Protokoll der Sitzung vom 20.02.2013

Herr Präsident, meine sehr

verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank für diese Debatte. Ich will eingangs darauf hinweisen, dass es natürlich aus Sicht des Senats ausgesprochen ärgerlich ist, dass das Geld nicht in vollem Umfang ausgeschöpft wird.

Es ist allerdings in der Debatte auch schon deutlich

geworden, dass der Handlungsspielraum Bremens

und Bremerhavens bei der Ausgabe der Mittel aus gesprochen eingeschränkt ist, dass wir mit dem Jobcenter ein Stück weit der verlängerte Arm dessen sind, was bundespolitisch geplant und gewollt ist, was in einer in Teilen überbordenden Bürokratie und zu vorsichtiger Planung zum Ausdruck kommt, was sich darin verdeutlicht, dass man so tut, als könne man die Arbeitsmarktsituation, insbesondere die Situation der Menschen im SGB-II-Bezug, in Bremen und Bremerhaven mit der von Menschen in Stuttgart oder in München vergleichen, sodass also der Versuch unternommen wird, das weiter durchzutragen, was durch die Instrumentenreform schon in die falsche Richtung geschoben worden ist. Insofern ist das eine ausgesprochen bedauerliche Situation für Bremen und Bremerhaven und für die Menschen, denen wir mit diesem Geld helfen könnten, und deswegen ist das auch durch nichts zu rechtfertigen.

Ich will allerdings auch darauf hinweisen, und

das ist in der Debatte schon deutlich geworden, Bremen befindet sich bei der Mittelausschöpfung im Mittelfeld, auch daran sieht man, dass es kein bre menspezifisches Problem ist. Mein Haus hat in den vergangenen Jahren frühzeitig immer wieder darauf hingewiesen, dass präziser geplant und ausgeschöpft werden muss, dass es von hohem Interesse ist, dass wir die Förderinstrumente so ausrichten – und darum muss es gehen –, dass sie pass- und zielgenau bei den Menschen, für die sie eigentlich da sein sollten, ankommen und nicht nur da sind, um so zu tun, als würde man weiter eine aktive Arbeitsmarktpolitik vonseiten der Bundesregierung betreiben und alles daraufhin ausrichten, dass das Geld dann nicht aus geschöpft werden kann.

Insofern ist der Vorwurf, der hier von Herrn Rupp

erhoben worden ist, der auch in der Formulierung, warum Bremen und Bremerhaven das Geld zurück geben, impliziert ist, dass wir nämlich aktiv Geld zurückgeben würden, falsch. Wir wollen das Geld nicht zurückgeben, allerdings ist es so, dass die Ein flussmöglichkeit der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven als Mitträger des Jobcenters einge schränkt ist. Für die Aufsicht über den Mittelabfluss ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig.

Herr Senator, gestatten Sie eine

Zwischenfrage des Abgeordneten Rupp?

Nein! Im Moment nicht, Herr

Rupp!

Deswegen ist es höchst bedauerlich, dass wir bisher

die Mittel nicht ausschöpfen konnten.

Es ist in der Debatte schon deutlich geworden,

und ich glaube, dass man das auch noch vertiefen muss, weil es nämlich schon darum geht, sehr prä zise auf die Anwendung der Förderinstrumente zu schauen und sich auch anzusehen, dass durch die

Instrumentenreform – der Kollege Reinken hat da rauf hingewiesen – ein Teil der Instrumente durch überbordende Bürokratie schlicht praxisuntauglich geworden sind, und sich ebenfalls anzuschauen, dass zum 1. April 2012 die Instrumentenreform in Kraft getreten ist und eine ganze Reihe von förderrecht lichen Fragen im Detail noch nicht geklärt waren.

Stellen Sie sich einmal vor, in den Jobcentern sitzen

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und denen kann man keinen Vorwurf machen –, die einerseits Geld ausgeben sollen, sie sollen etwas für beschäftigungs lose Menschen in Bremen und Bremerhaven tun, und andererseits haben sie noch nicht den förder rechtlichen Rahmen und die Ausprägungen, um die Mittel entsprechend einsetzen zu können. Darüber hinaus waren prozesstechnische Anpassungen und ein erhöhter Schulungsbedarf für diese Mitarbeite rinnen und Mitarbeiter notwendig, und das zeigt, in welchem bürokratischen und übersteuerten Umfeld wir uns befinden.

Wenn Sie dann zwei ganz konkrete Themen be

trachten, dann war es in Bremerhaven beispiels weise so, dass nicht in allen Fällen die geplanten Bildungsgutscheine realisiert werden konnten, weil beispielsweise Träger im Bereich der Altenpflege und der Erzieherinnen und Erzieher nicht in der Lage waren, kurzfristig ihre Kapazitäten aufzumachen. Auch das zeigt, dass wir ein Stück weit ein Mismatch zwischen dem haben, was auf der einen Seite ge wünscht und auf der anderen Seite gefordert wird, nämlich Bildungsgutscheine auszulegen. Wenn wir aber durch Planungsunsicherheiten auf der Seite der Träger dann nicht die entsprechenden Kapazitäten haben, kann man diese Bildungsgutscheine nicht am Markt platzieren.

