im Vorfeld zu treffen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Lassen Sie uns gemeinsam die Diskussion zu den Haushaltsfragen am Ende des Tages führen! Dann wird es darauf ankommen, dass man die richtigen Haushaltsbeschlüsse fasst, und dafür brauchen wir eine gründliche und ordentliche Debatte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Wendland.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über Armut in Bremen ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

und Bremerhaven. Die Daten über die Einkommensarmut in unseren Städten sind besorgniserregend. Es ist absolut nicht hinnehmbar, dass mehr als jeder Fünfte im Land Bremen armutsgefährdet ist. Das heißt konkret, dass jeder Fünfte mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens leben muss. Mit so wenig Geld monatlich auskommen zu müssen, bedeutet für die meisten Betroffenen, unter permanenten Existenzstress zu stehen. Das Leben dreht sich bei den Betroffenen tagtäglich kreisend um die Frage, wie sie mit dem wenigen Geld hinkommen, um das Allernötigste bezahlen zu können. Das führt auch zu erheblichen psychischen Belastungen.

Wenn wir über Armut reden, geht es aber nicht nur um die Frage des verfügbaren Geldes, sondern es geht um die Frage der sozialen Mobilität, also um die Frage: Wie ist es möglich, aus der Armut herauszukommen? Alle Erfahrungen zeigen, dass der Wille eines Einzelnen, aus der Armut herauszukommen, bei Weitem nicht ausreichend ist, deswegen sind hier der Staat und die Politik gefragt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dem Bund kommen wichtige Aufgaben bei der Armutsbekämpfung zu. Das betrifft insbesondere eine umverteilende Steuerpolitik. Diese begrenzt die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung und sorgt dafür, dass dem Staat ausreichend Mittel für seine Aufgaben zur Verfügung stehen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb hat sich der rot-grüne Senat im Bundesrat für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und auch für die Rücknahme der „Mövenpick-Steuer“ eingesetzt. Weiter arbeitet die Senatorin für Finanzen an einer Initiative zur Wiederbelebung der Vermögenssteuer und an einer Reform der Erbschaftsteuer.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Um Armut zu reduzieren, ist es wichtig, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können. Mein Kollege Möhle hat es angesprochen, die Zeit ist schon lange dafür reif, dass ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir sind in Bremen stolz darauf, dass wir mit der Einführung eines Landesmindestlohngesetzes im öffentlichen Bereich wenigstens das getan haben, was für uns möglich war.

(Erneuter Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Grundsicherung für SGB-II- und SGB-XII-Empfängerinnen und -Empfänger muss das soziokulturelle Existenzminimum absichern. Deshalb brauchen wir dringend eine Erhöhung des Regelsatzes, und auch diese muss durch die Bundesgesetzgebung erfolgen. Darüber hinaus gibt es aber vieles, was wir in Bremerhaven und auch in Bremen tun können, um die Lebenssituation der Menschen zu verbessern und um ihre Chancen auf soziale Mobilität zu erhöhen. Diese Aufgabe kann aber ein einzelnes Ressort nicht allein schaffen, hier sind alle Ressorts gefragt, ihren Beitrag zu leisten.

Aus der Antwort des Senats auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE geht hervor, dass der Senat nahezu auf allen Politikfeldern aktiv ist. Wir dürfen aber trotzdem nicht darin nachlassen, Armutsbekämpfung als eine gemeinsame Aufgabe auf allen Politikfeldern zu verstehen. Hier stehen wir vor der Herausforderung, die guten einzelnen Ansätze noch besser miteinander zu verzahnen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ein besonderes Augenmerk unserer Politik liegt darauf, dass die Armut der Eltern nicht an ihre Kinder weitergegeben wird. Viele Maßnahmen zielen darauf ab, die Abhängigkeit der Bildungschancen vom Elternhaus zu reduzieren, das beginnt mit frühkindlicher Bildung in den Kindertagesstätten, setzt sich fort mit Ganztagsschulen und hört längst nicht auf bei den Feriencamps. Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass das Handeln über Ressortgrenzen hinweg unerlässlich ist.

