Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

Bremen unterstützt Bündnisse „Vermögensteuer jetzt“ und „Umfairteilen – Reichtum besteuern“!

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 11. Oktober 2012 (Drucksache 18/602)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Strehl.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort hat der Abgeordnete Rupp.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt in Bremen zwei außerparlamentarische Bündnisse, die unserer Meinung nach sehr sinnvoll sind. Das ist erstens die Initiative „Vermögensteuer jetzt“, die von Herrn Professor Dr. Friedhelm Hengsbach vom Nell-Breuning-Institut, Professor Dr. Rudolf Hickel, den ich hier nicht gesondert vorstellen muss, weil er hier aus Bremen kommt und zur Arbeitsgruppe „Alternative Wirtschaftspolitik“ gehört, und Professor Dr. Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ins Leben gerufen wurde. Diese Initiative wird mittlerweile auch parteiübergreifend von der SPD, den Grünen und der LINKEN unterstützt.

Es gibt zweitens das Bündnis „Umfairteilen“ mit einer ähnlichen Zielrichtung, in dem Attac, Gewerkschaften und andere soziale Initiativen und Wohlfahrtsverbände sich mit der Frage auseinandersetzen: Ist der Reichtum in diesem Land eigentlich fair verteilt oder nicht? Sie kommen zu dem Schluss, dass man, wenn man viele Probleme lösen will, diesen Reichtum fair verteilen muss. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wir haben den Antrag gestellt, dass die Bremische Bürgerschaft der Initiative „Vermögensteuer jetzt“ beitritt und dass sie die Forderungen des Bündnisses „Umfairteilen“ unterstützen soll. Wir sollten noch einmal schauen – insbesondere nach dem Wahlergebnis in Niedersachsen, das ja für Rot-Grün eher positiv ausgefallen ist, positiver als für uns –, ob es eine Chance gibt, Dinge, die man angekündigt hat, wahr zu machen und noch einmal im Bundesrat initiativ zu werden.

Warum brauchen wir diese Unterstützung? Erstens, weil wir unserer Meinung nach auf jeden Fall eine Vermögenssteuer eingeführt werden muss!

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt einen interessanten Armuts- und Reichtumsbericht. Das kann ich hier nur noch einmal wiederholen, und vielleicht ist es dann irgendwann so, dass die Fakten auch alle Skeptiker oder Lacher überzeugen: Seit 1972 hat sich das Nettovermögen der privaten Haushalte von ungefähr 4,6 Billionen Euro auf 10 Billionen Euro erhöht.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Bei mir zu- hause nicht!)

Dann waren Sie möglicherweise nicht artig und haben nichts abbekommen.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ach so, dann steht ja fest, wo es ist!)

Ich weiß es nicht, aber der Armuts- und Reichtumsbericht kommt ja von der Bundesregierung, und das ist ja nicht aus den Fingern gesogen oder irgendeine Form von Propaganda, sondern bittere Realität.

Wir wissen auch, dass es in den unteren Einkommensgruppen in diesem Land zu einem Reallohnverlust gekommen ist. Wir wissen auch, dass Bund und Länder in einer Weise verschuldet sind, dass sie die notwendigen Ausgaben nicht mehr tätigen können. Eine wesentliche Ursache dafür sind die Steuererleichterungen der letzten 20 Jahre, die Einnahmeverluste seit 1998, vielleicht auch seit Helmut Kohl, der damit angefangen hat, aber zu den wesentlichen Einkommensverlusten ist es seit 1998/2000 gekommen, also seit 14 Jahren. Das sind Einnahmeverluste von ungefähr 150 bis 200 Millionen Euro pro Jahr für Bremen, je nachdem, wie man es rechnet. Deswegen ist es zwingend notwendig – und es gibt ja auch eine relativ breite Einigkeit –, eine Vermögensteuer einzuführen.