Wenn Sie sich dann anschauen – auch das The

ma der Förderzentren ist bereits in der Diskussion angesprochen worden –, die Förderzentren sind ausgesprochen kostenintensiv, sie sind allerdings erst später eingerichtet worden, und auch das spie gelt sich dann natürlich bei der Mittelausschöpfung wider. Das Gleiche gilt bei der Nachfrage nach dem Einstiegsgeld und den Eingliederungszuschüssen, die nach Informationen des Jobcenters Bremen erst im vierten Quartal 2012 den Erwartungen entsprachen.

Sie sehen daran, dass es Notwendigkeiten gibt,

die Instrumente zu schärfen, die Instrumente auch im Zusammenwirken mit den Jobcentern und unserem Partner, der Bundesagentur für Arbeit, zu schärfen und darauf hinzuwirken, dass unser hohes Interesse in Bremen nicht der Grundsatz ist, der auf Bundesebene vorherrscht, nämlich bei den Arbeitslosen zu sparen und das bei der Arbeitsmarktförderung als oberstes Prinzip gelten zu lassen, sondern unser festes Ziel ist es, zu aktivieren und deswegen auch die Mittel aktiv einzusetzen, um Menschen in Arbeit zu vermitteln.

Ich würde mich freuen, wenn wir die Diskussion

über die Jobcenter und über die Ausgestaltung der

Instrumente jenseits der Überschriften, die Sie, Herr Rupp, hier heute in der Aktuellen Stunde in Hülle und Fülle produziert haben, in der Deputa tion weiterführen, da, wo man dann auch konkret darauf einwirken kann, und dabei nicht aus dem Blick verlieren, dass man schon darauf hinweisen muss – und darüber kann man nicht so leicht hin weggehen, wie es der Kollege Kastendiek in der Debatte versucht hat –, dass zwei Denkschulen aufeinander treffen. Die eine Denkschule sagt, wir haben eigentlich kein Problem mehr im Bereich der Arbeitslosigkeit, das ist die der Bundesregierung, deswegen können wir Mittel zusammenstreichen und die Instrumente so stellen, dass sie am Ende kaum noch Wirkung haben.

Die andere Denkschule, und der gehören wir und

der Senat auch an, sagt, wir müssen Menschen akti vieren, weiterbilden, qualifizieren, müssen dafür die Mittel einsetzen und dürfen nicht durch überzogene bürokratische Hürden den Spargedanken in den Vordergrund stellen, sondern unser Ziel muss es sein, Menschen durch die Instrumente, die uns bei den Jobcentern zur Verfügung stehen, eine Perspektive am Arbeitsmarkt zu geben. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wir kommen nun auf Antrag

der Abgeordneten Möhle, Tschöpe und Fraktion der SPD und des Abgeordneten Dr. Güldner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu dem zweiten Thema:

Schwarz-gelbe Familienpolitik: zu schlecht,

um wahr zu sein?!

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete

Frau Garling.

Herr Präsident, mein

Damen und Herren! Es geht hier um die stolze Sum me von 200 Milliarden Euro. Das ist die Summe, die der Staat jedes Jahr zur Förderung von Kindern und Familien ausgibt.

Frau von der Leyen hat vor einigen Jahren eine Re

gierungsstudie in Auftrag gegeben, die eine KostenNutzen-Analyse vornehmen sollte. Sie hatte offenbar den Verdacht, dass die Effekte ihrer Familienpolitik nicht ausreichend sind, um Familien in ihren indivi duellen Lebensformen und -anforderungen gerecht zu werden. Die Ergebnisse liegen jetzt vor, sie sollen jedoch unter Verschluss gehalten werden. Warum, meine Damen und Herren? Weil die Ergebnisse so verheerend sind, dass sie bis zur Bundestagswahl nicht veröffentlicht werden sollen! ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ganz offensichtlich haben auch sie verstanden,

dass ihre Familienpolitik untauglich, wirkungslos und von gestern ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Eigentlich wäre es jetzt sinnvoll, sich an die Arbeit zu machen, um die dringend nötigen Korrekturen auf den Weg zu bringen. Aber was passiert? Nichts passiert! Die Bundesregierung hat Angst vor einer Wahlniederlage im September,

(Widerspruch bei der CDU – Abg. R o h - m e y e r [CDU]: Haben Sie eigentlich schon einmal die Umfragen gelesen?)

denn offenbar glaubt sie inzwischen selbst, dass die Fragen zu gerechter Familienpolitik durchaus auch Wahlen entscheiden können. Wir, die Sozialdemo kraten, glauben das übrigens auch!

(Beifall bei der SPD)

Beginnen wir aber einmal am Anfang! Im Jahr