Soziale Mobilität wird auch dadurch gefördert, dass die Menschen am sozialen und kulturellen Leben teilnehmen können. Zwei wichtige Projekte der rotgrünen Koalition sind das Stadt- und Kulturticket. Das Stadtticket ermöglicht den Bremerinnen und Bremern mit wenig Geld im Portemonnaie, im Stadtgebiet mobil zu sein, und mit dem Kulturticket können die Betroffenen mit ermäßigtem Beitrag an öffentlicher Kultur partizipieren.

An dem Antrag der LINKEN hat uns gefreut, dass die Fraktion DIE LINKE alle die von der rot-grün Regierungskoalition durchgeführten Maßnahmen für so gut befindet, dass sie deren langfristige Absicherung fordert; allerdings, und da stimme ich mit meinem Kollegen Herrn Möhle überein, führen wir hier keine vorgezogenen Haushaltsberatungen durch. Wir lehnen deshalb Ihren Antrag ab.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Im nächsten Jahr wird der Senat der Öffentlichkeit einen neuen Armuts- und Reichtumsbericht vorlegen. Das wird ein Anlass sein, die Maßnahmen und Strategien des Senats kritisch zu überprüfen und gege

benenfalls zu modifizieren. Armutsbekämpfung erfordert von uns allen eine kontinuierliche Anstrengung und Aufmerksamkeit. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das war ja eine schöne rot-rot-grüne Harmonie, mit leichten Nuancen am Ende, wer jetzt wem weshalb nicht zustimmt. Sie würden ja gern, Frau Wendland; Sie posten das ja auch entsprechend. Ihre Fantasien sind da gar nicht so weit von Herrn Erlanson, Herrn Rupp oder Frau Vogt entfernt.

(Abg. P o h l m a n n [SPD]: Genau, wir brauchen einen Politikwechsel!)

Die Zahlen, die uns in dieser sehr umfangreichen Antwort des Senats vorliegen, sind erschreckend. Sie sind aber auch die Bilanz von 65 Jahren sozialdemokratischer Regierung.

(Widerspruch bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es tut Ihnen weh, meine Damen und Herren! Schauen Sie sich die Zahlen an. Sie haben seit dem Jahr 1947 durchgehend die Regierungsverantwortung in Bremen und Bremerhaven.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein Unterscheid zu anderen Bundesländern.

Herr Erlanson hat das in seiner Eingangsbemerkung gesagt. Schauen Sie sich die Tabelle an, die Sie auf der Seite vier sehen! Sie erinnern sich schwach, Sie haben vor dieser rot-grünen Koalition schon einmal in einer anderen Regierungskonstellation regiert. Im Jahr 2005 hatten wir eine Quote von 21,4, im Jahr 2006 von 18,3, im Jahr 2007 von 18,1. Im Jahr 2007 gab es dann einen Regierungswechsel, seitdem stieg die Quote wieder erheblich an.

Es hat vielleicht auch damit etwas zu tun, dass man nicht nur in Transfersystemen denkt, dass man nicht nur über die Projekte, über die Sie gesprochen haben, nachdenkt. Unser Grundsatz ist: Sozial ist, was Arbeit schafft! Sie müssen Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft ankurbeln, das ist das beste Mittel gegen Armut.

(Beifall bei der CDU)

Leider hat kein einziger meiner drei Vorredner diesen Satz, überhaupt diesen Gedankengang, verfolgt. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Er liegt Ihnen vielleicht auch wirklich fern, das ist das Erschreckende, das Traurige. Sie müssen die Grundlage in einer guten Bildungspolitik legen, davon, das wissen wir, verstehen Sie auch nicht so viel. Sie haben dann eine gute Ausbildung anzuschließen und dann die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das sind große Defizite der bremischen Politik, und die haben Sie als Sozialdemokraten im Wesentlichen zu verantworten. Da können Sie lamentieren, solange Sie wollen.