Nur um die Größenordnung einmal klarzustellen: Wenn man ein Prozent Vermögensteuer bei einem Freibetrag ab einer halben Million Euro einführen würde, führte das für Bremen zu circa 150 bis 200

Millionen Euro Mehreinnahmen pro Jahr. Das hat im Juli 2009 ein Institut ausgerechnet. Wichtig ist also die Wiedereinführung der Vermögensteuer, damit wir eine Chance haben, unsere Ausgaben auch in Zukunft vernünftig zu gestalten, und damit der Reichtumszuwachs und die Geschwindigkeit, mit der Reichtum wächst, begrenzt wird.

Warum wollen wir gern, dass Bremen sich dieser Initiative anschließt? Weil selbstverständlich viel Überzeugungsarbeit notwendig ist, um deutlich zu machen, dass höhere Steuern notwendig sind! Es muss Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit nicht Menschen, die jetzt schon zu wenig Geld haben, nämlich die unteren Einkommensschichten, denken, dass sie auch von einer solchen Erhöhung betroffen sind. Es ist nicht so einfach, einen differenzierten Sachverhalt in der Öffentlichkeit darzustellen. Es wird sehr leicht wahrgenommen, dass man, wenn man sagt, wir wollen eine Vermögensteuer, viele, die eigentlich gar kein Vermögen haben, selbstverständlich Angst haben, dass sie davon auch betroffen sind. Deswegen ist es umso wichtiger, dass außerhalb der Parlamente Initiativen und einzelne Persönlichkeiten sagen, erstens, wir brauchen die Vermögensteuer, und zweitens, wen sie trifft.

Ich denke, weil die Bremer Parteien in ihrer Mehrheit auch finden, dass eine solche Vermögensteuer notwendig ist, ist es ein guter Schritt, wenn wir als Parlament sagen, einer solchen außerparlamentarischen Initiative treten wir bei. Wir befinden uns da auch in guter Gesellschaft. Eine ganze Reihe von Kommunen – Marburg, Gießen, Göttingen, Duisburg und so weiter – haben das schon getan. Ich denke, wir können uns als Parlament einer solchen Initiative anschließen.

Wir unterstützen einerseits die Kolleginnen und Kollegen außerhalb des Parlaments in ihrer Überzeugungsarbeit – Notwendigkeit der Vermögensteuer und wer sie bezahlen muss –, andererseits helfen wir uns, einen entsprechenden Druck auf die Bundesregierung auszuüben, die dann diese Vermögensteuer wieder einführen muss.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine persönliche Vorbemerkung: Ich sehe heute ein bisschen schlecht aus. Machen Sie sich keine Sorgen, es geht schon! Ich bitte aber ein bisschen um Verständnis.

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Wie sieht der andere aus?)

Ich habe zu Herrn Senkal gesagt, es war kein Besuch in Huchting, sondern nur beim Zahnarzt!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Und wie der jetzt aussieht!)

Ich möchte einen kleinen Umweg machen und mit neuen Nachrichten aus dem „Ministerium für Wahrheit“ beginnen. Sie, die Älteren, erinnern sich noch an George Orwells „1984“, es ist eine Weile her, aber leider nicht vorbei. Die neue Nachricht ist, man muss sich ansehen, was nicht in den Verlautbarungen der schwarz-gelben Bundesregierung steht, und dann erfährt man die Wahrheit. In dem neuen Armuts- und Reichtumsbericht, der immer noch nicht veröffentlicht ist, wird nicht mehr der folgende Satz stehen: „Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt.“ Genau das ist aber die Wahrheit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

In diesem Regierungsbericht steht nicht mehr der Satz: „Die Einkommensspreizung hat zugenommen.“ Genau das ist aber die bittere Wahrheit! Getilgt ist auch der Satz, dass das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung dadurch verletzt und der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet werde. Auch das ist die Wahrheit, und diese Wahrheit ist am Sonntag eindrucksvoll bestätigt worden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das „Ministerium für Wahrheit“ hat uns gleich mitgeteilt, dass dieser wegen der aufmerksamen Presse misslungene Versuch der nachträglichen Beschönigung und Vertuschung ein ganz normaler Vorgang sei. Das ist auch schön zu wissen.

Tatsache ist, meine Damen und Herren, dass genau die Sätze, die nicht mehr im Bericht stehen, die Wahrheit in der heutigen Gesellschaft beschreiben. Wir wollen sie nicht auf dem Papier vertuschen, sondern wir wollen sie in der Realität verändern, und zwar durch die Einführung flächendeckender Mindestlöhne, durch Steuerreformen bei Einkommen, bei Vermögen, bei Erbschaft, die die Stärkeren stärker belasten und die wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft bekämpfen. Das ist unser politisches Programm gegen diese Tatsache.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich habe gelesen, dass die Konservativen sagen, es wäre doch ganz verkehrt, die Schwachen dadurch zu stärken, dass man die Starken schwäche. Ich finde, es ist vollkommener Unsinn zu glauben, dass diese Gruppe, um die es geht, geschwächt würde, wenn

sie ein wenig mehr Steuern bezahlt. Das Gegenteil ist der Fall!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Moralisch wären sie eher gestärkt!)

Ich finde, das ist ein guter Vorschlag, um diese Gruppe ein Stück weit aus ihrer Parallelwelt zurückzuholen, und eine Gesellschaft mit weniger Ungleichheit ist insgesamt lebendiger, innovativer und glücklicher.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das wiederhole ich hier noch einmal. Schauen Sie nur nach Skandinavien! Wir Grünen sagen, dass wir das durch die kommenden Wahlen verändern wollen. SPD und LINKE haben bei den konkreten Forderungen ähnliche Positionen.

Der Senat der Freien Hansestadt Bremen arbeitet bereits seit langer Zeit sehr konkret auf dieser von uns mehrfach in der Bürgerschaft festgelegten Linie. Aber, und da komme ich jetzt zu Ihrem Antrag, Herr Kollege Rupp, wir sind das Parlament eines Bundeslandes und keine Bürgerinitiative. Wir nehmen Einfluss auf den Wegen, die in der föderalen Ordnung vorgesehen sind, und seit Sonntag, ich sage es noch einmal, mit etwas mehr Erfolgsaussichten.

Die Bremer Grünen haben sich als Partei an der Aktion des Bündnisses „Umfairteilen“ im September aktiv beteiligt, aber als Partei. Es steht auf einem anderen Blatt, jedem Mitglied des Hauses steht es frei, den Aufruf dieser prominenten Personen, „Vermögensteuer jetzt“ als Person und in seiner Funktion zu unterstützen, aber auch das steht auf einem anderen Blatt, aber nicht als Parlament und nicht als Senat, denn wir sind Verfassungsorgane und in die föderale Ordnung eingebunden.

Das ist der Weg, auf dem wir Politik machen. Wir sind eben keine Bürgerinitiative. Es geht Ihnen ja erklärtermaßen, Sie schreiben das ja selbst in Ihrem Antrag, um einen Effekt. Diesen Effekt werden wir nicht mitmachen. Wir machen reale und praktische Politik, das ist viel besser. – Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Piontkowski.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manche Anträge werden nicht dadurch besser, dass sie in regelmäßigen Abständen in der einen oder anderen Form wiederholt werden.

(Beifall bei der CDU)

Das letzte Mal haben wir im Juni letzen Jahres über die Forderung der LINKEN nach der Einführung einer Landesvermögensteuer gestritten. Es geht nun wiederum um die Vermögensteuer. Ich habe Ihren Antrag wohl gelesen, nicht nur einmal! Auch im Bundestag sind Sie mit Ihrem Antrag nach einer fünfprozentigen Vermögensteuer gescheitert. Mit Ihrem Antrag haben Sie nur ein einziges Ziel, und zwar Neiddebatten in der Bevölkerung zu befördern und die Gesellschaft damit zu spalten.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Als ob sie das nicht schon wäre, die Gesellschaft!)

Bereits jetzt tragen die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher mehr als die Hälfte der Einkommensteuerlast.